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Der heulende Derwisch

Der Ropfergirgl, dem Weber sein vierter Bub – die andern drei stehen grad im Frankreich – der ist wegen seines Haxenschusses daheim auf Urlaub.

Grad sitzt er mit seiner Mutter, der alten Ropferin, auf der wackligen Hausbank, betrachtet den großmächtig heraufziehenden Mond und die auf- und niedersteigenden Nebelschwaden drüben im Moor; da läuten sie 's Gebet. Und im gleichen Augenblick fängt vorn beim Neuwirt der alte Dackl zum Heulen und Winseln an und tut so jämmerlich, daß die Ropferin mitten unterm Beten auflust und sagt: »Hundsviech elendigs! Der Grippel plärrt ja wia a Pandur!«

»Ja, akrat a so tuat er!« meint der Girgl, »wia derselbige Derwisch …«

Er fängt zum Lachen an.

»Muata,« sagt er, »Muata, dessell muaß i dir jetz no verzähln; die Gschicht von dem Derwisch.«

»Ja, bals net wieder so epps Gräuslichs is wia des Gestrige,« meint die Alt, »nachher scho; aber sinst net! I hab die ganz Nacht koa Aug zuato vor lauter Grausen!«

»Ja no, a Sturmangriff auf a ganze Menascherie Wilde is koa Englamt!« sagt der Girgl. »Aber des von dem Derwisch is nix solches. Also: mir kriagn da den Befehl, von unserne Schützengräben aus amal vorsichtig vürez'pirschen, wo die Bande grad is, obs in an Grabn san oder im Holz oder weiter hint in an Dorf.

Also guat. Der Moosmüller Xaverl, der Unteroffizier Haberl und i – mir machen uns schö stad dahin, guat versteckt, ganz verstohlens, alleweil weiter vüre, ganz stad alleweil furt, vorwärts. Nixn hat si g'rührt, koa Posten war zum sehng, alles mäuserlstad.

Und mir alleweil weiter, ganz stad. Auf oamal will i was sagn – der Moosmüller aa –, aber der Haberl hat schnell abgwunken und hat gwispert: ›Rauch – Feuer – Biwak! – Umzingeln, einschliaßn, fanga oder durchetoa!‹

Alsdann, 's Herz hat mir scho an Augenblick pumpert bis zum Hals auffa; mir kann ja net wissen, wieviel daß eahna san – kurz und guat –, i tua an Stoßseufzer, nimm's Gwehr schußbereit und schleich mi zuawe.

Und die andern zwee aa.

Mir überschaugn die Gschicht schnell – es is a kloans Häuferl Indier mit großmächtige Turban auf. – Dees sand so Hauben, verstehst, als wia enkane Pudlhauben frühers gwen hand – aber koa Pelz – lauter seiderne Hadern. Also – die Bande sitzt beim Feuer – ganz gstarre – und wärmt si und frißt. – Und spannen uns gar net.

Da plärrt der Haberl auf oamal ›Hurra‹ und springt drauf los; mir zwee natürli aa glei zuawe und drauf los.

Jessas, warn dir die Kerl derschrocka! Di ham si gar nimma derfanga kinna!

Also – kurz und guat – mir ham des ganz Nest ausgnomma und als Gfangene hoam in unser Stellung.

Herrgott, war dees a Gaude!

No, derweil werds also langsam Nacht, mir essen ganz grüabi und freun uns über die Indischen.

Grad kimmt der Mond auffa, und drent fallt langsam d' Sunn eine in d' Wolken und abe hinterm Holz.

Da reißt auf oamal oaner nach dem andern von de Brüada sein Mantel aba, broat't 'n auf der Lettn aus, wirft si nieder und stößt sei Hirn siebnmal aufn Erdbodn hin, indem daß er schreit: › Allah il Allah‹ und woaß der Teife, was no alles.

Und oana davo verdraht auf amal d' Augn, windt und krummt sein Bauch, als wia wann er des groß' Grimma hätt – schmeißt d' Arm in die Luft und fangt o zum Schreien – zum Winseln – zum Plärrn – mir ham net anderscht denkt, als wia: der schreit si jetz no gschwind an doppelten Bruch – nachher stirbt er.

Aber er is net gstorbn und hat brav furtplärrt und a so gwinselt, daß sechs Hund, die wo alle auf oamal eahnan Schwanz unter d' Trahmbahn einebringan, net besser plärrn kinnan.

Uns is halt himmelangst worn, und mir ham unsern Hauptmann g'fragt, was da z' macha waar; aber er hat gsagt: ›Gar nix – dees is a heulender Derwisch.‹

Gar nix. Ja no. Der Kerl hat aber a so gwerkt, daß mir gmoant ham, er kriagt Zwilling; – mir ham nimmer gwißt, san mir in an Gebärhaus oder in an Narrnhaus.

Und der Windljackl hat 'n alleweil beruhigen wollen und hat eahm a paar verehrt und hat gsagt: ›Sei do amal stad, alts Rindviech! Dees macht ja nixn, daß d' nimmer bei de andern bist!‹

Aber der oa hat nix ghört und nix gspürt.

Zugredt ham mir eahm, was z' Fressen ham mir eahm gebn wolln, der Haberl hat französisch gredt mit eahm und hat gschrien: ›Salle koschong verfluachta, wannst net augenblickli dein Brotladn haltst, kriagst eine solchene Grandwatschen von mir, daß dei ganze Visasch perdü is!‹

Aber dees hat aa nix gholfa. Der Moosmüller hat aa gmoant, wann er eahm recht schee tuat, daß er nachher 's Maul halt't. Aber weit gfeit. Da hat er grad no gräuslicher to.

Endli hat der Drechsler Konrad an guatn Gedanka.

›I woaß was!‹ sagt er. ›Mir gebn ihn ab – mir stelln ihn sozusagen aus! Da drunten unterm Berg, die Preußischen, die jammern a so, daß 's so langweili is; dene verkaafan mir 'n.‹

Guat.

Is also oana abegrennt: so und so, und mir hätten a bsunderne Sehenswürdigkeit gfangt – an heulenden Derwisch. Wenn's 'n möchten, bräuchten sie's grad sagn; um a Flaschen Zwetschgenwasser oder drei Schachteln Zigaretten kuntn's 'n hab'n.

Die ham natürli glei ja gsagt und san sofort mit Volldampf angruckt um den Mondscheinbruada und ham gmoant, wunder was s' gfangt ham.

Und mir ham g'lacht und die größt' Freud ghabt, wia dees Gschroa so schö langsam über den Berg abeghallt hat und zletzt grad mehr ganz verlorn z' hörn war.

Jetz aber am andern Tag. Unser Hauptmann kommt daher: ›Na, was is's, hat sich der Derwisch schon beruhigt?‹

›Ja, den ham mir nimmer!‹ hat's ghoaßn. Auweh. Hat's an Krach gebn.

Und der Moosmüller hätt 'n holn solln. Aber – jetz kimmt der Witz: Die Preußischen ham ihn aa nimma ghabt. Dene is dees Gschroa aa bald zwider worn. Und da ham sie 'n an die Sachsen weitergeben.

Ja. Und die ham aa glei gnuag ghabt, und ham 'n die Württemberger gschickt. Und die an d' Rheinländer. Ja. Und bis 's Tag wor'n is, hat mir 'n nimmer mehr gwißt, wo er bliebn is; ghört hat mir 'n nimmer und gsehng aa net. – Und mi siechst jetz aa nimmer, i geh ins Bett. Guate Nacht, Muata.«

 


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