Alexander Dumas
Das Halsband der Königin - 3
Alexander Dumas

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LXXXVII.

Die Turteltauben werden in den Käfig gebracht.

Mit seinem Eintritt durch die Hofthüre hatte Beausire seine Idee; er wollte Lärm genug erregen, um Oliva aufmerksam zu machen, daß sie auf ihrer Hut sein sollte. Ohne etwas von der Halsband-Angelegenheit zu wissen, wußte Beausire genug vom Opernball und der Mesmer'schen Kufe, daß er bange hatte, Oliva Fremden zu zeigen.

Er handelte vernünftig, denn die junge Frau, welche leichtfertige Romane auf dem Sopha ihres kleinen Salons las, hörte die Hunde bellen, schaute in den Hof und sah Beausire mit Begleitern, was sie abhielt, ihm wie gewöhnlich entgegen zu gehen.

Zum Unglück waren diese zwei Turteltauben nicht außer dem Bereich der Geiersklauen. Man mußte das Frühstück bestellen, und ein ungeschickter Diener – die Leute vom Lande sind keine Frontins – fragte zwei- oder dreimal, ob er die Befehle von Madame einholen sollte.

Bei diesem Wort spitzten die Spürhunde die Ohren. Sie verspotteten Beausire angemessen über diese verborgene Dame, deren Gesellschaft für einen Einsiedler die Würze aller Glückseligkeit sei, welche die Einsamkeit und das Geld verleihen.

Beausire ließ sich verspotten, aber er zeigte Oliva nicht.

Man trug ein reichliches Mal auf, dem die Agenten Ehre anthaten. Man trank viel und brachte oft die Gesundheit der abwesenden Dame aus.

Beim Nachtisch hatten sich die Köpfe erhitzt, die Herren von der Policei dachten, es wäre unmenschlich, die Folter dieses Wirthes noch mehr zu verlängern, und brachten das Gespräch geschickt darauf, welches Vergnügen es guten Herzen gewähre, alte Bekannte wiederzufinden.

Worauf Beausire, während er ein Fläschchen mit Liqueur von den Inseln entpfropfte, die zwei Unbekannten fragte, an welchem Orte und unter welchen Umständen er mit ihnen zusammengetroffen sei.

»Wir waren,« sagte der eine von ihnen, »wir waren die Freunde eines Ihrer Verbündeten zur Zeit eines kleinen Geschäftes, das Sie auf Theilung mit mehreren machten, des Geschäftes mit der portugiesischen Gesandtschaft.«

Beausire erbleichte. Wenn solche Angelegenheiten berührt werden, glaubt man immer ein Strickende in den Falten seines Halsbandes zu fühlen.

»Ah! wahrhaftig,« sagte er, zitternd vor Verlegenheit, »und Sie kommen und verlangen von mir für Ihren Freund ...«

»In der That, das ist eine Idee,« sprach der Alguazil leise zu seinem Cameraden, »die Einführung hat so ein ehrlicheres Aussehen. Eine Wiedererstattung im Namen eines abwesenden Freundes fordern, das ist moralisch.«

»Mehr noch. Damit sind alle Rechte auf das Uebrige vorbehalten,« erwiderte der Freund des Moralischen mit einem süßsauren Lächeln, das Beausire vom Scheitel bis zu den Zehen beben machte.

»Also?« sagte er.

»Mein lieber Herr Beausire, es wäre uns also angenehm, wenn Sie einem von uns den Theil unseres Freundes zurückgeben würden. Ich glaube, so etwa zehntausend Livres.«

»Wenigstens, denn man spricht nicht von den Interessen,« sagte der Camerad Positiv.

»Meine Herren,« erwiderte Beausire, dem die Festigkeit dieser Forderung die Kehle zusammenschnürte, »man hat nicht zehntausend Livres bei sich auf dem Lande.«

»Das versteht sich, lieber Herr, und wir fordern nur das Mögliche. Wie viel können Sie sogleich geben?«

»Ich habe fünfzig bis sechzig Louisd'or, nicht mehr.«

»Wir fangen damit an, daß wir sie nehmen, und werden Ihnen für Ihre Höflichkeit danken.«

»Ah!« dachte Beausire, entzückt über ihre Bereitwilligkeit, »sie sind von sehr guter Beschaffenheit. Sollten sie etwa so sehr bange vor mir haben, als ich vor ihnen habe? Versuchen wir es.«

Und er überlegte sich, daß diese Herren, sollten sie sehr laut schreien, es nur dahin brächten, daß sie sich als Mitschuldige von ihm bekennen würden, und daß dieß für die Provinzbehörden eine schlechte Empfehlung wäre. Beausire schloß, diese Leute würden sich zufrieden erklären und ein vollkommenes Stillschweigen beobachten.

In seinem unvorsichtigen Vertrauen ging er so weit, daß er es bereute, ihnen nicht dreißig Louisd'or statt sechzig angeboten zu haben; aber er gelobte sich, nachdem er die Summe gegeben, sich sehr rasch dieser Leute zu entledigen.

Er machte die Rechnung ohne seine Gäste, diese befanden sich sehr wohl bei ihm; sie genossen jene selige Zufriedenheit, welche eine angenehme Verdauung verschafft; sie waren gut für den Augenblick, weil ein bösartiges Auftreten sie angestrengt hätte.

»Es ist ein reizender Freund, dieser Beausire,« sagte Positiv zu seinem Cameraden. »Sechzig Louisd'or, die er uns gibt, sind lieblich zu nehmen.«

»Ich will sie ihnen sogleich geben,« rief der Wirth erschrocken, als er seine Gäste in bacchische Vertraulichkeiten ausbrechen sah.

»Es hat keine Eile,« erwiderten die zwei Freunde.

»Doch, doch, mein Gewissen wird erst dann frei sein, wenn ich Sie bezahlt habe. Man ist delicat, oder man ist es nicht.«

Und er wollte sie verlassen, um das Geld zu holen.

Doch diese Herren hatten Gerichtsdienergewohnheiten, eingewurzelte Gewohnheiten, die man schwer verliert, wenn man sie einmal angenommen hat. Diese Herren wußten sich nicht von ihrer Beute zu trennen, wenn sie dieselbe einmal in den Händen hielten. So läßt der gute Jagdhund sein verwundetes Feldhuhn nur los, um es dem Jäger zu übergeben.

Der gute Gerichtsdiener ist derjenige, welcher, wenn einmal der Fang gemacht ist, diesen weder mit dem Finger, noch mit dem Auge mehr verläßt. Er weiß zu genau, wie launenhaft das Schicksal gegen die Jäger ist und wie sehr das, was man nicht mehr festhält, sich entfernt.

Mit einem bewunderungswürdigen Einklang riefen alle Beide, so sehr sie betäubt waren:

»Herr Beausire! mein lieber Beausire!«

Und sie hielten ihn am Flügel seines grünen Tuchrockes zurück.

»Was gibt es?« fragte Beausire.

»Haben Sie die Güte, verlassen Sie uns nicht,« erwiderten sie, während sie ihn zum Niedersitzen nöthigten.

»Aber wie soll ich Ihnen denn das Geld geben, wenn Sie mich nicht hinaufgehen lassen?«

»Wir werden Sie begleiten,« antwortete Positiv mit einer erschrecklichen Zärtlichkeit.

»Es ist ... es ist das Zimmer meiner Frau,« entgegnete Beausire.

Dieses Wort, das er als eine Einwendung betrachtete, der nicht widersprochen werden konnte, war für die Sbirren der Funke, der das Feuer an das Pulver legte.

Ihre brütende Unzufriedenheit – ein Gerichtsdiener ist immer über etwas unzufrieden – nahm eine Form, einen Körper, eine Ursache an.

»Ah!« rief der Erste von den Agenten, »warum verbergen Sie uns Ihre Frau?«

»Ja, sind wir nicht präsentabel?« sagte der Zweite.

»Wenn Sie wüßten, was man für Sie gethan hat, wären Sie artiger,« sprach der Erste.

»Und Sie würden uns Alles geben, was wir verlangen,« fügte keck der Zweite bei.

»Ah! Sie stimmen einen sehr hohen Ton an, meine Herren,« sagte Beausire.

»Wir wollen Deine Frau sehen,« erwiderte der Sbirre Positiv.

»Und ich, ich erkläre Ihnen, daß ich Sie hinauswerfen werde,« entgegnete Beausire, auf ihre Betrunkenheit pochend.

Sie antworteten ihm mit einem schallenden Gelächter, das ihn hätte klug machen müssen. Er trug dem keine Rechnung, wurde hartnäckig und rief:

»Nun sollt Ihr auch nicht einmal das Geld bekommen, das ich Euch versprochen habe, und Ihr werdet Euch aus dem Staube machen.«

Sie lachten noch furchtbarer, als das erste Mal.

Zitternd vor Zorn, sprach Beausire mit erstickte Stimme:

»Ich begreife Euch, Ihr werdet Lärm machen und sprechen; doch wenn Ihr sprecht, stürzt Ihr Euch in's Verderben, wie mich.«

Sie lachten fortwährend unter sich, der Spaß kam ihnen trefflich vor. Das war ihre einzige Antwort.

Beausire glaubte sie durch einen Kraftstreich zu erschrecken und stürzte nach der Treppe, nicht wie ein Mensch, der Louisd'or, sondern wie ein Wüthender, der eine Waffe holen will. Die Sbirren standen vom Tische auf, liefen, ihrem Grundsatz getreu, Beausire nach und legten ihre breiten Hände an ihn.

Dieser schrie, eine Thüre öffnete sich, und eine Frau erschien ängstlich, erschrocken auf der Schwelle der Zimmer des ersten Stockes.

Als sie diese Frau sahen, ließen sie Beausire los und stießen auch einen Schrei aus, doch einen Schrei der Freude, des Triumphs, wilder Exaltation.

Sie hatten diejenige getroffen, welche so sehr der Königin von Frankreich glich.

Beausire glaubte sie einen Augenblick durch die Erscheinung einer Frau entwaffnet, aber er war bald grausam enttäuscht.

Der Positiv näherte sich Mlle. Oliva und sprach mit einem, in Rücksicht auf die Aehnlichkeit, zu wenig höflichen Ton:

»Ah! ah! ich verhafte Sie.«

»Sie verhaften!« rief Beausire; »und warum?«

»Weil uns Herr von Crosne den Befehl gegeben hat,« erwiderte der andere Agent, »und weil wir im Dienste des Herrn von Crosne sind.«

Hätte der Blitz zwischen dem Liebespaare eingeschlagen, es wäre weniger darüber erschrocken, als über diese Erklärung.

»So ist es wenn man sich nicht artig benimmt,« sagte der Positiv zu Beausire.

»Du hast Recht, Legrigneux; denn wenn Beausire artig gewesen wäre, hätte er uns Madame gezeigt, und wir hätten Madame mit allem Anstand festgenommen.«

Beausire drückte seinen Kopf in seine Hände. Er dachte nicht einmal daran, daß seine zwei Dienstboten, ein männlicher und ein weiblicher, diese Scene, welche mitten auf den Stufen vorging, unten von der Treppe hörten.

Er hatte eine Idee; sie lächelte ihn an; sie erfrischte ihn sogleich.

»Ihr seid gekommen, um mich zu verhaften?« sagte er zu den Agenten.

»Nein, das ist Zufall,« antworteten sie naiver Weise.

»Gleichviel. Ihr konntet mich verhaften und für sechzig Louisd'or ließet ihr mich in Freiheit.«

»Oh! nein, es war unsere Absicht, noch sechzig zu verlangen.«

»Und wir haben nur ein Wort,« fuhr der Andere fort; »für hundert und zwanzig Louisd'or lassen wir Sie auch frei.«

»Aber ... Madame?« fragte Beausire zitternd.

»Ah! Madame ... das ist etwas Anderes,« antwortete der Positiv.

»Madame ist zweihundert werth, nicht wahr?« sagte Beausire hastig.

Die Agenten fingen wieder das furchtbare Gelächter an, das Beausire dießmal leider begriff.

»Dreihundert ...« sagte er, »vierhundert ... tausend Louisd'or ... Ich gebe Euch tausend Louisd'or, aber Ihr werdet sie frei lassen.«

Beausire's Augen funkelten, während er so sprach:

»Ihr antwortet nicht,« sagte er; »Ihr wißt, daß ich Geld habe, und Ihr wollt mich bezahlen lassen. Das ist nur zu billig. Ich gebe zweitausend Louisd'or, acht und vierzig tausend Livres, ein Vermögen für euch Beide, aber laßt ihr die Freiheit.«

»Du liebst sie also sehr, diese Frau?« fragte der Positiv.

Nun war die Reihe zu lachen an Beausire, und dieses höhnische Gelächter war so erschrecklich, es malte so scharf die verzweifelte Liebe, die dieses verwelkte Herz verzehrte, daß die zwei Sbirren bange davor bekamen und sich entschlossen, Vorsichtsmaßregeln zu ergreifen, um den Ausbruch der Verzweiflung zu vermeiden, die man in dem irren Auge Beausire's las.

Sie nahmen jeder ein Paar Pistolen aus der Tasche, hielten sie Beausire auf die Brust, und einer von ihnen sagte:

»Nicht für hunderttausend Thaler würden wir diese Frau zurückgeben. Herr von Rohan bezahlt uns fünfmal hunderttausend Livres und die Königin eine Million.«

Beausire schlug die Augen zum Himmel mit einem Ausdruck auf, der jedes andere Thier, als einen Alguazil, erweicht hatte.

»Gehen wir,« sagte der Positiv. »Sie müssen ein Wägelchen, irgend etwas Rollendes hier haben: lassen Sie dieses Gefährt für Madame anspannen; wir sind ihr das wohl schuldig.«

»Und da wir gute Teufel sind, so wollen wir keinen Mißbrauch von unserer Gewalt machen. Man nimmt Sie der Form wegen auch mit; unter Wegs wenden wir die Augen ab, Sie springen vom Gefährt herab, und wir bemerken es erst, wenn Sie tausend Schritte Vorsprung haben. Ist das ein gutes Benehmen, wie?«

Beausire antwortete nur:

»Wohin sie geht, werde ich gehen. Ich verlasse sie nie in diesem Leben.«

»Oh! weder in diesem, noch in dem andern!« fügte Oliva eiskalt vor Schrecken bei.

»Desto besser!« sprach der Positiv, »je mehr man Herrn von Crosne Gefangene zuführt, desto mehr lacht er.«

Eine Viertelstunde nachher fuhr der Wagen mit dem gefangenen Liebespaar und seinen Begleitern vom Hause ab.


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