Alexander Dumas
Das Halsband der Königin - 3
Alexander Dumas

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LXXXIX.

Herr von Breteuil.

Während Herr von Crosne diese Unterredung mit Cagliostro hatte, erschien Herr von Breteuil in der Bastille im Auftrage des Königs, um Herrn von Rohan zu befragen.

Die Zusammenkunft zwischen diesen zwei Feinden drohte stürmisch zu werden. Herr von Breteuil kannte aber den Stolz des Herrn von Rohan; er hatte ihm eine Rache abgewonnen, welche furchtbar genug war, daß er sich fortan an ein höfliches Verfahren halten konnte. Er war mehr als höflich. Herr von Rohan weigerte sich, zu antworten.

Der Siegelbewahrer blieb beharrlich; doch Herr von Rohan erklärte, er werde sich auf die Maßregeln verlassen, welche das Parlament und seine Richter beschlößen.

Herr von Breteuil mußte sich vor dem unerschütterlichen Willen des Angeklagten zurückziehen.

Er ließ Frau von La Mothe zu sich rufen, welche eben mit der Abfassung ihrer Denkwürdigkeiten beschäftigt war; sie gehorchte voll Eifer.

Herr von Breteuil erklärte ihr unumwunden ihre Lage, die sie besser als irgend Jemand kannte. Sie antwortete, sie habe Beweise von ihrer Unschuld, die sie liefern werde, wenn es nöthig sei. Herr von Breteuil bemerkte ihr, nichts könne dringlicher sein.

Jeanne gab jetzt die ganze Fabel preis, welche sie zusammengesetzt hatte: es waren immer dieselben Insinuationen gegen alle Welt, dieselbe Behauptung, die Fälschungen, die man ihr zum Vorwurf mache, rühren, sie wisse nicht, woher.

Sie erklärte auch, da das Parlament die Sache in die Hände genommen, so werde sie nichts absolut Wahres mehr, außer in Gegenwart des Cardinals und nach den Anschuldigungen, die er gegen sie erhebe, sprechen.

Herr von Breteuil sagte ihr sodann, der Cardinal lasse Alles auf ihr lasten.

»Alles?« versetzte Jeanne, »selbst den Diebstahl?«

»Selbst den Diebstahl!«

»Wollen Sie dem Herrn Cardinal erwidern,« sagte Jeanne mit kaltem Tone, »ich lasse ihn ermahnen, nicht länger ein so schlechtes Vertheidigungssystem zu behaupten.«

Und dieß war Alles. Doch Herr von Breteuil fühlte sich nicht befriedigt. Er brauchte einige geheime Einzelheiten. Er brauchte für seine Logik den Ausspruch der Ursachen, welche den Cardinal zu so großen Verwegenheiten gegen die Königin, die Königin zu einem solchen Zorn gegen den Cardinal geführt hatten.

Er brauchte die Erläuterungen aller vom Herrn Grafen von Provence gesammelten und in den Zustand öffentlicher Gerüchte übergegangenen Protocolle.

Der Siegelbewahrer war ein Mann von Geist, er verstand es, auf den Character einer Frau zu wirken; er versprach Frau von La Mothe Alles, wenn sie unumwunden Jemand bezüchtigte.

»Nehmen Sie sich in Acht,« sprach er zu ihr, »indem Sie nichts sagen, bezüchtigen Sie die Königin; nehmen Sie sich in Acht, wenn Sie hiebei beharren, werden Sie als der Majestätsbeleidigung schuldig verurtheilt; das ist die Schande, das ist der Strang.«

»Ich klage die Königin nicht an,« erwiderte Jeanne, »doch warum klagt man mich an?«

»So bezüchtigen Sie Jemand,« sprach der unbeugsame Breteuil; »Sie haben nur dieses Mittel, um sich frei zu machen.«

Sie verschloß sich in ein kluges Stillschweigen, und diese erste Zusammenkunft zwischen ihr und dem Siegelbewahrer hatte kein Resultat.

Indessen verbreitete sich das Gerücht, es haben sich Beweise erhoben; die Diamanten seien in England verkauft worden, wo man Herrn Reteau von Villette durch die Agenten des Herrn von Vergennes verhaftete.

Der erste Sturm, den Jeanne auszuhalten hatte, war furchtbar. Mit Reteau confrontirt, den sie für ihren Verbündeten bis zum Tod halten mußte, hörte sie diesen zu ihrem Schrecken ganz demüthig gestehen, er sei ein Fälscher, er habe einen Empfangschein für die Diamanten, einen Schuldbrief der Königin geschrieben und zugleich die Unterschrift der Juweliere und Ihrer Majestät gefälscht.

Befragt, aus welchem Beweggründe er diese Verbrechen begangen, antwortete er, es sei auf das Verlangen von Frau von La Mothe geschehen.

Verwirrt, wüthend, vertheidigte sie sich wie eine Löwin; sie behauptete, Herrn Reteau von Villette nie gesehen, nie gekannt zu haben. Doch hier erhielt sie zwei harte Stöße; zwei Zeugnisse schmetterten sie nieder.

Das erste kam von einem durch Herrn von Crosne aufgefundenen Fiakerkutscher, welcher erklärte, er habe an dem von Reteau bezeichneten Tag und zu der von ihm genannten Stunde eine so gekleidete Dame nach der Rue Montmartre geführt.

Diese Dame, welche sich mit so vielen Geheimnissen umgab, die der Kutscher im Quartier Marais aufgenommen, wer konnte sie anders sein als Frau von La Mothe, die in der Rue Saint-Claude wohnte?

Und was die Vertraulichkeit betrifft, welche zwischen diesen zwei Schuldgenossen bestand, wie ließ sie sich leugnen, wenn ein Zeuge behauptete, er habe am Tag vor dem Ludwigsfeste auf dem Bock einer Postchaise, aus der Frau von La Mothe ausgestiegen, Herrn Reteau von Villette gesehen, welcher an seinem bleichen, ängstlichen Gesichte kenntlich gewesen?

Der Zeuge war einer der ersten Diener des Herrn von Cagliostro.

Dieser Name machte Jeanne aufspringen und trieb sie zum Aeußersten. Sie verbreitete sich in Anklagen gegen Cagliostro, von dem sie erklärte, er habe durch seine Hexereien und Zaubermittel den Geist des Cardinals von Rohan geblendet und diesem dadurch strafbare Gedanken gegen die königliche Majestät eingegeben.

Dieß war der erste Ring von der Kette der Anklage auf Ehebruch.

Herr von Rohan vertheidigte sich, indem er Cagliostro vertheidigte. Er leugnete Alles, was Beziehung auf die Königin hatte. Er leugnete so hartnäckig, daß Jeanne, außer sich, zum ersten Mal die Bezüchtigung einer wahnsinnigen Liebe des Cardinals für die Königin aussprach.

Herr von Cagliostro verlangte sogleich eingesperrt zu werden, was er auch erhielt, um für seine Unschuld gegen Jedermann zu bürgen. Ankläger und Richter entflammten sich, wie dieß geschieht, bei dem ersten Hauche der Wahrheit, und die öffentliche Meinung nahm unmittelbar für den Cardinal und für Cagliostro gegen die Königin Partei.

Da geschah es, daß diese unglückliche Fürstin, um ihre Beharrlichkeit in Verfolgung des Processes begreiflich zu machen, die an den König über die nächtlichen Spaziergänge erstatteten Berichte veröffentlichen ließ, und, hierüber an Herrn von Crosne appellirend, diesen aufforderte, zu erklären, was er wußte.

Geschickt berechnet, fiel der Schlag auf Jeanne, und hätte sie beinahe auf immer vernichtet.

Der Verhörrichter forderte in vollem Instructionsrath Herrn von Rohan auf, zu erklären, was er von den Promenaden in den Gärten von Versailles wisse.

Der Cardinal erwiderte, er verstehe nicht zu lügen und berufe sich auf das Zeugniß der Frau von La Mothe.

Diese leugnete, daß je Promenaden mit ihrer Theilnahme oder ihrem Wissen vorgekommen seien.

Sie erklärte die Protocolle und Berichte, welche aussagten, sie sei in den Gärten in Gesellschaft der Königin oder des Cardinals erschienen, für eitel Lügen.

Diese Erklärung sprach die Unschuld der Königin aus, wenn es möglich gewesen wäre, an die Worte einer des Diebstahls und der Fälschung bezüchtigten Frau zu glauben. Doch von dieser Seite kommend, schien die Rechtfertigung ein Act der Gefälligkeit zu sein, und die Königin ertrug es nicht, auf diese Weise gerechtfertigt zu werden.

Als Jeanne am Stärksten schrie, sie sei nie nächtlicher Weise im Garten von Versailles erschienen, und nie habe sie etwas von den Privatangelegenheiten der Königin und des Cardinals gesehen oder erfahren, da erschien Oliva, ein lebendiges Zeugniß, das die Meinung veränderte und das ganze Gerüste der von der Gräfin aufgehäuften Lügen zerstörte.

Wie wurde sie nicht unter den Trümmern begraben, wie erhob sie sich wieder gehässiger und schrecklicher als je? Wir erklären uns diese Erscheinung nur durch ihren Willen, wir erklären uns dieselbe nur durch den unseligen Einfluß, der sich an Marie Antoinette anhing.

Oliva mit dem Cardinal confrontirt, welch ein furchtbarer Schlag! Herr von Rohan bemerkte endlich, daß er auf eine schändliche Weise betrogen worden war; dieser Mann voll Zartgefühl und voll edler Leidenschaften mußte entdecken, daß eine Abenteurerin in Verbindung mit einer Spitzbübin ihn dahin gebracht, daß er ganz laut die Königin von Frankreich verachtet hatte, eine Frau, die er liebte und die nicht schuldig war!

Die Wirkung dieser Erscheinung auf Herrn von Rohan wäre, wenn wir wollten, die dramatischste und gewichtigste Scene dieser Angelegenheit, würden wir nicht, indem wir uns der Geschichte näherten, in den Koth, in das Blut und das Entsetzen fallen.

Als Herr von Rohan Oliva, diese Königin von der Straßenecke, sah und sich der Rose, des Händedrucks und der Apollo-Bäder erinnerte, da erbleichte er, und er hätte all sein Blut zu den Füßen von Marie Antoinette vergossen, würde er sie in diesem Augenblick an der Seite der Andern gesehen haben.

Welche Verzeihungen, welche Gewissensbisse sprangen aus seiner Seele hervor, um mit seinen Thränen hinzugehen und die letzten Stufen dieses Thrones zu reinigen, wo er eines Tages seine Geringschätzung nebst der Sehnsucht einer verachteten Liebe ergossen hatte!

Doch auch dieser Trost war ihm versagt; doch er konnte die Identität Oliva's nicht annehmen, ohne zu gestehen, er liebe die wahre Königin; doch das Geständniß seines Irrthums selbst war eine Anschuldigung, eine Befleckung. Er ließ Jeanne Alles leugnen und schwieg.

Und als Herr von Breteuil mit Herrn von Crosne Jeanne nöthigen wollte, sich weiter zu erklären, sprach sie:

»Das beste Mittel, zu beweisen, daß die Königin nicht in der Nacht im Parke spazieren gegangen, ist, eine Frau zu zeigen, die der Königin gleicht und behauptet, sie sei im Park gewesen. Man zeigt sie; es ist gut.«

Diese schändliche Insinuation hatte günstigen Erfolg, sie entkräftete noch einmal die Wahrheit.

Als aber Oliva in ihrer treuherzigen Angst alle Einzelheiten angab und alle Beweise lieferte, als sie nichts ausließ, als sie es dahin brachte, daß man ihr viel mehr glaubte, als der Gräfin, da nahm Jeanne ihre Zuflucht zu einem verzweifelten Mittel: sie gestand.

Sie gestand, sie habe den Cardinal nach Versailles geführt, Seine Eminenz habe um jeden Preis die Königin sehen und ihr die Versicherung seiner ehrfurchtsvollen Zuneigung geben wollen; sie gestand, weil sie hinter sich eine ganze Partei fühlte, die sie nicht hatte, wenn sie beim Leugnen verblieb; sie gestand, weil sie, indem sie die Königin anschuldigte, alle Feinde der Königin, und ihre Zahl war groß, zum Beistand für sich gewann.

Da wechselten zum zehnten Mal die Rollen in diesem höllischen Proceß: der Cardinal spielte die eines Bethörten, Oliva die einer gemeinen Dirne ohne Poesie und ohne Verstand, Jeanne die einer Intrigantin; sie konnte sich keine bessere wählen.

Doch um diesen niederträchtigen Plan gelingen zu machen, mußte die Königin auch eine Rolle darin spielen: man gab ihr die gehässigste, die verworfenste, wodurch die königliche Würde am meisten an den Pranger gestellt wurde, die Rolle einer unbesonnenen Cokette, einer Grisette, welche Mystificationen anzettelt. Marie Antoinette wurde Dorimène, wie sie mit Frosine gegen Herrn Jourdain, den Cardinal, sich verschwört.

Jeanne erklärte, diese Promenaden haben mit dem Gutheißen von Marie Antoinette stattgefunden, welche hinter einer Hagenbuche sich halb todt gelacht habe, als sie die leidenschaftlichen Reden des verliebten Herrn von Rohan gehört.

Diese letzte Verschanzung wählte die Diebin, welche nicht mehr wußte, wo sie ihren Diebstahl verbergen sollte; dieß war der königliche Mantel, gemacht aus der Ehre von Maria Theresia und Maria Leczinska.

Die Königin erlag dieser letzten Anschuldigung, denn sie konnte ihre Falschheit nicht beweisen, sie konnte sie nicht beweisen, weil Jeanne, auf das Aeußerste getrieben, erklärte, sie würde alle von Herrn von Rohan an die Königin geschriebenen Liebesbriefe veröffentlichen, und weil sie in der That diese von wahnsinniger Liebe glühenden Briefe besaß.

Sie konnte es nicht, weil Mademoiselle Oliva, welche von Jeanne in den Part geführt worden zu sein behauptete, keinen Beweis hatte, daß Jemand hinter den Hagebuchen gehorcht oder nicht gehorcht.

Endlich konnte die Königin ihre Unschuld nicht beweisen, weil zu viele Personen ein Interesse hatten, diese schändlichen Lügen für die Wahrheit zu nehmen.


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