Hans Dominik
Das stählerne Geheimnis
Hans Dominik

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Präsident Price saß vor dem großen Schreibtisch und zerrte nachdenklich an seinem buschigen Schnurrbart, als Direktor Curtis bei ihm eintrat.

»Die Nachricht wird auch noch von anderer Stelle bestätigt, Mr. Price«, sagte Curtis und legte die letzten Nummern des »Tokio Herald« und der »Shanghai News« auf den Tisch. »Hier haben Sie es noch zweimal schwarz auf weiß. Roddington und der deutsche Doktor sind bei einem Gasausbruch umgekommen. Der ›Morning Post‹ würde ich nicht so ohne weiteres Glauben schenken, aber nach den Mitteilungen hier ist ein Zweifel am Tode Roddingtons so gut wie ausgeschlossen.«

Price nickte. »Ich habe noch eine andere Bestätigung durch Oberst Barton bekommen. Der erfuhr es vom Admiral Jefferson. In Washington wußte man es schon vierundzwanzig Stunden vor dem Erscheinen des Artikels in der ›Morning Post‹. Ja, mein lieber Curtis, unser Freund Roddington hat sich zu seinen Vätern versammelt, und wir müssen sehen, daß wir das Trenton-Werk möglichst billig in die Hände bekommen.«

»Die Sache wird durch unsere Gesetzgebung ziemlich kompliziert, Mr. Price«, erwiderte Curtis. »Direkte Erben hat Roddington nicht hinterlassen. Bis man die Erbberechtigten ermittelt und ihre Ansprüche feststellt, können viele Monate ins Land gehen.«

Price überlegte eine kurze Weile, bevor er antwortete.

»Es wird alles darauf ankommen, wie die Vollmacht für Roger Blake abgefaßt ist. Wenn sie über Roddingtons Tod hinaus gilt, können wir sofort mit Blake verhandeln. Im andern Fall müßte das Gericht erst ein Kuratorium für den Nachlaß einsetzen. Das könnte in der Tat recht langwierig werden.«

»Und wäre auch nicht gut für das Trenton-Werk, Price. Erinnern Sie sich noch, wie die Werke in Detroit und Buffalo aus der Twayneschen Erbschaft durch solche Kuratoren heruntergewirtschaftet wurden? Die Leute sind entweder ungeschickt oder unehrlich. Das eine ist so schlimm wie das andere.«

Price bearbeitete seinen Schnurrbart mit beiden Händen.

»Zum Teufel ja, Curtis, Sie haben recht. Ich betrachte die Anlagen in Trenton schon heute als zur Corporation gehörig. Wir müssen versuchen, sofort Einfluß auf das Werk zu gewinnen, und verhindern daß ungeschickte Hände Schaden stiften.«

»Leicht gesagt, aber schwer getan, Mr. Price. Solange Frank Dickinson Chef des Trenton-Werkes ist, hat die Corporation wenig Aussichten.«

Price legte die Hände auf die Tischplatte und sah sein Gegenüber eine Weile starr an.

»Eine Möglichkeit vielleicht, Curtis, wenn die Leute jetzt Geld brauchten . . .«

»Ausgeschlossen, Price. Vor einem Jahr hat Roddington hundert Millionen von der Corporation bekommen. Die können noch nicht verbraucht sein.«

»Das sagen Sie, Curtis! Ich habe mir einen kleinen Überschlag über die Summen gemacht, die das unsinnige Unternehmen Roddingtons ungefähr verschlungen haben dürfte. Nach meinen Schätzungen kommt es recht dicht an die hundert Millionen heran.«

Er schob Curtis eine Aufstellung hin. »Da! Sehen Sie selbst. Hier die Zahlen für die Erweiterungsbauten in Trenton, allein der Stichkanal zu der neuen Gießhalle muß bei vorsichtiger Schätzung ein paar Millionen verschlungen haben. Hier die Unkosten für dreihunderttausend Tonnen Stahlguß. Hier die Gelder für die Transporte nach Davao. Vergessen Sie nicht, daß Roddington seit neun Monaten Schiffsraum von einer halben Million Tonnen gechartert hat. Schließlich noch die Posten für die Landkäufe und Werkanlagen in Davao. Es kommt dicht an die hundert Millionen heran, mein lieber Curtis. Wenn er etwa noch an das Marineamt für die Stellung von Schiffen zu zahlen hat, dürfte die Summe sogar überschritten sein.«

Während Price sprach, hatte Curtis die einzelnen Zahlen der Aufstellung prüfend durchgesehen.

»Bei Gott, es stimmt«, sagte er, während er Price das Blatt zurückgab. »Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Im Laufe eines einzigen Jahres ein Vermögen von hundert Millionen Dollar für eine überspannte Idee zu verpulvern! Der alte Roddington würde sich im Grabe umdrehen, wenn er davon wüßte.«

»Lassen Sie den alten Roddington«, unterbrach ihn Price. »Der alte ist tot und der junge auch. Wir, die Führer der Corporation, sind die natürlichen Erben und müssen uns um den Nachlaß kümmern.«

»Frank Dickinson wird es niemals zulassen . . .«

»Ah bah, Curtis! Was schert uns Dickinson? Roger Blake ist unser Mann. Wenn seine Vollmacht noch gilt, müssen wir ihm eine Anleihe zu bequemen Bedingungen bieten, Ausgabe von Obligationen . . . hypothekarische Verpfändung des Werkes an die Obligationsgläubiger . . . die Gläubiger werden wir sein, Curtis. Dann sind wir da, wo wir hinwollen.«

»Wenn Blake sich darauf einläßt, Mr. Price! Wenn das Trenton-Werk Geld braucht, kann er auch selber Obligationen ausgeben und durch seine Bankverbindungen auf den Markt bringen . . .«

Price ließ Curtis ruhig weiterreden. Während der nach seiner Art mit hundert ›Wenn‹ und ›Aber‹ operierte, durchdachte der Präsident bereits in allen Einzelheiten einen Plan, wie er Roger Blake zur Aufnahme einer Anleihe herumbekommen könnte. Bis zu zehn Millionen Dollar wollte er gehen. Der Buchwert des Trenton-Werkes war etwa doppelt so hoch, ein Risiko für die Corporation demnach ausgeschlossen, ihr Einfluß aber gesichert.

»Wie kommen wir an Blake heran?« unterbrach er den Redefluß von Curtis.

»Wer den ersten Schritt tut, Mr. Price, schwächt seine Position«, griff Curtis die Frage auf, »es wäre besser, wenn Blake uns zuerst käme.«

Price machte eine abwehrende Bewegung. »Diesmal können wir nicht warten, Curtis, wir müssen ihm durch einen geeigneten Mittelsmann Angebote machen, die ihn veranlassen, sofort zuzufassen. Soviel ich weiß, hat er sein ständiges Büro hier in New York. Denken Sie mal nach, Curtis, wen könnten wir denn zu ihm schicken?«

Curtis stützte den Kopf in beide Hände und überlegte eine Weile. »Wie wär's mit Palmer, Mr. Price?«

»Hm . . . darüber ließe sich reden. Er hat seine Geschicklichkeit öfter als einmal bewiesen . . .«

»Außerdem ist er mit Blake seit einer Reihe von Jahren bekannt, Mr. Price. Er könnte ihn von sich aus aufsuchen, ohne daß Blake . . .«

»Geben Sie sich darüber keinen Illusionen hin, mein lieber Curtis, wie ich Blake kenne, weiß er ganz genau, daß Palmer zu uns gehört. Er wird keinen Augenblick darüber im Zweifel sein, daß Palmer im Auftrag der Corporation kommt. Das läßt sich nicht vermeiden, es schadet aber auch nichts. Wenn das Trenton-Werk wirklich Geld braucht, wird Palmer die Sache schon zu einem guten Ende bringen. Wir wollen ihn gleich kommen lassen.«

Während der nächsten Stunden besprachen die beiden Direktoren die Angelegenheit mit George Palmer. Mit Instruktionen reichlich versehen, verließ er das Haus, um noch am gleichen Tage die Verbindung mit Roger Blake aufzunehmen.

*


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