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Elftes Kapitel.
Fortsetzung.

Über das Maß eines Marsches und die dazu erforderliche Zeit ist es natürlich, sich an die allgemeinen Erfahrungssätze zu halten.

Für unsere neueren Heere steht es längst fest, daß ein Marsch von drei Meilen das gewöhnliche Tagewerk ist, das bei langen Zügen sogar auf zwei Meilen heruntergesetzt werden muß, um die nötigen Rasttage einschalten zu können, welche für die Herstellung alles schadhaft Gewordenen bestimmt sind.

Bei einer Division von 8000 Mann dauert ein solcher Marsch in ebenen Gegenden und bei mittelmäßigen Wegen acht bis zehn, in bergigen zehn bis zwölf Stunden. Sind mehrere Divisionen in einer Kolonne beisammen, so dauert er noch ein paar Stunden länger, wenn man auch selbst die Zeit abrechnet, um welche man die folgenden Divisionen später aufbrechen läßt.

Man sieht also, daß der Tag bei einem solchen Marsch schon ziemlich besetzt ist, daß die Anstrengung des Soldaten, zehn bis zwölf Stunden unter seinem Gepäck zu sein, nicht mit einer gewöhnlichen Fußreise von drei Meilen verglichen werden kann, die ein einzelner bei erträglichen Wegen füglich in fünf Stunden zurücklegen kann.

Zu den stärksten Märschen gehören, wenn sie einzeln vorkommen, fünf, höchstens sechs Meilen, auf längere Dauer vier.

Ein Marsch von fünf Meilen erfordert schon einen Halt von mehreren Stunden, und eine Division von 8000 Mann wird ihn auch bei guten Wegen in nicht weniger als sechzehn Stunden zurücklegen. Beträgt der Marsch sechs Meilen und sind mehrere Divisionen beisammen, so muß man wenigstens zwanzig Stunden rechnen.

Es ist hier der Marsch von einem Lager ins andere und bei versammelten Divisionen gemeint, denn dies ist die gewöhnliche Form, welche auf dem Kriegstheater vorkommt. Marschieren mehrere Divisionen in einer Kolonne, so wird man die vordersten etwas früher versammeln und abmarschieren lassen, und sie rücken dann auch um so viel früher ins Lager. Indessen kann dieser Unterschied doch niemals die ganze Zeit betragen, welche der Länge einer Division im Marsch entspricht, und welche sie, wie die Franzosen sehr gut sagen, zu ihrem découlement (Ablauf) braucht. Es wird daher für die Anstrengung des Soldaten dadurch wenig erspart und jeder Marsch durch die größere Menge der Truppen in seiner Dauer sehr verlängert. Auf eine ähnliche Art die Division selbst mit ihren Brigaden in verschiedenen Zeiten zu versammeln und abrücken zu lassen, ist in den wenigsten Fällen anwendbar, und darin liegt der Grund, warum wir sie als Einheit angenommen haben.

Bei langen Reisemärschen, wo die Truppen von einem Quartier ins andere rücken und die Wege in kleinen Abteilungen und ohne Versammlungspunkte zurücklegen, kann freilich der Weg an und für sich größer sein; allein er ist es auch schon durch die Umwege, welche die Quartiere verursachen.

Diejenigen Märsche aber, bei welchen die Truppen sich täglich in Divisionen oder gar in Korps versammeln müssen und doch in Quartiere abrücken, kosten die meiste Zeit und sind nur in reichen Gegenden und bei nicht zu großen Truppenmassen ratsam, weil dann die erleichterte Beköstigung und das Obdach einen hinreichenden Ersatz geben für die längere Anstrengung. Die preußische Armee befolgte 1806 auf ihrem Rückzuge unstreitig ein fehlerhaftes System, als sie der Verpflegung wegen die Truppen jede Nacht in Quartiere verlegte. Die Verpflegung hätte sich auch in Feldlagern (Biwaks) herbeischaffen lassen, die Armee hätte nicht bei übertriebenen Anstrengungen der Truppen auf etwa fünfzig Meilen dennoch vierzehn Tage Zeit nötig gehabt.

Alle jene Zeit- und Längenbestimmungen erleiden aber, wenn schlechte Wege oder bergige Gegenden zu durchziehen sind, solche Veränderungen, daß man Mühe hat, in einem bestimmten Fall die Zeit eines Marsches mit einiger Sicherheit zu schätzen, geschweige denn etwas allgemeines darüber zu bestimmen. Die Theorie kann daher nur auf die Gefahr der Mißgriffe aufmerksam machen, in welcher man hier schwebt. Um sie zu vermeiden, ist der behutsamste Kalkül nötig und ein großer Spielraum für unvorhergesehene Verzögerungen. Auch das Wetter und der Zustand der Truppen kommen hierbei in Betracht.

Seit der Abschaffung der Zelte und seit der Verpflegung der Truppen durch gewaltsame Beitreibung der Lebensmittel an Ort und Stelle ist der Troß der Heere merklich verringert worden, und es ist natürlich die bedeutendste Wirkung davon zunächst in der Beschleunigung ihrer Bewegungen, also in der Vergrößerung des Tagemarsches zu suchen. Dies ist jedoch nur unter gewissen Umständen der Fall.

Die Märsche auf dem Kriegstheater sind dadurch wenig beschleunigt worden, denn es ist eine bekannte Sache, daß in allen Fällen, wo der Zweck Märsche erforderte, die über das gewöhnliche Maß hinausgingen, der Troß zurückgelassen oder vorausgeschickt und gewöhnlich so lange von der Truppe entfernt gehalten wurde, wie diese Bewegungen dauerten; mithin hatte er gewöhnlich auf die Bewegung keinen Einfluß und wurde, sobald er aufhörte, ein unmittelbares Impediment zu sein, wie sehr er auch übrigens dabei leiden mochte, nicht weiter berücksichtigt. Es kommen daher im Siebenjährigen Kriege Märsche vor, die auch jetzt nicht übertroffen werden könnten, und wir wollen zum Beweise den Marsch Lascys 1760 anführen, als er die Diversion der Russen auf Berlin unterstützen sollte. Er legte den Weg von Schweidnitz durch die Lausitz bis Berlin, welcher 45 Meilen beträgt, in zehn Tagen zurück und machte also täglich 4 1/2 Meilen, was für ein Korps von 15 000 Mann auch noch jetzt außerordentlich sein würde.

Von der andern Seite haben die Bewegungen der neueren Heere eben wegen der veränderten Verpflegungsart wieder ein aufhaltendes Prinzip bekommen. Müssen die Truppen sich ihren Bedarf zum Teil selbst beschaffen, was oft vorkommt, so brauchen sie dazu mehr Zeit, als zum bloßen Empfang des auf Brotwagen vorrätigen Brotes nötig gewesen wäre. Außerdem kann man die Truppen bei länger dauernden Zügen nicht in so großen Massen auf einem Fleck lagern lassen, sondern man muß die Divisionen voneinander trennen, um leichter für sie Rat zu schaffen; endlich fehlt es auch selten, daß ein Teil des Heeres, namentlich die Reiterei, in Quartiere verlegt wird. Alles dies verursacht im ganzen einen merklichen Aufenthalt. Wir finden daher, daß Bonaparte 1806, als er das preußische Heer verfolgte und abschneiden wollte, und Blücher 1815, als er dieselbe Absicht mit dem französischen hatte, beide nur etwa dreißig Meilen in zehn Tagen zurückgelegt haben, eine Geschwindigkeit, die auch Friedrich der Große seinen Märschen aus Sachsen nach Schlesien und zurück trotz allem Troß, welchen er dabei mit sich führte, zu geben wußte.

Indessen haben die Beweglichkeit und Handlichkeit, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, der großen und kleinen Heeresteile auf dem Kriegsschauplatz durch die Verminderung des Trosses doch merklich gewonnen. Teils hat man bei gleicher Anzahl der Reiterei und des Geschützes weniger Pferde, ist also wegen des Futters nicht so oft in Sorgen, teils ist man in seinen Stellungen weniger befangen, weil man nicht immer auf einen lang nachziehenden Schweif des Trosses Rücksicht zu nehmen braucht.

Märsche, wie sie Friedrich der Große nach der Aufhebung der Belagerung von Olmütz 1758 machte, mit 4000 Fuhrwerken, zu deren Deckung die halbe Armee in einzelne Bataillone und Züge aufgelöst wurde, dürften jetzt, auch dem furchtsamsten Gegner gegenüber, nicht mehr gelingen.

Auf langen Reisemärschen, vom Tajo bis an den Njemen, ist freilich jene Erleichterung des Heeres fühlbarer; denn wenn auch wegen des übrigen Fuhrwerks das gewöhnliche Maß des Tagemarsches dasselbe bleibt, so kann doch in dringenden Fällen mit geringeren Opfern davon abgewichen werden.

Überhaupt liegt in der Verminderung des Trosses mehr eine Ersparung von Kräften, als eine Beschleunigung der Bewegungen.


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