Fjodor Dostojewski
Der lebenslängliche Ehemann
Fjodor Dostojewski

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XIII

Wessen Verlust ist größer?

Er brachte es fertig, an die Rothaarige zu denken, und doch quälten ihn schon längst Ärger und Reue. Ja sogar während dieses ganzen Tages, den er anscheinend so vergnügt verlebt hatte, hatte ihn eine trübe Stimmung fast nicht verlassen. Bevor er das Lied sang, hatte er gar nicht mehr gewußt, wo er vor Trübsinn bleiben sollte; vielleicht hatte er gerade deswegen mit solchem Affekte gesungen.

»Und ich konnte mich so erniedrigen . . . mich von all jenen Erinnerungen losreißen«, begann er sich selbst Vorwürfe zu machen, unterbrach aber eilig diesen Gedankengang wieder. Ja, es schien ihm sogar unwürdig zu klagen; weit angenehmer war es, sich schleunigst über jemand zu ärgern.

»So ein Dummkopf!« flüsterte er zornig vor sich hin und warf einen Seitenblick auf Pawel Pawlowitsch, der neben ihm im Wagen saß und Stillschweigen beobachtete.

Pawel Pawlowitsch schwieg hartnäckig; vielleicht sammelte er seine Gedanken und bereitete sich auf etwas vor. Mit einer ungeduldigen Gebärde nahm er von Zeit zu Zeit den Hut ab und fuhr sich mit dem Taschentuche über die Stirn. »Er schwitzt!« dachte Weltschaninow boshaft. 150

Nur einmal richtete Pawel Pawlowitsch eine Frage an den Kutscher: Ob es wohl ein Gewitter geben werde.

»Und was für eines! Es wird bestimmt eines geben; es hat schon den ganzen Tag in der Luft gelegen.«

In der Tat war der Himmel dunkel geworden, und in der Ferne flammten Blitze. Als sie in die Stadt einfuhren, war es schon halb elf.

»Ich möchte zu Ihnen in Ihre Wohnung kommen«, sagte Pawel Pawlowitsch im Tone einer Ankündigung zu Weltschaninow, als sie nicht mehr weit von dessen Hause waren.

»Ich verstehe; aber ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich mich ernstlich krank fühle.«

»Ich werde nicht lange dableiben!«

Als sie in das Tor hineingingen, lief Pawel Pawlowitsch auf einen Augenblick nach der Wohnung des Hausknechts zu Mawra.

»Warum sind Sie denn dahin gelaufen?« fragte Weltschaninow scharf, als dieser ihn wieder eingeholt hatte und sie in die Wohnung hineingingen.

»Oh, ich wollte nur . . . es war nichts Besonderes . . . wegen des Kutschers . . .«

»Zu trinken werde ich Ihnen nichts geben!«

Es erfolgte keine Antwort. Weltschaninow machte Licht, und Pawel Pawlowitsch setzte sich sogleich auf einen Lehnstuhl. Weltschaninow trat mit finsterer Miene vor ihn hin.

»Ich habe Ihnen ebenfalls versprochen, auch mein ›letztes noch fehlendes Wort‹ zu sagen«, begann er mit innerer, noch unterdrückter Gereiztheit. »Hören Sie es nun, dieses Wort: Ich bin in meinem Gewissen der Ansicht, daß alle Angelegenheiten zwischen uns beiderseits erledigt sind, so daß wir über nichts mehr miteinander zu reden haben; hören Sie wohl: über nichts. Wäre es darum nicht das beste, wenn Sie sogleich weggingen und ich hinter Ihnen die Tür zuschlösse?«

»Lassen Sie uns erst noch miteinander quitt werden, Alexej Iwanowitsch!« sagte Pawel Pawlowitsch, sah ihm aber dabei mit besonderer Sanftmut in die Augen. 151

»Miteinander quitt werden!« wiederholte Weltschaninow höchst erstaunt. »Sie bedienen sich da eines sonderbaren Ausdrucks! In welcher Hinsicht sollen wir denn erst noch miteinander quitt werden? Pah! Ist das etwa Ihr ›letztes noch fehlendes Wort‹, das Sie mir vorhin in Aussicht stellten, und das eine Enthüllung bringen sollte?«

»Jawohl, das ist jenes ›letzte noch fehlende Wort‹.«

»Wir brauchen in keiner Weise mehr quitt zu werden; wir sind es schon längst geworden!« sagte Weltschaninow stolz.

»Glauben Sie das wirklich?« erwiderte Pawel Pawlowitsch nachdrücklich, schob die beiden Hände in eigentümlicher Weise mit den Fingern ineinander und hielt sie vor die Brust.

Weltschaninow gab ihm keine Antwort und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen. »Lisa, Lisa!« stöhnte es in seinem Herzen.

»Übrigens, in welcher Hinsicht wollten Sie denn mit mir quitt werden?« wandte er sich nach einem ziemlich langen Stillschweigen an ihn mit finsterer Miene.

Dieser hatte ihn die ganze Zeit über im Zimmer mit den Augen begleitet und dabei wie vorher die zusammengelegten Hände vor der Brust gehalten.

»Fahren Sie nicht mehr dorthin!« sagte er fast flüsternd in flehendem Tone und stand plötzlich vom Stuhle auf.

»Wie? Also bloß das ist es, wovon Sie reden?« Weltschaninow lachte boshaft auf. »Allerdings haben Sie mich den ganzen Tag über in Erstaunen versetzt!« begann er bissig; aber auf einmal nahm sein ganzes Gesicht einen andern Ausdruck an. »Hören Sie mich an«, sagte er traurig und mit tiefer, aufrichtiger Empfindung; »ich glaube, daß ich mich noch niemals und in keiner Hinsicht so entwürdigt habe wie heute: Erstens dadurch, daß ich einwilligte, mit Ihnen dorthin zu fahren, und zweitens durch das, was dort geschehen ist. Das war alles so kleinlich, so jämmerlich . . . ich habe mich beschmutzt, mich gemein benommen, indem ich da tändelte und . . . etwas anderes vergaß . . . Aber was ist da viel zu reden!« unterbrach er sich plötzlich. »Sie haben 152 mich heute unversehens überfallen, als ich mich in einer überreizten, krankhaften Stimmung befand; was brauche ich mich da erst noch zu entschuldigen! Dorthin fahren werde ich nicht wieder, und ich versichere Ihnen, daß ich da keinerlei Interessen habe«, schloß er in festem Tone.

»Wirklich nicht, wirklich nicht?« rief Pawel Pawlowitsch, ohne seine freudige Aufregung verbergen zu wollen.

Weltschaninow sah ihn verächtlich an und nahm seine Wanderung durch das Zimmer wieder auf.

»Es scheint, Sie haben sich vorgenommen, um jeden Preis glücklich zu werden?« konnte er sich endlich nicht enthalten zu bemerken.

»Ja«, war Pawel Pawlowitschs leise, naiv bestätigende Antwort.

»Was geht es mich an«, dachte Weltschaninow, »daß er ein Narr und nur aus Dummheit ein schlechter Mensch ist? Ich kann trotzdem nicht umhin, ihn zu hassen, obgleich er das eigentlich nicht wert ist.«

»Ich bin ein ›lebenslänglicher Ehemann‹!« sagte Pawel Pawlowitsch mit demütigem, ergebungsvollem Spott über sich selbst. »Ich habe diese Bezeichnung schon vor langer Zeit aus Ihrem Munde gehört, Alexej Iwanowitsch, schon als Sie noch dort bei uns wohnten. Ich habe mir damals viele Ihrer Aussprüche eingeprägt, in jenem Jahre. Und als sie das vorige Mal hier sagten: ›ein lebenslänglicher Ehemann‹, da fiel es mir wieder ein.«

Mawra kam mit einer Flasche Champagner und zwei Gläsern herein.

»Verzeihen Sie, Alexej Iwanowitsch; Sie wissen, daß ich ohne das nicht existieren kann. Halten Sie es nicht für eine Dreistigkeit; betrachten Sie es als etwas Nebensächliches, das Ihrerseits keine Beachtung verdient!«

»Sei es denn!« gab Weltschaninow widerwillig seine Erlaubnis. »Aber ich versichere Ihnen, daß ich mich krank fühle . . .«

»Gleich . . . gleich . . . sofort, nur einen Augenblick!« erwiderte Pawel Pawlowitsch, schon in eifriger Bewegung. »Nur ein Gläschen, weil mir die Kehle . . .« 153

Gierig und ohne abzusetzen goß er ein Glas hinunter, ließ sich dann wieder nieder und blickte Weltschaninow ordentlich zärtlich an.

Mawra ging hinaus.

»So ein ekelhafter Mensch!« flüsterte Weltschaninow vor sich hin.

»Das waren ja nur die Freundinnen«, sagte Pawel Pawlowitsch, von dem Weine neu belebt, plötzlich in mutigem Tone.

»Wie? Was? Ach so, Sie reden immer noch davon . . .«

»Nur die Freundinnen! Und überdies ist sie noch so jung; aus angeborener Grazie will sie sich keck zeigen; das ist das Ganze! Es ist sogar allerliebst. Später aber, später . . . nun, Sie wissen schon: da werde ich ihr Sklave werden; sie wird die vornehme Welt und die Gesellschaft kennenlernen . . . und ein ganz anderes Wesen werden.«

»Ich muß ihm doch noch das Armband zurückgeben«, dachte Weltschaninow verdrießlich, als er das Etui in der Tasche seines Paletots fühlte.

»Sie sagten soeben, ich hätte mir vorgenommen, glücklich zu werden? Ich muß heiraten, Alexej Iwanowitsch«, fuhr Pawel Pawlowitsch mit einer beinah rührenden Vertraulichkeit fort; »was soll sonst aus mir werden? Sehen Sie selbst!« (er zeigte auf die Flasche). »Und das ist nur ein Hundertstel meiner üblen Eigenschaften. Ich kann schlechterdings nicht existieren ohne eine Frau und . . . ohne einen neuen Glauben; ich werde wieder zu glauben anfangen und gleichsam zu einem neuen Leben auferstehen.«

»Aber warum teilen Sie denn gerade mir das alles mit?« fragte Weltschaninow, der vor Lachen beinahe losprustete.

Das alles kam ihm doch gar zu wunderlich vor.

»So sagen Sie mir doch endlich«, rief er, »warum Sie mich dorthin geschleppt haben. Wozu hatten Sie mich dort nötig?«

»Ich wollte etwas probieren . . .« erwiderte Pawel Pawlowitsch, der plötzlich verlegen zu werden schien.

»Was wollten Sie denn probieren?«

»Den Eindruck . . . Sehen Sie, Alexej Iwanowitsch, es ist 154 doch erst eine Woche, daß ich mich dort bewerbe« (er wurde immer verlegener). »Da traf ich nun gestern Sie und dachte: ›Ich habe sie ja noch nie sozusagen in fremder Gesellschaft gesehen, das heißt in Männergesellschaft, außer der meinigen . . .‹ Es war ein dummer Gedanke; das fühle ich jetzt selbst; ein ganz überflüssiger Gedanke. Aber ich wollte es doch gar zu gern probieren, infolge meines häßlichen Charakters . . .«

Er hob auf einmal den Kopf in die Höhe und errötete.

»Ob er wirklich die volle Wahrheit sagt?« fragte sich Weltschaninow, starr vor Erstaunen.

»Nun, und das Ergebnis der Probe?« fragte er.

Pawel Pawlowitsch lächelte wonnevoll, zugleich mit einem Ausdruck von Schlauheit. »Es ist alles nur reizende Kindlichkeit! Nur die Freundinnen waren schuld! Verzeihen Sie mir mein dummes Benehmen heute Ihnen gegenüber, Alexej Iwanowitsch; ich werde es nie wieder tun; und die Situation wird sich ja auch nicht wiederholen.«

»Auch werde ich nie wieder dort sein«, fügte Weltschaninow lächelnd hinzu.

»Ich meinte es auch zum Teil in diesem Sinne.«

Weltschaninow fühlte sich ein wenig verletzt.

»Aber ich bin doch nicht der einzige auf der Welt«, bemerkte er empfindlich.

Pawel Pawlowitsch errötete wieder.

»Es ist mir schmerzlich, so etwas zu hören, Alexej Iwanowitsch; glauben Sie mir, ich schätze Nadeschda Fedossejewna so hoch . . .«

Entschuldigen Sie, entschuldigen Sie, ich wollte damit nichts gesagt haben . . . es kommt mir nur einigermaßen seltsam vor, daß Sie meine gesellschaftlichen Fähigkeiten so überaus hoch veranschlagt . . . und . . . und doch so zuversichtlich auf mich vertraut haben . . .«

»Ich habe auf Sie gerade deswegen vertraut, weil es nach alledem war . . . was schon geschehen ist.«

»Wenn es so ist, dann halten Sie mich also auch jetzt für einen ehrenhaften Menschen?« fragte Weltschaninow, plötzlich stehenbleibend. 155

Zu anderer Zeit hätte er selbst über die Naivität seiner Frage gelächelt.

»Dafür habe ich Sie immer gehalten«, erwiderte Pawel Pawlowitsch mit niedergeschlagenen Augen.

»Nun ja, selbstverständlich . . . so meinte ich es nicht, das heißt nicht in diesem Sinne; ich wollte nur sagen: trotz irgendwelcher veralteten Anschauungen!«

»Ja, trotz der veralteten Anschauungen.«

»Aber als Sie nach Petersburg reisten?« konnte sich Weltschaninow nicht enthalten zu fragen, obgleich er selbst die ganze Ungeheuerlichkeit seiner Neugier empfand.

»Auch als ich nach Petersburg reiste, hielt ich Sie für einen durchaus ehrenhaften Menschen. Ich habe Sie immer hochgeschätzt, Alexej Iwanowitsch.«

Pawel Pawlowitsch hob die Augen in die Höhe und sah seinen Gegner mit klarem Blicke und jetzt ohne eine Spur von Verlegenheit an. Weltschaninow bekam es auf einmal mit der Angst zu tun: Es wäre ihm sehr unerwünscht gewesen, wenn sich etwas ereignet hätte oder die Grenze irgendwie überschritten worden wäre, um so mehr, da er selbst dazu herausgefordert hatte.

»Ich habe Sie geliebt, Alexej Iwanowitsch«, hob Pawel Pawlowitsch an, als ob er auf einmal zu einem Entschlusse gekommen wäre, »und habe Sie in T. jenes ganze Jahr lang geliebt. Sie haben es nicht bemerkt«, fuhr er zu Weltschaninows großem Schrecken mit ein wenig zitternder Stimme fort; »ich war im Vergleich zu Ihnen ein gar zu unbedeutender Mensch, als daß ich meine Gefühle hätte zu Ihrer Kenntnis bringen sollen. Und das war auch vielleicht gar nicht nötig. Und diese ganzen neun Jahre hindurch habe ich an Sie gedacht, weil mir ein solches Jahr wie jenes in meinem Leben noch nicht vorgekommen ist.« (Pawel Pawlowitschs Augen hatten einen ganz besonderen Glanz angenommen.) »Ich habe mir viele Ihrer Worte und Aussprüche eingeprägt, viele Ihrer Gedanken. Ich habe mich Ihrer immer als ein Mensch erinnert, der ein warmes Gefühl für das Gute hat, als eines hochgebildeten Menschen, der eigene Gedanken hervorbringt. ›Große Gedanken entspringen nicht 156 sowohl aus hohem Verstande als aus tiefem Gefühle‹, haben Sie selbst einmal gesagt; vielleicht haben Sie es vergessen; aber ich habe es mir eingeprägt. Und so habe ich mich denn auf Sie, als auf einen Menschen mit tiefem Gefühle, auch immer verlassen und Ihnen vertraut . . . trotz mancher Bedenken . . .«

Sein Kinn begann auf einmal zu zucken. Weltschaninow war aufs äußerste erschrocken; diesem unerwarteten Gefühlsausbruche mußte er unter allen Umständen ein Ende machen.

»Lassen Sie es genug sein, ich bitte Sie darum, Pawel Pawlowitsch!« murmelte er errötend und in nervöser Ungeduld. »Und warum, warum«, schrie er auf einmal, »warum hängen Sie sich an einen kranken, nervösen, beinah von Fieberwahn umfangenen Menschen und ziehen ihn in dieses Dunkel hinein . . . während doch . . . während doch alles nur Blendwerk und Luftspiegelung und Lüge und Schande und Unnatur ist und gar nicht zu uns paßt . . . und das ist die Hauptsache, das ist das Schmählichste, daß es gar nicht zu uns paßt! Es ist alles Unsinn: Wir sind alle beide ein paar lasterhafte, gemeine, garstige Menschen . . . Und wenn Sie wollen, will ich es Ihnen auf der Stelle beweisen, daß Sie mich nicht nur nicht lieben, sondern mich vielmehr hassen, von ganzer Seele hassen, und daß Sie lügen, ohne es selbst zu wissen: Sie haben mich überhaupt nicht in der lächerlichen Absicht dorthin geschleppt, Ihre Braut auf die Probe zu stellen (wer kann denn auf einen so verrückten Einfall kommen!), sondern Sie haben mich einfach gestern gesehen und sich erbost und mich dorthin gebracht, um sie mir zu zeigen und zu sagen: ›Sieh mal, was für ein prächtiges Mädchen! Die wird mir gehören; na, nun probiere es mal bei der!‹ Das war von Ihrer Seite eine Herausforderung an mich! Sie haben es vielleicht selbst nicht gewußt; aber es ist so gewesen; denn Sie haben alles das gefühlt . . . Ohne Haß aber kann man jemanden nicht in solcher Weise herausfordern; also haben Sie mich gehaßt!«

Er schrie das heraus, während er im Zimmer hin und her lief, und immer heftiger quälte und peinigte ihn das 157 demütigende Bewußtsein, daß er selbst sich in einem solchen Grade zu Pawel Pawlowitsch herabgelassen hatte!

»Ich wollte mich mit Ihnen versöhnen, Alexej Iwanowitsch!« flüsterte dieser auf einmal hastig in entschlossenem Tone, und sein Kinn begann von neuem zu hüpfen.

Ein wütender Zorn packte Weltschaninow, als ob ihm noch nie jemand eine derartige Beleidigung zugefügt hätte.

»Ich sage Ihnen noch einmal«, brüllte er, »daß Sie einem kranken, überreizten Menschen zusetzen, um ihm irgendein ungewöhnliches Wort im Fieberwahn zu entlocken! Wir beide . . . ja wir beide sind Menschen aus zwei verschiedenen Welten; das sollten Sie doch begreifen, und . . . und . . . zwischen uns liegt jetzt ein Grab!« flüsterte er wütend; er war auf einmal zur Besinnung gekommen . . .

»Aber woher wissen Sie«, versetzte Pawel Pawlowitsch, dessen Gesicht sich entstellt hatte und ganz blaß geworden war, »woher wissen Sie, was dieses kleine Grab hier für mich bedeutet?« Bei diesen herausgestoßenen Worten trat er auf Weltschaninow zu und schlug sich mit einer komischen, aber furchtbaren Gebärde mit der Faust gegen das Herz. »Ich kenne dieses kleine Grab hier, und wir stehen beide neben ihm; aber mein Verlust ist größer als der Ihrige, jawohl, er ist größer . . .« flüsterte er, als ob er irre redete, und schlug sich immer noch gegen das Herz, »größer, größer, größer . . .«

Auf einmal brachte ein auffallend starkes Läuten der Türklingel sie beide zur Besinnung. Es zog jemand so heftig daran, daß es schien, als hätte er sich vorgenommen, gleich beim ersten Ziehen die Klingel abzureißen.

»Wer zu mir will, pflegt nicht so zu läuten«, sagte Weltschaninow befremdet.

»Wer zu mir will, auch nicht«, flüsterte Pawel Pawlowitsch schüchtern; auch er war zur Besinnung gekommen und hatte sich augenblicklich wieder in den früheren Pawel Pawlowitsch verwandelt.

Weltschaninow machte ein finsteres Gesicht und ging hin, um die Tür zu öffnen.

»Herr Weltschaninow, wenn ich nicht irre?« ließ sich eine 158 jugendliche, helle und außerordentlich selbstbewußte Stimme aus dem Vorzimmer vernehmen.

»Was wünschen Sie?«

»Ich habe genaue Kenntnis davon«, fuhr die helle Stimme fort, »daß sich augenblicklich ein gewisser Trussozki bei Ihnen befindet. Ich muß notwendig sofort mit ihm sprechen.«

Weltschaninow hatte allerdings große Lust, diesen selbstbewußten Herrn mit einem tüchtigen Fußtritt sofort die Treppe hinabzuspedieren. Aber er überlegte einen Augenblick, trat dann zur Seite und ließ ihn vorbei:

»Hier ist Herr Trussozki; treten Sie ein . . .«

 


 << zurück weiter >>