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5. Kapitel.
Der Besuch im Schlosse


König Ludwig hatte Befehl gegeben, die beiden Kinder sofort nach ihrer Ankunft zu ihm zu führen.

Als diese nun die große Halle betraten und über die teppichbelegten Treppen geführt werden sollten, wollte Burgerl durchaus erst ihre Schuhe ausziehen, damit die Teppiche geschont würden.

Der Diener, der sie führte, hinderte sie jedoch lächelnd daran und sagte ihr, das sei nicht angängig, daß sie barfuß vor Seiner Majestät erscheine.

Den Kindern klopfte das Herz bis in den Hals hinauf. Burgerl schritt aber doch tapfer neben dem Diener her. Sepperl folgte zögernd und blickte nach seinem Vater zurück, der auf seinem Kutschbock geblieben war. Erst als ihm der Vater energisch zuwinkte, dem Diener zu folgen, tat er es beklommenen Herzens.

Mit großen Augen betrachteten die Kinder die fremde, glänzende Umgebung, und vor jedem Diener, den sie begegneten, machte Burgerl einen tiefen Knicks und stieß Sepperl an, daß er den Hut zog.

Zaghaft balancierten sie auf den Fußspitzen, und die vollkommene Ruhe und Stille in dem großen Schloß kam ihnen märchenhaft und geheimnisvoll vor.

»Gelt, Sepperl, dös is so still hier wie in dem Schloß vom Dornröschen; 'leicht schlafen sie hier auch alle!« flüsterte Burgerl mit erwartungsvoll blitzenden Augen. Sepperl antwortete gar nicht. Ihm war so flau im Magen vor lauter Angst.

Lange mußten sie laufen über teppichbelegte Treppen und Gänge. Dann blieb der Diener vor einer Tür stehen, an der zwei andere Diener regungslos standen. Er sagte diesen leise einige Worte und trat zurück.

Da öffneten die beiden anderen Diener geräuschlos eine hohe Flügeltür, und der erste Diener schob die beiden Kinder sanft in einen großen Saal hinein. –

Um die Kinder noch mehr zu überraschen, hatte der König den Königsmantel umgelegt.

Und nun schloß wieder die Tür hinter den Kindern, und diese standen nun atemlos erstaunt in einem herrlichen Saal, und vor ihnen stand, in königliche Pracht gekleidet – der fremde Gast aus dem Försterhäuschen.

Burgerl erkannte ihn sofort. Auf die Knie niederstürzend vor der glanzvollen, imponierenden Erscheinung, rief sie halb jubelnd, halb erschrocken:

»O mei liebes Herrgottel – der Herr König – der liebe, gute Herr König selbst is unser Gast g'wesen!«

Sepperl war vor Schreck über den Teppich gestolpert und blieb nun platt auf dem Bauche liegen. Nur den Kopf hob er ängstlich empor, und zu der majestätischen Gestalt emporblickend, sagte er zitternd:

»O Du mei Herrgottel, jetzt hat er wirklich einen Purpurmantel um, der Herr König!«

Und vor Ehrfurcht erstarrt blieb er liegen, wo er lag, und wagte nicht, aufzustehen.

Der König mußte lachen, herzlich lachen über den drolligen Wicht. Und dann trat er zu Burgerl heran und reichte ihr die Hand, die sie inbrünstig küßte.

Ein Schauer der Andacht flog über sie hin und ihre großen Augen hingen entzückt an der königlichen Erscheinung.

»O, wie schön schaust Du aus, lieber, guter Herr König, wie schön!« flüsterte sie.

König Ludwig legte lächelnd seine Hand auf ihr Köpfchen.

»Bist Du nun zufrieden, Waldvöglein?« fragte er.

Sie seufzte aus Herzensgrund.

»O, nur a wengerl laß Dich noch anschaun, nur a wengerl noch, lieber, guter Herr König! Soviel prächtig schaust aus, soviel prächtig!« sagte sie leise und betrachtete sich den König ganz genau.

Und dann sah sie sich nach Sepperl um, ob der wohl auch den König genau betrachtete und einsah, daß sie recht gehabt hatte.

Sepperl lag aber noch immer lang auf dem Boden. Da machte sie ihrer Erregung Luft, indem sie ihm einen kräftigen Rippenstoß versetzte.

»So schau doch auf, richt' Dich empor, Du dummer Bub'. Schau doch die Pracht, dös is noch viel tausendmal schöner, als auf dem Bilderl daheim, gelt?«

Sepperl fand nun endlich den Mut, sich aufzuraffen.

Der König mußte wieder über sein bestürztes Gesicht lachen. Das drollige Gebaren der beiden Kinder machte ihm viel Spaß.

Kein Wort brachte Sepperl über seine Lippen. Er trat nur beklommen von einem Fuß auf den anderen und wagte kaum den König anzusehen.

Nun aber rief der König einen Diener herbei und übergab ihm die Kinder.

Der Diener führte sie hinaus.

Burgerl schaute noch ein letztes Mal zurück nach der glanzvollen Erscheinung und tat einen tiefen Atemzug.

Der Diener führte die Kinder in einen anderen, kleineren Saal. Dort mußten sie sich auf Stühle setzen, die mit Seide bezogen waren, und warten.

Nach einer Weile wurden sie in ein anstoßendes Gemach geführt. Dort war eine Tafel gedeckt, und als sie eintraten, kam ihnen der König entgegen. Er hatte sich seines Prachtgewandes entledigt und erschien nun im schlichten Kleide, wie neulich im Walde.

Die Kinder mußten sich nun mit ihm zu Tisch setzen und mit ihm speisen.

»Neulich war ich Euer Gast, heute sollt Ihr meine Gäste sein!« sagte er freundlich.

Burgerl wurde nun, da der König das Prachtgewand abgelegt hatte, wieder ganz zutraulich und plauderte frisch draus los.

Sepperl beschränkte sich mehr auf reellere Dinge. Das Gleichgewicht fand er ja nun auch langsam wieder und aß tüchtig von den guten Sachen, die ihnen vorgesetzt wurden.

Der König hatte in der Zusammensetzung der Speisen dem Geschmack der Kinder Rechnung getragen.

Burgerl gab in ihrer drolligen Weise ihrer Verwunderung darüber Ausdruck, daß immer neue Speisen aufgetragen wurden.

»Mußt Du alle Tage so gar viele Male zu Mittag essen?« fragte sie den König.

Und Sepperl sagte endlich mit einem tiefen Stoßseufzer:

»Wann i g'wußt hätt', daß es hier gar so viele gute Sach' zu essen gibt, nachher hätt' i heut' in der Früh net so arg viel Suppen g'gessen. Nu kann i halt net a Bröckerl mehr runterbringen!«

Der König belustigte sich sehr über das drollige Gebaren der Kinder.

Bereitwillig erklärte er Burgerl all das Neue und Fremde um sie her. Sie stellte gewiß nicht wenig Fragen. Für alles zeigte sie das größte Interesse.

Nachdem die Tafel zu Ende war, führte der König die Kinder selbst durch das ganze Schloß und zeigte ihnen dann auch den Garten.

In Burgerls Gesellschaft war er so froh und heiter, wie sonst nur selten. Das fröhliche, kluge Kind wirkte wirklich wie Vogelsang und Sonnenschein auf seine verdüsterte Seele.

Burgerls Augen hingen bei alledem voll Liebe und Verehrung an dem Gesicht des Königs. Sie war glücklich über alle Maßen und ging ganz selig umher. Einmal sagte sie, in sich hineinlachend:

»Weißt was, Herr König? I hab' mir halt schon a wengerl g'dacht, daß Du ein arg vornehmer Herr bist. Gar so stolz und schön hast Du in Dein' schlichten G'wanderl ausg'schaut. Und das Bild im Wohnstüberl daheim, dös g'fällt mir nun nimmer; tausendmal schöner schaust Du in Wirklichkeit aus!«

»So, so,« sagte der König lächelnd, »Da wirst Du jetzt das Bild gar nicht mehr anschauen mögen!«

»O – ich brauch' dös auch net mehr anzuschauen. I druck die Augen zu und denk' an Dich – und gleich stehst wieder in Deinem Prachtg'wand vor mir!« erklärte sie froh.

Da strich der König wieder über den lockigen Scheitel, um den längst wieder ein goldiger Schein von tausend Löckchen entstanden war.

Gerade flimmerte die Sonne darüber hin, und Burgerls Augen lachten wie der liebe Sonnenschein in des Königs einsames Herz hinein.

»Sonnenscheinchen!« sagte er leise vor sich hin.

Als der Rundgang durch Schloß und Garten beendet war, führte der König die Kinder in eines seiner Wohnzimmer. Dort schenkte er dem Burgerl ein goldenes Kettchen, an dem ein Medaillon hing. Das öffnete er und hielt es Burgerl vor die Augen.

»Gefällt Dir das besser, wie das daheim in Eurem Stübchen?« fragte er lächelnd.

Burgerl staunte entzückt das Bildchen an, welches in dem Medaillon angebracht war. Es stellte den König im Krönungsornat vor und war sehr fein ausgeführt.

»O mei liebs Herrgottel, ja, so schaust aus, dös is gar ein liebes Bilderl von Dir, Herr König!« rief Burgerl entzückt.

Der König legte ihr das Kettchen um den Hals.

»So behalt' es zum Andenken, Burgerl, ich schenke es Dir!« sagte der König.

Burgerl drückte das Medaillon an ihre Brust und küßte dem König die Hand.

»Ach, Du bist so gar viel gut und lieb. Dös schöne Bilderl, eia, nun kann i dös anschauen, so oft i mag. Ach, bist Du gar viel gut, i dank Dir viel tausendmal!«

So sagte Burgerl und vor Freude schluchzte sie plötzlich laut auf und drückte ihr Kettlein wieder und wieder fest an sich.

Sie hatte in ihrer kindlichen Unerfahrenheit keine Ahnung, wie kostbar das Geschenk war, das sie erhalten hatte.

König Ludwig war allzeit sehr großmütig und freigebig. Und in diesem Falle wollte er die empfangene Gastfreundschaft im Forsthause vergelten. Er tat es in wahrhaft königlicher Weise. –

Auch Sepperl sollte nicht leer ausgehen. Freundlich lächelnd reichte ihm der König eine Taschenuhr.

»Da, Sepperl, sollst auch eine Uhr haben, damit Du nicht zu warten brauchst auf die, welche Dir Dein Vater vererben will. Geh' aber sorgsam damit um, damit Du sie nicht entzwei machst!« sagte er.

Sepperl blieb fast der Verstand stehen vor Freude, und ehe es der König hindern konnte, schlug er einen Purzelbaum über den Teppich.

Und im Uebermaß der Freude fielen sich die beiden Kinder lachend und weinend in die Arme.

»Gelt, Sepperl, so ein Tag wie heut', da weiß einer net, was er tun soll?« schluchzte Burgerl, verständnisvoll über Sepperls Purzelbaum quittierend. Und dann dankten die Kinder dem König immer wieder.

Er wehrte ab.

»Laßt es gut sein, Ihr habt mir frohe Stunden bereitet, so mußte ich Euch doch auch eine Freude machen. Und nun müßt Ihr wieder heimfahren, damit Ihr noch vor Abend im Forsthaus seid!« sagte er, und einen Diener herbeirufend, gab er ihm leise einen Befehl. Dann verabschiedete er sich von den Kindern.

»Auf Wiederseh'n, Burgerl!« rief er dem kleinen Mädchen zu.

Da jauchzte Burgerl auf:

»Du kommst wieder mal ins Försterhäusel, gelt, Du kommst wieder?«

Der König nickte stumm und verschwand.

Der Diener überreichte draußen den Kindern auf des Königs Befehl noch drei große Zuckertüten. Eine davon sollte dem Tonerl gehören.

Unten vor dem Schloßtor hielt schon wieder der Wagen. Sepperl legte aber nur seine Zuckertüte neben Burgerl auf das Wagenpolster.

»Gib fein drauf acht, Burgerl, i muß zu meinem Vaterl auf den Bock klettern und ihm alles verzählen. Weißt, meine Uhr, die muß i ihm doch gleich zeigen. Nachher, da komm i wieder herein zu Dir!«

So geschah es denn auch. Burgerl fuhr allein wie eine kleine Prinzessin inmitten der drei Zuckertüten in dem königlichen Wagen davon und öffnete ihr Medaillon, um das Bild des Königs wieder und wieder zu betrachten.

Und Sepperl hatte nun mit einem Male die Sprache wiedergefunden und erzählte dem Vater kunterbunt durcheinander, was er und Burgerl im Schloß erlebt hatte.

Als er mit seinem Bericht zu Ende war, mußte der Vater die Kutsche anhalten, und Sepperl kletterte zum Burgerl in den Wagen.

Da saßen sie nun beieinander und besprachen aufgeregt noch einmal die ganze Herrlichkeit.

Sepperl hielt Burgerl immerfort seine lustig tickende Uhr an die Ohren, und Burgerl zeigte ihm wieder und wieder das Bildnis des Königs in ihrem Medaillon.

Auch die Zuckertüten wurden auf ihren Inhalt geprüft und des ganzen märchenhaften Tages für würdig befunden. Solche gute Leckereien hatten sie bisher nicht einmal gesehen, viel weniger besessen.

Daheim angelangt, gab es einen neuen Sturm des Entzückens. Burgerl und Sepperl erzählten bunt durcheinander, eines unterbrach immer das andere, eines wußte mehr als das andere.

Es dauerte sehr lange, bis der Förster und die Försterin sich ein klares Bild von den Geschehnissen machen konnten. Die Freude war groß im Försterhäuschen. Ein Glanz lag auf allen Gesichtern.

Die Försterin war nun arg stolz, daß der König selbst in höchsteigener Person in ihrem Giebelstüberl logiert und an ihrem Tisch gesessen hatte. Sorglich packte sie gleich das Gerät, das er benutzt hatte, in ein Extrafach im Schrank. Das sollte zum Andenken für Kind und Kindeskinder aufbewahrt werden.

Natürlich wurde auch Burgerls Kettlein mit dem Medaillon und Sepperls Uhr sorgsam verwahrt. Solch kostbares Geschmeide durfte nur an hohen Festtagen angelegt werden.

Es dauerte heute sehr lange, bis im Forsthaus Ruhe wurde. Die Kinder waren zu aufgeregt und mußten immer wieder erzählen und berichten.

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