Felix Dahn
Sigwalt und Sigridh
Felix Dahn

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XIV.

In der zweitfolgenden Nacht – schon begannen die Sterne zu bleichen – pochte es ungestüm an das Tor der Burg. Der greise Torwart tat auf: entsetzt fuhr er zurück: der Schlüssel entfiel ihm: hoch hob er die Kienfackel vor sich hin und klagte: »Hilf Odin! – Herr König – was ist Euch? Bleich wie der Tod – ohne Helm, ohne Schild – von Blut überströmt – Ihr wankt!«

»Schweig! Schließ das Tor! Wirf den Notriegel vor! Wo ist . . .?« – »Die Herrin ist eines Knaben genesen. Aber die Frauen sagen . . .«

Schon war er enteilt. Schon lag er auf den Knieen an ihrem Schmerzens-Pfühl – neben der Schildwiege –, das blutende Haupt auf ihre Füße gebeugt. – Stumm wies er die Frauen hinaus. Er schwieg. Auch der höchste Schmerz ist stumm. – Aber ein leiser Schrei – ein Kindesschrei – weckte die Mutter: sie schlug die Augen auf: bei dem fahlen Schein einer Wandfackel ersah sie ihn, – ersah alles!

»Oh Geliebter,« hauchte sie, »wir müssen scheiden. Ich sterbe. Und du . . .«

»Ich folge dir. Oder gehe dir voraus. Alles verloren! Sieg und Leben! Während ich auf dem Heidestrand Tostig bekämpfte, landeten die Seeräuber in unsrem Rücken. Schon hatten sie meine Fahne errafft. Ich entriß sie ihnen wieder – der Schaft zerspellte – aber da! – um meine Brust wand ich das Tuch: ich will darin verbrannt sein. – Nun fiel mein Hengst, mein Schwert zerbrach, mein Schild zerbarst: – ›Alle auf den König!‹ – ich hörte den Losungsruf, durch meinen Helm schlug ein Enterbeil . . .«

»Oh,« stöhnte sie und rang die Hände, »und deine Walküre! Hier lag sie und wand sich in Wehen, ein unnütz Weib!«

»Die Freunde schützten mich Wehrlosen, Wunden mit ihren Leibern. Alle drei fielen sie, Arnstein und Arngrimr und zuletzt, meine Flucht deckend im Engpaß, Arn der Alte. Um sie her liegen all' meine Speergenossen, tot. Ich allein entkam, verfolgt, gejagt, gehetzt von ihren Reitern, zuletzt auf steilem Felssteig mich bergend. Aber bald, bald müssen ihre Gäule wiehern vor unserem männerleeren Haus und . . .«

Er wollte sich erheben, aber er sank vornüber: Ohnmacht schloß ihm den Mund. Mit Anstrengung hob die Matte die Hand und strich ihm über das blutige Gelock, das auf ihrem Busen lag.

Und stille ward es nun in dem Gemach: – wie damals dort in der Höhle. – –


Draußen aber, auf der breiten Heerstraße, nahte klirrend und rasselnd die Vorhut der Verfolger, an der Spitze seiner Reiter Jarl Tostig: schon ersah er im steigenden Morgenlicht die Zinnen der Burg.

»Ah, seht die Türme von Halga-Björg!« rief er, sich auf dem Gaule zurückwendend. »Bald sollen sie brennen lichterloh und alles Leben darin und darunter!‹ Und er schwang die Fackel, die er statt des Speeres in der Rechten trug.

»Nein, Hausbrenner! Das sollen sie nicht!« erscholl da eine furchtbare Stimme aus dem dichten Buschwerk zur Rechten der Straße. »Stirb, Landwüster! Aber nicht nach Walhall mit dir. Unblutig fällst du! Hinab in den Eisstrom der Nattern, Weibermörder, Kinderschlächter!« Und Odin trat aus dem Dickicht in die Mitte der Straße in all' seinen strahlenden Waffen, den Schreckenshelm mit den drohend entgegengesträubten Adlerflügeln auf dem Haupt.

Da erschrak das Rotroß des Jarls, bäumte sich in wildem Entsetzen, überschlug sich nach rückwärts und begrub unter sich den Reiter mit gebrochnem Genick.

»Odin über uns! Odin hat uns alle!« schrien die Seinen, warfen die Gäule herum und stoben zurück, in wilder Flucht entschart.

»Nun komm!« sprach der Gott in das Gebüsch hinein in schwerem, schwerem Ton. »Komm, Frigga. Das Ende naht.«



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