Alexander Dumas
Das Halsband der Königin - 3
Alexander Dumas

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LXXIV.

Fechtkunst und Diplomatie.

Am andern Tag gegen zehn Uhr kam ein Wagen mit dem Wappen des Herrn von Breteuil in Versailles an.

Diejenigen von unsern Lesern, welche sich der Geschichte Balsamo's und Gilberts erinnern, werden nicht vergessen haben, daß Herr von Breteuil, ein Nebenbuhler und persönlicher Feind des Herrn von Rohan, seit langer Zeit auf jede Gelegenheit lauerte, um seinem Gegner einen tödtlichen Schlag beizubringen.

Die Diplomatie ist der Fechtkunst in der Hinsicht sehr überlegen, daß bei letzterer Wissenschaft ein Gegenstoß in einer Secunde gegeben sein muß, während die Diplomaten fünfzehn Jahre und mehr, wenn es sein muß, haben, um den Stoß, den sie zurückgeben, zu combiniren und so tödtlich als möglich zu machen.

Herr von Breteuil hatte den König eine Stunde vorher um eine Audienz bitten lassen, und er fand Seine Majestät, als sie sich gerade ankleiden ließ, um zur Messe zu gehen.

»Ein herrliches Wetter!« sagte Ludwig XVI. ganz heiter, als der Diplomat in sein Cabinet eintrat, »ein wahres Mariae-Himmelfahrts-Wetter; sehen Sie, es ist keine Wolke mehr zu sehen.«

»Sire, bedaure unendlich, daß ich Ihrer Ruhe eine Wolke bringen muß,« erwiderte der Minister.

»Oh!« rief der König, dessen heitere Miene sich verdüsterte, »der Tag fängt schlimm an; was gibt es?«

»Sire, ich bin sehr in Verlegenheit, wie ich Ihnen das erzählen soll, um so mehr, als es nicht zum Geschäftskreise meines Ministeriums gehört. Es ist eine Art von Diebstahl, und das wäre Sache des Policei-Lieutenants.«

»Ein Diebstahl! ... Sie sind Siegelbewahrer, und die Diebe begegnen am Ende immer der Justiz.«

»Wohl, Sire, vernehmen Sie, wie sich die Sache verhält: Eure Majestät hat wohl von einem Diamantenhalsband sprechen hören?«

»Das von Herrn Böhmer?«

»Ja, Sire.«

»Das, welches die Königin ausgeschlagen hat?«

»Ganz richtig.«

»Eine Zurückweisung, die mir ein schönes Schiff eingetragen hat, den Suffren,« sagte der König, sich die Hände reibend.

»Nun, Sire,« sprach der Baron von Breteuil, unempfindlich für alles Schlimme, was er zu thun im Begriffe war, »dieses Halsband ist gestohlen worden.«

»Ah! das ist ein Unglück!« rief der König. »Es war theuer, doch die Diamanten sind kennbar. Wenn man sie zerschnitte, würde man die Frucht des Diebstahls verlieren. Man wird sie ganz lassen, und die Policei wird sie wieder auffinden ...«

»Sire,« unterbrach der Baron von Breteuil, »das ist kein gewöhnlicher Diebstahl. Es vermischen sich damit Gerüchte.«

»Gerüchte? wie soll ich das verstehen?«

»Sire, man behauptet, die Königin habe das Halsband behalten.«

»Wie, behalten? In meiner Gegenwart hat sie es ausgeschlagen, ohne es nur anschauen zu wollen. Albernheiten, Tollheiten, Baron; die Königin hat das Halsband nicht behalten.«

»Sire, ich habe mich nicht des geeigneten Wortes bedient: die Verleumdungen sind stets so blind in Beziehung auf Fürsten, daß der Ausdruck für königliche Ohren zu verletzend ist. Das Wort behalten ...«

»Ah! Herr von Breteuil,« sprach der König mit einem Lächeln, »man wird doch wohl nicht behaupten, die Königin habe das Halsband gestohlen?«

»Nein,« erwiderte lebhaft Herr von Breteuil, »man sagt, die Königin habe den von ihr abgebrochenen Handel wieder aufgenommen; man sagt, und ich brauche Eurer Majestät nicht zu wiederholen, wie sehr meine Ehrfurcht und meine Ergebenheit diese schändlichen Muthmaßungen verachten, man sagt, die Juweliere besitzen von Ihrer Majestät der Königin einen Schein, in welchem bezeugt sei, daß sie das Halsband behalte.«

Der König erbleichte.

»Man sagt das?« wiederholte er. »Was sagt man nicht? Doch im Ganzen setzt mich das in Erstaunen. Hatte die Königin das Halsband unter der Hand gekauft, so würde ich es nicht tadeln. Die Königin ist ein Weib, das Halsband war ein seltenes, wunderbares Stück. Die Königin kann, Gott sei Dank, anderthalb Millionen für ihre Toilette ausgeben, wenn sie es wollte. Ich werde es billigen, und sie wird nur darin Unrecht gehabt haben, daß sie mir ihren Wunsch verschwiegen. Doch es geziemt sich nicht für den König, sich in diese Sache zu mischen; sie geht den Mann an. Der Mann wird seine Frau tadeln, wenn er will oder wenn er kann; ich erkenne Niemand das Recht zu, dazwischen zu treten, nicht einmal mit einer üblen Nachrede.«

Der Baron verbeugte sich vor diesen so edlen und so kräftigen Worten des Königs. Aber Ludwig XVI. Festigkeit war eitel Schein. Einen Augenblick, nachdem er sie gezeigt, wurde er schwankend, unruhig.

»Und dann,« fuhr er fort, »was sprechen Sie von einem Diebstahl? ... Wenn ein Diebstahl stattgefunden hätte, so wäre das Halsband, wie mir scheint, nicht in den Händen der Königin. Wir wollen logisch sein!«

»Eure Majestät hat mich durch Ihren Zorn eiskalt gemacht, und ich konnte nicht vollenden ...«

»Oh! mein Zorn! ... ich zornig! ... Was das betrifft, Baron ... Baron!«

Und der gute König lachte geräuschvoll.

»Fahren Sie fort und sagen Sie mir Alles; sagen Sie mir sogar, die Königin habe das Halsband an Juden verkauft. Arme Frau, sie braucht oft Geld, und ich gebe ihr nicht immer.«

»Das wollte ich gerade Eurer Majestät zu sagen die Ehre haben. Die Königin hatte vor zwei Monaten durch Herrn von Calonne fünfmal hunderttausend Livres fordern lassen, und Eure Majestät hat sich geweigert, zu unterzeichnen.«

»Das ist wahr.«

»Wohl, Sire, dieses Geld sollte, wie man sagt, dazu dienen, das erste Quartal der von der Königin beim Ankauf des Halsbandes unterzeichneten Termine zu bezahlen. Da die Königin kein Geld hatte, so weigerte sie sich, zu bezahlen.«

»Nun?« fragte der König, allmälig interessirt, wie es geschieht, wenn auf den Zweifel ein Anfang von Wahrscheinlichkeit folgt.

»Sire, hier fängt die Geschichte an, die mir mein Eifer Eurer Majestät zu erzählen befiehlt.«

»Wie! Sie sagen, die Geschichte fange hier an: mein Gott! was ist es denn?« rief der König, seine Verlegenheit vor den Augen des Barons verrathend, der von da an im Vortheil blieb.

»Sire, man sagt, die Königin habe sich an Jemand gewendet, um Geld zu bekommen.«

»An wen? an einen Juden, nicht wahr?«

»Nein, Sire, nicht an einen Juden.«

»Ei, mein Gott! Sie sagen mir das mit einer seltsamen Miene, Breteuil. Oh! gut, ich errathe; eine auswärtige Intrigue: die Königin hat das Geld von ihrem Bruder, von ihrer Familie verlangt? Oesterreich steckt dahinter?«

Man weiß, wie empfindlich der König in Betreff des Wiener Hofes war.

»Das wäre besser,« erwiderte Herr von Breteuil.

»Wie! das wäre besser? Aber von wem hat denn die Königin Geld verlangen können?«

»Sire, ich wage es nicht ...«

»Sie setzen mich in Erstaunen, mein Herr,« sprach der König, indem er das Haupt erhob und wieder seinen königlichen Ton annahm: »Sprechen Sie auf der Stelle, wenn's beliebt, und nennen Sie mir den Geldleiher.«

»Herr von Rohan, Sire.«

»Wie! Sie erröthen nicht, mir Herrn von Rohan, den ruinirtesten Mann dieses Königreichs, zu nennen!«

»Sire ...« sagte Herr von Breteuil, die Augen niederschlagend.

»Das ist eine Miene, die mir mißfällt,« fügte der König bei, »und Sie werden sich sogleich erklären, mein Herr Siegelbewahrer.«

»Nein, Sire; um keinen Preis der Welt; denn nichts würde mich zwingen, ein die Ehre meines Königs und meiner Souveränin bloßstellendes Wort von meinen Lippen fallen zu lassen.«

Der König faltete die Stirne.

»Wir steigen sehr tief hinab, Herr von Breteuil; diese Policeimeldung ist ganz geschwängert von den Dünsten des Pfuhls, von dem sie ausgeht.«

»Sire, jede Verleumdung dünstet tödtliche Miasmen aus, und darum müssen die Könige die Luft rein machen, und zwar durch große Mittel, wenn nicht ihre Ehre durch diese Gifte, selbst auf dem Throne, umgebracht werden soll.«

»Herr von Rohan,« murmelte der König; »welche Wahrscheinlichkeit! ... Der Cardinal läßt also sagen? ...«

»Sire, Eure Majestät wird sich überzeugen, daß Herr von Rohan Unterredungen mit den Juwelieren Böhmer und Bossange gehabt hat, daß die Sache des Ankaufs von ihm geordnet worden ist, daß er die Zahlungsbedingungen angenommen und festgestellt hat.«

»Wahrhaftig!« rief der König, ganz bebend vor Zorn und Eifersucht.

»Es ist dieß eine Thatsache, welche das kleinste Verhör erweisen wird. Ich mache mich hiezu gegen Eure Majestät anheischig.«

»Sie sagen, Sie machen sich hiezu anheischig?«

»Ohne Rückhalt, unter meiner Verantwortlichkeit, Sire.«

Der König ging rasch in seinem Cabinet auf und ab.

»Das sind furchtbare Dinge,« sagte er; »ja, doch in dem Allem sehe ich den Diebstahl noch nicht.«

»Sire, die Juweliere haben, wie sie behaupten, einen von der Königin unterzeichneten Schein erhalten, und das Halsband muß in den Händen der Königin sein.«

»Ah!« rief der König in einem Ausbruch der Hoffnung; »sie leugnet! Sie sehen wohl, daß sie leugnet, Breteuil.«

»Ei! Sire, habe ich je Eure Majestät glauben lassen, ich wisse nicht, daß die Königin unschuldig ist? Sollte ich so beklagenswerth sein, daß Eure Majestät nicht sähe, welche Ehrfurcht und Liebe für die reinste der Frauen in meinem Herzen wohnt?«

»Sie klagen also nur Herrn von Rohan an?«

»Sire, der Anschein räth ...«

»Eine schwere Anschuldigung, Baron.«

»Welche vielleicht vor einer Untersuchung fallen wird; doch die Untersuchung ist unerläßlich. Bedenken Sie doch, Sire, daß die Königin das Halsband nicht zu haben behauptet; daß die Juweliere es an die Königin verkauft zu haben behaupten; daß sich das Halsband nicht wiederfindet, und daß das Wort Diebstahl vom Volk zwischen dem Namen Rohan und dem geheiligten Namen der Königin ausgesprochen worden ist.«

»Es ist wahr, es ist wahr,« sagte der König ganz verwirrt; »Sie haben Recht, Breteuil, diese ganze Sache muß aufgeklärt werden.«

»Durchaus, Sire.«

»Mein Gott! was geht dort in der Gallerie vor? ist das nicht Herr von Rohan, der sich in die Capelle begibt?«

»Sire, Herr von Rohan kann sich noch nicht in die Capelle begeben. Es ist noch nicht elf Uhr; und dann hätte Herr von Rohan, der heute das Amt hält, sein priesterliches Gewand an. Er ist es nicht, der dort geht. Eure Majestät hat noch über eine halbe Stunde zu verfügen.«

»Was soll ich dann thun? mit ihm sprechen? ihn kommen lassen?«

»Nein, Sire; erlauben Sie mir, Eurer Majestät einen Rath zu geben; machen Sie die Sache nicht ruchbar, ehe Sie mit Ihrer Majestät der Königin gesprochen haben.«

»Ja, sie wird mir die Wahrheit sagen.«

»Zweifeln wir nicht einen Augenblick daran, Sire.«

»Hören Sie, Baron, kommen Sie hierher und sagen Sie mir unverholen, ohne Milderung, jede Thatsache, jede Deutung.«

»Ich habe Alles in diesem Portefeuille auseinandergesetzt, mit den Beweisen zur Bekräftigung.«

»An's Geschäft also; warten Sie, daß ich die Thüre meines Cabinets schließen lasse; ich hatte diesen Morgen zwei Audienzen, ich werde sie verschieben.«

Der König gab seine Befehle, setzte sich dann wieder und warf einen letzten Blick durch das Fenster.

»Dießmal,« sagte er, »ist es gewiß der Cardinal, schauen Sie.«

Herr von Breteuil stand auf, trat an's Fenster und erblickte Herrn von Rohan, der im großen Gewande eines Cardinals und Erzbischofs sich nach dem Gemach wandte, das für ihn bestimmt war, so oft er ein feierliches Amt in Versailles hielt.

»Endlich ist er da!« rief der König sich erhebend.

»Desto besser,« sagte Herr von Breteuil, »die Erklärung wird keinen langen Aufschub erleiden.«

Und er begann den König mit allem Eifer eines Mannes zu unterweisen, der einen Andern zu Grunde richten will.

Eine höllische Kunst hatte in seinem Portefeuille Alles zusammengestellt, was den Cardinal erdrücken konnte. Der König sah wohl die Beweise für die Schuld des Herrn von Rohan sich häufen, aber er verzweifelte, daß er nicht so schnell die Beweise für die Unschuld der Königin kommen sah.

Er ertrug ungeduldig seit einer Viertelstunde diese Marter, als plötzlich Rufe in der anstoßenden Gallerie ertönten.

Der König horchte, Herr von Breteuil unterbrach sich im Lesen.

Ein Officier kratzte an der Thüre des Cabinets.

»Was gibt es?« fragte der König, bei dem seit der Mittheilung des Herrn von Breteuil alle Nerven in Bewegung gesetzt waren.

Der Officier trat ein.

»Sire, Ihre Majestät die Königin bittet Eure Majestät, zu ihr kommen zu wollen.«

»Es gibt etwas Neues,« sprach der König erbleichend.

»Vielleicht,« sagte Breteuil.

»Ich gehe zur Königin!« rief der König. »Erwarten Sie mich hier, Herr von Breteuil.«

»Wir stehen der Entwicklung nahe,« murmelte Herr von Breteuil.


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