J. F. Cooper
Wildtöter
J. F. Cooper

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IV.
Die Wilden machen Gefangene

Die beiden Mädchen hatten sich zur Ruhe begeben, als Hutter mit seinen beiden Gefährten wieder auf die Arche ging. Hier eröffnete er ihnen seinen Plan. Von dem, was er mit Hurry noch allein zu unternehmen gedachte, sagte er allerdings noch kein Sterbenswörtchen.

»Worauf es in unserer Lage allein ankommt«, begann er, »ist, daß wir das Wasser beherrschen. Solange kein anderes Fahrzeug auf dem See ist, gilt auch ein Kanu soviel wie ein Kreuzer. Mit Schwimmen können sie uns die Burg nicht wegnehmen. Fünf Kanus gibt es auf dem See, vier davon gehören mir, das fünfte Hurry. Drei davon sind bei uns, das eine liegt in dem Kanu-Dock unter dem Haus, zwei hängen an der Fähre. Die anderen beiden sind an Land in hohlen Stämmen versteckt, und die Wilden, erbost über die erlittene Abfuhr, werden alles absuchen, um sie zu finden.«

»Nein, mein lieber Hutter«, unterbrach ihn Hurry, »der Indianer lebt nicht, der ein anständig verstecktes Kanu aufspürte. Ich habe in diesem Geschäft schon einiges geleistet, und kann, das wird Wildtöter bezeugen, ein Kanu so fein verstecken, daß ich es am Ende selbst nicht wiederfinde.«

»Richtig, Hurry«, warf Wildtöter ein, »nur vergeßt ihr zu sagen, daß nicht ihr, sondern ich euer Kanu herausgebracht habe. Aber ich bin mit Meister Hutter einer Meinung, es ist bedeutend klüger, die Wilden nicht zu unterschätzen, als große Hoffnungen auf ihre Einfalt zu setzen.

Wenn wir also die beiden Kanus in die Burg schaffen wollen, sollten wir keinen Augenblick mehr verlieren.«

»Macht ihr mit?« fragte Hutter, der von dem Vorschlag überrascht und befriedigt war.

»Selbstverständlich! Mache alles mit, was sich mit meiner weißen Farbe verträgt und ich ihr schuldig bin. Gehe mit euch bis ins Lager und in das Land der Mingos, und ihr werdet sehen, daß ich meine Pflicht tue, wenn es sein muß. Habe freilich noch nie im Feuer gestanden und will nicht mehr versprechen als ich halten kann.«

»Auf jeden Fall wißt ihr mit dem Ruder umzugehen, junger Mann«, sagte Hutter, »und das ist alles, was wir von euch in dieser Nacht verlangen. Laßt uns also in die Boote gehen und handeln, anstatt zu schwatzen.«

Ein Boot war schnell klar gemacht, Hurry und Wildtöter griffen zu den Rudern, und Hutter, der allein die Verstecke der Kanus wußte, gab die Richtung an. In einer knappen halben Stunde hatten sie ohne Anstrengung einen vorspringenden Punkt der Küste erreicht, gut eine Meile von der Arche entfernt.

Die Ufer wurden genau abgesucht, aber es war nichts Ungewöhnliches auszumachen; so hielt man sich sicher genug, an Land zu gehen, zumal die Stelle, wo sie vorhin mit den Wilden zusammengestoßen waren, ziemlich weit entfernt war. Hurry und der alte Tom sprangen an Land und ließen Wildtöter zur Bewachung des Bootes zurück. Der hohle Stamm lag ein Stück aufwärts nach dem Berge zu, und Hutter schlug den Weg dorthin ein, mit äußerster Vorsicht, alle paar Schritt stehen bleibend, um zu horchen. Aber nichts war zu hören.

»Hier ist es«, flüsterte Hutter und setzte den Fuß auf den Stamm einer umgestürzten Linde, »zieht das Boot vorsichtig heraus!«

Nachdem Hurry das Boot behutsam aus der hohlen Linde gezogen hatte, nahm er es auf die Schulter, und die beiden traten den Rückweg zum Ufer an, Schritt für Schritt setzend, um an dem steilen Hang nicht zu stürzen. Zuletzt mußte Wildtöter noch an Land kommen und das Kanu durch das Dickicht tragen helfen. Endlich lag das leichte Fahrzeug neben dem Boot und Hutter steuerte nun der Mitte des Sees zu. Hier ließ er das gerettete Kanu mit dem leichten Wind gegen das Kastell zu treiben, auf der Heimfahrt gedachte er es dann mitzunehmen.

Ohne Schwierigkeit wurde so auch das zweite versteckte Kanu geborgen und aufs Wasser gebracht. Im Besitz aller Boote des Sees war die Zuversicht der drei Männer erheblich gestiegen. »Wenn die Rothäute nun dem Kastell einen Besuch abstatten wollen, mögen sie waten oder schwimmen, es war doch eine gute Idee, ins Wasser zu bauen. Jetzt können wir ihnen Trotz bieten«, meinte Hurry, als sie ihr Vorhaben glücklich beendet hatten und am Ufer zusammenstanden.

»Laßt uns ein Stück an der Südküste hier entlang rudern,« sagte Hutter, »und nachschauen, ob denn wirklich nichts von einem Lager zu sehen ist, – aber zuerst wollen wir mal etwas tiefer hier in die Bucht eindringen, wir sind noch nicht weit genug vorgewesen, um diesen Winkel gesehen zu haben.«

Sie gingen alle drei in der angegebenen Richtung vor. Kaum waren sie soweit gekommen, daß sie die Bucht richtig übersehen konnten, blieben sie wie angewurzelt stehen: vor ihnen lag ein Feuerbrand in den letzten Zügen, es konnte kein Zweifel sein, daß es ein verlöschendes Lagerfeuer der Indianer war. Die Wahl des nur von einer Seite einzusehenden Platzes verriet ganz ungewöhnlichen Bedacht, und Hutter, der die Stelle als einen der besten Fischplätze des ganzen Sees kannte, schloß daraus, daß sie das Lager der Weiber und Kinder vor sich hatten, die zu dem feindlichen Indianertrupp gehörten, mit dem sie schon auf der Arche in so unangenehme Berührung gekommen waren.

»Das ist kein Kriegerlager,« knurrte er, »da schläft Beute genug um das Feuer herum, wir werden uns eine hübsche Summe Kopfgeld teilen können. Schickt den Jungen zu den Booten, Hurry, er ist zu so etwas nicht zu gebrauchen, wir werden inzwischen die Sache wie Männer anpacken.«

»Ganz nach meinem Geschmack, alter Tom«, erwiderte Hurry, und wandte sich an Wildtöter: »Setzt euch ins Boot und rudert auf den See hinaus, nehmt das andere mit und laßt es draußen treiben wie das erste Boot. Dann könnt ihr die Küste entlang fahren, möglichst nahe an der Bucht. Wenn wir euch brauchen, werden wir rufen. Ich schreie wie ein Tauchervogel, wenn es etwas Besonderes gibt. Wenn ihr Schießen hört und Lust habt mitzufechten, könnt ihr ja kommen und sehen, ob ihr auf die Rothäute genau so sicher zu halten wißt wie auf die Hirsche.«

»Mein Rat ist der, daß ihr die Sache unterlaßt,« warnte Wildtöter ernst.

»Aber es geht eben nicht nach euren Wünschen – und damit Schluß! Fahrt los, und bis ihr zurückkommt, wird sich im Lager drüben schon einiges rühren!«

Widerwillig und schweren Herzens fügte sich Wildtöter, er kannte die Vorurteile der Grenzer zu gut, um nicht das Zwecklose weiteren Redens einzusehen. So ruderte er denn mit aller Vorsicht auf die Mitte der stillen Wasserfläche zu und ließ das mitgeschleppte Boot vor dem leichten Südwind gegen das Kastell zu treiben, wie sie es mit dem anderen Boot auch gemacht hatten. Sie hielten es für unmöglich, daß die leichten Kanus bis zum Tagesanbruch weiter als eine oder zwei Meilen treiben würden, so daß man sie wieder einzuholen gedachte. Damit nicht etwa ein herumstrolchender Indianer unversehens mit einem der Kanus davonfahren konnte, hatten sie sämtliche Ruder in dem dritten Boot zurückbehalten.

Wildtöter wendete also und kehrte jener Stelle der Küste zu, die ihm Hurry bezeichnet hatte, wo er in großer Spannung den Ausgang des wagehalsigen Unternehmens abwartete.

Es mochten etwa anderthalb Stunden dahingegangen sein, als Wildtöter auffuhr. Die Stille der Nacht wurde durch einen gräßlichen Schrei zerrissen, von einem Weibe oder einem Knaben in höchster Todesangst ausgestoßen. Dann hörte er deutlich das Krachen von Zweigen, und Fußtritte, Laufen und Stampfen; es war, als suchten Flüchtige eine Stelle zum Abstieg an den See. Wildtöter ruderte so schnell er konnte, dem näherkommenden Lärm folgend, auf ein steiles Stück der Küste zu. Jetzt fielen einige Schüsse, aus den Büschen drang Geschrei und Geräusch, aus dem sich entnehmen ließ, daß Mann gegen Mann kämpfte.

»Glitschiger Teufel!« brüllte Hurry in enttäuschter Wut, »schmiert sich das Fell ein, daß ich ihn nicht packen kann! Nimm das für deine Kniffe!« Diesen Worten folgte das Fallen eines schweren Körpers den Hang herab, als hätte Hurry den Gegner mit aller Wucht von sich geschleudert. Flucht und Verfolgung begannen von neuem. Gleich darauf sah er Hurry, von Feinden buchstäblich umklammert, den Hang herunterrollen.

»Bemaltes Gesindel!« schrie Hurry, »laßt ab von mir! Ihr habt mich ja in eurer Gewalt, wollt ihr mich denn vollständig erwürgen?«

Da wußte Wildtöter, daß seine Gefährten gefangen waren, und er ihr Schicksal teilen würde, wenn er jetzt zu landen versuchte. Schon hörte er auch Hutter ihm zurufen: »Seid auf der Hut, Wildtöter, haltet euch vom Lande fern und beschützt meine Kinder! Soldaten der Garnison werden euch sicher bald zu Hilfe kommen!«

Den Warnungen, die Hutter und Hurry Wildtöter noch zurufen wollten, machten die Indianer schnell ein Ende und mit Triumphgeheul entfernten sie sich mit ihren Gefangenen im Dickicht.

Wildtöter horchte noch einen Augenblick, dann ruderte er in trüben Gedanken auf den See hinaus und stieß bald auf das zuletzt ausgesetzte Kanu, das er an sein Boot band. Dann legte er sich im Boot nieder, um noch einige Stunden zu schlafen und Kräfte für den kommenden Tag Zu sammeln. Die Boote trieben langsam nach Norden, über seinem Haupt glänzten die ewigen Sterne, schön und mild, und zwischen den schwarzen Wäldern lag friedlich und dunkel der See.


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