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Laß dich gelüsten nach der Männer Bildung,
Kunst, Weisheit und Ehre!
Schleiermacher, An die Frauen.
In unserer Zeit der großen sozialen Ausgleichskonflikte fordert und erreicht die Frau dieselbe Stellung wie der Mann im Ehe- und Familiendasein, im öffentlichen und politischen Leben, das gleiche Recht auf Bildung, auf Selbstbestimmung. Die Frau braucht nicht mehr wie bisher um die Berechtigung zu kämpfen: mitkämpfen zu dürfen. Sie wird nicht mehr beiseite geschoben, sie hat und behauptet ihren Platz und füllt ihn aus, so gut sie vermag. Sie hat, was sie so lange erstrebte: eine Arbeit und eine Pflicht. Das klingt bescheiden und bedeutet doch so viel, bedeutet für die Frau oft Inhalt und Glück des Lebens.
Elementare Ereignisse wie der Krieg wirken, schon aus ökonomischen Gründen, entschieden mit, die Stellung der Frau auch da zu befestigen, wo sie schwankend erschien: in den sogenannten männlichen Berufen. Und hier hat die Frau in der Tat die stärksten Beweise ihrer Fähigkeiten geliefert. Warum sollen Frauen, denen häusliches Schalten und Walten nicht genügt oder die keine hinreichende Betätigung im Hause finden und die Luft und Kraft verspüren, sich an die lohnendere Arbeit des Mannes zu wagen, es nicht ruhig tun? Ist es doch im Grunde ein großer Segen, den Beruf zu finden, der für uns taugt und für den wir taugen, den Beruf der produktiven Pflicht, den Beruf, der innerlich befriedigt und äußerlich fördert. Von den Antifeministen ist gesagt worden, es gäbe unter den Frauen keine Genies; sie hätten weder die Ilias geschrieben, noch die Sixtinische Kapelle ausgemalt, weder den Blitzableiter noch die Buchdruckerkunst erfunden, noch Amerika entdeckt; die griechischen Tempel, die gotischen Dome, die Eisenbahnen seien von Männern gebaut und nicht von Frauen. Gewiß. Aber diese Männer sind von Frauen zur Welt gebracht, von Frauen erzogen – »Schöpferin, gebiert sie den Schöpfer.« Frauen können genial sein, nur mag ihre Genialität auf anderen Gebieten liegen als gerade im Bereich der Verstandeskräfte. Wir hatten und haben geniale Dichterinnen, Schauspielerinnen, Sängerinnen, Tänzerinnen – schöpferische Betätigungen, in denen das Seelen- und Gefühlsleben dominiert; andererseits gibt es Frauen, denen ein ausgesprochen männlicher Verstand in die Wiege gelegt wurde, und diese Naturen sind es, die in den geistigen Domänen des Mannes, wie in Mathematik und Physik, Ueberragendes geleistet haben. Und es gab weibliche Herrscher und Staatsmänner wie Katharina von Rußland und Maria Theresia von Österreich, die Königinnen Elisabeth und Viktoria von England, die einer bedeutenden Zeit ihr Wesen ausgeprägt haben. Und eine Herrscherin war auch Frau von Sévigné; sie hat eine ganze Kulturepoche regiert und in ihren Briefen historisch festgelegt. Es gibt auch Frauen, die, ohne genial gewesen zu sein und selbst Geniales geschaffen zu haben, dennoch unsterblich sind. Solche Frauen meinte Henrik Ibsen, als er sagte: »Ein Weib ist das Mächtigste auf Erden, und in seiner Hand liegt es, den Mann dahin zu leiten, wo Gott der Herr ihn haben will.« Petrarcas Laura, Dantes Beatrice, die Frauen, die das Leben Raphaels, Rembrandts, Rubens geteilt haben, die Frauen, die Goethes Wege kreuzten, die Frauen, die Richard Wagner begeistert und begeisternd umgaben.
In seinem schönen Buch » Le féminisme« äußert sich Emil Faguet zu dieser Geniefrage abwehrend so: »Handelt es sich denn um Genie? Es handelt sich darum, Prozesse zu führen, Kranke zu pflegen, Artikel und Romane zu schreiben, Literatur und Naturgeschichte zu lehren, Arzeneien in der Apotheke zu machen. Dazu war noch niemals Genie nötig. Die Frauen verstehen das ebensogut wie die Männer.« – »Die Geniefrage«, sagt er weiter, »reduziert sich auf folgendes: einige Männer, zwanzig in zwanzig Jahrhunderten, waren allen Frauen überlegen, zugegeben, zum Ruhme des männlichen Geschlechts, aber das ist kein Hinderungsgrund für alle Frauen, denn eine so unendlich winzige Ausnahmezahl beweist nichts für die Allgemeinheit, an Intelligenz allen Männern gleich zu sein. In dem unermeßlichen Raum, der vom Genie (das man aus dem Spiel lassen kann) bis zur Dummheit läuft, sind alle Frauen einfach allen Männern gleich … Verbietet den Frauen, die Funktionen auszuüben, die Genie verlangen, und dann sucht die von den Männern ausgeübten Funktionen, die Genie verlangen. Vielleicht Apotheker oder Schullehrer? Oder Justizminister oder Präsident der Republik?« (Wir haben neuerdings die Erfahrung gemacht, daß man sogar Kaiser sein kann, ohne die geringste Begabung dafür zu haben.) Schließlich soll jede Frau mit ihrem Talent machen, was sie will und kann. Sie soll nur etwas machen. Am Ende läuft die ganze Sache auf die gegenseitige Ergänzung der Geschlechter hinaus. Um die allgemeinen Kulturaufgaben zu lösen und die sozialen Notwendigkeiten zu erfüllen, dazu bedarf es keiner Genialitäten. Trägt jeder und jede ihr Teil dazu bei, so werden wir, wenn auch nicht in der besten der Welten, so doch in einer erträglichen leben.
Vor fünfzig Jahren etwa gab man den jungen Mädchen die sogenannte allgemeine Bildung, d. h. also eine Bildung, die keine war: sie bestand in der beschränkten Anhäufung leicht erraffbaren Wissens. Im übrigen war die Beschäftigung des jungen Mädchens, auf den Mann zu warten; es hatte also auch eine Beschäftigung, die keine war. Studieren, tätig sich ums Gemeinwohl zu bemühen, praktisch ins Leben einzugreifen, wie es z. B. die jüngere und ältere Dame der französischen Bourgeoisie immer getan hat, – das galt als unweiblich, und gar Geld verdienen wollen, das galt schlechthin als unschön und beschämend. Höchstens wurde ein bißchen gezeichnet und gemalt oder gesungen und Klavier gespielt, alles dilettantisch, ohne Gründlichkeit, ohne das Ziel, vielleicht sein Leben auf diesen schönen Dingen aufbauen zu können, vielmehr nur um die aufgezwungene Wartezeit auf eine poetische Art auszufüllen.
Ist aber heutzutage von einem jungen Mädchen die Rede, so fragt man: was tut sie? Und wenn sie nichts weiter tut, als Sport treiben, in Gesellschaft gehen und Kleider anprobieren, so weiß man, was von ihm zu halten ist. Von einem jungen und gefunden weiblichen Menschen wird erwartet, daß er im wahrsten Wortsinne ein nützliches Mitglied der menschlichen Gemeinschaft werde, daß er seine relative Kraft zum eigenen und zu der anderen Nutzen verwerte. Überdies gibt es heute nicht allzu viele Eltern, die sich den Luxus gestatten dürfen, ihre Kinder müßig gehen zu lassen.
»Ich schreie nach Betätigung«, sagte mir ein junges Mädel nach Ausbruch des Krieges. Die Arbeit in den Kriegsküchen genügt ihr nicht, weil die »auch andere machen können und ein halbes Dutzend Frauen die Arbeit verrichten, die eine machen kann«. Sie geht nach Belgien und leitet über ein Jahr, als einzige Schwester, ein Soldatenheim. Ist wirklich »die Schwester« für die Soldaten, die Erfüllung eines Traumes. Macht den vierzehntägigen Rückmarsch an der Seite der Soldaten zu Fuß mit. Jetzt ist sie Elevin auf einem Gut; »weil alle in der Stadt bleiben möchten und niemand aufs Land will,« tut sie Feldarbeit, melkt sie Kühe, buddelt sie Kartoffeln, sticht sie Torf. In einem robusten Körper birgt sich ihr eine feine, reizsame Seele, die sich jedoch nur am Abend vorwagt, die Schönheiten der Natur zu bejubeln, denn »am Tage bewahrt einen die Arbeit doch vor allzuviel sehender Hingabe«. Dies ist der Typ eines modernen, wahrhaft frei gewordenen jungen Mädchens, aus dem einmal die wahre junge Frau wird, die die Berufung hat, ihre Kinder zu tüchtigen Zukunftsmenschen zu erziehen. Des Mädchens Mutter freilich, eine Dame in hoher gesellschaftlicher Stellung, kann immer noch nicht ihr leises Bedauern unterdrücken, daß die Tochter so wenig höhere Tochter sei.
Weibliche Naturen solchen Schlages werden nicht plötzlich in der Ehe mit einem Mann des praktischen Lebens entdecken, daß sie zu Höherem geboren sind; sie werden vielmehr mit Ueberlegung Umschau halten und mit Vorsicht versuchen, ihre Gaben, ihre Zeit und die Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen, so nutzbringend anzulegen, daß sie über den engeren Kreis des Hauses eine menschlich-schöne Wirksamkeit entfalten können. Und gerade die Frau, die durch die glückliche Situation ihres Gatten in Wohlstand und Wohlleben gebettet ist und sich vielleicht mit dem Beruf einer guten Wirtin begnügen könnte – eine solche Frau kann am ehesten dahin wirken, daß vom Reichtum ihres Mannes ein gemessen Teil der Masse zugute kommt. Eine solche Frau wird nicht mit ihrer eigenen Zufriedenheit zufrieden sein – sie wird, von Mitleid ergriffen für die, die im Schatten leben, zu helfen und trösten versuchen, wie und wo sie vermag. Es gibt Frauen, denen solche Konzessionen an das Glück sehr leicht geworden, ja, als etwas Selbstverständliches erschienen sind; sie haben Waisenhäuser und Krankenhäuser und Altersheime begründet und andere Stiftungen verwirklicht, die das Allgemeinwohl förderten; sie haben sozial ebensosehr ihre Pflicht getan wie jene herberen Kämpfernaturen, die das Recht der Frau durchgesetzt haben.
Schlimmer noch als jene weiblichen Snobs, die sich etwas ganz Besonderes dünken und die über ihren im Lebenskämpfe stehenden Mann hinwegsehen, weil sie irgendein Talentchen in sich entdeckt, etwa fürs Theaterspiel oder für die Musik oder für die Malerei, die sich aus Modebüchern etwas angelesen haben und darüber plappern können – schlimmer ist die Sorte der unverstandenen Frau, die freilich in unserem arbeitsharten Zeitalter auf den Aussterbeetat gerückt ist. Es sind Frauen, die trotz ihrer Unverstandenheit sehr leicht zu verstehen sind. Felix Salten erzählt in seinem Buch »Die Frau im Spiegel« von einem jungen Mädchen: … »und sie wird eines Tages heiraten, weil der Mensch doch irgendjemand haben muß, von dem er unverstanden bleibt.« Nein, diese Unverstandenheit ist nichts anderes als Auswuchs der Langeweile; nur vornehme Luxusdamen fühlen sich unverstanden. Zu dumm, wenn die Unverstandene von jedem Laffen, der mit ihr flirtet, sich plötzlich verstanden glaubt.
Ich will die schaffende Frau. Das erste Talent, das sie mitbringen muß, zu welchem Beruf es auch sei, ist die Ausdauer. Jenes Unlogische, Sprunghafte, das ihr sonst so reizend steht, soll sie für die Forderungen des Alltags ausschalten. Eine tätige Frau ist auch natürlich jene, die ihren Beruf als Hausfrau und Mutter sehr ernst nimmt und von ihm ausgefüllt wird; sie ist die rüstige Sekundantin ihres Mannes und wird später ihren Töchtern, wenn sie eigene Wege gehen und freie Berufe wählen, kein Hindernis in den Weg legen; sie wird die besondere Mentalität ihres Kindes verstehen und fördern. Die Frau als Artbildnerin ist auch eine Frau der Tat.
Es wird oft bezweifelt, daß jene Frauen, die z. B. den Künstlerberuf gewählt haben, gute Hausfrauen sein können.
Dieser Zweifel ist ohne tiefere Berechtigung. Ein begabter Mensch ist nicht nur auf einem Gebiete leistungsfähig. Ich für mein Teil habe immer beobachtet, daß Künstlerinnen im allgemeinen mehr leisten als andere Frauen, weil sie einfach mehr leisten müssen, und weil schon der Beruf zur Disziplin, Pünktlichkeit, Zeiteinteilung erzieht. Das Haus und das häusliche Walten ist ihnen oft der schönste Lohn ihrer Arbeit. Sie denken: ach, könnte ich doch all dem mehr Zeit widmen, wie schön das wäre! Sie genießen jede müßige Stunde, jeden freien Abend, die Ferien doppelt. Freunde zu bewirten, ist ihnen ein um so größeres Vergnügen, als sie es sich nicht so oft wie andere Frauen gönnen dürfen. Häufig hatte ich Anlaß zu bewundern, was diese Frauen neben ihrer künstlerischen Wirksamkeit sonst noch vor sich bringen. Käte Kollwitz übt praktische Sozialpolitik als Helferin ihres Mannes, eines Arztes, der sich im Norden Berlins unter den Armen und Beladenen niederließ. Sie fühlt sich beglückt als Hausfrau und Mutter. Paula Eberty erzieht ihre Kinder vortrefflich, steht rührig dem Küchenwesen vor und arbeitet auf ihrem Grundstück am Scharmützelsee für drei Gärtner. Rosa Bertens ist die minutiöseste Hausfrau und eine Kochkünstlerin ersten Ranges. Tilla Durieux macht artistisch hochstehende Handarbeiten, pfuscht als Schöpferin von Kostümen den selbstbewußtesten Schneidern ins Handwerk und kann überhaupt alles, was sie will. Irene Triesch ist eine vorbildliche Mutter. Else Lehmann ist so sehr Hausfrau, daß sie immer von der Furcht besessen ist, ihre Gäste könnten nicht satt werden. Sie kocht kolossale Rationen. Einst erzählte sie mir: »Ich hatte für zwölf Personen zwei Gänse und zwei Schinken und mit der Cumberlandsauce hätten Sie können die ganze Wohnung aufwischen!« Entschiedene Küchentalente betätigt auch Lucie Höflich. Ihr Ehrgeiz ist, die beste, saftigste Rinderbrust in Berlin ihren Gästen vorzusetzen. Therese Vogl, die große Wagnersängerin, betrieb die Landwirtschaft nach allen Regeln der Wissenschaft. Suzanne Desprèz wurde bei ihrem Berliner Gastspiel – lang, lang ist's her – sehr viel eingeladen und sagte immer ab. Als eine Familie mit Bitten drängte, sie möchte doch wenigstens zum Tee kommen, schrieb sie kurz: »Ich bin eine Arbeiterin und keine 5 o'clock-Geherin.« Und ging nicht. In ihrem Pariser Heim aber entwickelt sie alle Tugenden der Hausfrau.
Die ganze Frage ist natürlich nur individuell zu entscheiden. Es gibt auch Künstlerinnen, denen diese bourgeoise Eignung durchaus abgeht. Hier muß ich an Auguste Wilbrandt-Baudius denken, die beiläufig erzählte: »Adolf war in manchen Dingen so merkwürdig. Wenn er Gäste mitbrachte, und ich hatte gerade kein reines Tischtuch, wurde er immer wütend.« Von anderen Künstlerfamilien berichtet man, daß die Gäste ihr Essen selbst mitbringen mußten oder auf die Suche nach Eßbarem geschickt wurden. Diese Gegenbeispiele sind ganz lustig, wollen aber nichts beweisen gegen das praktische Streben der kunstübenden Frau über ihre eigentliche Tätigkeit hinaus. Jenen Künstlerinnen, die ich nannte, und vielen anderen ist der Beruf ihr Leben, aber auch das Leben ist ihnen ein Beruf.
Eine der beliebtesten Entschuldigungen der weiblichen Kreatur ist diese: »Ich habe mir nichts dabei gedacht!« Als ob es nicht schon an sich ein großer Fehler wäre, nicht nachzudenken. Gerade was den sozialen Kampf angeht, möchte ich die junge Frau ermahnen, sich umzuschauen und nachzusinnen. Sie braucht nicht einmal die Schwelle ihres eigenen Hauses zu überschreiten. Ich kenne grauen, die sozial ungeheuer rührig sind, auch Geld fürs Allgemeinwohl übrig haben – zu Hause aber sehen und hören sie nicht, was um sie her vorgeht; ihre Dienstboten werden schlecht ernährt und fühlen sich unglücklich, die Frau hat beständigen Personalwechsel und sucht überall den Grund, nur nicht da, wo er wirklich zu finden ist: in sich selbst. Sie hat wenig Verständnis für die Leute, die unmittelbar von ihr abhängen. »Der Arbeiter soll seine Pflicht tun, der Arbeitgeber soll mehr tun als seine Pflicht«, ermahnt die Ebner-Eschenbach.
Eine Friseurin erzählte mir neulich von einer Dame, die recht weit von ihr entfernt wohnt, zu der sie bei Wind und Wetter gehen mußte und bei der sie oft verfroren und durchnäßt ankam: niemals aber hat diese Dame ihr auch nur einen Schluck Kaffee oder sonst etwas Warmes oder ein Stück Brot angeboten, ja sie hat die arme Person oft lange warten lassen, weil sie selbst – erst frühstücken mußte. Diese junge Frau war nicht etwa schlecht – sie hat sich nur nichts dabei gedacht.
Auf dem Kurfürstendamm feiert man Hochzeit. Der Portier und seine Frau, die Schneiderin, die Maniküre, die Mutter und Tochter behandelt, werden von den Damen des Hauses zur Besichtigung der Geschenke und der prunkvoll hergerichteten Hochzeitstafel eingeladen. Die Braut zeigte mit besonderer Freude eine mit feinen Pralinés gefüllte silberne Schale, die sie von ihrem Bräutigam erhalten hat. Alles, alles mußten die guten Leute ansehen und bestaunen – angeboten wurde ihnen nichts. Sie durften, wie der Berliner sagt, nur in die Röhre gucken. Grund: jene Frauen haben sich nichts dabei gedacht. Wohl aber haben sie daran gedacht, die Leute aufzufordern – das heißt, sie hatten nur den Gedanken, um Bewunderung zu buhlen.
In einem anderen Hause wird viel Bridge gespielt. Die Näherin, die zehn gehäufte Kuchenkörbe für die Damenkaffeetafel an sich vorüberziehen sieht, wird selbst mit einer städtischen Musstulle abgespeist. – Der Vorstand eines Säuglingsheims erzählte mir neulich aus seinen Erlebnissen, daß einige sehr wohlhabende Damen, die noch jetzt in jeder Saison viele Tausende für Kleider und Mäntel ausgeben, ihren Austritt aus dem Verein erklärt haben, mit der Begründung, sie könnten in dieser schweren Zeit den Beitrag nicht mehr zahlen. Den Beitrag von zwanzig Mark …
Diese Unterlassungssünden, deren Beispiele ich aus eigenen Beobachtungen vermehren könnte, sind eine Art Verbrechen.
Stark politisierten Frauen mögen meine Anmerkungen vielleicht etwas spießbürgerlich und simpel erscheinen; aber schließlich lassen sich auch ihre energischeren, weiter ausholenden und durchgreifenderen Gedankenreihen nur auf die einfach-menschliche Forderung zurückzuführen: Sei gütig.