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VIII

Gleich überweltlich leuchtenden Gesichten waren die letzten Höhen des Wissens um die Urgötter und um das Werden des Kosmos für kurze Stunden vor der Seele des Pythagoras gestanden. Jetzt aber, als ein neuer Morgen die Pylonen des Tempels und die Dächer der Priesterschule ins grelle Licht zog, mußte er zurück zu den Anfängen, zurück zum Beginn des langen Weges, der zu den Urgöttern hinanführte.

Unter der gütig-strengen Leitung des Oberpriesters Sonchis begann der Unterricht. Und ob nun der Schüler in den Räumen der Schule den Worten des erhabenen Lehrers lauschte, ob er in kühlen, schattenden Sälen sich über die Papyrosrollen beugte, die ihm Diener herbeibrachten, ob er auf den Zinnen des Tempels in lauen Nächten den Lauf der Gestirne verfolgte, stets übertraf er seine Mitschüler, wenn auch nicht an Wissen, so doch an Hingabe und Fleiß. Und sein offenes Wesen, seine Pflichttreue und die lautere Reinheit seiner Sitten gewann ihm schnell die begeisterte Liebe seiner Lehrer und Studiengenossen; nicht zuletzt deshalb, weil er vor nichts, vor keiner noch so mühseligen Arbeit, vor keiner Art des Tempeldienstes zurückschreckte, um sich für die ungewöhnliche Gunst, die ihm widerfahren war, dankbar zu erweisen.

So schwanden einige Male die drei Jahreszeiten Kemis, die Zeit der Fruchtbarkeit, die Monate der Dürre und der Stürme und die Zeiten der Überschwemmung, bis er die Grundlehren der zweiundvierzig hermetischen Bücher in sich aufgenommen hatte; der Bücher, die auf den ägyptischen Hermes, wie ihn die Hellenen nannten, zurückgeführt wurden. Auf den hehren Gott der Wissenschaften, der in Kemi Thot hieß.

Er vertiefte sich zuerst in die Regeln der heiligen Schriftzeichen und erlernte die Gesetze der Hieroglyphen in ihren verschiedenen Schreibweisen und Unterarten. Dann stieg er nach der Reihenfolge der Schwierigkeit und Endgültigkeit in den Lehren der Bücher auf.

Mit den zwei Büchern machte er den Anfang, deren eines die Lobgesänge auf die Götter, deren anderes die Auseinandersetzung des königlichen Lebens enthielt. Und er staunte über die unbeugsame Strenge, mit der jedes Handeln des Sohnes der Sonne geregelt war. Und er lernte begreifen, warum kein anderes Volk des Erdkreises solch lückenlose Reihen guter und gerechter Könige aufzuweisen hatte.

Dann trat er an die vier Bücher sternkundlicher Art heran, die die äußeren Erscheinungen des Himmelsgewölbes behandelten. Er lernte die Anordnung der unbeweglichen Sterne, die Gesetze vom Zusammenkommen und der Erleuchtung von Sonne und Mond und die Zeiten des Aufganges und Unterganges der Sternbilder kennen.

Weiter führte ihn sein Pfad in der Durchdringung des Weltgefüges. Groß und schwierig lagen die zehn Bücher der Hierogrammateis, der heiligen Schriftgelehrten, vor ihm, die ihm von aller Außenwelt Kunde gaben. Und er rang mit den abgründigen Weisheiten über Welt- und Erdbeschreibung und seine bisher tief eingewurzelten Vorstellungen machten niegeahnten neuen Ausblicken Platz. Die höheren Lehren von der Ordnung der Sonne und des Mondes wurden für ihn Erlösung und Wirrsal, Staunen und Trost. Und die Gesetze der fünf Wandelsterne fügten sich in das ungeheure Bild des bewegten Kosmos. Auch die Beschreibung des Landes Kemi und die Aufzeichnung des heiligen Nilstromes fand er in diesen Büchern, so daß er, im stillen Büchersaale sitzend, die Wunder des Landes in träumenden Gedanken genoß. Doch noch größere, noch unerhörtere Wunder erschlossen ihm diese Rollen der Schriftgelehrten: Er wurde mit Bau und Einrichtung der Tempel bis ins Innerste bekannt, lernte die Harmonie des Maßes und die Auswahl der geheiligten, für Opfer und Opfergerät geeigneten Plätze und gewann Einblick in die Kunst der Zahlen und Linien. Pythagoras hatte für viele Monde alle anderen Ziele, ja die Götter selbst vergessen, als er die tiefsten Mysterien der Zahl, erschlossen durch das Denken von Jahrtausenden, ausgebreitet vor sich liegen sah. Und seine Lehrer mußten alle Mühe aufwenden, um den überschäumenden Drang des Lernbegierigen in die ruhige Bahn möglichen Fortschreitens zurückzudämmen. Schließlich siegte sein gehorsamer, treuer Sinn. Trotzdem aber drang er in diesen Zweig des Wissens mit solcher Wucht ein, daß seine Lehrer fast in ehrfürchtiges Staunen gerieten und ihm manche Antwort schuldig bleiben mußten.

So lernte er als Grundlage der höheren Zahlenwissenschaft die Seqemrechnung, die in einer sonderbaren Vermählung von Stammbrüchen, in einer Darstellung eines Bruches durch viele andre und in einer Teilung und Vermehrung dieser Brüche besteht. Er lernte weiters die Arten der Haurechnung, bei der, gleichungsähnlich, die unbekannte Größe, der Hau, gesucht wird. Und er eignete sich die Gesellschaftsrechnung und die Lehre von den Reihen und ihren Summen und ihren Unterschieden, die Hunnurechnung, an.

Als er mit den Ziffern gewandt umzugehen verstand, ward es ihm möglich, zu erfassen, wie die Fläche des Dreieckes, des Paralleltrapezes, des Kreises berechnet wird. Und er erfuhr, daß die Seite eines Quadrates, das einem Kreise flächengleich sein soll, um ein Neuntel hinter dem Durchmesser des Kreises zurückbleiben müsse. Was ihn aber vollends in Verwunderung versetzte, war die Bestimmung der Winkel aus Piremis und Uchatebt, aus Qai-enharu und Senti, das ist die Festlegung des Winkels aus dem Verhältnisse je zweier Seiten eines rechtwinkeligen Dreieckes: Ein Vorgang, der es gestattete, die Neigung der Pyramidenkanten an jedem Werkstücke mit dem Ellenmaßstabe vorher festzulegen, bevor das Prisma in die Stufen des Baues eingefügt wurde.

Auch die Gestaltung des Kalenders, die periodische Wiederkehr der Feste und die Ergänzung der Monate auf zusammen dreihundertfünfundsechzig Tage, eine Einrichtung, die das Jahr mit dem tatsächlichen Sonnenlaufe besser im Einklang hielt und erst im Zeiträume von Jahrhunderten größere Abweichungen der Tag- und Nachtgleichen erzeugte, entrang ihm staunende Bewunderung.

Nie mehr verließ er, solange er auf Kemis Boden weilte, die Beschäftigung mit diesen inhaltschweren Büchern und er studierte alle Erläuterungen und Ergänzungswerke, soweit er sie nur irgendwie erreichen konnte.

Trotz dieser wahren Leidenschaft mußte er sich, um sein Wissen abzurunden und seiner Pflicht voll zu genügen, den nächsten zehn hermetischen Büchern zuwenden, die die Gebräuche des eigentlichen Gottesdienstes und das Ritual des Opfers umfaßten und alle Formen des Räucheropfers, des Darbringens der Erstlinge, die Arten des Gebetes, der Lobgesänge höherer Art, der heiligen Aufzüge und der Begehung der Götterfeste enthielten.

Als er aber endlich nebenbei in gröbsten Umrissen die sechs ärztlichen Bücher kennengelernt hatte, die die Beschaffenheit des Körpers, die Krankheiten, die ärztlichen Instrumente, die Arzneimittel und die besonderen Leiden der Augen und der Weiber beschreiben, wagte er den letzten Schritt.

Er vertiefte sich in die zehn Schriften, die der Kulm der Weisheit Kemis sind: in die Bücher, die von den Gesetzen und Pflichten und vom tiefsten Wesen der Götter handeln, und die den gereiften Lernenden anweisen, wie er sein Wissen anderen, noch nicht in der Weisheit Vollendeten, mitzuteilen hat.

Als nun nach unendlichen Mühen die Bücher des Thot im willigen Geiste des Pythagoras beschlossen lagen, bereitete ihm das Schicksal und die Gerechtigkeit seiner Lehrer eine neue Überraschung. Er hatte nämlich bisher, hingegeben allein dem Durste nach Wissen, nur niedere Tempeldienste verrichtet und nie daran gedacht, etwas zu erstreben, was nur den ersten Söhnen Kemis vorbehalten war. Plötzlich aber rief ihn ein lichter Tag vor die Versammlung der höchsten Priester. Wieder durchfluteten ihn Schauer vor der steinernen Ruhe der Sitzenden, wieder richtete ihn der gütige Blick des Propheten Sonchis auf. Diesmal aber wurde sein Verstand gewogen und nicht sein Herz. Denn dieses Herz kannten alle und es war tief gesunken auf der Waagschale gegen das Gewicht der von ihm geheischten Gerechtigkeit. So wurde er zu unbekanntem Zwecke durch alle Abgründe des Wissens, alle verborgenen Geheimnisse der hermetischen Bücher, durch alle Rätsel und Lösungen geführt, und unermüdlich fragten die Priester. Viele Stunden fragten sie schon, doch er stand, entrückten Blickes, vor ihnen und blieb keine Antwort schuldig, bis er, trunken vom Schauer des Heiligen, das Wesen des unerschaffenen Urgottes in neuen, feurigen Lobgesängen pries. Da sprangen die strengen Richter und Priester Kemis von den Sitzen auf, umarmten ihn und verliehen ihm den Rang eines Hierogrammateus.

»Der erste und letzte Mann aus der Fremde, der Priester Kemis wird!« rief prophetisch Sonchis. »Deine erste Tat soll die Aufzeichnung der Hymnen sein, die du in edelstem Wahne an den Verborgenen richtetest. Die zweite Aufgabe aber, die deiner harrt, ist unser Dank an Amasis, den erhabenen Bringer der Gerechtigkeit. War er es doch, der dich, den Würdigsten, zuerst erkannte und empfahl. So sollst du, wenn er jetzt zu Memphis der großen Isis den neuen Tempel gründet, als Priester Kemis ihm mit deinem Wissen beistehen, damit die Richtung und das Maß der Ecken eingehalten werde!«

Pythagoras aber konnte nicht antworten, nicht danken. Still und durchbebt von namenlosem Stolze, war er in die Kniee gesunken und schluchzte leise vor sich hin. Dann streckte er, wie im Gebete, die Handflächen gegen die Priester, die jetzt doppelt seine Brüder waren. Diese aber segneten ihn und lächelten still und beglückt. –

Unausdenkbar weit und eben lag der riesenhafte Grund, auf dem der Tempel erstehen sollte. Mit hellem Sande war er bestreut, der in der Morgensonne schimmernd leuchtete. Und hinweg über die gestauten Massen des harrenden Volkes, das zu Zehntausenden das Rechteck, Kopf an Kopf, Leib an Leib umdrängte, standen am Horizonte des Westens die drei großen Pyramiden und spiegelten in ihrer funkelnden, polierten Glätte den Strahl des großen Rā wider: Weißlichgelb die Pyramide des erhabenen Chufu, dunkler und gelbgrau das Mal des mächtigen Chafra und in sattem granitenen Dunkelrot, düster und majestätisch, das Wahrzeichen Menkauras.

Nur ein leises wogendes Summen war in den Massen und ein vielfältiges Duften schwebte über dem Platze; denn alles Volk war mit Blumen bekränzt und hielt Zweige in den Händen. Und an den Ecken des Platzes flatterten Wimpel von himmelragenden Masten, und Wolken von Räucherwerk dampften aus mächtigen Pfannen und verwehten verschwimmend in der unterbrechungslosen dunklen Bläue des Firmaments.

Die vierfachen Reihen schwergewaffneter Krieger, die von allen Seiten den Platz umsäumten, hatten nur wenig Mühe, vordrängende allzu Neugierige leise und bestimmt zurückzuweisen. Denn noch lag der Grund einsam, und nur sorgsam behauene Blöcke und Riesenquadern, Säulentrommeln und Kapitale schichteten sich an seinen Rändern und verhießen den baldigen Beginn der Arbeit. Und die bläulichen Helme der Krieger und ihre Brustpanzer glitzerten im Lichte.

Plötzlich entstand an einer der Schmalseiten murmelnde Bewegung. Im nächsten Augenblicke übertönten scharfe Kommandorufe das tosende Branden des Volkes. Wie mit einem einzigen Schlage standen alle Soldaten zugleich bildsäulenstarr an ihrem Flecke und richteten ihre Augen gegen den Eingang, während sie die furchtbaren Keulenbeile in steilem Winkel grüßend hoben.

An der Schmalseite hatte sich die Mauer der Krieger geteilt. Klappern ertönten und Hörner, Cymbeln und Sistren und Flöten, und zwischen dem jubelnden Zujauchzen der Massen scholl wogend und machtvoll der Chor der Hymnen.

Die Spitze des Zuges ward sichtbar und betrat langsam und feierlich den Platz.

Zehnfach stießen die Weihrauchwolken aus den Pfannen und schossen in kugeligen, schweren Ballen empor und lösten sich in zerquirlende Bänder auf. Und die Palmzweige wurden geschwungen und über den Myriaden rauschte ein sattgrünes Meer von Zweigen.

Die Hörner schmetterten, näher brauste der Gesang und das Volk tobte in Stolz, Begeisterung und heiligem Schauer.

Der Zug war auf den Platz herausgetreten:

Voran schritten in breitem und buntem Gewoge die priesterlichen Sänger und Musiker, singend und spielend und die hohen Symbole der Musik einhertragend. Dann die Stundenbeobachter mit der Stundenuhr und dem heiligen Phönix, den Sinnbildern der Sternkunde. Zahllos waren ihre Reihen. Denn heute hatten die Priesterschaften aller größeren Tempel ihre Besten gesandt, damit der Sohn der Sonne, der durch stets neue Bauten die Gottheit ehrte, im Herzen erfreut werde.

Und jetzt kamen die höheren Rangstufen der Priester, und die Leopardenfelle wollten kein Ende nehmen. Mit dem Federschmucke am Haupte, in der Hand das hermetische Buch, das Lineal und das Schreibrohr, die Hierogrammateis; haltend die Elle der Gesetzmäßigkeit und den Trankopferkelch, die Bewahrer der heiligen Kleider. Und zwischen allen die Tabernakelträger, die die Bilder der Götter in heiligen Schreinen hoch über den Köpfen des Zuges schweben ließen.

Jetzt eine breite Lücke im Zuge; eine atemraubende Pause des hehren Rhythmos.

Und das Volk kannte im Jubel keine Grenzen und die Hörner schmetterten das Zeichen des Sohnes der Sonne und des obersten Priesters.

Da waren sie schon: Stolz schritt Amasis in ihrer Mitte und die hohe rot-weiße Doppelkrone des Südens und Nordens leuchtete. An seiner Seite der erhabene Sonchis, die höchsten Feldherren und Würdenträger und herum die mächtige Schar der Spruchpriester, der Prophetai. Aber noch einer schritt zur Seite des Königs, einer, dessen mächtige Jünglingsgestalt alle um Haupteslänge überragte und unter dessen hoher Stirne die schmale Nase marmorn und gerade zwischen überirdisch glänzenden Augen stand. Und neben ihm gingen Diener mit langen weißen Seilen, deren Ende er in der Hand hielt. Und das Volk raunte sich zu, daß es der Priester sei, der heute dem Könige Beistand leisten werde, der Priester, der vor Jahren von den Inseln kam, der Hellene, der jetzt ein Mann Kemis und rein sei vom Fluche und vom Schmutze der Fremdvölker; weil er alle großen Prüfungen des Herzens und Verstandes auf sich genommen habe gleich einem Manne aus dem heiligen Kemi. Und auch ihm galt heller Jubel des Volkes.

Rings um den mächtigen Baugrund bewegte sich feierlich der Aufzug. Die Gesänge und Hymnen wurden heller und je mehr sie sich den gestauten Mengen näherten, desto mehr verwandelten sie das Jauchzen und Grüßen in Verehrung und Gebet. Und die Götter in den Schreinen erweckten ehrfürchtige Schauer. Als aber nach Umschreiten des Platzes die Spitzen des Zuges wieder zum Ausgangspunkte zurückgekehrt waren und sich teilten und nach rechts und links an den Rand des Grundes auseinandertraten, da tönte kein Laut, kein Murmeln in all der Masse.

Plötzlich stand der erhabene Herr der Gerechtigkeit allein in der Mitte. Zur Seite trat ihm nur Pythagoras mit den Schnurträgern.

Anbetend erhob der Priester gegen den Sohn der Sonne die Handflächen. Dann sagte er mit lauter, klingender Stimme:

»Herr des Südens und Nordens, der du es in deiner Güte erwogest, der hohen Isis ein schimmerndes Haus zu bauen, höre! Du gleichst völlig dem Bilde deines Vaters, des großen Rā, der am Himmel emporsteigt. Deine Strahlen dringen bis in die Höhlen. Kein Ort entbehrt deiner Güte. Deine Aussprüche sind in jedem Lande Gesetz. Wenn du in deinem Palaste ruhest, so hörst du die Worte aller Länder. Du hast Millionen von Ohren. Klar ist dein Auge über allen Sternen des Himmels, fähig den Sonnenball zu schauen. Was der Mund in der Tiefe auch immer ausspricht, es dringt bis zu deinem Gehör. Dein Auge aber sieht, was im Verborgenen geschieht. O barmherziger Herr, Schöpfer des Atems, weise den Baumeistern und Werkleuten, wie sie das heilige Haus der großen Isis türmen sollen!«

Und er beugte sich und hob vom Boden das Ende eines Seiles empor und reichte es dem Zweikönige. Hunderte von Ellen aber entfernt, am anderen Ende dieses Seiles, standen Priester mit dem Schreine einer Göttin.

Der Sohn der Sonne ergriff die Schnur und hob den hölzernen Hammer. Dann antwortete er:

»Ich habe gefaßt den Holzpflock und den Stiel des Schlägels. Ich halte das Seil in Gemeinschaft mit der Göttin Safech, der Herrin der Grundsteinlegung, der erhabenen Schützerin der Büchersäle. Mein Blick ist gefolgt dem Gange der Gestirne. Wenn mein Auge in die Richtung des Nordens gekommen ist und erfüllt ist der mir bestimmte Zeitabschnitt der Zahl der Uhr, dann stelle ich auf, du große Isis, die Eckpunkte deines Gotteshauses!«

Laut tönten die Schläge des Hammers über den Platz. Das Seil spannte sich und wies die Mittellinie und Richtung des künftigen Bauwerkes.

Dann aber trat Pythagoras neuerlich vor:

»Herr des doppelten Reiches, weise den Werkleuten die Winkel des Baues!«

Und noch einmal erwiderte der König:

»Zwei Pflöcke treibe ich durch die Schnur, um festzustellen den Winkel des Bauwerkes für alle Zeiten.«

Und er schlug die Pflöcke entlang der Mittellinie durch die zwei Knoten des Seiles und Pythagoras spannte die freien Enden, daß die Grundlinie des mächtigen Dreieckes in haarscharfem Winkel senkrecht zur Richtung der langen Mittellinie des Tempels stand.

Da richtete sich der Herrscher empor:

»Zufrieden im Herzen ist Safech mit der Grundsteinlegung. Herbei denn, ihr Baumeister und Werkleute, damit die große Isis nicht länger des Gotteshauses entbehre!«

Da strömten plötzlich von beiden Seiten durch geöffnete Gassen der Krieger unzählige Werkleute auf den Platz und ihre Werkzeuge begannen, an hundert Stellen zugleich, die ersten Arbeiten des Baues zu vollführen.

Über allem aber lag Weihrauch und Gesang und Jubel.

Ein Schauer von Blumen und Zweigen überschüttete den weiten Tempelgrund und die Werkleute, während sich der Zug des Königs und der Priester zur Heimkehr in die festliche Stadt Memphis ordnete. – –


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