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Die Frau ist in dem Maße glücklich, als
sie ihre Liebe nahestehenden Menschen zuwenden
kann; wenn sie das nicht kann,
dann mag sie nützlich, resigniert, zufrieden
sein, aber niemals glücklich.
Ellen Key.
Aufgaben der Frau sind nach diesem Kriege verantwortungsvoller, ihre Arbeit ist größer und schwerer geworden. Die stolz-bescheidene Schönheit des Nietzschewortes: »Das Leben ist mir leicht geworden, am leichtesten, wenn es das Schwerste von mir verlangte«, an sich zu erproben und gleichzeitig daran zu erstarken, hätte die junge weibliche Generation oft Veranlassung. Die Ehe, die Familie hat eine neue, tiefer beglückende Wertung und Bedeutung erfahren. Die Sehnsucht nach dem Heim wuchs in den Heimkehrenden – sie rief den Wunsch nach jener Geborgenheit wach, die nur im Schoß der Familie zu finden ist. Liebe bedeutete ihnen Sicherheit des menschlichen Glücks, und als Sendung der Ehe erkannten sie: Liebe zu geben und zu empfangen.
Die gesellschaftliche Befreiung, von der Frau erkämpft, gereicht ihr, auch in ihrem weiblichsten Wirkungskreis, dem häuslichen Reich, zu größtem Nutzen. Weit mehr als in einer Atmosphäre des Wohllebens und des Luxus kann die junge Frau in einfacher und bescheidener Lebensführung dokumentieren, was sie geistig, seelisch und ethisch wert ist. Müssen sich jetzt doch junge Ehepaare, auch wenn sie in gesichertem Besitze leben, mit einer kleinen Behausung, mit den notwendigsten Räumlichkeiten behelfen lernen. Eine vortreffliche Schule für die junge Frau, eine willkommene Gelegenheit, ihre Fähigkeit für Ausschaltung alles Ueberflüssigen, für praktische Einteilung des Vorhandenen, für Anschaffung des rein Zweckdienlichen, für Auswahl dessen, was ohne beträchtlichen Geldaufwand zu erlangen ist, täglich zu erproben und zu entwickeln. Jeder Einfall, die Dinge, über die sie verfügt, auf eine anmutige Art zu verwenden, der kleinste Gegenstand, den sie selbst angefertigt hat, wird ihr mehr Freude gewähren, als je alle die kostbaren Geschenke imstande waren, die ihr in den Schoß fielen. Sie wird den Segen des rührigen Wirkens, die Seligkeit des schöpferischen Menschen an sich selbst erfahren. Und wird fröhlich und beschwingt weiterarbeiten. Und was sie leistet, wird um so lebhafter anzuerkennen sein, je mehr man sich bewußt ist, daß ihre Vorkenntnisse für ihre eigentliche Mission nicht gerade wesentlich waren. Denn gibt es einen wichtigen Beruf, auf den das junge Mädchen wenig oder gar nicht vorbereitet wird, in den sie naiv hineintappt, so ist es der Beruf der Frau und Mutter. Mag wohl sein, daß die Schuld an dieser Tatsache ein wenig der Frauenbewegung zuzuschreiben ist – gab es doch eine Zeit, da die Frauenrechtlerinnen eine der ihren, die geheiratet und Kinder bekommen hatte, so zu beurteilen pflegten, als sei nichts aus ihr geworden.
Ich kannte einmal ein lebhaftes Kind, das in der Schule auf die Frage, was es werden wolle, unbedenklich antwortete: »Frau und Mutter!« Ein junges Mädchen wurde Bedenken tragen, diese Antwort zu geben; manche junge Damen erklären sogar, um sich die Hintertür der alten Jungfer offen zu lassen, mit krampfhafter Entschiedenheit, niemals heiraten zu wollen. Wie soll man sich auch schließlich zu einem Beruf bekennen, der einen Partner verlangt, einen Beruf also, dessen Wahl nicht von uns allein abhängt. Hinzu kommt, daß die jungen Mädchen, die Gymnasien und Universitäten besuchen, von ihren Studien vollauf in Anspruch genommen sind; für häusliche, wirtschaftliche Dinge haben sie gewöhnlich nur ein ironisches Lächeln. Wozu tun, was sie wohl tun könnten, wenn sie nur wollten, was aber andere für sie ebensogut erledigen. Zwar ist man, auch wenn man den pythagoräischen Lehrsatz beweisen kann, noch lange nicht imstande, einen Soxhlet zurechtzumachen oder ein Kind richtig zu baden. Auch kannte ich eine junge Frau, die Philosophie studiert hatte und in Kant, Hegel, Schopenhauer und Nietzsche zu Hause war, aber keine These ihrer geistigen Führer vermochte sie in solche Ueberraschung zu versetzen als die Tatsache, daß Spinat nicht so wächst, wie er auf den Tisch kommt, nämlich haschiert, und daß die grünen Blätter, die sie zufällig in ihrer Küche erblickte, Spinat vorstellen sollten.
Früher wurden die höheren Töchter, sobald die Schule sie ausgespuckt hatte, zum letzten Schliff in Pensionen der Schweiz oder Englands geschickt; als fertige junge Damen kehrten sie nach einem Jährchen, sprachgewandt und hauswirtschaftlich leis angehaucht, in den Familienkreis zurück. Das Mädchen aus der Fremde imponierte nun denen daheim gewaltig – heut aber, da wir glänzend vereinsamt und auf uns selbst zurückgeworfen sind, muß das made in Germany auch für die Erziehung der jungen Mädchen gelten. Wir haben überdies in Deutschland bewährte Frauenschulen, wo die junge Dame in den liebenswürdigsten Formen für die kommende Bestimmung dressiert wird. Ich hatte Gelegenheit, ein Mädel zu beobachten, das eine solche Lehrzeit hinter sich hatte und in schweren, dienstbotenlosen Tagen Eltern und Geschwistern eine wirkliche Stütze wurde.
Sie kochte besser als eine Durchschnittsköchin und scheute keine Arbeit; sie machte rein, wusch ab, putzte die Stiefel und erhob überdies gar keinen Anspruch auf den Achtstundentag. Sie war natürlich aus dem Holz, aus dem die guten Hausfrauen geschnitzt werden. Wenn das junge Mädchen auch nicht weiß, in was für materielle Verhältnisse sie einmal kommen wird – immer besser auf eigenen Füßen zu stehen, als auf Stelzen zu laufen: denn kein noch so großes, noch so geschultes Personal kann der Hausfrau Unkenntnis ersetzen. Auch mit den so beliebten und gern zitierten Enten, die schwimmen, wenn sie ins Wasser geworfen werden, hat es sein eigenes Bewenden. Wenn man ins Wasser geht, so ist es sicherer, man kann schwimmen. Mir steht da eine zarte, junge Frau vor Augen, die sich einst bei mir nach einem Kinderfräulein erkundigte und mir unvergeßlich blieb durch eine rührend-ängstliche Bemerkung, die sie machte. Sie fragte mich nämlich: »Ist das Fräulein auch wirklich nett, und wird sie zu mir und nicht zu den Dienstboten halten? Es ist so schrecklich: drei gegen einen!«
Der Frauen- und Mutterberuf ist nicht nur der wichtigste, er kann auch der beseligendste sein; die Fesseln, die er auferlegt, sollte die junge Frau nicht fürchten, denn diese Fesseln ketten sie zugleich an den schönsten Sinn des Lebens. Dennoch gibt es noch immer Mädchen, die nur heiraten, um frei zu sein, und die ausgesprochene Absicht haben, das Leben hemmungslos zu genießen. Ihre Devise heißt ungefähr: »Vivre c'est mon métier«. Wie die modernen, von Gleichheitsprinzipien erfüllten Amerikanerinnen, möchten sie am liebsten sich ihre Unabhängigkeit im Ehekontrakt verbriefen lassen. Ein junger Ehemann – wir waren gesprächsweise auf das Thema Kinder gelangt – sagte mir einst: »Wir wollen keine Kinder. Meine Frau hat mich mit großer Energie ersucht, ihr damit nicht zu kommen. Sie betrachtet das als ein Attentat auf ihre Schönheit«. Eine Frau mit solchen Anschauungen ist eine bedauernswerte Kreatur. Diese Ehe, die keine war, hielt nicht lange zusammen; die äußeren Gründe des Bruchs kenne ich nicht – ich sah auch nicht genauer hin. Was soll aus einem Volk werden, dessen Frauen keine Kinder zur Welt bringen wollen! Der Patriotismus der Frau äußert sich am überzeugendsten in ihrem Wunsch und ihrer Sehnsucht, Kinder zu haben. »Die Hand, die die Wiege schaukelt, regiert auch die Welt!« lautet ein alter Spruch. Er bedeutet, daß der Wille zu staatlicher Macht im Willen zur Familie ruht. Als in Frankreich die Klage über das Einkindersystem laut wurde, schrieb Zola sein mahnendes Buch »Fécondité«.
Weil sie nicht reif genug sind und nicht geistig fortgeschritten genug sind, die Bücher zu begreifen, die sie lesen, kranken viele Frauen an falsch verstandener Literatur, an einer Lektüre, die sie schnellfertig ins Leben übertragen möchten. Was haben Nietzsche, Ibsen und schließlich auch unsere Romantiker nicht alles angerichtet! Ohne sich um die Grundanschauungen und um die individuellen Motivierungen der Dichter zu kümmern, glaubten die Frauen sich nach berühmten Vorbildern ausleben zu dürfen. Und doch sind Goethes und Ibsens Frauengestalten letzten Endes große Entsagerinnen. Nora, weil sie wegging von Helmer, um erst einmal sich selber zu erziehen und unter eigener Verantwortung leben zu lernen, hatte viele Frauen in eine Art Freiheitsrausch getrieben. Wie aber stand Ibsen selbst zu dieser Frage? Da kann ich eine Geschichte erzählen, die ich persönlich erlebt habe. Einst war ich bei Henrik Ibsen, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren. Zum gleichen Zweck war Mia Holm erschienen, die lyrische Dichterin. Da trat ein reizendes Blondköpfchen von etwa acht Jahren ein, die kleine Tochter Hermiones von Preuschen, die Mann und Kind verlassen hatte und nach Rom gegangen war, wo sie mit Konrad Telmann eine neue Ehe schloß. Nachdem das Kind fort war, kam durch eine Bemerkung der Frau Holm die Rede auf abtrünnige Frauen. Und Henrik Ibsen hatte nicht gerade schmeichelhafte Worte für solche Weiblichkeiten. Da rief Frau Holm ziemlich aufgeregt: »Aber Herr Doktor, Ihre Nora geht doch auch fort!« – »Jawohl das tut sie – aber allein!« war Henrik Ibsens kalte, entschiedene Antwort.
Nicht ausleben sollen sich die Frauen – einleben sollen sie sich in den Kreis der Pflichten, die das Leben ihnen schafft. Wie intensiv die Ausdauer der Frau sein kann in der Pflichterfüllung, wie still und wie rührend sie Leid zu ertragen vermag, das hat sich während des Krieges neu erwiesen. Das alte Sprichwort »Gott hängt die größten Lasten an die dünnsten Drähte« wurde hier zur Wirklichkeit. Und das Wort der Ebner-Eschenbach, das eine entfernte Verwandtschaft mit dem Nietzschezitat hat: »Glückliche Frauen, die ein schweres Leben haben, gibt es viele«, wurde von Hunderttausenden erlebt.
Aber die Ehe ist nicht nur ein Kunstwerk, sie ist auch ein gegenseitiges großes Erziehungswunder. Das Herz der Frau ist wie ein Instrument – alles hängt davon ab, wer es spielt. Junge Mädchen, die tätig im Leben standen und so ihre Eigenart ausgebildet haben, die wissen, wenn sie vor die Ehefrage gestellt werden, sehr wohl, was sie wollen und was sie tun; anders die jungen Mädchen, die aus den Armen der sorgenden Eltern in die Arme des Ehegatten übergleiten. Ihnen kann ihr Mann Erzieher werden. Er muß es oft sogar. Daher die Ehescheu gewisser Männer. Sie fürchten die Erziehungsfrage. Aber der Mann soll sich nur nicht als den überlegenen Pädagogen fühlen; denn das Wunder kann allein aus der Gegenseitigkeit kommen. Ehe ist treue Kameradschaft. Und der Grund aller Kameradschaft ist Güte. Eine Ehe ist nur möglich, wenn beide Teile die feste Absicht haben, gut zueinander zu sein. Miteinander nicht nur hauszuhalten, sondern auch auszuhalten, sich gegenseitig Zugeständnisse zu machen und die Schwächen des anderen zu schonen. Die erste Zeit ist oft die schwierigste. Einem, der keinen Widerspruch verträgt, soll man im Konfliktsfalle nicht schroff entgegnen, sondern ihn mit leiser Hand zum Bewußtsein seines Irrtums führen. In der Ehe ist das Nachgeben keine Niederlage und das Durchsetzen des Willens kein Sieg. Verlangt einer der Gatten etwas, das der andere durchaus nicht leisten zu können glaubt, so soll er nicht gleich »nein« sagen, sondern der Sache in seinen Gedanken nachgehen. Die ruhige Ueberlegung führt oft zu nicht erwarteten Resultaten. Auch soll man bei Handlungen des anderen, die man nicht begreift, nicht gleich mißtrauisch werden und Schlimmes wittern; man soll vielmehr versuchen, sich das Unerklärliche auf anständige Weise zu erklären. Mißtrauen ist in der Ehe höchste Kränkung.
Die Hauptsache ist, daß die Menschen zueinander passen, die eine Ehe schließen, und daß sie aneinander glauben. Die Frau muß an ihren Mann glauben. Sie soll ihn nicht überschätzen und nicht unterschätzen, sie soll einfach an ihn glauben. Dieser Glaube wird seinem Schaffen Kraft und Feuer geben. Das Weib soll still sein, wenn die Muse in des Mannes Zimmer tritt; sie soll ihn auf seinem Schicksalsweg begleiten, aber sie soll ihn den Weg selber wählen lassen und Distanz zu ihm nehmen. Sie muß wissen, wann er einsam sein will. Einer unserer feinsten Zeichner gestand mir: »Als ich noch nicht verheiratet und allein war, habe ich nicht so viel gearbeitet. Jetzt, da ich verheiratet bin, brauche ich die Arbeit, um allein zu sein.«
Ein ununterbrochenes Beisammenhocken und Aneinanderkleben tut auf die Dauer nicht gut. Man muß sich entbehren können, um sich desto frischer und freudiger wiederzufinden. Man kann voneinander getrennt sein und sich doch nahe bleiben. Eine ewige Liebesleidenschaft gibt es nicht. Leidenschaften nützen sich ab; sie halten nicht ein ganzes Leben vor. Aus Leidenschaft muß Freundschaft werden. In langsamer Entwicklung bereiten sich andere, weniger romantische, aber dafür nicht weniger menschliche Eigenschaften vor, als Ersatz, wenn einst die Jugend Abschied nimmt.
Es ist immer die wahre Rolle der Frau gewesen, Versteherin und Helferin zu sein und, selber schwach, die Starken zu stützen. Ein schönes Wort schrieb Michelet: »Es ist eine Mission der Frauen, die noch bedeutsamer ist als selbst die Mutterschaft: das Herz des Mannes mit neuer Kraft zu erfüllen. Er beschützt sie und ernährt sie; aber sie ernährt ihn zum Dank dafür mit ihrer Liebe.«
Der produktive Sinn einer Ehe besteht nicht allein darin, daß man Kinder in die Welt setzt; es kommt auf einen geistigen und seelischen Zusammenschluß an. Die Beeinträchtigung dieser höheren Gemeinsamkeit kann oft tragisch für eine Frau werden. Mir klingt noch das tief melancholische Bekenntnis einer jungen Frau im Ohr, die von ihrem Mann dauernd vernachlässigt und schließlich verlassen wurde. »Wenn der Mann uns körperlich betrügt, so ist das nicht so schlimm, als wenn ihn mit einer anderen Frau ein Seelenbund vereint – das ist das Traurigste. Ich war nicht sein wahrer Lebenskamerad.« – »Bei der Frau ist es umgekehrt,« antwortete ich ihr; »sie kann so viel Seelengemeinschaft mit anderen Männern haben, wie sie will; traurig wird es erst, wenn sie ihren Mann mit einem anderen betrügt.« Da meiner armen Freundin diese Antithese wenig Trost gewähren konnte, holte ich einen Goetheschen Vers hervor, der mir schon oft geholfen:
»Prüft das Geschick dich, weiß es wohl, warum:
Es wünschte dich enthaltsam. Folge stumm!«
Was zwei Menschen zueinander treibt, was zwei Menschen zusammenhält, läßt sich selten ergründen und begreifen. Und das ist eigentlich ein Glück, denn sonst wäre das Leben seiner schönsten Mystik entkleidet. Wie oft täuscht man sich nicht in der Beurteilung fremder Menschen! Gewöhnlich überschätzt man ihre Freuden und unterschätzt man ihre Leiden. Weil sie die Freude zeigen und das Leid verbergen. Es gibt aber auch Ehepaare, die kein Privatleben haben, die ein Publikum brauchen, um die Komödie ihrer Ehe als immer neue Sensation genießen zu können.
Wenn ein alter Mann ein junges Mädchen oder eine ältere Frau einen jüngeren Mann heiratet, so sind wir leicht versucht, solche Ehen als gewagt oder als widersinnig zu betrachten. Das Spiel pflegt leichter zu glücken, wenn der Mann älter ist. Er kann gewissermaßen eher der Vater der Frau sein als die Frau die Mutter des Mannes. So reizend Mütterlichkeit sein kann, so fehlt ihr in diesem Falle der ästhetische Zug. Ich kannte ein skandinavisches Paar: er ein Schriftsteller von sechzig Jahren, der in seinem Vaterlande auch politisch eine bedeutende Rolle spielte; sie eine schöne, junge Bildhauerin, die er auf der Hochzeit seiner Tochter aus erster Ehe kennengelernt hatte. Dieses ungleiche Paar lebte in wärmster Harmonie. Allerdings war sein ganzes Wesen Ritterlichkeit, und so behandelte er sein junges Weib in einer scharmant-überlegenen und dankbar-höflichen Art. Jeder Satz, den er an die Frau richtete, begann ungefähr so: »Wenn ein alter Mann eine junge Frau hat …«, um ihr zu beweisen, daß er dieses Faktum nie vergesse. –
Warum Frauen so gern mit Rätseln verglichen werden, ist mir nie recht verständlich gewesen. Sie scheinen mir nicht mehr und nicht minder rätselhaft als der Mann, als die gesamte Schöpfung überhaupt. Auch der Dichter sagt, es sei leichter, in das Herz der Frau einzudringen als darin zu lesen, und der Maler bildet sein Modell gern mit dem sphinxhaften Lächeln der Mona Lisa ab. Die Seele der Frau scheint für den Mann ewiges Neuland zu sein. Vieles erklärt sich daraus, daß manche Frauen sehr gern eine Maske tragen, für anders und etwas anderes gelten wollen, als sie sind, irgend etwas Eigenartiges vorstellen möchten. Sie fürchten die Simplizität, sie schwärmen für Kompliziertheit, weil ihre persönliche Geltung dabei zu gewinnen hofft. Ich bin überzeugt, sagt man einer Frau, sie sei sehr einfach, so wird sie entgegnen: »Ich einfach? Ich bin doch so kompliziert!« Versichert man ihr dagegen, sie sei sehr kompliziert, so wird sie ohne Zweifel antworten: »Ich kompliziert? Ich bin doch so einfach!« Ist eine Frau ernst oder sentimental, und sagt man es ihr freimütig, so wird sie sehr erstaunt tun und ablehnen, für dergleichen gehalten zu werden; und ist sie leicht und oberflächlich, so wird sie für tief gelten wollen. Man möchte fast glauben, die Frau sieht gern, daß man sie falsch beurteilt, und daß sie es darauf anlegt, falsch beurteilt zu werden. Wie die Frauen gern Illusionen geben, so leben sie auch gern in Illusionen. Sie wollen erraten werden, aber sie wollen nicht völlig entschleiert sein; ein unlösbarer Rest muß übrigbleiben. Sie erwarten, daß der Mann sich mit ihrem Wesen beschäftige, daß er es studiere, aber sie würden nie zugeben, daß sie es erwarten. Ein Mann gibt sich meist, wie er ist: gutmütig oder brutal, ehrgeizig oder uninteressiert, sinnlich oder phlegmatisch, fleißig oder faul. Er macht kein Hehl aus sich, vielleicht weil er zu bequem dazu ist, vielleicht weil ihm das Urteil der anderen nicht so wichtig ist. Die Frau aber gibt sich unendliche Mühe mit der Regie ihrer Person; sie verbirgt sich, sie will überraschen; sie erscheint ungleich; mit jedem ist sie anders, und jeder ist anders zu ihr. Dieselbe Frau kann für einen Mann eine Heilige, für einen anderen Mann eine Dirne sein. Und wenn sich zwei Männer über eine Frau unterhalten, klingt es oft so, als meinte jeder von ihnen eine andere. Das Urteil über eine Frau kann also unendlich verschieden sein, während das Urteil über einen Mann gewöhnlich feststeht und ziemlich übereinstimmend lautet. Zu seinem Glück findet der komplizierte Mann, den es ja auch geben soll, manchmal die unproblematische Frau.
Die nackte Wahrheit gefällt der Frau nicht; sie kann der Wahrheit wie der Sonne und dem Tod nicht ins Antlitz sehen; sie verlangt irgendeine Umkleidung oder Umschreibung oder Ausschmückung der Wahrheit. Ein hübsches, eitles junges Weib drückte dies in einer Gesellschaft neulich offenherzig so aus: »Den ganzen Tag möchte ich in den Spiegel sehen und Leute um mich haben, die mir Schmeicheleien sagen; ich hasse die Wahrheit!« Es sind unendlich viele, die ebenso denken oder nur unklar ähnlich empfinden.
Allerdings wird nicht jede Frau Schmeicheleien zugänglich sein, namentlich nicht, wenn sie dick und derb aufgetragen werden. Eine meiner Freundinnen wollte eine Gesellschafterin für ihre Mutter engagieren. Sie war für ein junges Mädchen, das sich ihr vorstellte, recht eingenommen und sagte zu der Kandidatin: »Sie gefallen mir, und ich denke, wir werden abschließen.« Worauf die junge Dame flötete: »Ein solches Lob aus solchem Munde!« Danach konnte aus der Sache nichts werden. Im allgemeinen aber sind die Frauen für Komplimente empfänglich und dankbar, und die Männer, die mit dieser Eigenschaft rechnen, irren sich selten. Ein Bekannter hatte mit einem ziemlich plumpen Manöver gewonnenes Spiel. Er sagte jeder hübschen, jungen Frau ungefähr dasselbe: sie sei viel zu schade für ihren Mann, viel zu kostbar; ihr Mann wisse sie nicht zu schätzen, sei ihrer gar nicht würdig usw. Es waren sehr reizende Frauen, die auf solche Attacke hineinfielen, aber die meisten waren Frauen, denen ihr Mann geistig überlegen war. Ein anderer wieder pflegte die Frau, mit der er sich gerade unterhielt, sofort mit irgendeinem berühmten schönen Porträt zu vergleichen. Auch wenn sich keine Spur von Aehnlichkeit ergab. Das störte ihn nicht im mindesten. Die Frauen offenbar auch nicht. Sie fühlten sich auf eine originelle Art flattiert. Die gescheiteren Frauen, bei denen die Methode dieses Herrn nicht verfing, suchte er zu gewinnen, indem er sich über die Leichtgläubigkeit Jener anderen Damen lustig machte.
Welche Eigenschaften eine Frau auch besitze, es werden immer solche sein, die dem Mann gefallen. Denn die Frau will gefallen, ihr ganzes Wesen schreit danach; ihre Kleidung und ihre Bewegungen, wie sie ihre Worte und wie sie ihre Füße setzt, alles verrät die Absicht zu gefallen; deshalb will sie abwechslungsreich sein, stets neu und nicht durchschaubar, sondern in tausend irreführenden Farben schillernd. Darum begehrt sie unaufhörlich andere, schönere Hüllen; all das soll mithelfen, ihr die schwere Kunst, zu verführen, zu bezaubern, leichter zu machen. Das Bewußtsein ihrer Macht bedeutet vielen Frauen das Glück, und Macht gewinnt sie über den Mann, wenn er sie liebt, weil sie ihm gefällt. Dieser Zug des Gefallenwollens teilt sich dem weiblichen Geschmack auf jedem Gebiete mit. Richtet die Frau ihre Wohnung ein, so wählt sie Gegenstände, welche den Menschen gefallen sollen, die ihr lieb sind.
Die Veränderlichkeit und Verschiedenheit der Frau im Aussehen ist sehr häufig von Stimmung und Umgebung abhängig. Ein lyrischer Dichter schwärmte mir oft und immer wieder von der Schönheit einer jungen Frau. Später lernte ich die Angebetete bei einem Nachmittagstee kennen. Ich konnte meine Enttäuschung dem Poeten nicht verhehlen; er aber flüsterte mir zu: »Sie sind zu spät gekommen – vor einer halben Stunde hätten Sie sie sehen sollen!«
Der Mann vergleicht die Frau gern mit einem Kinde; er behauptet, die Frau lache und weine wie ein Kind, ohne zu wissen warum, oder sie weine nur wie ein Kind, wenn jemand zuschaut, der sie bedauern und sie trösten könnte. Der Mann hat in gewissem Sinne recht; Frauen und Kinder lachen und weinen oft aus demselben Motiv: und das ist körperliches Wohl- oder Uebelbefinden. Was man bei beiden für schlechte Laune hält, hat meist eine physische Ursache. Darum handelt die junge Frau vernünftiger, im Bett zu bleiben, wenn ihr etwas fehlt, statt nervös und haltlos in der Wirtschaft herumzuirren und durch Räsonieren sich selbst und den anderen zur Last zu fallen. Jene Stimmung, die Rahel Varnhagen so ausdrückt: »Mir ist mieß vor tout l'univers«, erledigt man am besten mit sich allein, ohne Zuschauer. Schon aus Eitelkeit sollte sie das tun, denn Verstimmung entstellt.
Trotzdem die Frau ihr Inneres gern versteckt, so ist sie doch weit weniger als der Mann imstande, ihre Liebe zu verbergen. Bei zwei Menschen, die sich lieben und deren Liebe den anderen zunächst ein Geheimnis bleiben soll, wird man gewöhnlich am Verhalten der Frau spüren, daß sie einig sind. Sagen die Leute von zwei Menschen, die gut zusammen stimmen: »Da stimmt etwas nicht«, so hat sicher die Frau Anlaß dazu gegeben. Sie will alles verschweigen und doch alles sagen.
Uebrigens ist das Versteckenspielen der Frau in unseren Zeiten einigermaßen in Mißkredit gekommen und unmodern geworden. Es ersteht eine Generation von jungen Frauen, die anderen Grundsätzen folgen: Grundsätzen des Freimuts und der Wahrheit. Wer die richtige Demut vor dem Leben hat, der muß in der Wahrheit leben. Eine wirkliche Verständigung zwischen den beiden Geschlechtern ist nur möglich, wenn der Mensch sich gibt, wie er ist, nicht, wenn er anders scheinen möchte, als er ist. Und auf diese Verständigung kommt es vor allen anderen Fragen an. Erst wenn das neue Geschlecht von: Erkenne dich selbst erfüllt ist und mit einer solchen Taktik der Klarheit in die Ehe geht, wird das Haus der Ehe auf sicheren Fundamenten ruhen.