Paula Dehmel
Singinens Geschichten
Paula Dehmel

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Vom Henkeltöpfchen

Von meiner Großmutter habe ich ein kleines Henkeltöpfchen bekommen, das habe ich sehr lieb. Es ist gewiß närrisch, wenn ein großes Mädchen von elf Jahren so'was sagt, aber ich habe mein Henkeltöpfchen wirklich lieb.

Es sind ein Mann und eine Frau drauf gemalt, die fassen sich an den Händen und tanzen.

Und wenn ich allein bin und die Sonne untergegangen ist, kommen sie herunter von dem Henkeltöpfchen und tanzen auf der blanken Kommode.

Der kleine Mann pfeift, und die kleine Frau singt. Hei, wie ihre Röckchen fliegen, und wie ihre Hände und Füße sich drehen! Manchmal stoßen sie ihre Köpfe zusammen, manchmal küssen sie sich auch.

Wenn sie sich küssen, kommen die Narzissen oben vom Rande des Töpfchens runtergesprungen. Sie machen eine feine Verbeugung und tanzen um den kleinen Mann und die kleine Frau. Der Vogel auf dem Henkel fängt an zu singen, und zuletzt wackelt das leere Henkeltöpfchen auch mit und dreht sich mit hellem Geklapper auf der Kommode herum.

Das können aber die beiden kleinen Tänzer nicht leiden. Wupp! sind sie wieder blos gemalt, und die Narzissen und der Vogel auch.

Ich weiß ja, daß ich das alles blos träume; aber es ist hübsch so, und ich habe mein altes Henkeltöpfchen sehr lieb.


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