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Fünftes Kapitel.
Schlachtordnung des Heeres.

Die Schlachtordnung ist diejenige Einteilung und Zusammensetzung der Waffen zu einzelnen Gliedern des Ganzen, und diejenige Form ihrer Aufstellung, welche für den ganzen Feldzug oder Krieg die Norm bleiben soll.

Sie besteht also gewissermaßen aus einem arithmetischen und einem geometrischen Element der Einteilung und der Aufstellung. Die erstere geht von der festen Friedensorganisation des Heeres aus, nimmt gewisse Teile, wie Bataillone, Schwadronen, Regimenter und Batterien als Einheiten an und bildet aus denselben die größeren Glieder bis zum Ganzen hinauf nach dem Bedürfnis der herrschenden Umstände. Auf eben dieselbe Art geht die Aufstellung von der Elementartaktik aus, welche dem Heere im Frieden gelehrt und eingeübt ist, und die als eine im Augenblick des Krieges nicht mehr wesentlich zu verändernde Eigenschaft desselben angesehen werden muß, knüpft daran die Bedingungen, welche der Gebrauch der Truppen im Kriege und im großen erfordert, und bestimmt so im allgemeinen die Norm, nach welcher das Heer zum Gefecht aufgestellt werden soll.

Dies ist überall der Fall gewesen, wo große Heere ins Feld gerückt sind, und es gab sogar Zeiten, wo diese Form als das wesentlichste Stück des Gefechtes angesehen wurde.

Als im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert die Ausbildung des Feuergewehrs das Fußvolk in einem so hohen Grade vermehren und in so langen, dünnen Linien auseinanderziehen ließ, wurde die Schlachtordnung dadurch zwar einfacher, aber zugleich schwieriger und künstlicher in der Ausführung, und da man nun nichts weiter mit der Reiterei anzufangen wußte, als sie auf die Flügel zu verteilen, wo nicht geschossen wurde und wo Raum zum Reiten war, so machte die Schlachtordnung aus dem Heere jedesmal ein geschlossenes und unteilbares Ganzes. Schnitt man eine solche Armee entzwei, so war sie wie ein durchschnittener Regenwurm; die Flügel hatten noch Leben und Beweglichkeit, aber sie hatten ihre natürlichen Funktionen verloren. Die Streitkraft lag also in einer Art von Bann der Einheit, und es war jedesmal eine kleine Organisation und Desorganisation nötig, wenn Teile derselben getrennt aufgestellt werden sollten. Die Märsche, welche das Ganze machen mußte, waren ein Zustand, in welchem es sich gewissermaßen außer dem Gesetz befand. War der Feind in der Nähe, so mußten sie mit der höchsten Künstlichkeit angeordnet werden, um das eine Treffen oder den einen Flügel immer in einer erträglichen Entfernung von dem andern über Stock und Block wegzuführen; sie mußten dem Feinde beständig abgestohlen werden, und nur ein Umstand machte, daß man diesen beständigen Diebstahl unbestraft begehen durfte, nämlich, daß der Feind in eben diesem Banne lag.

Als man daher in der letzten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts auf die Idee kam, daß Reiterei wohl ebenso gut die Flügel schützen könne, wenn sie hinter der Armee, als wenn sie in ihrer Verlängerung stände, daß sie überdies wohl noch zu manchem andern gebraucht werden könne, als sich mit der feindlichen allein zu duellieren, da hatte man schon deswegen einen großen Schritt vorwärts getan, weil nun die Armee in ihrer Hauptausdehnung, welche immer die Breite ihrer Aufstellung ist, aus lauter homogenen Gliedern bestand, so daß man sie in eine beliebige Anzahl Stücke zerlegen konnte und lauter Stücke erhielt, die sich untereinander und dem Ganzen ähnlich waren. Damit nun hörte sie auf, ein einziges Stück zu sein, und wurde ein vielgegliedertes Ganzes, folglich biegsam und gelenkig. Die Teile konnten vom Ganzen ohne Umstände getrennt und wieder an dasselbe angereiht werden, es blieb immer dieselbe Schlachtordnung. – So entstanden die Korps von allen Waffen, d. h. so wurden sie möglich, denn das Bedürfnis dazu war wohl viel früher gefühlt worden.

Daß dies alles von der Schlacht ausgeht, ist sehr natürlich. Die Schlacht war sonst der ganze Krieg und wird immer das Hauptstück desselben bleiben; außerdem aber gehört die Schlachtordnung überhaupt mehr der Taktik als der Strategie an, und wir haben durch diese Herleitung nur zeigen wollen, wie schon die Taktik durch die Anordnung des Ganzen in kleinere Ganze der Strategie vorgearbeitet hat.

Je größer die Heere werden, je mehr sie auf weite Räume verteilt sind, je mannigfaltiger die Wirksamkeiten der einzelnen Teile ineinandergreifen, um so mehr Raum gewinnt die Strategie, und so hat denn auch die Schlachtordnung in dem Sinn unserer Definition mit der Strategie in eine Art von Wechselwirkung treten müssen, die sich hauptsächlich an den Endpunkten zeigt, wo Taktik und Strategie sich berühren, nämlich in den Momenten, wo die allgemeine Verteilung der Streitkräfte in die besonderen Anordnungen des Gefechtes übergeht.

Wir wenden uns nun zu den drei Punkten der Einteilung, Waffenverbindung und Aufstellung unter dem strategischen Gesichtspunkt.

1. Eintheilung. In strategischer Hinsicht sollte man niemals fragen, wie stark eine Division oder ein Korps sein, sondern wie viele Korps oder Divisionen eine Armee haben müsse. Es gibt nichts Ungeschickteres als eine Armee, die in drei Teile geteilt ist, es sei denn eine, die gar nur in zwei geteilt wäre, wobei der Oberfeldherr fast neutralisiert sein muß.

Die Stärke der großen und kleinen Korps, sei es aus Gründen der Elementartaktik oder der höheren, zu bestimmen, läßt der Willkür ein unglaublich weites Feld, und der Himmel weiß, welche Räsonnements schon mit diesem Spielraum gespielt haben. Dagegen ist das Bedürfnis einer gewissen Anzahl von Teilen für ein selbständiges Ganzes eine ebenso klare als bestimmte Sache, und dieser Gedanke gibt daher für die größeren Abteilungen echt strategische Gründe zur Bestimmung ihrer Anzahl, folglich ihrer Stärke, während die kleinen, wie Kompagnien, Bataillone u. s. w., der Taktik überlasten bleiben.

Das kleinste isoliert stehende Ganze läßt sich kaum denken, ohne daß man drei Teile an ihm unterscheidet, damit ein Teil vorgeschoben und einer zurückgestellt wirken kann; daß vier noch bequemer sind, ergibt sich schon, wenn man bedenkt, daß der mittelste Teil als die Hauptmacht doch stärker sein muß als jeder der beiden andern; so kann man vorschreiten bis zu acht, welches uns die passendste Zahl für eine Armee scheint, wenn man als konstantes Bedürfnis einen Teil zur Avantgarde annimmt, drei bei der Hauptmacht, nämlich als rechten Flügel, Mitte und linken Flügel, zwei zum Rückhalt, einen zum Entsenden rechts und einen zum Entsenden links. Ohne pedantisch auf diese Zahlen und Figuren einen großen Wert zu legen, glauben wir allerdings, daß sie die gewöhnlichste, immer wiederkehrende strategische Aufstellung ausdrücken und deswegen eine bequeme Einteilung abgeben.

Freilich scheint es die Armeeführung (und die Führung jedes Ganzen) ungemein zu erleichtern, nicht mehr als drei oder vier Männern zu befehlen, allein diese Bequemlichkeit büßt der Feldherr auf eine doppelte Art sehr teuer. Erstlich geht von der Schnelligkeit, Kraft und Präzision des Befehls um so mehr verloren, je länger die Stufenleiter ist, die er hinabsteigen muß, was der Fall ist, wenn Korpskommandanten sich zwischen ihm und den Divisionsbefehlshabern befinden; zweitens verliert er überhaupt an eigentlicher Macht und Wirksamkeit, je größer die Wirkungskreise seiner unmittelbaren Untergebenen sind. Ein Feldherr, der über 100 000 Mann vermittelst 8 Divisionen befiehlt, übt eine intensiv größere Macht aus, als wenn diese 100 000 Mann nur in drei Divisionen geteilt wären. Mancherlei Gründe sind die Ursache davon, der wichtigste aber ist, daß ein Befehlshaber an allen Teilen seines Korps eine Art von Eigentumsrecht zu haben glaubt und sich fast jedesmal widersetzt, wenn ihm ein Teil davon auf kürzere oder längere Zeit entzogen werden soll. Einige Kriegserfahrungen werden dies jedem erklärlich machen.

Andererseits darf man aber die Anzahl der Teile nicht zu groß werden lassen, wenn nicht Unordnungen die Folge sein sollen. Es ist schon schwer, von einem Armeehauptquartier aus acht Teile zu leiten, und höher wie zehn kann man die Zahl nicht wohl gehen lassen. Bei einer Division aber, bei der die Mittel, die Befehle in Wirksamkeit zu setzen, viel geringer sind, müssen die kleineren Normalzahlen: vier, höchstens fünf, als die passenderen angesehen werden.

Reicht man mit diesen Faktoren: fünf und zehn, nicht aus, d. h. würden die Brigaden zu stark, so müßten Korpskommandos eingeschoben werden; man muß aber bedenken, daß dadurch eine neue Potenz entsteht, welche alle übrigen Faktoren auf einmal sehr heruntersetzt.

Was ist denn nun aber eine zu starke Brigade? Die Gewohnheit ist, sie zwischen zwei- und fünftausend Mann zu machen; und zwei Gründe scheinen diese letztere Grenze zu ziehen, der erste, daß man sich eine Brigade als eine Abteilung denkt, die von einem Manne unmittelbar, nämlich durch den Bereich seiner Stimme, geführt werden könne; der zweite, daß man eine größere Infanteriemasse nicht ohne Artillerie lassen will und durch diese erste Waffenverbindung von selbst eine besondere Abteilung erhält.

Wir wollen uns in diese taktischen Spitzfindigkeiten nicht verlieren und wollen uns auch nicht auf die Streitfragen einlassen, wann und in welchen Verhältnissen die Verbindung aller drei Waffen statthaben soll, ob bei Divisionen, die 8000 bis 12 000 Mann, oder bei Korps, die 20 000 bis 30 000 stark sind. Nur die Behauptung werden die entschiedensten Gegner dieser Verbindung uns nicht verargen, daß nur diese Verbindung die Selbständigkeit einer Abteilung ausmacht, und daß sie also für solche, die bestimmt sind, sich im Kriege häufig isoliert zu finden, wenigstens sehr wünschenswert ist.

Eine Armee von 200 000 Mann in zehn Divisionen, die Division in fünf Brigaden geteilt, würden diese 4000 Mann stark lassen. Wir sehen hier nirgends ein Mißverhältnis. Freilich kann man diese Armee auch in fünf Korps, das Korps in vier Divisionen, die Division in 4 Brigaden teilen, was diese 2500 Mann stark läßt; doch scheint uns die erste Einteilung, abstrakt betrachtet, vorzüglicher, denn außerdem, daß man bei der andern eine Ordnungsstufe mehr hat, sind fünf Glieder für eine Armee zu wenig, sie ist damit ungelenk; vier für ein Korps sind es ebenfalls, und 2500 Mann ist eine schwache Brigade, deren man auf diese Weise 80 hat, statt daß die erste Einteilung nur 50 gab, also einfacher war. Alle diese Vorteile gibt man auf, bloß um nur halb so vielen Generalen Befehle zu erteilen. Daß bei kleineren Armeen die Einteilung in Korps noch unpassender ist, ergibt sich von selbst.

Dies ist die abstrakte Ansicht von der Sache. Der individuelle Fall kann Gründe mit sich führen, die anders entscheiden. Zunächst muß man bekennen, daß, wenn acht oder zehn Divisionen sich vereinigt in der Ebene noch regieren lassen, dies in ausgedehnten Gebirgsstellungen vielleicht unmöglich werden könnte. Ein großer Strom, der die Armee halbiert, macht einen Befehlshaber über die eine Hälfte unerläßlich: kurz, es gibt hundert der entscheidensten Lokal- und individuellen Umstände, denen die abstrakten Regeln weichen müssen.

Daß aber diese abstrakten Gründe doch am häufigsten gebraucht und seltener von jenen verdrängt werden, als man vielleicht glauben sollte, lehrt die Erfahrung.

Wir erlauben uns, den Umfang dieser Betrachtung noch durch einen einfachen Umriß deutlich zu machen, und wollen dazu die einzelnen Schwerpunkte nebeneinander aufstellen.

Indem wir unter Gliedern eines Ganzen nur diejenigen verstehen, welche die erste Teilung gibt, also die unmittelbaren, sagen wir:

  1. Hat ein Ganzes zu wenig Glieder, so wird es ungelenk;
  2. sind die Glieder eines Ganzen zu groß, so schwächt dies die Macht des obersten Willens;
  3. mit jeder neuen Stufenfolge des Befehls wird die Kraft desselben auf zwei Wegen geschwächt, einmal durch den Verlust, den sie beim neuen Übergang macht, zweitens durch die längere Zeit, die der Befehl braucht.

Alles dies führt dahin, die Zahl der nebeneinander bestehenden Glieder so groß und die Stufenreihe so klein als möglich zu machen, und diesem steht nur entgegen, daß man bei Armeen nicht mehr als acht bis zehn Glieder und bei kleineren Abteilungen nicht mehr als vier bis sechs bequem regieren kann.

2. Verbindung der Waffen. Für die Strategie ist die Verbindung der Waffen in der Schlachtordnung nur für diejenigen Teile wichtig, die nach der gewöhnlichen Ordnung der Dinge oft zu einer getrennten Aufstellung kommen, wo sie gezwungen werden können, ein selbständiges Gefecht zu liefern. Nun liegt es in der Natur der Sache, daß die Glieder der ersten Ordnung, und hauptsächlich nur diese, zu einer getrennten Aufstellung bestimmt sind, weil, wie wir das bei einer anderen Gelegenheit sehen werden, die getrennten Aufstellungen meistens von dem Begriff und den Bedürfnissen eines Ganzen ausgehen.

Es würde daher, streng genommen, die Strategie die bleibende Verbindung der Waffen nur für die Korps oder, wo diese nicht stattfinden, für die Divisionen fordern und sich bei den Gliedern einer niedrigeren Ordnung die augenblickliche Verbindung nach dem Bedürfnis gefallen lassen.

Man sieht aber wohl, daß sich die Korps, wenn sie beträchtlich, d. h. 30 000 bis 40 000 Mann stark werden, selten in dem Fall einer ungeteilten Aufstellung befinden werden. Bei so starken Korps ist also eine Verbindung der Waffen in den Divisionen nötig. Wer den Aufenthalt für nichts halten sollte, den es bei eiligen Entsendungen macht, wenn der Infanterie erst ein Teil Kavallerie von einem andern, vielleicht ziemlich entfernten Punkt zugewiesen werden soll – von den Verwirrungen, die dabei vorkommen, gar nicht zu reden. – Dem müßte man geradezu alle Kriegserfahrung absprechen.

Die genauere Verbindung der drei Waffen, wie weit sie gehen, wie innig sie stattfinden, welche Verhältnisse beobachtet werden, welche Reserve von jeder übrig bleiben soll, – alles das sind rein taktische Gegenstände.

3. Die Aufstellung. Die Bestimmung, nach welchen räumlichen Verhältnissen untereinander die Teile eines Heeres in der Schlachtordnung aufgestellt werden sollen, ist gleichfalls völlig taktisch und bezieht sich lediglich auf die Schlacht. Zwar gibt es natürlich eine strategische Aufstellung, sie hängt indes fast allein von den Bestimmungen und Bedürfnissen des Augenblicks ab, und dasjenige, was in ihr rationell ist, liegt nicht mit in der Bedeutung, welche das Wort Schlachtordnung hat; wir werden es daher im folgenden Kapitel unter dem Titel: Aufstellung des Heeres angeben.

Die Schlachtordnung des Heeres ist also die Einteilung und Aufstellung desselben in einer zur Schlacht wohlgeordneten Masse. Die Teile sind so gefügt, daß sowohl die taktischen als die strategischen Forderungen des Augenblicks durch Verwendung einzelner aus dieser Masse herausgenommener Teile leicht befriedigt werden können. Hört das Bedürfnis des Augenblicks auf, so treten die Teile an ihre Stelle zurück, und so wird die Schlachtordnung die erste Stufe und Hauptgrundlage jenes heilsamen Methodismus, der im Kriege wie ein Pendelschlag das Werk regelt, und von dem wir im vierten Kapitel des zweiten Buches schon gesprochen haben.


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