Felix Dahn
Sigwalt und Sigridh
Felix Dahn

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XV.

Alsbald standen die beiden – durch das offne Fenster des Schlafhauses waren sie unvermerkt eingeschwebt – vor dem Lager, auf dem Sigwalt und Sigridh ruhten.

Es war jetzt lichter Morgen: die Sonne hatte hell auf das Pfühl geschienen: Plötzlich schloß sie ein dunkler Schatte aus.

Da erwachte Sigwalt aus seiner Betäubung: »Das ist Odin,« sprach er.

Auch das bleiche Weib schlug die Augen auf: »Und seine Strafe. Ich erwarte sie. Aber das Helle da neben ihm . . . das ist . . .«

»Frigga,« sprach die Göttin, vortretend. »Unselige! Sprich! Gib acht, wie du jetzt antwortest! bereust du?«

Da lächelte sie: »Ich tät's nochmal.«

Einen bedeutungsvollen Blick warf Frigga auf den Gemahl.

Der aber sagte ruhig, ohne Zorn: »Deine Strafe, verblendet Kind, ist: – ewige Trennung von ihm. – Komm, König Sigwalt, Sigwins Sohn, mein Patkind. Nicht dir zürn' ich. Tapfer und treu stirbst du mir den Bluttod. Bereite dich! Ich rufe Waltraute: sie trägt dich nach Asgardh, zum Vater, mit ihm in Walhalls Wonnen zu wohnen.«

»Und – sie?«

»Das sterblich gewordene Weib, – es sinkt nach Hel.«

Da schloß er beide Arme um die rührende Gestalt: »Und ich mit ihr.«

»Unsinniger! Traurig ist Hel, elend das Leben der bleichen Schatten! Wahrlich, lieber möcht' ich als Pflugknecht des ärmsten Bonden atmen auf der sonnenbeschienenen Erde, denn in Hel den Königsstab schwingen über alle Schatten. Auf! Dein wartet Walhalls Glanz.«

»Sie gab Walhall dahin um ihre Liebe: – wähnst du, Sigwalts Liebe ist schwächer?«

Da verstummte Odin. – –

Aber Frigga sprach, die Hand auf seine Schulter legend: »Das war noch nie!«

Allein der Gott beharrte: »Und dein Vater: – was sag' ich ihm von dir?«

»Sag ihm: ›Dein Sohn gab Liebe um Liebe und Treue hielt er für Treue.‹«

»Ich sage dir – ich sah's! – traurig ist der bleichen Schatten Leben in Hel.«

»Sie wird dort leben.«

»Odin,« flüsterte die Göttin, »das ist größer als dein Zorn, stärker als dein Verbot: heb' es auf. Die Walküre ist dir doch verloren. Tu das deiner Würdige: – das Große. Wie lautet es doch: ›reich lohnt Odin . . .‹« – Da sprach der Gott: »›Treue Freundschaft.‹ Zwingen nach Walhall kann ich nicht: das ist ein Recht, nicht eine Pflicht.« Nun beugte er sich vor und beider Hände zusammenfügend fuhr er fort: »Ich, meiner Tochter Sigridh Muntwalt, vermähle sie zur Ehefrau König Sigwalt von Halgaland. Auf den Muntschatz verzicht' ich: mit dem Leben hat er ihn bezahlt.«

»Und hier, junge Frau, nimm du diesen Ring: Friggas Ring. Die Weiber in Hel sollen als Eheweib dich begrüßen.«

»Dank, Dank! Aber . . . mein Kind . . . verwaist . . . es wird vergehn . . .!«

»Sorge nicht! Auch nicht verdursten soll's!« lächelte die Göttin, nahm das kleine Wesen so zärtlich wie nur sie es versteht aus der Schildwiege, öffnete ihr weites Busengewand und legte sein Mündlein an die schwellende, die wunderschöne Brust: sofort begann es gierig, die Göttermilch zu saugen. »Trinke nur,« sprach sie, sich mütterlich herabbeugend, »es bleibt noch genug für Widar. Und wann der Knabe der Muttermilch nicht mehr bedarf, – nach Kent bring' ich ihn behütlich. Dort lebt ein Mädchen . . . .« – »Guntfride!« hauchte Sigwalt. »Sie ist treu. Ja, sie soll ihn aufziehn.« – »Zu einem Helden,« sprach Odin, »wie sein Vater war und sein Ahn. Skiold Odinsenkel soll er heißen und – mit dem Namen ziemt es sich, Gabe zu geben! – sein Ruhm soll ganz Nordland erfüllen. Ihr aber, heiße Herzen, – ruhet nun.« – »Ja, in Hel,« sprach Sigwalt, »aber . . .« – »Vereint auf immerdar!« lächelte Sigridh. – Da starben beide.

Schweigend standen die Götter eine Weile bei den Toten. – Dann sprach Odin, der Gattin Hand ergreifend: »Ich danke dir, Frigga. Du konntest das Schicksal nicht wenden, aber . . . .« – »Verschönen. Das ist Frauen-Amt.«

 


 


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