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Wir werden nur von den drei Hauptwaffen reden: dem Fußvolk, der Reiterei und der Artillerie.
Man verzeihe folgende Analyse, die mehr in die Taktik gehört, uns aber zum bestimmteren Denken nötig ist.
Das Gefecht besteht aus zwei wesentlich zu unterscheidenden Bestandteilen: dem Vernichtungsprinzip des Feuers und dem Handgemenge oder dem persönlichen Gefecht. Das letztere ist wieder entweder Angriff oder Verteidigung (Angriff und Verteidigung sind hier, wo von Elementen die Rede ist, ganz absolut zu verstehen). Die Artillerie wirkt offenbar nur durch das Vernichtungsprinzip des Feuers, die Reiterei nur durch das persönliche Gefecht, das Fußvolk durch beides.
Bei dem persönlichen Gefecht besteht das Wesen der Verteidigung darin: fest zu stehen, wie eingewurzelt im Boden; das Wesen des Angriffs ist die Bewegung. Die Reiterei entbehrt der ersteren Eigenschaft ganz, besitzt dagegen die letztere vorzugsweise. Sie ist also nur zum Angriff geeignet. Die Infanterie hat die Eigenschaft des festen Standes vorzugsweise, entbehrt aber der Bewegung nicht ganz.
Aus dieser Verteilung der kriegerischen Elementarkräfte unter die verschiedenen Waffen ergibt sich die Überlegenheit und Allgemeinheit des Fußvolks im Vergleich mit den beiden andern Waffen, da sie die einzige ist, die alle drei Elementarkräfte in sich vereinigt. Ferner wird hieraus klar, wie die Verbindung der drei Waffen im Kriege zu einem vollkommeneren Gebrauche der Kräfte führt, weil man durch dieselbe in den Stand gesetzt ist, das eine oder das andere Prinzip, welches in dem Fußvolk auf eine unveränderliche Weise verbunden ist, nach Belieben zu verstärken.
Das Vernichtungsprinzip des Feuers ist in unseren jetzigen Kriegen offenbar das überwiegend wirksame, demungeachtet ist ebenso offenbar der persönliche Kampf, Mann gegen Mann, als die eigentliche Basis des Gefechtes anzusehen. Darum wäre also ein Heer von bloßer Artillerie im Kriege ein Unding; ein Heer von bloßer Reiterei aber wäre denkbar, nur würde es von sehr geringer intensiver Stärke sein. Nicht bloß denkbar, sondern auch schon viel stärker wäre ein Heer von bloßem Fußvolk. Die drei Waffen haben also in Beziehung auf Selbständigkeit diese Ordnung: Fußvolk, Reiterei, Artillerie.
Nicht ebenso aber verhält es sich in Beziehung auf die Wichtigkeit, die die Waffe hat, wenn sie in Verbindung mit den andern ist. Da das Vernichtungsprinzip viel wirksamer ist als das Bewegungsprinzip, so würde die gänzliche Abwesenheit der Reiterei ein Heer weniger schwächen als die gänzliche Abwesenheit der Artillerie.
Ein Heer von bloßem Fußvolk und Artillerie würde sich zwar gegenüber einem andern, von allen drei Waffen gebildeten in einer unangenehmen Lage befinden, aber wenn es, was ihm an Reiterei abgeht, durch eine verhältnismäßige Menge von Fußvolk ersetzte, so würde es bei einem etwas anders eingerichteten Verfahren doch mit seinem taktischen Haushalt fertig werden können. Es würde sich wegen der Vorposten in ziemlicher Verlegenheit befinden, niemals den geschlagenen Feind mit großer Lebhaftigkeit verfolgen können und einen Rückzug mit mehr Mühseligkeiten und Anstrengungen machen; aber diese Schwierigkeiten würden doch wohl an und für sich nicht hinreichen, es ganz aus dem Felde zu vertreiben. – Dagegen würde ein solches Heer einem andern, bloß von Fußvolk und Reiterei gebildeten gegenüber eine sehr gute Rolle spielen, und wie dieses letztere gegen alle drei Waffen das Feld halten könnte, läßt sich kaum denken.
Daß diese Betrachtungen über die Wichtigkeit der einzelnen Waffen nur von der Allgemeinheit aller kriegerischen Fälle abstrahiert sind, wo ein Fall den andern überträgt, versteht sich von selbst, und es kann also nicht die Absicht sein, die gefundene Wahrheit auf jede individuelle Lage eines einzelnen Gefechtes anzuwenden. Ein Bataillon auf einem Vorposten oder auf dem Rückzuge wird vielleicht lieber eine Schwadron als ein paar Kanonen bei sich haben. Eine Masse Reiterei und reitende Artillerie, die den fliehenden Feind schnell verfolgen oder umgehen soll, kann gar kein Fußvolk brauchen u. s. w.
Fassen wir das Resultat dieser Betrachtungen noch einmal zusammen, so heißt es:
Gibt die Verbindung aller drei Waffen die größte Stärke, so ist es natürlich, nach dem absolut besten Verhältnis zu fragen; es ist aber fast unmöglich, diese Frage zu beantworten.
Wenn man den Aufwand der Kräfte, welchen die Anschaffung und Unterhaltung der verschiedenen Waffen nötig machen, untereinander vergleichen könnte und dann wieder das, was jede im Kriege leistet, so müßte man auf ein bestimmtes Resultat kommen, welches ganz abstrakt das beste Verhältnis ausdrückte. Allein dieses ist kaum mehr als ein Spiel der Vorstellungen. Schon das vordere Glied dieses Verhältnisses ist schwer zu bestimmen, der eine Faktor zwar nicht, nämlich die Kosten, aber ein anderer ist der Wert des Menschenlebens, über welchen niemand gern etwas in Zahlen wird aufstellen wollen.
Auch der Umstand, daß jede der drei Waffen sich vorzugsweise auf eine andere Staatskraft gründet – das Fußvolk auf die Menge der Menschen, die Reiterei auf die Menge der Pferde, die Artillerie auf die vorhandenen Geldmittel – bringt einen fremden Bestimmungsgrund hinein, den wir auch in den großen historischen Umrissen verschiedener Völker und Zeiten deutlich vorherrschen sehen.
Wir müssen uns also, da wir aus andern Gründen eines Maßstabes doch nicht ganz entbehren können, statt jenes ganzen ersten Gliedes des Verhältnisses nur des einen Faktors bedienen, den wir ermitteln können, nämlich der Geldkosten. Hierüber haben wir nun mit einer für uns zureichenden Genauigkeit im allgemeinen anzugeben, daß nach den gewöhnlichen Erfahrungen eine Schwadron von 150 Pferden, ein Bataillon von 800 Mann und eine Batterie von 8 sechspfündigen Geschützen ungefähr gleich viel kosten, sowohl was Ausrüstungs- als Unterhaltungskosten betrifft.
Was das andere Glied des Verhältnisses betrifft, nämlich, wie viel jede Waffe im Vergleich mit der anderen leistet, so ist für dasselbe eine bestimmte Größe noch viel weniger zu ermitteln. Möglich würde eine solche Ermittelung allenfalls noch sein, wenn es auf das bloße Vernichtungsprinzip ankäme; allein jede Waffe hat ihre eigentümliche Bestimmung, also ihren eigenen Wirkungskreis, dieser aber ist wieder nicht so bestimmt, daß er nicht größer oder kleiner sein könnte, wodurch bloß Modifikationen in der Kriegführung, aber noch keine entschiedenen Nachteile herbeigeführt werden.
Man spricht wohl oft von dem, was die Erfahrung darüber lehrt, und glaubt in der Kriegsgeschichte hinreichende Gründe zu einer Feststellung zu finden, aber jeder muß sich sagen, daß das bloße Redensarten sind, die, weil sie auf nichts Primitives und Notwendiges zurückgeführt werden, in einer untersuchenden Betrachtung keine Rücksicht verdienen.
Wenn sich nun auch zwar für das beste Verhältnis der Waffen eine bestimmte Größe denken läßt, diese aber ein nicht zu ermittelndes x, ein bloßes Spiel der Vorstellungen ist, so wird man doch sagen können, welche Wirkungen es haben wird, wenn eine der Waffen in großer Überlegenheit oder in sehr geringer Zahl im Vergleich mit derselben Waffe im feindlichen Heere vorhanden ist.
Die Artillerie verstärkt das Vernichtungsprinzip des Feuers, sie ist die furchtbarste der Waffen, und ihr Mangel schwächt also die intensive Kraft des Heeres ganz vorzüglich. Von der andern Seite ist sie die unbeweglichste der Waffen, sie macht folglich das Heer schwerfälliger; ferner bedarf sie immer einer Truppe zu ihrer Deckung, weil sie keines persönlichen Gefechtes fähig ist; ist sie zu zahlreich, so daß die Deckungstruppen, welche ihr gegeben werden können, nicht überall den feindlichen Angriffsmassen gewachsen sind, so wird sie häufig verloren gehen, und dabei zeigt sich ein neuer Nachteil, daß sie nämlich von den drei Waffen diejenige ist, die der Feind in ihren Hauptteilen, nämlich Geschütze und Fahrzeug, sehr bald gegen uns gebrauchen kann.
Die Reiterei vermehrt das Prinzip der Bewegung in einem Heer. Ist sie in einem zu geringen Maße vorhanden, so schwächt dies den raschen Brand des kriegerischen Elementes dadurch, daß alles langsamer (zu Fuß) gemacht wird, daß alles vorsichtiger eingerichtet werden muß; die reiche Saat des Sieges wird nicht mehr mit der Sense, sondern mit der Sichel geschnitten.
Ein Übermaß der Reiterei kann freilich niemals als eine unmittelbare Schwächung der Streitkraft, als ein inneres Mißverhältnis angesehen werden, aber freilich mittelbar wegen des schwierigen Unterhaltes, und wenn man bedenkt, daß man statt 10 000 Mann Reiterei, die man zu viel hat, 50 000 Mann Fußvolk haben könnte.
Diese Eigentümlichkeiten, welche aus dem Vorherrschen einer Waffe entspringen, sind der Kriegskunst im engeren Sinn um so wichtiger, da sie den Gebrauch der vorhandenen Streitkräfte lehrt, und mit diesen Streitkräften dem Feldherrn auch gewöhnlich das Maß der einzelnen Waffen zugemessen wird, ohne daß er viel dabei zu bestimmen hätte.
Wollen wir uns also den Charakter einer Kriegsart durch das Vorherrschen einer Waffe modifiziert denken, so geschieht es auf folgende Weise.
Ein Übermaß von Artillerie muß zu einem mehr defensiven und passiven Charakter der Unternehmungen führen; man wird sein Heil mehr in starken Stellungen, großen Abschnitten des Bodens, selbst in Gebirgsstellungen suchen, damit die Hindernisse des Bodens die Verteidigung und den Schutz der zahlreichen Artillerie übernehmen, und die feindlichen Kräfte selbst kommen, sich ihre Vernichtung zu holen. Der ganze Krieg wird in einem ernsten, förmlichen Menuettschritt geführt werden.
Ein Mangel an Artillerie wird umgekehrt uns vermögen, das Angriffs-, das aktive, das Bewegungs-Prinzip vorwalten zu lassen. Märsche, Mühen, Anstrengungen werden für uns zu eigentümlichen Waffen; so wird der Krieg mannigfaltiger, lebendiger, krauser; die großen Begebenheiten werden in Scheidemünze umgesetzt.
Bei einer sehr zahlreichen Reiterei werden wir die weiten Ebenen suchen und die großen Bewegungen lieben. In größerer Entfernung vom Feinde werden wir größere Ruhe und Bequemlichkeit genießen, ohne sie ihm zu gönnen. Wir werden kühnere Umgehungen und überhaupt dreistere Bewegungen wagen, weil wir über den Raum gebieten. Insofern Diversionen und Invasionen zu den wahren Hilfsmitteln des Krieges gehören, werden wir uns ihrer mit Leichtigkeit bedienen können.
Ein entschiedener Mangel an Reiterei vermindert die Bewegungskraft des Heeres, ohne sein Vernichtungsprinzip zu verstärken, wie das Übermaß der Artillerie tut. Vorsicht und Methode sind dann der Hauptcharakter des Krieges. Dem Feinde immer nahe bleiben, um ihn immer unter den Augen zu haben, – keine schnellen, noch weniger übereilte Bewegungen, überall ein langsames Hinschieben gut gesammelter Massen, – Vorliebe zur Verteidigung und zu durchschnittenen Gegenden und, wo der Angriff stattfinden muß, die kürzeste Richtung auf den Schwerpunkt der feindlichen Armee, – dies sind die natürlichen Tendenzen in diesem Falle.
Diese verschiedenen Richtungen, welche die Kriegsart je nach dem Vorherrschen einer Waffe annimmt, werden selten so umfassend und durchgreifend sein, daß sie allein oder vorzüglich die Richtung des ganzen Unternehmens bestimmen. Ob man den strategischen Angriff oder die Verteidigung, dieses oder jenes Kriegstheater, eine Hauptschlacht oder eins der andern Zerstörungsmittel wählen soll, wird wohl durch andere, wesentlichere Umstände bestimmt werden; wenigstens ist sehr zu befürchten, daß, wenn dies nicht der Fall sein sollte, man eine Nebensache für die Hauptsache genommen hätte. Aber auch wenn dem so ist, wenn die Hauptfragen bereits aus anderen Gründen entschieden worden sind, bleibt immer noch ein gewisser Spielraum für den Einfluß der vorherrschenden Waffenart, denn man kann im Angriff vorsichtig und methodisch, in der Verteidigung kühn und unternehmend sein u. s. w. durch alle verschiedenen Stationen und Nuancen des kriegerischen Lebens.
Umgekehrt kann die Natur des Krieges auf das Verhältnis der Waffen einen merklichen Einfluß haben.
Erstens, ein auf Landwehr und Landsturm gestützter Volkskrieg muß natürlich eine große Menge Fußvolk aufstellen; denn in einem solchen fehlt es mehr an Ausrüstungsmitteln, als an Menschen, und da die Ausrüstung ohnehin dabei noch auf das Allernotwendigste beschränkt wird, so kann man leicht denken, daß für eine Batterie von acht Geschützen nicht ein Bataillon, sondern zwei oder drei gestellt werden könnten.
Zweitens, kann ein Schwacher gegen einen Mächtigen nicht zur Volksbewaffnung oder einem derselben nahekommenden Landwehrstande seine Zuflucht nehmen, so ist allerdings die Vermehrung der Artillerie das kürzeste Mittel, seine schwache Streitkraft dem Gleichgewicht zu nähern; denn er gewinnt die Menschen und erhöht das wesentlichste Prinzip seiner Streitkraft, nämlich das Vernichtungsprinzip. Ohnehin wird er meistens auf ein kleines Kriegstheater beschränkt sein, und diese Waffe sich also mehr für ihn eignen. Friedrich der Große ergriff dies Mittel in den späteren Jahren des Siebenjährigen Krieges.
Drittens, die Reiterei ist die Waffe der Bewegung und großen Entscheidungen; ihr Vorherrschen über das gewöhnliche Verhältnis ist also wichtig bei sehr ausgedehnten Räumen, großen Hin- und Herzügen und der Absicht großer, entscheidender Schläge. Bonaparte gibt ein Beispiel davon.
Daß Angriff und Verteidigung nicht eigentlich an sich einen Einfluß darauf haben können, wird erst deutlich werden können, wenn wir von diesen beiden Formen der kriegerischen Tätigkeit reden; vorläufig wollen wir nur bemerken, daß beide, der Angreifende wie der Verteidiger, in der Regel dieselben Räume durchziehen und auch, wenigstens in vielen Fällen, dieselben entscheidenden Absichten haben können. Wir erinnern an den Feldzug von 1812.
Gewöhnlich ist man der Meinung, daß die Reiterei im Verhältnis zum Fußvolk im Mittelalter sehr viel zahlreicher gewesen sei und nach und nach bis auf unsere Tage abgenommen habe. Dies ist doch wenigstens zum Teil ein Mißverständnis. Das Verhältnis der Reiterei war der Zahl nach im Durchschnitt vielleicht nicht bedeutend größer, wie man sich wohl überzeugen wird, wenn man die genaueren Angaben der Streitkräfte durch das Mittelalter hindurch verfolgt. Man denke nur an die Massen von Fußvolk, welche die Heere der Kreuzfahrer ausmachten oder den deutschen Kaisern auf ihren Römerzügen folgten. Aber es war die Wichtigkeit der Reiterei, welche viel größer war. Sie war die stärkere Waffe, aus dem besten Teile des Volkes zusammengesetzt, und war dies so sehr, daß sie, obgleich immer sehr viel schwächer an Zahl, doch immer als die Hauptsache angesehen, das Fußvolk wenig gerechnet, kaum genannt wurde; daher denn auch die Meinung entstanden ist, als habe es damals dessen sehr wenig gegeben. Freilich kam bei kleineren Kriegsanfällen im Innern von Deutschland, Frankreich und Italien der Fall öfter als jetzt vor, daß das ganze kleine Heer aus bloßer Reiterei bestand; da sie die Hauptwaffe war, so hatte das nichts Widersprechendes; allein diese Fälle können nicht entscheiden, wenn wir die Allgemeinheit im Auge haben, wo sie von den größeren Heeren reichlich übertragen werden. Nur als alle Lehensverbindlichkeit in der Kriegführung aufgehört hatte, die Kriege durch geworbene, gemietete und besoldete Soldaten geführt wurden, mithin auf Geld und Werbung sich stützten, also in den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges und der Kriege unter Ludwig XIV., da hörte dieser Gebrauch einer großen Masse von weniger nützlichem Fußvolk auf, und man würde vielleicht ganz auf Reiterei zurückgekommen sein, wenn das Fußvolk nicht schon durch eine merkliche Ausbildung des Feuergewehrs an Wichtigkeit zugenommen und sich dadurch einigermaßen in seiner überlegenen Zahl behauptet hätte; das Verhältnis desselben zur Reiterei war in dieser Periode, wenn es schwach war, wie 1:1, und wenn es zahlreich war, wie 3:1.
Von jener Wichtigkeit hat die Reiterei seitdem immer mehr eingebüßt, je weiter die Ausbildung der Feuerwaffen gegangen ist. Dies ist schon an sich verständlich genug, nur muß diese Ausbildung nicht bloß auf die Waffe selbst und die Kunstfertigkeit in ihrem Gebrauch bezogen werden, sondern auch auf den Gebrauch der damit ausgerüsteten Heeresteile. In der Mollwitzer Schlacht hatten es die Preußen auf den höchsten Grad der Feuerfertigkeit gebracht, der auch seitdem in diesem Sinn nicht weiter hat getrieben werden können. Dagegen ist der Gebrauch des Fußvolks in durchschnittener Gegend und des Feuergewehrs im Schützengefecht erst seitdem aufgekommen und als ein großer Fortschritt in dem Vernichtungsakt zu betrachten.
Unsere Meinung ist also, daß das Verhältnis der Reiterei sich der Zahl nach wenig, der Wichtigkeit nach aber sehr verändert hat. Dies scheint ein Widerspruch zu sein, ist es aber in der Tat nicht. Das Fußvolk des Mittelalters war nämlich, wenn es sich in großer Zahl beim Heere befand, nicht durch sein inneres Verhältnis zur Reiterei auf diese Zahl gekommen, sondern weil alles, was man nicht zu der viel kostbareren Reiterei stellen konnte, als Fußvolk gestellt wurde; dieses Fußvolk war also ein bloßer Behelf, und die Reiterei hätte, wenn ihre Zahl bloß nach ihrem inneren Wert hätte bestimmt werden sollen, nie zu stark sein können. So ist zu begreifen, wie trotz der stets verminderten Wichtigkeit die Reiterei vielleicht immer noch Bedeutung genug hat, um sich auf dem Punkt des Zahlenverhältnisses zu erhalten, welchen sie bisher so andauernd behauptet hat.
In der Tat ist es bemerkenswert, daß wenigstens seit dem österreichischen Successionskriege das Verhältnis der Reiterei zum Fußvolk sich gar nicht verändert und immer zwischen einem Vierteil, einem Fünfteil und einem Sechsteil desselben geschwebt hat; dies scheint anzudeuten, daß in demselben das natürliche Bedürfnis gerade befriedigt sei, und sich also darin diejenigen Größen kund tun, die unmittelbar nicht zu ermitteln sind. Wir zweifeln jedoch, daß dem so sei, und finden, daß die anderweitigen Veranlassungen zu einer zahlreichen Reiterei in den namhaftesten Fällen offenbar am Tage liegen.
Rußland und Österreich sind Staaten, welche darauf hingewiesen sind, weil sie noch Bruchstücke tartarischer Einrichtung in ihrem Staatsverband haben. Bonaparte konnte für seine Zwecke nie stark genug sein; hatte er nun die Konskription benutzt, so viel immer möglich war, so blieb ihm nur noch die Verstärkung seines Heeres durch Vermehrung der Hilfswaffen, welche mehr auf das Geld als auf Menschenverbrauch gegründet sind. Außerdem ist nicht zu verkennen, daß bei dem ungeheuren Umfange seiner kriegerischen Züge die Reiterei einen höheren Wert haben mußte, als in gewöhnlichen Fällen.
Friedrich der Große rechnete bekanntlich sehr ängstlich jeden Rekruten nach, den er seinem Lande ersparen konnte; es war seine Hauptindustrie, sein Heer so viel als möglich auf Kosten des Auslandes stark zu erhalten. Daß er dazu alle Ursache hatte, begreift man, wenn man bedenkt, daß ihm von der kleinen Ländermasse noch Preußen und die westfälischen Provinzen entzogen waren. Die Reiterei ergänzte sich, abgesehen davon, daß sie überhaupt weniger Menschen erfordert, auch viel leichter durch Werbung; dazu kam sein durchaus auf Überlegenheit in der Bewegung gegründetes Kriegssystem, und so kam es, daß sich, während sein Fußvolk abnahm, seine Reiterei bis Ende des Siebenjährigen Krieges hin immer noch vermehrte; doch betrug sie selbst am Ende desselben schwerlich über ein Vierteil der im Felde stehenden Infanterie.
Es fehlt in der eben bezeichneten Epoche auch nicht an Beispielen, daß Armeen mit ungewöhnlich schwacher Reiterei aufgetreten sind und doch den Sieg erhalten haben. Das Namhafteste ist die Schlacht von Groß-Görschen. Bonaparte war, wenn wir bloß auf die Divisionen sehen, die an dem Gefecht teilgenommen, 100 000 Mann stark, von denen 5000 Mann Reiterei und 90 000 Mann Fußvolk; die Verbündeten 70 000 Mann, von denen 25 000 Mann Reiterei und 40 000 Mann Fußvolk. Bonaparte hatte also für 20 000 Mann Reiterei, welche ihm abgingen, nur 50 000 Mann Fußvolk mehr, er hätte aber 100 000 dafür haben sollen. Hat er die Schlacht mit jenem Übergewicht an Fußvolk gewonnen, so kann man wohl fragen, ob er sie, wenn das Verhältnis 140 000 zu 40 000 gewesen wäre, überhaupt möglicherweise hätte verlieren können.
Freilich zeigte sich gleich nach der Schlacht der große Nutzen unserer Überlegenheit an Reiterei, denn Bonaparte erntete fast keine Siegestrophäe. Der Gewinn der Schlacht ist also nicht alles – aber bleibt er nicht immer die Hauptsache?
Wenn wir solche Betrachtungen anstellen, so haben wir Mühe, zu glauben, daß das Verhältnis auf welches sich Reiterei und Fußvolk seit achtzig Jahren gestellt und erhalten haben, das natürliche, bloß aus ihrem absoluten Werte hervorgehende sei; wir sind vielmehr der Meinung, daß nach manchem Oszillieren das Verhältnis dieser beiden Waffen sich ferner in dem bisherigen Sinn verändern, und die konstante Zahl der Reiterei am Ende bedeutend geringer werden wird.
Was die Artillerie betrifft, so ist die Anzahl der Geschütze natürlich seit ihrer Erfindung und mit ihrer Erleichterung und Vervollkommnung gestiegen, doch erhält sich auch sie seit Friedrich dem Großen ziemlich in demselben Verhältnis von 2 bis 3 Geschützen auf 1000 Mann, wohlverstanden bei Eröffnung des Feldzuges; denn im Laufe desselben schmilzt die Artillerie nicht so zusammen wie das Fußvolk, daher ist das Verhältnis am Ende des Feldzuges merklich stärker und kann zu 3, 4 bis 5 Geschützen auf 1000 Mann angenommen werden. Ob dies Verhältnis das natürliche ist, oder die Vermehrung der Geschütze noch weiter gehen kann, ohne der ganzen Kriegführung zum Nachteil zu gereichen, muß der Erfahrung überlassen bleiben.
Fassen wir jetzt noch ein Hauptresultat unserer ganzen Betrachtung auf, so ist es: