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Die drei Esel

Aus Aesoys nachgelassenen österreichischen Fabeln

Der Bauer Matija, bei dem ich einquartiert war, hatte, wie alle Karstbauern, zwei kleine Esel. Sie waren seine Knechte und er ließ sich schichtweise arbeiten. Bald hatte ich den Betrieb heraus. Der kleinere, der Ali hieß, brachte das Gemüse, die Blumen, das Obst vom Dolinengarten und der Meierei nach Hause, der andere trug es auf seinem Rücken in die Stadt hinunter. Da der Weg nach der Stadt viel länger und heißer war – ach, wie oft mußte ich die sonnenflimmernde weiße Straße hinab – so wurde der größere Esel dazu verwendet, der Antj hieß. Er ging phlegmatisch, mit dem kurzen Stummel die Fliegen peitschend (was aber mehr eine Geste war, als eine Tat, er erreichte die Insekten ja kaum) und schleppte alles hinunter, was auf seinem Rücken Platz hatte, die Körbe mit Blumen und Gemüse, mit Obst, auch das Kienholz, die Milch und endlich den Bauern selbst.

Oft begegnete ich ihm auf der Straße. Ich empfand es als eine Ungerechtigkeit, daß immer Antji in die Stadt gehen mußte, während Ali einen ersichtlich leichteren Dienst hatte, denn der kurze Weg von der Doline zum Hof war viel kürzer, gar nicht anstrengend, nun, und das bißchen Gemüse – –!

Aber Matija ließ sich nichts dreinreden. Eines Tages sah ich im Vorübergehen sogar, wie Ali sich weigerte. Er warf die Hinterbeine und hätte Matija in den Magen gestoßen, wenn er nicht zurückgesprungen wäre. Er nahm das aber weiter nicht übel. Er ging auf Ali behutsam zu, streichelte ihn, gab ihm gute Worte und versuchte, den hinabgeworfenen Sack mit Salat nochmals auf Alis Rücken zu legen. Da aber kam er schön an: der Sack flog im Bogen über die Riegelmauer ins Brombeergebüsch und Ali setzte sich in Galopp und, ehe man sichs versah, war er verschwunden. Zu meiner Verwunderung lief ihm Matija nicht einmal nach. Diese Karstbauern haben eine merkwürdige Art, mit Tieren umzugehen. Er ging ruhig nach Haus, trieb den eben aus der Stadt zurückgekommenen, noch ganz verschwitzten und durstigen Antj aus dem Stall, setzte sich auf seinen Rücken und ritt bis zur Doline, wo Ali den Sack abgeworfen hatte. Er holte den Sack aus dem Gebüsch und legte ihn dem Antj auf. »Nicht wahr, du trägst das auch, nicht wahr –?« Und der Esel schien mit dem Kopf zu nicken und stieß ein Geschrei aus, das jämmerlich war, wie Eselsgeschrei eben klingt, das aber auch mit dem bekannten Ruf »I–a!« seinen Abschluß fand.

Und so schleppte der müde Antj auch den Sack nach Hause. Ich muß gestehen, mich gingen die beiden Esel nichts an, mich ging Matijas ganze Wirtschaft nichts, an, aber ich war – theoretisch – empört. Wie kommt der willige Antj dazu, für den unwilligen doppelt zu arbeiten? Dabei schien es, daß Ali immer boshafter und arbeitsscheuer wurde: – hatte er einmal mit dem Sackabwerfen und Davonlaufen Erfolg gehabt, so tat er es jeden Tag – so dumm war selbst ein Esel nicht, um seinen Erfolg nicht zu merken – und der arme geplagte Antji bekam nun beide Wege: er machte den Dolinendienst und den Stadtdienst. Oft kam mir vor, als müsse er zusammenbrechen, aber Matija ging dann zu ihm hin, gab ihm einen Klapps hinter die Ohren und sagte seinen »Spruch: »Nicht wahr, Antji, du träg'st, nicht wahr?« Und Antji nickte darauf und schrie sein »I–a!« und trug. Er war wirklich ein Esel.

Eines schönen Tages kam Matija mit trauriger Miene zu mir: »Was sagen Sie! Der Antji ist umgestanden – – tot –« Er sprach davon wie von einer Pflichtverletzung.

»So spannen Sie endlich den Ali ein!«

»Ja, der Ali ist – durchgegangen …«

»Sehen Sie, Matija,« sagte ich, »sehen Sie! Da haben Sie's. Den willigen Esel haben Sie zu Tode gequält und dem faulen, dem störrischen Ali haben Sie geschmeichelt – das ist – –«

»Ja, das der Dank dafür …« heulte er.

»Nun, Matija, Sie werden mir's nicht übel nehmen, wenn ich Ihnen meine Meinung sage: »Auf Ihrem Hof waren eigentlich drei Esel, und von den Dreien sind Sie es, der allein zurückgeblieben ist …«


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