Conrad Ferdinand Meyer
Jürg Jenatsch
Conrad Ferdinand Meyer

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Neuntes Kapitel

Der warme Mai hatte das Tal des Rheines mit Blüten und üppigem Grün bedeckt, als das französische Heer auf seinem durch den Märzvertrag erzwungenen Rückmarsche aus dem Veltlin sich auf der staubigen Landstraße von Reichenau her den Toren der Stadt Chur näherte.

Das dem Herzog Rohan abgerungene und von Priolo nach Paris gebrachte Übereinkommen war dort genehmigt worden, wenn auch in gewundenen Ausdrücken, aus welchen das widerwillige Sträuben des Kardinals deutlich hervorblickte. Der Schrecken und Ärger am französischen Hofe über den in einem fernen Bergwinkel mit beispielloser List geplanten Gewaltstreich war groß gewesen. Niemand hatte bis jetzt den Namen des unbekannten Abenteurers, der ihn ausgeführt, der Beachtung wert gehalten. Dennoch ging man auf das Übereinkommen ein, mußte darauf eingehen. Der dem Kardinal an kluger Berechnung gleichstehende Bündner hatte die Masche des Netzes zu fest geknüpft und zu sicher zusammengezogen, als daß selbst die Schlauheit Richelieus eine Lücke zum Durchschlüpfen gefunden hätte. Vielleicht dachte dieser noch an die Möglichkeit, es mit Gewalt zu zerreißen, aber dafür war der sein gegebenes Wort hoch und heilig haltende Rohan nicht zu verwenden.

Dieser war seinem anrückenden Heere nicht entgegen geritten und befand sich nicht in dessen Mitte. Nach dem grausamen Auftritte im Sprecherschen Hause hatte ihn ein Rückfall seines Übels aufs Krankenlager geworfen und jetzt war er kaum so weit gewesen, um in eigener Person sein Heer über die wenige Meilen von Chur entfernte bündnerische Grenze führen zu können. In der frischen Morgenstunde des nächsten Tages wollte er sich zum letzten Male als Feldherr an die Spitze seiner Truppen stellen, um mit ihnen das Land zu verlassen, für das er so viel getan und das ihm seine Liebe so schlecht gelohnt hatte.

Als die das Heer verkündende große Staubwolke sich näherte, strömte viel Volk aus der Stadt, Jung und Alt, den anrückenden Franzosen entgegen, welchen die Bürger von Chur niemals wie die wilden Leute der Gebirgstäler abhold gewesen und die sie jetzt um so lieber sahen, als es das letzte Mal war und die langjährigen Gäste am nächsten Morgen das Land für immer räumten.

Da sprengte ein Reitertrupp aus dem Tor und trieb die auf der heißen Straße ziehenden Massen auseinander. Es waren Bündneroffiziere, voran auf einem schwarzen Hengst ein Reiter in Scharlach, von dessen Stülphute blaue Federn wehten, der jedem Kinde bekannte Jürg Jenatsch. – Das Volk sah dem mit seinem Reiterbegleiter in den aufgejagten Staubwolken schon wieder Verschwindenden mit Bewunderung und leisem Grauen nach, denn es ging die Sage, der arme Pfarrerssohn, welcher der mächtigste und reichste Herr im Lande geworden, habe seinen Christenglauben abgeschworen und seine Seele dem leidigen Satan verschrieben, darum habe er in den unmöglichsten Anschlägen Glück und Gelingen.

Lauter und näher ertönte die Feldmusik. Das Volk verteilte sich auf die grünen Wiesen und Halden zu beiden Seiten des Weges und bildete eine lebendige Hecke. Die französische Vorhut zog vorüber, aber die gebräunten Krieger schritten in raschem Tempo, ohne den grüßenden Zuruf der neugierigen Churer zu erwidern, und dieser wurde schüchterner und verstummte nach und nach.

Dort an der Spitze der jetzt heranrückenden Kerntruppen wurde neben Jürg Jenatsch der französische Befehlshaber Baron Lecques sichtbar. Aber der Franzose schien jenem für sein Geleit wenig Dank zu wissen. Stolz und verschlossen ritten die beiden nebeneinander. Der alte Degen konnte die Gegenwart des Bündners kaum ertragen. Das jugendliche Feuer seiner Augen sprühte Funken des Hasses und strafte die Silberfarbe seines kurz geschorenen Haares Lügen. Er hatte heute den schneeweißen Schnurrbart noch steifer und herausfordernder als sonst aufwärts gedreht und das gesund davon abstechende rotbraune Gesicht glühte von verhaltenem Zorn, während seine Faust kampflustig die tapfere Klinge blitzen ließ.

Die Regimenter zogen nicht durch das Tor ein, sondern vollführten eine Schwenkung links um die Mauern der Stadt. Sie sollten während der kurzen warmen Mainacht längs der vom Nordtore nach der nahen Grenze führenden Heerstraße im Freien ein Feldlager aufschlagen. Als dies geschehen war und die Sonne unterging, beeilten sich die Offiziere, über hundert an der Zahl, die Stadt zu besuchen, um sich ihrem Feldherrn, dem Herzog Rohan vorzustellen, die Mängel ihrer persönlichen Ausstattung in den Kaufläden von Chur zu ersetzen und sich, jeder nach seinem Geschmacke, einen möglichst vergnügten Abend zu machen.

Auch Lecques ritt, nachdem er seine letzten Befehle für den Aufbruch in der Frühe gegeben, durch die Reihen der überall brennenden Feuer, an welchen die Soldaten eben ihre Abendkost bereiteten, und wandte sich, nachdem er das ganze Lager mit scharfen Blicken gemustert, langsam nach der Stadt. Hier trat er zuerst in das Gasthaus zum Steinbock, wo er seine Offiziere nach Abrede versammelt wußte, und dann begab er sich sogleich zu Herzog Rohan, den er in dieser späten Abendstunde allein zu finden hoffte.

Er traf den Herzog zur Abreise bereit. Seine Angelegenheiten waren geordnet und der Abschied von seinen Gastfreunden war genommen. Die französischen Offiziere hatte der Feldherr zwar empfangen, aber nach wenigen liebenswürdigen Worten schnell wieder entlassen. Seine letzten Stunden in Chur wünschte er in stiller Sammlung und einiger Ruhe zu verbringen.

Gerne hätte er auch für den nächsten Morgen jedes Geleit und jede Abschiedsfeierlichkeit abgelehnt, allein Herr Fortunatus Sprecher hatte mit Tränen in ihn gedrungen, doch der Stadt Chur, welche ihm, wie das ganze Land, so unendlich viel zu danken habe und deren Ergebenheit gegen seine verehrte Person trotz allen bösen Scheines immer dieselbe geblieben sei, doch ja diese unaustilgliche Schmach nicht anzutun, und der Herzog fügte sich diesem aus einer wunderlichen Gefühlsverwirrung hervorgehenden Wunsche, den er im stillen ironisch belächelte.

Als Lecques von dem Kammerdiener eingeführt wurde, trat ihm Heinrich Rohan mit vornehmer Ruhe entgegen und sprach ihm seine Anerkennung aus für die Umsicht und Raschheit, womit er seinem Befehle gemäß das Heer aus dem Veltlin zurückgeführt habe.

»Da das Unausweichliche geschehen mußte«, fügte er bei, »so war es ehrenhafter, daß es schnell geschah, – und ich danke es Euch, daß Ihr meinen mir peinlich werdenden Aufenthalt in Chur durch Euern schnellen Marsch gekürzt habt.«

Baron Lecques sah seinem General forschend in das bleiche Angesicht und sagte mit einiger Schärfe: »Meinerseits, erlauchter Herr, fürchtete ich durch meinen schnellen Gehorsam die Interessen Frankreichs bloßgestellt zu haben. Es kann Euch nicht unbekannt sein, daß Euer Sekretär aus Paris Gegenbefehl gebracht hat; doch er ist, weil Ihr mir Eile befahlt, zu spät gekommen. Bedauerlicherweise traf mich Priolo schon diesseits der Berge im Dorfe Splügen.«

»Priolo hat sich gestern bei mir beurlaubt«, erwiderte der Herzog achselzuckend, »ich kann ihn nicht zur Rede stellen. Von einem zweiten, die Ordre zum Abmarsche widerrufenden Befehle, der durch meine Vermittlung an Euch gesandt worden wäre, weiß ich nichts.«

Lecques öffnete seine Brieftasche und legte dem Herzog eine vom König und Richelieu unterzeichnete, in sehr bestimmte Ausdrücke gefaßte Weisung vor, die ihm befahl, das Veltlin mit seinen Truppen zu halten und die französische Ehre mit seinen tapfern Waffen um jeden Preis herzustellen.

Die Furche des Grams auf der durchsichtigen Stirne des Herzogs zeichnete sich schärfer. Er öffnete ein Portefeuille, das auf dem Tische lag, und entfaltete die an ihn gelangte Vollmacht zum Abschlusse des von den Bündnern ihm aufgenötigten Vertrags. – Sie war St. Germain, den 30. März, datiert und von Ludwig XIII. und Richelieu unterzeichnet. Er hielt sie mit der Ordre zusammen, die ihm Lecques überreicht hatte.

»Beide Dokumente tragen die Namenszüge des Königs und des Kardinals«, sagte er ernst. »Vergleicht. Die Echtheit keiner dieser Unterschriften ist anzufechten. – Der Euch gegebene Befehl opferte meine Ehre und wohl auch mein Leben... warum habt Ihr ihn nicht ausgeführt?«

»Weil es zu spät war, denn ich hatte die Festungen schon geräumt«, sagte Lecques trocken.

»Und besonders«, fügte er rasch und mit Wärme hinzu, »weil ich, wie die Lage war, ohne Euch, erlauchter Herr, nicht handeln wollte. Ich bin der Meinung, mit diesem letzten königlichen Befehle in meinen Händen sei auch jetzt noch nichts verloren und es sei noch früh genug, dem Wunsche und Willen des Königs nachzukommen und den Frankreich beschimpfenden Verrat zu rächen. Jetzt um so sicherer, als Feldherr und Heer wieder vereinigt sind! – Mein Plan ist gemacht, wollet ihn anhören.«

Er führte den Herzog in den turmähnlich vorspringenden Erker, dessen Fenster in der lauen stillen Mainacht offen standen, und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: »Es liegen keine Bündnertruppen in der Stadt und ihrer Umgebung. Jenatsch hat die Regimenter ins Prätigau verlegt, um jeder Reibung mit unsern durch den ruhmlosen Rückzug gereizten Soldaten vorzubeugen. Nur einige Haufen Landsturm bewachen die Tore. Jenatsch und die Obersten, die uns schamloser Weise morgen ihr schadenfrohes Ehrengeleit bis an die Grenze geben wollen, durchzechen die Nacht zur Feier unsers Abzugs im Schenkhause zur Glocke. Die hellen Fenster dort in der zweiten Straße sind die Lichter des Gelages. –

Die Rache liegt in unsrer Hand! Hundert und fünfzig unserer Offiziere sind in der Stadt, lauter tapfere Edelleute, alle entschlossen den Frankreich verräterisch angetanen Schimpf mit ihren Degen zu rächen.

Wir besetzen vorsichtig die Ausgänge der Glocke, dringen mit Übermacht ein und stoßen die trunkenen Meuterer bis auf den letzten Mann nieder. Auf ein von mir mit dem Lager verabredetes Zeichen werden die Stadttore von außen mit Petarden gesprengt. Unsere Truppen rücken ein und besetzen die Stadt. Die Churer sind in ihrer großen Mehrzahl immer den spanischen Kabalen entgegen und uns Franzosen zugetan gewesen. Sie rufen halb gezwungen, halb einverstanden: Vive la France! und seid versichert, Herr, in wenigen Tagen stimmt ganz Bünden ein, denn im Grunde verabscheut es das spanische Bündnis. Einer hat den ganzen Verrat gebraut, der büßt zuerst – ich nehm' ihn auf mich. Hat erst einmal der Judas seinen Lohn empfangen«, rief er mit unverhaltenem Zorn, »so wird sich die Szene, glaubt mir, mit einem Schlage verwandeln!«

»Gedenkt Ihr den Ruhm Frankreichs mit einem Wortbruche und einer Mordnacht wieder herzustellen?« sagte der Herzog streng.

Lecques wies auf seine Vollmacht. »Ich erfülle damit den Willen des Königs meines Herrn«, verteidigte er sich. »Der gelehrte Kardinal ist in Entscheidung von Gewissensfragen ein Meister; in seinem Katechismus steht: Verrat gegen Verrat. Das durch die rohe Gewalttat, die am 19. März dieses Hauses Gastrecht entehrte, Euch entrissene Wort verpflichtet Euch weder vor Gott noch vor den Menschen, hättet Ihr es auch auf die Hostie oder auf das Evangelium geschworen.«

»Mein Gewissen entscheidet anders«, erklärte Heinrich Rohan bestimmt und ruhig. »Noch bin ich Euer Feldherr, noch seid Ihr mir Gehorsam schuldig und Ihr werdet ihn leisten. Sprecht mir nicht mehr von Eurem Anschlage. Er würde, wenn er gelänge, die an der Grenze stehenden Österreicher und Spanier ins Land ziehn und den furchtbarsten Krieg entflammen. Ihr selbst habt es gesagt: Ein einziger war fähig, diesen kalten Verrat zu begehen. Das Volk ist unschuldig und verdient nicht, was der eine verbrochen durch ein so grausames Los zu büßen. Ich halte den Vertrag und glaube nicht, daß der Glanz unsrer Lilien dadurch verdunkelt werde; aber selbst wenn Frankreichs Waffenehre, wie Ihr meint, damit getrübt würde, – ich müßte den Vertrag dennoch halten.«

»So spricht kein Franzose!«brauste der andere auf.

Der Herzog bewegte die Hand nach dem Herzen. Er wußte es, aber es wurde ihm heute zum ersten Male gesagt, – daß er sein Vaterland verloren habe.

»Ist es für mich unmöglich, zugleich ein Franzose und ein Ehrenmann zu bleiben«, sagte er leise, »so wähle ich das letztere, sollte ich auch darüber heimatlos werden.«

Und die beiden traten in das Gemach zurück.

 

Es war kühl geworden und das Fenster hatte sich geschlossen. In den Mondschein, der den stillen Platz vor dem Hause füllte, trat jetzt eine große Gestalt, die schon längst mit verschränkten Armen, den Rücken an die Mauer gelehnt und den Sprechenden unsichtbar, unter dem Erker gestanden hatte. Nachdem Herr von Lecques mit harten klirrenden Tritten das Haus verlassen und sich um die Ecke gewendet, schritt sie noch eine Weile gesenkten Hauptes im Schatten der jenseitigen Häuserzeile auf und nieder, von Zeit zu Zeit den Blick zu dem Erker des Herzogs erhebend, bis der Lichtschein erlosch. Jetzt blieb sie an der Einmündung einer Seitenstraße stehen. Wieder ertönten Schritte. Es war ein schwankender, hagerer Mann in der Tracht der spanischen Edelleute, der sich näherte und einen Augenblick unschlüssig stehen blieb. Erst maß er den auf dem Platze nächtliche Wacht Haltenden mit scharfen Blicken, dann trat er auf ihn zu und redete ihn als Bekannten an.

»Dacht' ich mir's doch, Signor Jenatsch«, begann der im spanischen Mantel, »daß Ihr Eure Beute zärtlich hütet. In der Glocke wußte man nicht, wo Ihr hingeraten wäret. Gut, daß ich Euch finde und gerade wo ich Euch vermutet. Ihr dürft den Herzog nicht abreisen lassen! Sonst würdet Ihr Spanien einen schlechten Dienst erweisen, der auf die Aufrichtigkeit Eurer bisherigen Leistungen ein eigentümliches Licht würfe. Serbelloni hielt es für überflüssig, Euch nahe zu legen, daß Ihr den Herzog in der Hand behaltet und ihn seine berühmte Waffe nicht wieder gegen Spanien-Österreich erheben lasset. Er meinte, das wäre gleichsam ein selbstverständlicher geheimer Artikel Eures Übereinkommens mit Spanien, den es nicht nötig sei, Euch besonders unterschreiben zu lassen. Ich aber sagte ihm, daß ich Euch von Kindheit an kenne und daß im Verkehr mit Euch, wie übrigens mit jedermann auf dieser, wie die neuesten Gelehrten behaupten, sich drehenden Erde, nichts besser sei als ein guter schriftlicher Kontrakt. Den hab' ich nun mitgebracht und Ihr werdet Euch wundern, welch hübsches Angebot ich Euch mache.

Gegen Heinrich Rohan die Festung Fuentes!

Das heißt natürlich ihre von Bünden längst begehrte Schleifung. Den Herzog behaltet Ihr, oder besser, da das Sprechersche Haus unter seinem Range und ihm durch Euren Besuch vom neunzehnten März verleidet sein möchte, Ihr liefert den frommen Herrn nach Mailand, wo ihm ein stilles und angenehmes Privatleben gesichert ist. Klüger wäre es freilich gewesen, Ihr hättet ihn, wie es der Wunsch des Herrn Gubernatore war und ich Euch schrieb, vor Wochen schon in die Hände Eures spanischen Verbündeten befördert, bevor das französische Heer über den Splügen rückte, wo es mich heute – denn ich komme stracks von Mailand – zeitraubend aufgehalten hat.

Warum habt Ihr meine Briefe nicht beantwortet? Das ist nicht klug und auch nicht hübsch von einem Jugendfreunde. Zum Glück ist es noch Zeit. Der Herzog ist noch da und krank dazu, wie man mir erzählte. Es wird einem Diplomaten von Eurer Gewandtheit nicht an einem Vorwande fehlen, den unter Eurem Zauber stehenden Herrn noch einige Zeit freundschaftlich in Chur zurück zu halten. Kann er doch nicht in Person sein Heer nach Frankreich zurückführen! Schließen wir den Handel? Fuentes gegen den Herzog? Ihr schweigt?... Das gilt wohl bei Euch, wie bei gemalten Heiligen und schönen Frauen, als Ja.«

Jenatsch hatte ihn mit wortloser, zorniger Verachtung angehört: »Hebet Euch von dannen, Rudolf Planta«, sagte er jetzt mit gedämpfter, aber heftiger Stimme, »noch seid Ihr in Bünden verfemt, und wer Euch hier betrifft, hat das Recht Euch niederzustoßen. Serbelloni weiß, daß ich mit Leuten Eures Schlages nicht unterhandle. Er kennt meine Bedingungen, von denen ich nicht um die Breite einer Degenklinge abweiche. Ich bin mit Spanien in Unterhandlung getreten, um die Freiheit und Würde meines Heimatlandes zu sichern: Ihr aber habt Euch darum nie gekümmert, sonst würdet Ihr mir eine solche Niedertracht nicht zumuten. Serbelloni weiß nicht darum – das schlägt in Euer Fach und ist ein Geschäft zu Eurem Vorteile. Ist es doch nicht das erste Mal, daß Ihr edles Blut verkauft und schnöden, feigen, schmachvollen Menschenhandel treibt! – Schande über Euch!«

Planta lachte höhnisch auf. »Ei, ei, edler Herr, Ihr seid den spanischen Goldstücken auch nicht abhold... Wie wäret Ihr sonst zu Reichtum und Ehren gekommen, während ich von allen meinen angestammten Gütern und festen Sitzen in Bünden durch einen gewissen demokratischen Pfarrer, den Ihr wohl jetzt nicht mehr leiden mögt, und durch seine Pöbelhaufen verjagt wurde und – Gott sei's geklagt – noch immer verschuldet, ein armer fahrender Ritter bin. – Doch keinen Groll! Wir essen jetzt das Brot desselben Herrn. Ich weiß, wie große Summen an Euch versandt wurden, – Ihr dürft nicht scheel sehen, daß auch ich ein einträgliches Geschäft mir ausgedacht habe.«

»O Schmach«, brach Jenatsch los, »von einem solchen Schurken zu seinesgleichen gezählt zu werden. War es nicht billig, daß Spanien den Sold vergüte, um den Frankreich unsere Truppen betrog!«

»Der Dukatensegen ist durch Eure Finger geströmt«, spottete Planta, »wie sollte er sie beim Durchrinnen nicht vergoldet haben!«...

»Zieh, Bube, damit ich dich nicht ermorde!« rief Jenatsch bebend und riß den Degen aus der Scheide.

Der andere aber hatte sich schon während seiner letzten Rede an die Ecke der Seitenstraße zurückgezogen. »Ich werde Eure guten Gesinnungen in Mailand zu rühmen wissen!« kicherte er noch aus dem Schatten der Häuser hervor und war verschwunden.


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