Alexander Dumas
Das Halsband der Königin - 3
Alexander Dumas

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LXXIX.

Eine letzte Anschuldigung.

In dem Augenblick, wo der König das Zimmer der Königin verlassen hatte, lief diese nach dem Boudoir, wo Herr von Charny Alles zu hören im Stande gewesen.

Sie öffnete die Thüre, kehrte sogleich wieder zurück und schloß die ihres Gemachs. Dann fiel sie, als wäre sie zu schwach, solchen Stößen zu widerstehen, in einen Lehnstuhl und erwartete stillschweigend, was Herr von Charny, ihr furchtbarster Richter, über sie beschließen würde.

Doch sie wartete nicht lange, der Graf kam trauriger und bleicher, als er je gewesen, aus dem Nebenzimmer heraus.

»Nun?« sagte sie.

»Madame,« erwiderte er, »Sie sehen, daß Alles unserer Freundschaft entgegentritt. Wenn es nicht meine Ueberzeugung ist, was Sie verletzt, so wird es fortan das öffentliche Gerücht sein; bei dem Aergerniß, das heute geschehen, ist keine Ruhe mehr für mich, kein Waffenstillstand mehr für Sie. Erbitterter nach dieser ersten Wunde, die sie Ihnen beigebracht haben, werden die Feinde auf Sie niederstürzen, um Ihr Blut zu trinken, wie die Mücken bei einer verwundeten Gazelle.«

»Sie suchen sehr lange ein natürliches Wort und können keines finden,« sagte schwermüthig die Königin.

»Ich glaubte Eurer Majestät nie Anlaß gegeben zu haben, einen Verdacht gegen meine Offenherzigkeit zu hegen; ist sie zuweilen losgebrochen, so geschah es mit zu viel Härte, und ich bitte deßhalb um Verzeihung.«

»Was ich also gemacht habe,« versetzte die Königin sehr bewegt, »dieser Lärm, dieser gefährliche Angriff gegen einen der vornehmsten Herren des Reiches, die Thatsache, daß ich meine Feindschaft mit der Kirche erklärt, meinen Ruf den Leidenschaften des Parlaments ausgesetzt habe, dieß Alles genügt Ihnen nicht. Ich spreche nicht von dem für immer erschütterten Vertrauen des Königs, Sie dürfen sich nicht darum bekümmern, nicht wahr? Der König! was ist das ... ein Gatte!«

Und sie lächelte mit einer solchen Bitterkeit, daß die Thränen ihren Augen entstürzten.

»Oh!« rief Charny, »Sie sind die edelste, die hochherzigste der Frauen. Wenn ich Ihnen nicht auf der Stelle antworte, wie mich mein Herz dazu zwingt, so ist dieß der Fall, weil ich mich Allem untergeordnet fühle, und ich dieses erhabene Herz nicht dadurch, daß ich einen Platz darin verlange, zu entheiligen wage.«

»Herr von Charny, Sie halten mich für schuldig?«

»Madame! ...«

»Herr von Charny, Sie haben den Worten des Cardinals Glauben geschenkt?«

»Madame!«

»Herr von Charny, ich fordere Sie auf, mir zu sagen, welchen Eindruck die Haltung des Herrn von Rohan auf Sie gemacht hat?«

»Ich muß sagen, Madame, Herr von Rohan ist weder ein Wahnsinniger gewesen, wie Sie es ihm vorgeworfen, noch ein schwacher Mensch, wie man dieß glauben könnte: er ist ein überzeugter Mann, er ist ein Mann, der Sie liebte, der Sie noch liebt und in diesem Augenblick das Opfer eines Irrthums ist, der ihn zum Untergang führen wird, und Sie ...«

»Mich?«

»Sie zu einer unvermeidlichen Schmach.«

»Mein Gott! vor mir erhebt sich ein drohendes Gespenst, jenes verhaßte Weib, Frau von La Mothe, welche verschwunden ist, als ihre Zeugschaft uns Alles, Ruhe, Ehre, Sicherheit für die Zukunft wiedergeben konnte.«

»Diese Frau ist der böse Genius Ihrer Person, sie ist die Geißel des Königreiches; diese Frau, die Sie unkluger Weise zur Theilnahme an Ihren Geheimnissen und leider vielleicht auch an Ihrer innigen Vertraulichkeit zugelassen haben ...«

»Meine Geheimnisse, meine Vertraulichkeit, ah! mein Herr, ich bitte Sie!« rief die Königin.

»Madame, der Cardinal hat klar genug gesagt und klar genug bewiesen, daß Sie mit ihm Verabredungen in Bezug auf den Ankauf des Halsbandes getroffen hatten.«

»Ah! ... Sie kommen hierauf zurück, Herr von Charny,« sagte die Königin erröthend.

»Verzeihen Sie, Sie sehen wohl, ich bin unwürdig, berufen zu sein, Ihre Gedanken zu kennen. Ich suche zu mildern und ich reize auf.«

»Hören Sie, mein Herr,« sprach die Königin, zu einem mit Stolz gemischten Zorne zurückkehrend, »was der König glaubt, kann alle Welt glauben; ich werde gegen meine Freunde nicht gefälliger sein als gegen meinen Gemahl. Mir scheint, ein Mann kann eine Frau nicht gern sehen, wenn er nicht Achtung vor ihr hegt. Ich spreche nicht in Beziehung auf Sie,« unterbrach sie sich lebhaft; »ich bin kein Weib, ich bin eine Königin, Sie sind für mich kein Mann, sondern ein Richter.«

Charny verbeugte sich so tief, daß die Königin die Genugthuung und die Demüthigung dieses getreuen Unterthans hinreichend finden mußte. Plötzlich sprach sie:

»Ich hatte Ihnen gerathen, auf Ihren Gütern zu bleiben; das war ein weiser Plan. Fern vom Hofe, dem Ihre Gewohnheiten, Ihre Biederkeit, Ihre Unerfahrenheit, erlauben Sie mir dieß zu sagen, widersprechen, fern vom Hofe hätten Sie die Personen, die ihre Rolle auf diesem Theater spielen, besser gewürdigt. Man muß die optische Täuschung wahren, Herr von Charny, man muß seine Schminke und seine hohen Absätze vor der Menge festhalten. Eine zu rasch zur Herablassung geneigte Königin, habe ich es vernachlässigt, bei denjenigen, welche mich liebten, das blendende Zauberwerk des Königthums zu unterhalten. Ah! Herr von Charny, die Glorie, welche eine Krone um die Stirne der Königinnen zeichnet, überhebt sie der Keuschheit, der Sanftmuth, des Geistes und des Herzens besonders. Man ist Königin, mein Herr, man herrscht es, sich Liebe zu erwerben?«

»Ich vermöchte Ihnen nicht zu sagen, Madame, wie weh mir die Strenge Eurer Majestät thut,« erwiderte Charny sehr bewegt. »Ich konnte vergessen, daß Sie meine Königin waren, doch lassen Sie mir die Gerechtigkeit widerfahren, daß ich nie vergessen habe, Sie seien die erste der Frauen, welche würdig meiner Achtung und meiner ...«

»Vollenden Sie nicht, ich bettle nicht. Ja, ich habe es gesagt, eine Abwesenheit ist für Sie nothwendig. Es sagt mir etwas, Ihr Name werde am Ende bei dem Allem ausgesprochen werden.«

»Madame, unmöglich!«

»Sie sagen, unmöglich! Ei! denken Sie doch an die Macht derjenigen, welche seit sechs Monaten mit meiner Ruhe, meinem Leben spielen. Sagten Sie nicht, der Herr Cardinal sei überzeugt, er handle in Folge eines Irrthums, in den man ihn versenkt? Diejenigen, welche solche Ueberzeugungen bewerkstelligen, diejenigen, welche solche Irrthümer veranlassen, sind stark genug, Ihnen zu beweisen, Sie seien ein unredlicher Unterthan für den König und für mich ein schmählicher Freund. Diejenigen, welche so glücklich das Falsche ersinnen, entdecken sehr leicht die Wahrheit! Verlieren Sie keine Zeit, die Gefahr ist ernst; ziehen Sie sich auf Ihre Güter zurück, fliehen Sie das Aergerniß, das aus dem Kampfe entspringen muß, den man mit mir beginnen wird; mein Geschick soll Sie nicht fortreißen, Ihre Laufbahn soll nicht verloren gehen. Ich, die ich, Gott sei Dank, die Unschuld und die Stärke habe; ich, die ich keine Flecken an meinem Leben habe; ich, die ich entschlossen bin, nöthigenfalls meine Brust zu öffnen, um meinen Feinden die Reinheit meines Herzens zu zeigen; ich werde widerstehen. Für Sie wäre hier der Ruin, die Verleumdung, der Kerker vielleicht. Tragen Sie dieses so hochherzig gebotene Geld wieder fort; nehmen Sie die Versicherung mit sich, daß keine der edelmüthigen Regungen Ihrer Seele mir entgangen ist; daß keiner Ihrer Zweifel mich verletzte, keines Ihrer Leiden mich kalt gelassen hat; reisen Sie ab und suchen Sie anderswo, was Ihnen die Königin von Frankreich nicht mehr geben kann: den Glauben, die Hoffnung, das Glück. Von jetzt an, bis Paris die Verhaftung des Cardinals weiß, bis das Parlament zusammenberufen ist, bis die Zeugschaften beigebracht sind, rechne ich ungefähr vierzehn Tage. Reisen Sie! Ihr Oheim hat zwei Schiffe in Cherbourg und in Nantes bereit liegen; wählen Sie; aber entfernen Sie sich von mir. Ich bringe Unglück; entfernen Sie sich von mir. Ich hing nur an einer einzigen Sache in dieser Welt, und da sie mir entgeht, so fühle ich mich verloren.«

Nach diesen Worten stand die Königin auf und schien Charny die Entlassung zu geben, welche die Audienzen endigt.

Er näherte sich ihr eben so ehrfurchtsvoll, aber rascher, und sprach mit bebender Stimme:

»Eure Majestät hat mir so eben meine Pflicht vorgeschrieben. Nicht auf meinen Gütern, nicht außerhalb Frankreichs ist die Gefahr; in Versailles werden Sie beargwöhnt, in Paris gerichtet. Es ist von Gewicht, Madame, daß jeder Verdacht verschwinde, daß jeder Spruch eine Rechtfertigung sei, und da Sie keinen redlicheren Zeugen, keine entschlossenere Stütze zu haben vermöchten, so bleibe ich. Diejenigen, welche so viele Dinge wissen, Madame, werden Sie sagen. Aber wir werden wenigstens das für Leute von Herz unschätzbare Glück haben, unsere Feinde von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Sie mögen zittern vor der Majestät einer unschuldigen Königin und vor dem Muthe eines Mannes, der besser ist, als sie. Ja, ich bleibe, Madame, und glauben Sie, Eure Majestät hat nicht nöthig, mir länger ihre Gedanken zu verbergen; sie weiß wohl, daß ich nicht fliehe; sie weiß wohl, daß ich nichts fürchte; sie weiß auch wohl, daß sie, um mich nicht mehr zu sehen, nicht nöthig hat, mich in die Verbannung zu schicken. Oh! Madame, von fern verstehen sich die Herzen, von fern sind die Aufathmungen glühender, als von der Nähe. Sie wollen, daß ich reise, um Ihretwillen, nicht meinetwegen; seien Sie unbesorgt; nahe genug, um Ihnen beizustehen, um Sie zu vertheidigen, werde ich doch nicht im Stande sein, Sie zu beleidigen oder Ihnen zu schaden. Nicht wahr, Sie haben mich nicht gesehen, als ich acht Tage lang hundert Klafter von Ihnen entfernt wohnte, jede Ihrer Geberden belauerte, Ihre Schritte bewachte und in Ihrem Leben lebte? Nun wohl! es wird dießmal ebenso sein, denn ich kann Ihren Willen nicht vollziehen, ich kann nicht reisen! Ueberdieß ... was ist Ihnen daran gelegen? Werden Sie an mich denken?«

Sie machte eine Bewegung, welche sie von dem jungen Manne entfernte, und erwiderte:

»Wie es Ihnen beliebt ... Doch Sie haben mich begriffen, Sie sollen sich nie in meinem Worte täuschen, ich bin keine Cokette, Herr von Charny; sagen was sie denkt, denken was sie sagt, das ist das Privilegium einer wahren Königin! ich bin so. Eines Tags, mein Herr, habe ich Sie unter Allen auserwählt. Irgend etwas zog mein Herz zu Ihnen hin. Ich dürstete nach einer starken und reinen Freundschaft, ich habe Sie dieß wohl sehen lassen, nicht wahr? Heute ist es nicht mehr ebenso, ich denke nicht mehr, was ich dachte. Ihre Seele ist keine Schwester der meinigen mehr. Ich sage Ihnen ebenso offenherzig: schonen wir einander.«

»Es ist gut, Madame,« sprach Charny, »nie glaubte ich, Sie haben mich erwählt, nie glaubte ich ... Ah! Madame, ich widerstehe dem Gedanken nicht, Sie zu verlieren. Madame ich bin trunken vor Eifersucht und Angst. Madame, ich werde es nicht ertragen, daß Sie mir ihr Herz entziehen, es gehört mir, Sie haben es mir geschenkt, nur mit meinem Leben wird man es mir nehmen. Seien Sie Weib, seien Sie gut, mißbrauchen Sie meine Schwäche nicht, denn Sie haben mir so eben meine Zweifel vorgeworfen und schmettern mich in diesem Augenblick mit den Ihrigen nieder.«

»Kinderherz, Weiberherz ... ich soll auf Sie zählen! ... Was für schöne Vertheidiger sind wir für einander! Schwach! oh! ja, Sie sind es; und ich, ach! ich bin nicht stärker als Sie.«

»Ich würde Sie nicht lieben, wären Sie anders, als Sie sind.«

»Wie!« rief sie mit einem lebhaften, leidenschaftlichen Ausdruck, »diese verfluchte Königin, diese verlorene Königin, diese Frau, über welche ein Parlament richten, welche die öffentliche Meinung verurtheilen und ein König, ihr Gatte, vielleicht fortjagen wird, diese Frau findet ein Herz, das sie liebt!«

»Einen Diener, der sie verehrt und ihr alles Blut seines Herzens für eine Thräne bietet, die sie so eben vergoß.«

»Diese Frau,« rief die Königin »ist gesegnet, sie ist stolz, sie ist die erste der Frauen, sie ist die glücklichste von allen, diese Frau ist zu glücklich, Herr von Charny, ich weiß nicht, wie diese Frau sich beklagen konnte, verzeihen Sie ihr.«

Charny fiel zu den Füßen der Königin und küßte sie in einem religiösen Liebesentzücken.

In diesem Augenblick öffnete sich die Thüre des geheimen Ganges, und der König blieb zitternd und wie vom Blitze getroffen auf der Schwelle stehen.

Er hatte den Mann, den Herr von Provence anschuldigte, zu den Füßen der Königin überrascht.


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