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Zweites Kapitel.
Kriegstheater, Armee, Feldzug.

Eine genaue Bestimmung dieser drei verschiedenen Faktoren für Raum, Masse und Zeit im Kriege läßt die Natur der Sache nicht zu; um aber nicht zuweilen ganz mißverstanden zu werden, müssen wir uns den Sprachgebrauch, an den wir uns in den meisten Fällen gern halten, etwas deutlicher zu machen suchen.

1. Kriegstheater.

Eigentlich denkt man sich darunter einen solchen Teil des ganzen Kriegsraumes, der gedeckte Seiten und dadurch eine gewisse Selbständigkeit hat. Diese Deckung kann in Festungen, in großen Hindernissen der Gegend, auch in einer beträchtlichen Entfernung von dem übrigen Kriegsraume liegen. – Ein solcher Teil ist kein bloßes Stück des Ganzen, sondern selbst ein kleines Ganzes, und ist dadurch mehr oder weniger in dem Fall, daß die Veränderungen, welche sich auf dem übrigen Kriegsraume zutragen, keinen unmittelbaren, sondern nur einen mittelbaren Einfluß auf ihn haben. Wollte man hier ein genaues Merkmal, so könnte es nur die Möglichkeit sein, sich auf dem einen ein Vorgehen zu denken, während auf dem andern zurückgegangen würde, oder auf dem einen eine Defension, während auf dem andern offensiv verfahren würde. Diese Schärfe des Begriffs können wir nicht überall anwenden, sie soll hier bloß den eigentlichen Schwerpunkt andeuten.

2. Armee.

Nehmen wir den Begriff des Kriegstheaters zu Hilfe, so ist es sehr leicht zu sagen, was eine Armee ist: diejenige Streitmasse nämlich, die sich auf einem und demselben Kriegstheater befindet. Allein dies umfaßt den Sprachgebrauch offenbar nicht ganz. Blücher und Wellington führten 1815 zwei Armeen an, obgleich sie auf einem Kriegstheater waren. Der Oberbefehl ist also ein anderes Merkmal für den Begriff der Armee. Indessen ist dieses Merkmal dem obigen sehr nahe verwandt, denn wo die Sachen gut eingerichtet sind, sollte auf einem und demselben Kriegstheater nur ein Oberbefehl bestehen, und der Befehlshaber eines eigenen Kriegstheaters niemals eines angemessenen Grades von Selbständigkeit entbehren.

Die bloße, absolute Stärke des Heeres entscheidet bei der Benennung weniger, als es im ersten Augenblick scheint. Denn wo mehrere Armeen auf einem und demselben Kriegstheater und unter gemeinschaftlichem Oberbefehl handeln, tragen sie diesen Namen nicht der Stärke wegen, sondern sie bringen ihn aus ihren früheren Verhältnissen mit (1813 die schlesische, die Nord-Armee u. s. w.), und man wird eine große Masse, die bestimmt ist, auf einem Kriegstheater zu bleiben, zwar in Korps, aber niemals in verschiedene Armeen teilen, wenigstens wäre das gegen den Sprachgebrauch, der also fest an der Sache gehalten zu haben scheint. Auf der anderen Seite wäre es zwar pedantisch, für jeden Parteigänger, der in einer entfernten Provinz unabhängig haust, den Namen einer Armee in Anspruch zu nehmen, doch kann man nicht unbemerkt lassen, daß es niemandem auffällt, wenn von der Armee der Vendéer im Revolutionskriege die Rede ist, wiewohl dieselbe oft nicht viel stärker war.

Die Begriffe Armee und Kriegstheater werden also in der Regel miteinander gehen und sich wechselseitig tragen.

3. Feldzug.

Obgleich man oft Feldzug nennt, was in einem Jahr an kriegerischen Begebenheiten auf allen Kriegstheatern vorgekommen ist, so ist es doch gewöhnlicher und bestimmter gesprochen, die Begebenheiten eines Kriegstheaters darunter zu verstehen. Schlimmer aber ist es, mit dem Begriff von einem Jahre fertig zu werden, da sich die Kriege nicht mehr durch bestimmte und lange Winterquartiere von selbst in einjährige Feldzüge abteilen. Da indes die Begebenheiten eines Kriegstheaters von selbst in gewisse größere Abschnitte zerfallen, wenn nämlich die unmittelbaren Wirkungen einer mehr oder weniger großen Katastrophe aufhören und neue Verwickelungen geschürzt werden, so müssen diese natürlichen Einschnitte mit in Betracht gezogen werden, um einem Jahre (Feldzuge) seinen vollständigen Anteil von Begebenheiten zuzumessen. Niemand wird den Feldzug von 1812 an der Memel endigen lassen, wo die Armeen sich am 1. Januar befanden, und den weiteren Rückzug der Franzosen bis über die Elbe zum Feldzug von 1813 rechnen, da er offenbar nur ein Stück des ganzen Rückzugs von Moskau ist.

Daß die Feststellung dieser Begriffe keine größere Schärfe hat, ist von gar keinem Nachteil, weil sie nicht wie philosophische Definitionen zu irgend einer Quelle von Bestimmungen gebraucht werden können. Sie sollen bloß dazu dienen, der Sprache etwas mehr Klarheit und Bestimmtheit zu geben.


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