Max Dreyer
Die Siedler von Hohenmoor
Max Dreyer

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Blut auf der Heide

Gradenwegs rennt Horst nach seinem Ziel. Vom Abendhimmel fällt jetzt ein leichter Schein. Wind hat sich aufgemacht, hat die Wolken ausgesponnen, durch den Dunst schimmert es von der feinen Mondsichel und dem helljubelnden Liebesstern.

Einzelne Gestalten – wie Indianer auf dem Kriegspfad – heben sich vom westlichen Horizont – war das da hinten nicht ein kleiner geschlossener Trupp –? Und in dem schwarzen Kieferngehölz – ein paar mächtige Glühwürmchen zucken hin und her – Taschenlampen – das Waldstück ist besetzt. Die Baracke wird planmäßig eingekreist. 212

Horst fliegt über die Heide. Bricht ein paarmal in die Knie. Da – Männer vor der Baracke – Kameraden – sie sind auf der Wacht.

Keuchend wankt er vor sie hin. »Raus mit den Maschinen!«

»Gott sei Dank!« begrüßen sie ihn. Dankwart, Kunz, Gisbert sind da. In Kunz ist das harte Feuer: »Wir werden ihnen die Reißzähne zeigen!«

Jeder bewaffnet sich für alle Fälle mit Pistole und Gewehr. Horst befiehlt: »Warnungsschüsse natürlich. Nur Warnungsschüsse. Bis zum letzten.« Und noch einmal schärft er ihnen ein: »Bis zum letzten.«

»Heißt, bis die andern uns mit 'ner Kugel holen!« knurrt Dankwart.

»Schad nix. Sterben wir in Schönheit!« knurrt Kunz zurück. »An unserer Sisasentimentalität.«

Die Feinde zögern. »Blockhaus – Rothäute. Ganz nickkartermäßig wird einem zu Mut.«

Zu lange zögern die Feinde. Die diesige Luft klärt sich auf. Der Himmel gibt Sternenschein. Jetzt sind nur noch zwei Seiten gefährlich. Das weite Schußfeld der Heide vor ihnen bietet keine Überrumpelungs-, keine Angriffsmöglichkeiten mehr. Wenn die Feinde stürmen, kommen sie den Hang herunter und brechen aus den Knickbüschen zur Rechten.

Und nun – sie brechen aus den Knickbüschen. Horst durchzuckt es: nur von der einen Seite – nicht auch zugleich von den Hügeln – soll das eine Kriegslist sein?

Es war eine List. Diese kleine Schar sollte ablenken. Der Hauptstoß sollte von oben erfolgen –

Tak – tak – tak – tak – tak – das Maschinengewehr gegen die Stürmenden. Dieses tödlich unheimliche Tacken – der scharfe Pendelschlag des Verderbens – die Herzen stocken – die Reihen wanken – Rufe – Schreie – gereckte Arme – wirbelnde Glieder – fliehend stieben sie auseinander. 213

Jetzt das Gros von der Höhe – mit wildem Hurra – das Brüllen soll das Tak-Tak übertönen. Aber scharf reißen diese Todestaktschläge hindurch – zwei Maschinen auf dieser Seite – sie arbeiten gegeneinander auf – überbieten sich – wetteifern im Verderben –

Wer kann dagegen an! Auch hier stocken die Reihen – wogen durcheinander – fluten zurück – zerflattern in rasender Flucht – über ihnen pfeifen die Kugeln –

Nur ein kleiner Stoßtrupp, fünf, sechs Mann sind mutig vorgestürmt – zwei Handgranaten fliegen – Knall, Rauch, sprühender Sand, Fetzen von Erde – Handgemenge – mit einem Kolbenschlag wirft Horst den nieder, der gegen ihn anspringt.

Die andern werden überwältigt und entwaffnet. Vier Siedler sind getroffen, nicht schwer. Der Gegner von Horst liegt besinnungslos. Die Entwaffneten stehen dumpf, geduckt, verbissen. »Geht nach Haus und grüßt Eure Großmutter!« sagt ihnen Kunz.

»Wir wollen – unsern Genossen mitnehmen!« fordert der eine.

Horst hat Umschau gehalten. Von den Feinden ist nichts mehr zu sehen. Sie fluten nach der Stadt zurück. Von denen ist nichts mehr zu besorgen.

Jetzt trat er ruhig zu dem Besinnungslosen. »Ich glaube nicht, daß er transportfähig ist«, sagte er bestimmt. »Sie müssen ihn schon hierlassen.«

»Er soll mit. Wir tragen ihn –« erklärten die Genossen.

»Was jetzt soll, sage ich hier. Nicht Sie. Er bleibt. Ich hoffe, er ist zu retten. Aber nur so. Einer von Ihnen kann ja seine Pflege mit übernehmen.«

Die Männer berieten. »Wir müssen uns fügen.«

»Ja, das müssen Sie.« So blieb einer zurück, ein Krauskopf mit Mulattengesicht. Die andern gingen wortlos von dannen. Kunz aber, der Abschiedsworte 214 liebte: »Wir bedanken uns auch bei Euch! Daß Ihr uns nicht in Pflege zu nehmen braucht!«

Horst war mit Sellmann, ihrem tüchtigen Sanitäter um den Liegenden beschäftigt. »Schwere Gehirnerschütterung«, sagte der Medizinmann. »Der Schädel ist offenbar ganz geblieben.« Sie trugen ihn hinein.

»Wir werden das Feld jetzt noch absuchen, zur Sicherung«, beorderte Horst. »Und dann – hoch genug haben wir ja gehalten – aber vielleicht ist doch noch diesem oder jenem etwas geschehen.«

Kunz führte die Streife. Horst ging in seinen Raum. Er warf sich lang auf sein Bett. Ein paar Minuten Ruhe! Seine Nerven flogen.

Der rasende Lauf durch das Gelände – dann der Kampf – und nicht weniger als dies der jähe Sturz aus der Traumwelt, in der er gewandelt – Lona – von Deiner Seite in den blutigen Kampf mit Deinen Brüdern, Mann gegen Mann!

Und Du warst es, die mich warnte. Mich, der ich wie blind neben Dir herlief. Der ich mit Dir weiterwandern wollte, hinein in die Stadt. Um bei Dir zu sein, die Du mir lieb geworden bist!

Und wie lieb muß ich Dir sein, daß Du mich wecktest aus meiner Gedankenlosigkeit und auf den Weg meiner Pflicht mich führtest. Meine Pflicht – die gegen Deine Sache streiten, die ihr die Wunde schlagen mußte! Meine Pflicht, gegen die Deine eigene Pflicht sich erhob.

So hast Du mir Dich aufgeopfert! Und hast Du so Deine Welt nicht hinter Dir gelassen? Keine Heimat gibt sie Dir mehr. Die Fäden sind zerrissen. Du gehörst uns. In mein Leben gehörst Du. Eigenes Heimweh hat in meine Welt, hat zu mir Dich gezogen – nun halt ich Dich fest! Nun bist Du mein!

Hohl klingt ein Murmeln an die Wand des Schuppens. Wälzt sich dumpf, düster und schwer. Legt sich ihm auf 215 die Brust wie ein Mar. Was friert ihm so ins Blut? Was schauert ihm so durch die Seele?

Er springt auf und tritt hinaus in den Gang, tritt vor die Tür. Die Streife kehrt zurück. Sie tragen jemanden. Kunz geht voran. Horst ist bei ihm. »Eine Frau«, sagt Kunz, weiter nichts. Seine Augen sagen mehr. Horst aber weiß es längst, was er jetzt sieht. Lona. Und sie ist ohne Leben.

Er weiß es, er sieht es – und glaubt es wieder nicht. Seine Hände irren über ihr eisiges Gesicht – sie wollen sich irren – sie rühren, sie fassen den Tod.

»Lo-na.« Seine Zähne klappern. »Lo-na.« Zerrissen ihr Name. Ihr Wesen zerfallen. Zerbrochen ihre Form. Ihre Seele entflogen.

Ein Schuß mitten durchs Herz.

Und jetzt die Fragen der andern: War sie selbst unter den Stürmenden gewesen? Dann am alleräußersten Flügel. Oder hatte sie als Zuschauerin abseits gestanden? Kugeln irren sich so gern.

Horst hatte seine Antwort. Hergeworfen – hergewirbelt hat es Dich – nicht ein Gefühl allein – Du mußtest dabei sein – nicht bloß sehen, es mit erleben – ein Schuldbewußtsein flocht Dich in die Reihen der Genossen – und doch Deine Gedanken flogen ihnen voraus. Sie waren bei mir – sie suchten mich – in schmerzlichem Verlangen –

So war es. Steht es nicht so in Deinem Gesicht geschrieben? Ist all das Zerwühlte nicht zur Ruhe gebracht? Schwebt darüber nicht etwas wie die weiche, bebende, sorgende Zärtlichkeit des Weibes?

In der Halle war die Leiche niedergelegt. Horst hielt bei ihr die Totenwacht.

Unwirklich war ihm noch alles. Wie trunken machte ihn der Schmerz. Seine Fieber taumelten wie in den Visionen einer Dichtung. 216

So umgeisterte ihn alles, was er mit Lona erlebt hatte – seit der ersten Stunde, da sie sich fanden. Wie er sie das schöne, böse Raubtier sich nannte, in der Versammlung – als sie zum Sprunge gegen Herrn Borkhus sich duckte, den Zerbrecher ihres jungen Glücks. Wie sie ihre überhitzte Schulmeinung ihm ins Gesicht sprühte: deutsch ist mir ein zu unwesentlicher Begriff! Blieb sie in der Öde solcher Verstiegenheit? Fing sie nicht an, auf ihre heimatlichen Wurzeln sich zu besinnen? Langsam – Geduld mußte man mit ihr haben –

Als er aus der Kirchhofshaft sie befreite, da starrte sie noch in Waffen gegen ihn. Aber wie der alte Lud dann ihr Wesen ihm gedeutet hatte – je mehr er sie begriff, um so näher rückte sie ihm, um so näher rückte er ihr. Was sie auf der Landarbeiterversammlung sprach, Klänge aus der Tiefe, die in ihm widerhallten. Und wie sie beide bei Lud sich fanden, sich etwas zu sagen und zu geben hatten – bis sie in der großen Offenbarung ihres Orgelspiels mit allem, was in ihrer Seele flutete und brauste und kämpfte, verzweifelte und zum Licht sich aufbäumte, mit den schmerzvoll heiligen Feuern ihrer Seele ihn überwältigte.

Du suchtest den Weg, der Dir verschüttet war – Du fandest ihn über Trümmer, einen schmalen Pfad – ich durfte die Hand Dir entgegenstrecken, Du wolltest sie ergreifen –

Und jetzt abgestürzt – zerschmettert – zerbrochen –

Und nicht mehr rollten die Bilder an ihm vorüber, wie Szenen eines Schauspiels, das ihm als Zuschauer den Atem versetzte – die Wirklichkeit riß ihn aus dem Rausch der Todesnähe, das Leben, sein Leben packte ihn an – ein Teil von seinem Leben war ihr Tod. Ein Teil von ihm war mit ihr gestorben.

»Lona« – er umspannte ihre kalten, welken Finger. Vor ein paar Stunden hatte er sie noch gehalten – 217 wie pulsten sie in seiner Hand, wie pochte ihr Blut an das seine! Jetzt ist der große Abgrund zwischen uns, über den nur die Todesfittiche tragen. Und Du bist auf der geistigen Seite.

Du blasse Lona – nicht mehr das schöne, böse Raubtier – o nein – ein schöner, guter, verklärter Geist – nicht mehr ans Irdische gefesselt, nicht mehr dem Körper verhaftet, jetzt hast Du Dir das Jenseits erobert, das Dich so quälte. Jetzt sind die Schleier gefallen, die Geheimnisse enthüllt – jetzt siehst Du den Sinn der Welt. Des Lebens! Des Lebens vor dem Leben. Des Lebens nach dem Sterben.

Und hat das alles seinen Sinn – was ist sinnvoll anders als gut? Der gute Sinn, der große gute Sinn des Lebens, der große gute Sinn der Welt.

Kann der Tod ihn uns verdunkeln? Führt er nicht gerade, was in uns, den Überlebenden, stark und echt und treu ist an Liebe und Kraft, an Fühlen, Denken und Wollen, empor zu der Höhe eines Gelöbnisses!

Sich treu bleiben! Seinem Fühlen und Willen treu bleiben! In seinem Fühlen und Willen sich klären! In seinem Fühlen und Willen sich vollenden!

Wieviele Kameraden hat Horst begraben! Vor jedem Toten hat er so gestanden, gehoben, gesteigert, beflügelt in seinem Wesen, gefestigt in einem Schwur. So strömt uns neue Kraft zu von unseren Toten. So sind die für uns gestorben, die uns lieb waren.

So bist auch Du für mich gestorben, Lona. Die Du mir feind warst, die ich Dich lieb gewonnen. Tränen schauerten durch ihn hin. Da machte er sich hart.

Sich treu bleiben, seinem Fühlen, seinem Willen treu bleiben. Und so in die Höhe wachsen, aus sich, in sich, zu sich selbst empor! Er stand aufrecht und frei, von seiner Andacht geweiht. 218 Kunz kam herein. Er berichtete, der Verletzte wäre zu sich gekommen, finge an zu toben, wollte nicht länger bleiben.

Horst ging zu ihm. Er lag, den Oberkörper aufgerichtet, die Hände krampfhaft aufgestemmt – das wirre Haar hing ihm in irre Augen – »ich laß mich nicht einsperren – schlagt mich tot – ich laß mich nicht quälen –!«

Jeder sah, daß an ein Fortschaffen nicht zu denken war. Auch der Mulatte schüttelte den kugelrunden Kopf.

Horst sprach ruhig auf ihn ein. »Sie sind krank und hilfsbedürftig – wer wird Ihnen was zuleide tun! Sie werden hier gesund gepflegt. Wenn Sie sich ruhig verhalten, können Sie vielleicht morgen schon nach Hause.«

Ruhiger wurde er, von den Worten, von dem Stimmklang. Aber in den Augen ging es noch weiter um. Dann sah und erkannte er den Genossen. »Was tust Du hier? Bist Du auch gefangen – schämst Dich nicht – kannst rumlaufen – ich – den schweren Kopf – den – schweren – Kopf –«

Jetzt sank er zurück, zuckte noch, und dann kam der Schlaf über ihn.

In der Baracke ging man zur Ruhe. Ein guter Teil der Nacht war vorüber. Horst mit zwei Kameraden hatte die Wache bis zur Frühe übernommen. Die beiden machten es sich im Eingang bequem. Er, im Mantel, setzte sich auf die Bank vor der Tür und wartete den Morgen entgegen.

Müde gingen seine Gedanken ein in die große Sternenstille. Müde und demütig. Ihr Sterne, ich kann Euch nicht einmal zählen. Wie soll ich Euch begreifen? Funken der Ewigkeit ihr –! –

Mein Erdenschicksal – ein Staubkorn nur dieser kleinen Erde und mir so wichtig und schwer – 219

Und doch – ich bin nicht verloren – ich bin in der Unendlichkeit – und darum die Unendlichkeit ist in mir – in mir das Ewige – den Stolz des Lebens, ich darf ihn fühlen. So darf ich in die unermessene Höhe sehen, ohne zu verzagen. Darf an ihr wachsen, in sie wachsen, denn sie ist mein.

Im Osten zog sich ein fahler Streif, an dem die Sterne verblaßten. Der Morgen rieb sich die Augen. Vom Westen her, wo das nächtige Dunkel noch fest lag, schob sich langsam eine mächtige Gestalt. Ein dumpfes Murmeln, gebändigt und doch ein Donnerrollen, verkündete ihr Nahen. Nur einer konnte so brummen – und jetzt kam er in Sicht – Horst stand auf, ihn zu empfangen. Lud Uhlenbrook war es.

Konnte er wissen, was geschehen war? Zog ihn nur dunkle Ahnung her? Es war Ungewißheit, was ihn quälte. Froh packte er Horstens Hand. »Was hab ich bloß zurecht geträumt – von Schlacht und Schießerei. Hin und her hat es mich gewälzt. Gut, daß ich Sie finde!«

Nun stutzte er über des Freundes Haltung. Der sagte dann still: »Sie haben nicht geträumt.«

»Und ist was passiert?«

»Ja.« Dies eine Wort, so schwer von dem Geschehenen, öffnete ihm den Blick.

»Was mit Lona?«

»Wir haben sie hier.«

Der alte Mann sank vornüber – seine gewaltigen Hände jappten hilflos wie zwei Riesenfischköpfe auf Land. Dann trottete er ächzend ins Haus. Horst ihm nach führte ihn in die Halle. Der Morgendämmer zeigte ihm die Tote.

Lud Uhlenbrook stöhnte auf, einmal – dann summte es in ihm, so wie der Wind in hohen Drahtleitungen summt – dann ward er selbst totenstill. 220

Und jetzt, mit einer urlangsamen Selbstverständlichkeit nahm er die Tote wie eine Puppe auf den Arm. Nichts Wildes war dabei, nichts Wirres. Nur die große Sicherheit seines Tuns.

Wortlos trug er sie hinaus. Trug sie über die Heide. Fahl und wie klagend zog der Morgenschein hinter ihm her – den übermenschlichen, gespenstigen Leichenträger.

In Horst lehnte es sich auf. Mein Eigen – ich laß es mir nicht nehmen!

Ihm nachstürzen will er – und erschrickt vor seiner Jachheit. Soll ich ihn niederwerfen – ihn mit der Toten! Soll ich um sie mich balgen mit dem alten Mann!

Wallt er nicht dahin, so wie die Notwendigkeit schreitet! An die sich nicht rühren läßt –! Und ist hier nicht Liebe am Werk? So wollen wir in der Gemeinschaft bleiben, wir drei.

Recht ist ja, was Du fühlst und tust! Nicht in die Baracke gehört sie, die ihr verhaßt und die ihr feindlich gesinnt war – in Dein stilles Haus, das ihr eine Heimat gewesen. Da soll sie aufgebahrt werden. Da wollen wir ihr die Totenfeier rüsten. –

An diesem Tage erholte sich der Betäubte so weit, daß er das Siedlerhaus verlassen konnte. Es war der Leiter des Überfalles selbst, der Werkführer Stahlboom.

Die Siedler hatten den ganzen Tag hart gearbeitet, auf dem Felde, in der Ziegelei, auf dem Moor. Gedenkreden auf den gestrigen Tag hatte das Schaffen befeuert. Man erzählte sich, daß die Angreifer mehrere Verwundete heimgeschleppt hätten. Das eine Maschinengewehr gegen den Abhang hatte nun doch nicht hoch genug gehalten. Wer hat auch in solchen Augenblicken Nerv und Hand so in der Gewalt? Der Tod hatte nur das eine Opfer sich geholt – die Frau – Lona. 221

Mehr als ein Auge suchte Horst wieder auf. Der war am Werk wie nur je, selbst der Fleißigste und Härteste. Daß sein Gesicht blaß war, daß die gerade Falte zwischen den Brauen sich tiefer prägte – wer von ihnen trug nicht an dieser Nacht! Und enger waren sie aneinander gerückt, dichter war die Reihe geschlossen, Kameradschaft war Trumpf.

Wie sie Feierabend gemacht hatten, trafen sie den Pflegling bei Gehversuchen vor der Tür. Als der Anführer wußte er, was er sich schuldig war. Er wartete auf Horst, trat ihm in guter Haltung festen Auges entgegen und sagte klar: »Ich danke für Pflege und Quartier. Mein Wunsch ist, einmal – Gleiches mit Gleichem zu vergelten.«

Es war nichts Verstecktes darin, kein lauernder Hohn, es hatte seine offene Bedeutung. Und Horst gefiel diese Art. Saubere, ehrliche Feindschaft! Damit ließ sich etwas anfangen. Darauf ließ sich sogar aufbauen. Nur das Heimtückische zerrüttet.

 


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