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XIV.

Es mußte gegen Mitternacht gewesen sein, als ich, bereits in halber Bewußtlosigkeit, die letzten Anstrengungen machte, das qualmende Feuer zu verlöschen. Ich mußte also stundenlang in den Gewölbe ohne Bewußtsein gelegen haben, denn es war früher Morgen, als ich, auf ein paar Decken in einem der kastenförmigen Schlitten, wie sie von den Farmern zum Getreidefahren benutzt werden, die Augen aufschlug.

Um den Schlitten herum und aus dem geheimen Zugang zu dem Gewölbe herauskommend oder auch in ihn hineingehend, sah ich eine Anzahl bewaffneter Männer, unter denen ich die Uniformen von zwei Mounted Policemen erkannte. Nicht weit davon standen der Indianer und der Stelzfuß gefesselt. Der letztere mußte am Arme verwundet sein, denn auf dem Ärmel seines dicken Mackinaw (Jacke aus dickem Stoff) waren Blutflecke sichtbar, und eine Wulst darunter deutete auf einen Verband der Wunde.

»Was geht hier vor?« fragte ich Minnehaha. »Wo kommen die Männer her?«

»Ich habe sie von Grayson geholt,« erzählte sie, und ihre Augen strahlten vor Genugtuung. »Aber das ist eine lange Geschichte. Wir haben alle noch kein Frühstück gehabt. Einer der Männer macht es aber dort in der Höhle, wo sie dich herausgeholt haben, fertig. Die Mounted Police, die mit von Grayson gekommen ist, hat dafür gesorgt, daß die Leute etwas zu essen haben. Solche unerwartete Ausflüge sind ihnen ja nichts Neues.«

In der Tat trat jetzt einer der Männer aus dem geheimen Gewölbe und rief mit lauter Stimme: »Breakfast is ready (Frühstück ist fertig)!«

Ich versuchte aufzustehen, indem ich mich an den Seiten des Schlittenkastens festhielt. Es gelang mir, wenn auch nicht ganz zu meiner Zufriedenheit. Ich fühlte mich reichlich schwach, empfand aber, daß eine Tasse heißer Kaffee oder Tee und etwas zu essen – denn ich hatte seit dem vergangenen Mittag nichts genossen – mich schnell genug in Ordnung bringen würde.

»Well, Sir, come on!« rief einer der Policemen mir zu. »Nach all dem Rauch, den Sie geschluckt haben, werden Sie eine Tasse Kaffee vertragen können. Und verdient haben Sie sie auch, by Gosh! Denn hol mich dieser und jener, wenn Sie nicht hier die Mondscheindestillerie entdeckt haben, nach der die Mounted Police und die Leute von der Inland Revenue (Zolldienst) seit ein paar Jahren gesucht haben. Wir wußten ganz genau, daß hier irgendwo das Zeug gebraut wird, aber es scheint, wir haben überall danach gesucht, nur nicht an der richtigen Stelle. Well, schlau haben's die Burschen angestellt, das muß man ihnen lassen! By Gosh!«

»Sie haben noch einen bessern Fang gemacht, Sergeant, als Sie ahnen,« rief ich ihm zu. »Sehen Sie sich die beiden Strolche richtig an. Sie wissen dann, wie zwei Mörder aussehen.«

» Well,« entgegnete er, »ganz ist ihnen ja ihre freundliche Absicht nicht gelungen. Sie wollten ganz sichere Arbeit machen und haben deshalb stundenlang hier draußen gewartet, um nicht etwa den Zugang zur Höhle zu früh zu öffnet. Wie lange ein Mensch braucht, um im Qualm zu ersticken, konnten sie natürlich nicht wissen. Und Experimente zu machen, wenn der andere einen Revolver hat und damit umzugehen weiß, ist auch so eine Sache. Also lieber eine Stunde oder zwei länger warten, als Ihnen Gelegenheit geben, wieder etwas frische Luft zu schöpfen und Ihre Reise nach dem Jenseits zu unterbrechen. Die ganze heillose Arbeit wäre ja dann umsonst gewesen und hätte noch einmal gemacht werden müssen. Well, ich hab's immer gesagt: Zuviel Vorsicht ist meist ebenso dumm wie zu wenig. Denn nur weil die Kerle hier so übervorsichtig waren, sind wir noch zur rechten Zeit hier eingetroffen. Aber das haben Sie nur dem Mädchen da zu verdanken. Sie wissen noch gar nicht, was die alles unternommen hat.«

Mein Blick wandte sich Minnehaha zu, die nicht weit von ihm stand, aber ich konnte ihr Gesicht nicht deutlich erkennen, denn es war zum Teil in der Kapuze ihres wollenen Mantels verborgen.

»Sie verstehen mich nicht,« erwiderte ich dem Sergeanten, als welchen ihn die drei Streifen auf seinem Jackenärmel bezeichneten. »Sie haben zwei wirkliche Mörder gefangen. Die beiden haben vor drei oder vier Jahren einen Detektiv von der Inland Revenue auf ganz unmenschliche Weise umgebracht, und Sie werden sein Skelett nicht eine Meile weit von hier finden.«

»Meinen Sie Mc. Lean?« fragte der Polizist in höchster Überraschung.

»Seinen Namen weist ich nicht, aber ich habe ein Gespräch der beiden hier belauscht, das die Sache zweifellos macht.«

»Es kann nur Mc. Lean sein,« erwiderte er nachdenklich. »Er war Provinzial-Detektiv für die Regina-Office und verschwand ganz plötzlich und spurlos vor ungefähr drei Jahren. Wir haben lange nach ihm gesucht, aber nie wieder etwas von ihm gehört. Well, Sie werden uns das erzählen. Aber kommen Sie herein in den Whiskytempel, denn by Gosh, ich glaube, Sie haben ein Frühstück ebenso nötig, wie die Kleine da.«

Der Rat war gut, und wir begaben uns alle mit Ausnahme der beiden Männer, die zur Bewachung der beiden Gefangenen zurückblieben, in das Gewölbe.

Hier brannte lustig ein helles Feuer, und der Kessel war trotz seiner Größe dazu benutzt worden, einen dampfenden Kaffee zu bereiten, den sich sechs oder sieben Männer, die auf Fässern oder auch auf der Erde um das Feuer herumsaßen, mit Behagen munden ließen. Brot, Biskuits und Eier vervollständigten das Frühstück.

Als ich mit Minnehaha und dem Sergeanten das Gewölbe betrat, wurden wir mit lebhaften Zurufen empfangen, und ich mußte alle Einzelheiten meiner Entdeckung dieser unterirdischen Destillation und des mörderischen Anschlags, den die beiden Verbrecher auf mich gemacht, berichten.

Dann berieten die beiden Policemen und der Friedensrichter über die weiter zu unternehmenden Schritte. Sie kamen überein, ihre Gefangenen nach Grayson zu bringen und von dort telephonisch weitere Weisungen vom Hauptquartier in Regina einzuholen. Es unterlag keinem Zweifel, daß diese dahin gehen würden, die Verbrecher nach Regina zu überführen, wo ihre Aburteilung erfolgen würde. Ich sollte die Posse mit den Gefangenen nach Grayson begleiten, um dort meine Aussagen zu Protokoll zu geben. Zwei oder drei von der Posse unter Führung eines Polizisten sollten in der Behausung des Indianers und Mister Craigs eine Haussuchung vornehmen, um besonders nach etwaigen Spuren weiterer Verbrechen zu forschen. Ihnen wurde der Schlitten des Indianers für ihre Zwecke zur Verfügung gestellt. Minnehaha wollte auf diesem nach ihrer Reservation zurückkehren.

Einen besonderen Eindruck machten meine Mitteilungen über das, was ich in bezug auf den Verkauf des Mondschein-Whiskys an den Hotelwirt in Esterhazy und die Spielhölle, die dieser in seinem Hause hielt, beobachtet hatte. Und ich erfuhr jetzt erst, wie dieser Mann sein Bestes getan hatte, meine Rettung zu verhindern und seinen Genossen im Verbrechen eine Warnung zu geben. Daß ihm das nicht gelungen war, hatte ich Minnehaha zu danken.

Wie groß aber meine Dankesschuld ihr gegenüber in Wirklichkeit war, wurde mir erst durch die ungestörte Unterredung klar, die wir kurze Zeit später hatten.

Der Friedensrichter und die Polizisten hatten sich mit einem oder zwei Mann der Posse entfernt, um das Skelett des ermordeten Steuerdetektivs zu besichtigen, und das gab Minnehaha Gelegenheit, mir alles zu erzählen, was sie zu meiner Rettung unternommen hatte und auf welche Hindernisse und Schwierigkeiten sie dabei gestoßen war.

Es war mir klar, daß sie sich nach dem, was vorgegangen, in der Reservation kaum mehr würde wohl fühlen können. Es konnte mir nicht verborgen bleiben, daß die Schrecken der letzten Stunden ihr den letzten Rest des Glaubens an eine Zukunft ihrer Rasse, die ihr ein Heiligtum gewesen, geraubt hatten. Das, was sie für ihre Pflicht dem Stamme gegenüber hielt, war aber so lebendig in ihr, daß sie darauf bestand, in ihr Dorf zurückzukehren. Das einzige, was sie versprach, war, daß sie am folgenden Tage oder auch an dem nächstfolgenden noch einmal nach meiner Höhle kommen und mir mitteilen wollte, wie sich ihre Stellung unter den Stammesmitgliedern nach den letzten Ereignissen gestaltet habe. Meine Absicht war, von Grayson aus noch für einen oder zwei Tage nach meiner Höhle zurückzukehren. Auf keinen Fall wollte ich die Gegend verlassen, ohne über Minnehahas Schicksal völlig beruhigt zu sein. – – –

Der Rest der Posse kam jetzt von der Besichtigung des Skelettes zurück.

»Wir müssen noch einmal herkommen,« meinte der Sergeant der Mounted Police, »und eine photographische Aufnahme machen. Es ist nicht möglich, das Skelett fortzuschaffen, ohne es in einen Haufen Knochen zu verwandeln, die dann kaum noch etwas beweisen würden, – ich meine in bezug auf die Todesart. Und ich meine, wir bringen dann auch einen Geistlichen mit. Mc. Lean soll sein christliches Begräbnis haben. Er hat's verdient, und 's ist leider alles, was wir für ihn tun können.«

»Sagen Sie mal, Sergeant,« rief einer von der Posse, »könnten wir mit seinen Mördern nicht kurzen Prozeß machen? Einen bessern Galgen wie den dicken Baum da oben haben sie in Regina auch nicht. Und ich bin überzeugt, der Teufel, der arme Mann, wartet schon lange auf seine gute Beute. Sie war ihm wohl von jeher sicher genug, aber Schufte wie diese, die mit jedem Teufel auf dem Duzfuße stehen, soll man nicht zu lange von ihrer Bestimmung zurückhalten.«

»Nichts da,« war die Antwort. »Der Strick ist ihnen sicher genug. Im allgemeinen bin ich zwar auch für ein abgekürztes Verfahren, aber wir müssen das doch dem Gerichte überlassen.« – –

Der Schlitten, der die Posse hierhergeführt, war inzwischen ebenfalls in die Schlucht gebracht worden. Die Pferde waren gefüttert und angespannt, und wir machten uns zum Aufbruch fertig.

Minnehaha bestieg den Schlitten, der die Männer, welche den Auftrag hatten, die Durchsuchung der Behausung des Indianers und später auch der Farm des Stelzfußes vorzunehmen, nach der Reservation führen sollte. Wir anderen mit den Gefangenen, die finster und schweigend den an sie ergehenden Befehlen nachkamen, bestiegen den zweiten Schlitten. Einen Versuch, seine Armwunde, die ihm jedenfalls meine Kugel zugefügt, obwohl er sich darüber nicht äußerte, zu untersuchen und richtig zu verbinden, hatte der Stelzfuß mit einem brutalen: »Scher dich zum Teufel!« abgelehnt, eine Bemerkung, die mich mehr als alles andere davon überzeugte, daß die Wunde nicht von Bedeutung war.

Nach wenigen Minuten sausten die Schlitten über die Schneebahn des Flusses dahin, bis der unsere in den nächsten Taleinschnitt abbog, in der Richtung nach Grayson.


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