George Byron
Don Juan
George Byron

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Fünfzehnter Gesang.

                               1.
Ach! – ich vergaß, was hier drauf folgen sollte,
Was nun hier folgt, ist wol gerad' so gut,
Wenn nur dahinter ein Empfinden rollte,
Als was zuerst erregte mir das Blut;
Das Leben ist voll solcher Ruf-Unholde,
Voll Oh's und Ach's der Lust, des Weh's, der Wuth,
Voll Ha, Hoho, voll Hu und Puh und Bah!
Das letzte kommt zumeist der Wahrheit nah'.

                               2.
Doch ist es nur ein Wortzusammenziehen
Und ein Verschlucken, wenn man aufgeregt;
Man sucht der Langeweile zu entfliehen,
Des Herzens Meer wird doch etwas bewegt –
Dies Abbild von der Ewigkeit Prairien,
Dies Miniatur, das endlos Wellen schlägt
Und das die Seele dadurch unterhält,
Daß es ihr Dinge zeigt aus ferner Welt.

                               3.
Doch besser dies, als Seufzer unterdrücken,
Wo es dann tief im Herzen wurmt und nagt,
Die Züge hinter einer Maske zücken
Und die Natur sich nicht zu zeigen wagt;
Die Meisten handeln also hinterm Rücken,
In alle Kreise die Verstellung ragt;
Und deshalb findet, was der Dichter spricht,
Fast überall ein freundliches Gesicht.

                               4.
Ach wer will mir der Liebe Irrthum nennen?
Wer denkt nicht sein, auch wenn er es nicht sagt!
Wer im Vergess'nen schöpft, wird wieder brennen,
Den Seichten selbst dann Schwermuth überragt.
Des Lethe's Strom, wer wollt' es nicht bekennen?
Er nimmt nicht weg, was in uns seufzt und klagt;
Das rothe Glas, das bebt in unsrer Hand,
Läßt einen Satz vom schlimmsten Zeitensand.

                               5.
Und dann die Lieb'! – O Liebe! – Weiter, weiter! –
– Die Lady Adeline Amundville,
(Der hübsche Namen findet sicher Neider,
Er zirpt aus meiner Feder wie 'ne Grill',
Musik liegt ja im Hufschlag ferner Reiter,
Im Wehn des Schilfrohrs, in des Bachs Gequill',
Musik in Allem, hat man nur ein Ohr,
Ein Echo ist die Erd' vom Sphärenchor.)

                               6.
Die Lady Adeline hochgeboren
Und hochgeehrt, riskirte letztres Glück;
Denn wenn die Frau'n sich noch so sehr verschworen,
Sie lassen bald die Festigkeit zurück,
Sie werden wie der Wein, wenn er gegoren,
Ganz anders oft, das wahre Gegenstück!
Ich schwör' zwar nicht – jedoch gelegentlich
Bekommen beide einen kleinen Stich.

                               7.
Doch Adeline war noch gleich dem Schlucke,
Vom ungemischten süßen Traubensaft,
Dem unberührten glänzend-goldnen Schmucke,
Dem Diamant in voller Feuer-Kraft,
Dem Blatt noch frei von schweren Alters Drucke,
Und von Natur noch nicht bedroht mit Haft,
Von diesem Gläub'ger, der so glücklich ist,
Daß ihn bezahlet jeder Heid' und Christ.

                               8.
O Tod, du dunkelster der dunkelblassen,
Du tippst bescheiden erstmals bei uns an,
Wie ein Gewerbsmann, der nach langem Passen
Dem flotten Schuldner kaum recht wagt zu nahn;
Doch oft verjagt, nun von Geduld verlassen,
In zorn'gem Stampfen kehret auf die Bahn
Und (wenn er 'rein darf!) in dem gröbsten Ton
Sein Geld verlangt, als wolverdienten Lohn.

                               9.
Nimm was du willst, doch Schönheit wolle schonen,
Sie ist so selten und dir bleibt so viel,
Und sollt' sie auch nicht bei der Pflicht stets wohnen,
Grund um so mehr, hinauszuziehn ihr Ziel.
Du hagrer Gauch, gefüttert mit Nationen,
Sei artig hier, du hast so leichtes Spiel.
Laß ein Paar Leiden unsrer Frauen weg
Und nimm dir dafür unsre Helden keck.

                              10.
Doch Adelin', die rein sich int'ressirte,
Ging um so offner auf die Sache los,
Als schnell zu lieben ihr nicht so passirte,
Wie mancher Andern, oder sie's verschloß.
Weil – wohlerzogen – sie sich doch genirte;
Drum weihte Kopf und Herz sie künstelos
Gefühlen, die sie gänzlich schuldlos fand,
Weil ihrer werth der edle Gegenstand.

                              11.
Sie hatte wol von Don Juan's Glück vernommen,
Gerüchte hatten's ausgesprengt, entstellt,
Doch Frauen haben leichter stets genommen,
Was oft entsetzte unsre Männerwelt,
Auch lebte er in England nur zum Frommen
Und Männlichkeit war seinem Thun gesellt.
Er trieb es ganz wie Alkibiades,
An jedem Orte diesem Ort gemäß.

                              12.
Er zeigte gar gefällige Manieren,
Sie zogen an, weil anspruchslos er war,
Da war kein affectirtes Einstudieren;
Nicht Eitelkeit, noch Narrheit nahm man wahr,
So konnte er den Nimbus nicht verlieren;
Noch war er ein Cupido der Art gar,
Daß: – »widerstehe, wenn du kannst!« – er schrie.
Was Stutzer thun, jedoch ein Mann thut nie.

                              13.
Sie haben Unrecht! so ist nichts zu machen,
Wie leicht bewiesen, wollten sie's gestehn.
Doch wie dem sei, er haßte solche Sachen
Und wollte stets nur eigne Wege gehn.
Er war loyal, man hörte es am Lachen,
Am Ton der Stimme konnte man's erspähn;
Der Teufel hat kein tiefer gehend Gift,
Als eine Stimm', die süß die Herzen trifft.

                              14.
Wild war er, ehrlich in dem ganzen Wesen,
Sein Blick war schüchtern nicht, doch solcher Art,
Daß man in ihm nichts Freches konnte lesen,
Weit eher hielt er selber sich verwahrt;
Er war vielleicht ein allzu sanfter Besen,
Doch der Bescheidne niemals übel fahrt,
Und oft gelangt der Frechheit Gegentheil,
Mehr als ich sagen mag, zu Glück und Heil.

                              15.
Gebildet, heiter, doch in den Gesetzen,
Einschmeichelnd ohne jede Schmeichelei,
Die Schwächen kennend, die die Massen letzen,
Doch nie brandmarkend sie durch Stichelei,
Stolz bei den Stolzen, ohne zu verletzen,
So daß man sah, er wisse was er sei,
Was Andre auch; stritt er um Vortritt nie,
Anmaßung kannt' er nicht, noch trug er sie.

                              16.
So war er gegen Männer; doch mit Frauen
War er ganz so, wie's ihnen g'rad' gefiel,
Und ihrem Geist ist Alles zuzutrauen.
Drum zeigt der Umriß nur 'nen flotten Stil,
So füllen sie die Leinwand, 's ist ein Grauen;
Hat ihre Phantasie einmal ein Ziel
Erfaßt, sei es nun trübe oder hell,
Transfiguriren sie's wie Raphael.

                              17.
Doch Adeline hatt' die Charaktere
Nie recht durchschaut, und sie nach sich drapirt.
So irrt der Edle und es macht ihm Ehre,
Und auch der Weise wird oft so verirrt;
Erfahrung gibt uns stets die beste Lehre,
Doch auch die traurigste, die existirt:
Verfolgte Weise lehren in den Wind
Und denken nicht, wie blöd die Schüler sind.

                              18.
War's nicht so, Bacon und du großer Locke?
Du Sokrates? und Göttlichster auch du?Da es heut zu Tage geboten ist, jede Zweideutigkeit zu vermeiden, so bemerke ich, daß ich mit dem Göttlichsten Christus meine. Wenn je Gott Mensch war, oder ein Mensch Gott, so war er Beides. Ich habe diesen Glauben nie angegriffen, sondern den Gebrauch oder Mißbrauch, den man davon machte. Canning führte einmal die christliche Lehre an, um den Sklavenhandel zu vertheidigen und Wilberforce wußte wenig dagegen zu sagen. Ließ Christus sich etwa kreuzigen, damit man die Neger schinden sollte? Wenn dies der Fall wäre, so wäre er besser als Mulatte geboren, um beiden Farben das gleiche Recht auf Freiheit oder wenigstens Seelenheil zu erkaufen.
Der mißverstanden ward von manchem Stocke,
Dem jede Unthat man schob in den Schuh.
Du hast die Welt erlöst von Baal und Bocke
Und deinem Tode jauchzt der Unsinn zu.
O Bände gibt's voll gleicher Procedur,
Doch mag's die Menschheit selbst sich sagen nur!

                              19.
Ich widme mich bescheidnerem Berufe
Inmitten dieses Lebens buntem Gang
Und schenke wenig Sorge meinem Rufe;
Mein Auge prüfet wol, was den Gesang
Erheben kann auf eine höhre Stufe,
Doch plage ich mich nie mit Reimen lang,
Und klappre fort, als sei's bei einem Ritt,
Bei einem Gang, den Einer wandelt mit.

                              20.
Ich weiß nicht, ob in diesen flücht'gen Sängen
Man zeigen könnte viel Geschicklichkeit;
Doch gibt's 'ne Gabe, manche herbe Längen
Hinweg zu plaudern aus der zähen Zeit;
Und Eines weiß ich, daß in diesen Klängen
Kein Zwang sich birgt, kein steif geregelt Kleid,
Ob alt, ob neu, es kommt wie's oben liegt,
Wenn der Improvisator an mich fliegt.

                              21.
»Wer Alles schön will sagen, sprech' bisweilen
Auch gut, bisweilen farblos und auch schlecht«  –
Das Erste kann kein Sterblicher ereilen,
Dem Zweiten wird mit Mühe man gerecht,
Das Dritte ist am schwersten auszufeilen,
Das Vierte spricht tagtäglich Herr und Knecht,
Das Ganze möcht' ich – doch ich hoff' es nicht  –
Serviren euch in diesem Scherzgedicht.

                              22.
Bescheidner Wunsch – doch dies ist meine Stärke,
Wie meine Schwäche Stolz. – Doch weiter jetzt!
Ich wollt' dies Buch gestalten nur zum Zwerge,
Jetzt wird's als Riese in die Welt gesetzt.
Ja, wenn ich der Kritik in meinem Werke
Den Hof gemacht, wenn ich zu Lieb' geschwätzt
Der Tyrannei, ich hätt' mich concentrirt,
Doch von Geburt an hab' ich opponirt.

                              23.
Ich stehe auf der Seite stets des Schwachen;
Ich glaube, selbst wenn jene, die so sehr
In stolzer Aufgeblasenheit jetzt machen,
Darnieder stürzten und sich stießen schwer,
Ich würde wol im Anfang darob lachen,
Doch bald trät' ich an ihre Seite her
Und würde so ein Ultraroyalist,
So widrig sonst mir selbst ein Volksfürst ist.

                              24.
Ein guter Eh'mann wär' ich wol geworden,
Hätt' nie versucht ich diesen holden Stand,
Ich wär' getreten in den strengsten Orden,
Läg' ich nicht selbst in Aberglaubens Band,
Nie hätt' mit Reimerei'n von allen Sorten
Ich mir den Kopf zerbrochen und die Hand,
Ja, nie hätt' ich geliefert ein Gedicht,
Hätt' Einer nicht gesagt, ich könn' es nicht.

                              25.
Doch Laissez aller! Ritter sing' ich, Damen,
Wie sie die Zeit mir gibt. Dies ist ein Flug,
Den schon sehr schwache Dichter-Flügel nahmen,
Die braucht es nicht, die einst Longinus schlug,Longinus schrieb über das Erhabene.
Schwer bleibt allein (wobei man auch den Rahmen
Beachten muß, ob ihn das Bild vertrug)
Natürlich schildern manche Künstlichkeit
Und das Besondre allgemein und breit.

                              26.
Die Menschen machten in den alten Tagen
Die Sitten erst, jetzt ist es umgekehrt;
Wie Heerden sind sie in den Pferch verschlagen,
Wo man nach einem Muster alle scheert.
Dies fährt dem Dichter eiskalt in den Magen,
Der nun, was früher besser ward erklärt,
Jetzt wieder schildern oder malen muß –
Die Gegenwart, den schnöden Publicus.

                              27.
Wir wollen Alles thun, es recht zu machen.
Vorwärts denn, Muse! flattre, wenn du's nicht
Zum Fliegen bringst, und wenn nicht große Sachen
Du weißt, so sing' ein förmlich Schalksgedicht;
Es findet sich gewiß noch was zum Lachen.
Colon bekam die neue Welt in Sicht,
Amerika's noch frische Glanzgestalt,
In einer Brig von spärlichem Gehalt. –

                              28.
Als Adeline mehr und mehr empfunden,
Wie würdig Don Juan und wie schwer bedroht,
Und tieferes Int'resse sie umwunden,
Weil sich so frisch ihr die Empfindung bot
Und weil sie ihn so harmlos stets gefunden,
Was oft die Unschuld bringt in arge Noth,
Erwog sie, wie – denn Halbes haßt das Weib –
Sie retten könnte Seele ihm und Leib.

                              29.
Sie hatte eine gute Meinung von dem Rathe,
Wie jede, die ihn gratis gibt und nimmt,
Für die ein Dank schon Lohn in hohem Grade,
Wenn guter Rath gleich nirgends reichlich schwimmt.
Sie suchte lange nach dem besten Pfade,
Bis endlich sie sich für die Eh' bestimmt
Als Sittlichstes, und als sie dies nun fand,
Rieth sie ihm ernstlich zu der Ehe Band.

                              30.
Don Juan erwiderte in art'ger Weise,
Er sei der Ehe äußerst zugethan,
Doch wenn er seinen Fall betracht' mit Fleiße,
Erscheine etwas schwierig ihm der Plan;
Ihm selbst behag' nicht eben jede Speise
Und er sei auch gewiß nicht Aller Hahn;
Er nähme freilich manche Dame gern',
Doch hätte die bereits schon ihren Herrn.

                              31.
Nach dem Parthien für sich selbst creiren,
Für Töchter, Brüder und Geschwisterkind,
Die sie wie Bücher auf Ein Brett rangiren,
Liebt eine Frau nichts mehr, als toll und blind
(Wie Actionäre, wenn sie selbst floriren)
Drauf los zu kuppeln, wo nur Led'ge sind;
Dies ist nicht Sünde, nein, ein Gegengift
Und dies der Grund, warum man's üb'rall trifft.

                              32.
Doch nie (die led'gen Fräuleins ausgenommen
Und die Geliebten, die nicht heirathbar,
Auch Wittwen, die dagegen eingenommen)
Gab's eine Dame, die erfüllt nicht war
Zum Einheitsdrama in der Eh' zu kommen,
Und es bei Tisch und Bett zu machen wahr,
Nach Aristoteles, wenn's auch erlahm'
Zur Pantomime und zum Melodram.

                              33.
Sie haben meistens einen Sohn und Erben
Von großen Gütern, einen Baronet
Aus altem Haus, 'nen lust'gen oder herben,
Mit dem vielleicht trotz allem Nachtgebet
Die edle Linie gänzlich aus könnt' sterben,
Wenn eine Heirath nicht in's Mittel trät',
Zur Besserung von Aussicht und Moral
– Von Schönen aber eine große Wahl.

                              34.
Aus diesen wählen sie mit Ueberlegen
Dem eine Erbin, eine Schönheit Dem,
Dem eine Sängerin zu seinem Segen,
Dem Eine, die durch Thätigkeit genehm,
Und Jenem Eine, die des Wissens wegen
Für jeden Mann ein wahres Diadem,
Auch Eine nützlich durch die Vetterschaft
Und Eine, wo ein Einwurf unstatthaft.

                              35.
Als Rapp, der Harmonist, die Eh' beschränkteDiese merkwürdige deutsche Colonie, welche in Amerika blüht, schließt die Ehe nicht ganz aus, wie die Shaker es thun; legt ihr aber einen gewissen Zwang auf, so daß in einer gewissen Reihe von Jahren nur eine gewisse Anzahl Geburten eintreten darf. Diese Geburten treten wie bei den Schafen alle so ziemlich in demselben Monat ein. Diese Harmonisten sollen ein sehr wohlhabendes, frommes und ruhiges Völkchen sein.
In seinem Musterstaat der Harmonie
(Den er so lange ohne Unfall lenkte,
Weil Zeugung stimmte mit Oekonomie
Und man sich nicht in Kosten tief versenkte,
Wobei Naturtrieb niemals noch gedieh)
Warum hieß er harmonisch seinen Staat,
Der doch der Ehe so erschwert den Pfad?

                              36.
Er höhnte hiemit Harmonie und Ehen,
Indem er beide von einander trennt',
Doch ob in Deutschland Solches er gesehen,
Ob nicht, ihm glückte sein Experiment:
Sein Staat ward reich und fromm, man muß gestehen,
Mehr als der unsre, der nicht Eh'zwang kennt.
Ich greif' den Titel, nicht die Sache an,
Obschon mich's wundert, daß gelang sein Plan.

                              37.
Rapp ist der Gegensatz der hitz'gen Damen,
Die Malthus trotzend, den Begattungstrieb
Begünstigen mit ihrem Gönnernamen
Und Alles thun, daß Niemand ledig blieb;
Denn so unendlich schießet nun der Samen,
Daß es die Hälfte über's Weltmeer trieb.
So wirkt Kartoffel neben Leidenschaft,
Was großes Kopfweh' unsern Cato's schafft.

                              38.
Las Adeline Malthus? – Kann's nicht sagen,
Ich wollt's! Sein Buch enthält ein neu Gebot:
»Du sollst nicht freien außer mit Behagen.«
Das heißt: »Nie ein' sich Noth mit Noth.«
Ich will nicht weiter nach dem Satze jagen,
Noch prüfen, ob der Denker recht gebot.
Nur wird das Leben so der Freuden baar,
Die Ehe aber eine Rechnung gar.

                              39.
Doch Adeline, die wol angenommen,
Es finde Don Juan reichlich Unterhalt,
Selbst für 'ne Trennung, sollt' es so weit kommen,
Weil doch ja mancher gute Junge bald,
Wenn er den Ehehimmel kaum erklommen,
Im Ehetanz ein wenig rückwärts prallt.
(Das wäre was für eines Künstlers Stift,
Wie Holbein's Todtentanz, der's Gleiche trifft.)  –

                              40.
Doch Adeline hatte nun beschlossen,
Daß Don Juan sich vermähle – drum genug!
Jedoch mit wem? da gab's viel feine Sprossen:
Miß Fertig, Bock und Scheerer, und im Flug
Füg' ich noch bei, zwei reiche hoch geschossen,
Die Fräuleins Silberling, die er mit Fug
Nicht weigern konnt', so werth er immer nur,
Die, aufgezogen, gingen wie 'ne Uhr.

                              41.
Da war Miß Mühlteich, sanft wie Sommerbäche,
Und einz'ge Tochter, die ein dicker Rahm
Von Gleichmuth schien in einem großen Bleche,
Bis abgeschäumt dabei zum Vorschein kam
Milch, Wasser und was Blaues auf der Fläche.
Jedoch was thut's! Ist Liebe auch nicht zahm,
Muß Ehe still sein und weil sie verpraßt,
Von Milch und Wasser leben, das sie haßt.

                              42.
Dann war Audacia Schuhband noch zu haben,
Ein lebhaft Fräulein von viel Hab und Gut,
Sie pflegte sich an Stern und Band zu laben;
Doch weil längst ebbte unsre Herzogsflut,
Sie auch wol mangelte der großen Gaben,
Die solche Herren bringen untern Hut,
Nahm sie mit jüngern Brüdern auch vorlieb,
Ob Russ', ob Türke, ziemlich gleich ihr blieb.

                              43.
Und dann, war da – doch warum weiter gehen,
So lang die Damen nicht gegangen sind? –
Nur Eine folg' noch aus dem Land der Feen
Von bester Art, ein wirklich reizend Kind,
Aurora Rebhuhn – hoch schien sie zu stehen,
Ein Stern ob diesem Leben, hold und lind,
Ein lieblich Ding, nicht fertig modellirt,
Ein Rosenknöspchen, das erst leicht skizzirt.

                              44.
Reich, edel – aber Waise, hinterlassen
Wol guter Pfleger liebevoller Hand,
Doch so allein! sie schien es tief zu fassen.
Blut ist nicht Wasser, und wenn tief im Sand
Die Theuern ruhn, die uns zu früh verlassen,
Wo wächst uns wieder solch ein süßes Band?
Wir fühlen wol im fröstelnden Palast,
Daß Heimat fehlt, daß wir dort nur ein Gast!

                              45.
Noch jung an Jahren, jünger noch an Zügen,
Lag etwas Hohes in dem edeln Blick,
Der traurig strahlt' trotz seinen Seraphsflügen,
Als ob er malte ihres Seins Geschick,
Als ob er weinte über fremde Lügen,
Gesunkner Menschheit bittere Kritik!
So ganz, als säße sie an Edens Thor
Und trauerte, daß nun ein Schloß davor.

                              46.
Sie war katholisch, eifrig, und mit Strenge,
So weit es nur vermocht ihr weiches Herz;
Gefallne Hoheit trug ein hehr Gepränge
Für sie, entlockte ihr den tiefsten Schmerz;
Einst füllte ihr Geschlecht das Ohr der Menge
Durch seine Thaten mit dem blanken Erz.
Nie beugt' es sich der neuen Macht, und sie
Hielt an der alten Kirch' und Dynastie.

                              47.
Sie schaute in die Welt, die kaum sie kannte,
Als wollt' sie jene kennen lernen nie,
Still wuchs sie wie die Blume, die verkannte,
Und hielt ihr Herz in Ruh' und Harmonie,
Mit Ehrfurcht nahte ihr selbst der Galante,
Es war als säß auf einem Throne sie,
Fremd dieser Welt, durch eigne Stärke stark,
Und seltsam war's, was diese Seele barg.

                              48.
Nun kam es, daß Aurora blieb vergessen
In Adelinen's Mädchencatalog,
Obschon, nach Reichthum und Geburt gemessen
Vor keiner Schönen die den Kürzern zog,
Auch hätte sie wol Reize g'nug besessen
Und manche Tugend, deren Glanz nicht log,
So daß mit Recht sie schien beachtenswerth,
Wenn Einer zu vermählen sich begehrt.

                              49.
Doch daß man sie – wie einst des Brutus Büste
Wegblieb im Schauspiel des TiberiusSiehe Tacitus B. VI.
Vergaß, reizt', eben Don Juans Gelüste.
Halb ernst, halb scherzend frug er mit Genuß.
Doch Adeline, als ob sie's entrüste,
Sprach herrisch und mit sichtlichem Verdruß:
Sie wundre sich, was er an einem Kind,
Wie diese stille, kalte Raby, find.

                              50.
Don Juan fuhr fort: daß sie am besten passe,
Weil sie ihm gleich in ihrem Glauben sei,
Denn seine Mutter würde krank vor Hasse
Und ihn verflucht' die ganze Klerisei,
Wenn er sich jemals überreden lasse –
Doch Adelin' fiel ihm in's Wort hiebei
Und gab ihm ernstlich ihren Willen kund,
Doch brachte sie nur ihren alten Grund.

                              51.
Warum auch nicht? Ist nur ein Grund begründet,
So macht's ihn schlechter nicht, wird er erneut;
Doch ist er schlecht, gewinnt er, neu verkündet
Nachgiebigkeit hat Manchen schon gereut,
Doch selbst zur Unzeit drauf bestehn, das endet,
Auch der Politiker vor Starrsinn scheut,
Ermüdet gibt er nach, und wird das Ziel
Erreicht, so macht der Weg dahin nicht viel.

                              52.
Warum sie dieses Vorurtheil nur hegte
Und gegen ein Geschöpf, das immerdar
Sich rein von Lastern, heilig fast, bewegte
Und das so schön in Form und Züge war,
Ist eine Frage, die ich vor mir legte
Weil Adeline sonst loyal und klar.
Jedoch ein Jeder hat der Grillen mehr,
Als zu zergliedern der Moment hier wär'.

                              53.
Vielleicht verdroß sie jene ruh'ge Weise,
Womit Aurora schaute auf den Sand,
Der sonst beglückt die jugendlichen Kreise;
Denn nichts reißt uns so ganz aus Rand und Band,
Zumal ein Weib, als wenn – sei's noch so leise –
Mißachtung trifft, was sie gar herrlich fand
Und Jemand sie im rechten Lichte sieht,
Wie Cäsar einst Antonius errieth.

                              54.
Es war nicht Neid – Ad'line hatte keinen –
Gemüth und Stellung hob sie drüber weg;
Verachtung nicht – die größte Schuld der Reinen
War ja, daß sie zu wenig leicht und keck –
Nicht Eifersucht, ich wenigstens will's meinen,
Und geh' nicht nach, dies Irrlicht macht mir Schreck;
Es war auch nicht – doch sagt sich's leichter ach!
Was nicht war, als was Schuld war an der Sach'.

                              55.
Aurora ahnte nicht, daß solcher Reden
Zielpunkt sie sei. Sie war hier auch ein Gast,
Auch eine Blume in dem holden Eden
Von Rang und Tugend, doch in Gold gefaßt,
Nicht wie die andern in den Blumenbeeten,
Von Sonnenstrahl vergoldet nur in Hast;
Hätt sie's gewußt, sie lächelte nur lind,
Sie war so sehr, so wenig auch ein Kind.

                              56.
Frau Adelinen's lebhaft stolzes Wesen,
Es imponirt' ihr nicht; ihr feiner Glanz
War ihr ein Glühwurm, weiter nichts gewesen,
Sie schaute auf zu höhrem Sternenkranz;
In Don Juan's Seele konnte sie nicht lesen,
Die neue Welt war ihr noch dunkel ganz;
Doch blendete sie nicht dies Meteor,
Weil sie als Maß das Aeußre nie erkor.

                              57.
Und auch sein Ruf – denn er besaß die Klasse,
Die oft den Frauen mit dem Teufel winkt,
Von Ruhm und Schande eine wirre Masse,
Wo halbe Tugend durch das Laster blinkt,
Wo Fehler reizen, eben weil sie krasse,
Und Thorheit blendet, weil sie schön geschminkt;
Dies Petschaft übte keinen Druck auf sie,
Zu groß war ihre kühle Harmonie.

                              58.
Don Juan war freund in solchen Charakteren,
Hehr wie Haidee und doch ihr gar nicht gleich;
Sie glänzten beide in den eignen Sphären.
Das Inselkind im stillen Wasserreich
War feurig mehr, als innig zu verehren,
Aufrichtig, ganz Natur; – nicht im Bereich
Aurora's war dies Thun und konnt's nicht sein,
Wie Blume waren sie und Edelstein.

                              59.
Nachdem ich mich so weit empor geschwungen,
Kann die Erzählung ruhig weiter gehn.
Wie Scott bemerkt: »Mein Kriegsruf ist erklungen«.
Mein Scott, den stets ich über mir gesehn,
Der Ritter, Sarazenen hat gesungen
Und Knechte, Lords, wie nie seither geschehn;
Nur Shakespeare oder Voltaire sind ihm gleich,
Von Einem Dieser erbte er das Reich.

                              60.
Ich fahre fort in meiner schwachen Weise,
Zu spielen auf der Menschheit Meeresplan;
Ich mal' die Welt, ob sie es schaut mit Fleiße,
Ficht mich, der sie nicht schonet, auch nicht an;
Ich machte mir schon große Feindeskreise
Durch dies Gedicht, und mehr noch kommen dran.
Ich ahnte beim Beginn, was jetzt ich weiß,
Doch macht mir dies als Dichter nicht sehr heiß

                              61.
Bei der Besprechung oder dem Congresse
(Er schloß, wie jüngst Congresse stets gethan)
Fiel unter Süßes etwas bittre' Kresse,
Und eh' die Sache kam in bess're Bahn,
Rief schon die Glocke, doch nicht daß man esse,
Zur halben Stunde nur, die nach dem Plan
Der Damen Anzug sollte sein geweiht,
Der noch zu leicht für diese kurze Zeit.

                              62.
Bei Tische sollten Thaten nun geschehen,
Wo Schüssel Harnisch, Waffe das Beefsteak;
Doch seit den Bratspieß ließ Homeros drehen,
(Und Mahlzeit schildern hatt' er trefflich weg)
War es nicht leicht, Diners, wie wir sie sehen,
Dem Leser treu zu schildern, weil ja keck
Aus Sauce und Suppe mehr Geheimniß schaut,
Als Hex' und Doctor mit einander braut.

                              63.
Da gab es à la bonne femme eine Suppe,
Gott weiß, woher sie kam; da gab es noch
Als Zwischenspeise eine Turbot-Cuppe
Und Dindons à la Perigueux – das roch!
Da waren – ach wie schlecht ich mich entpuppe,
Als, ungelernter, unmoderner Koch,
Soupe à la Beauveau und als Zugericht
Geräuchert Fleisch, zu höhrem Ruhmeslicht!

                              64.
Doch muß in einen Topf ich Alles gießen,
Denn gäb' ich jede einzelne Partie,
Würd' meine Muse zu weit sicher schießen,
Drum besser, man hält für zu einfach sie;
Denn obschon bonne vivante in dem Genießen,
War doch der Magen ihre Schwäche nie;
Indeß verlangt Erfrischung dies Gedicht,
Damit ihr Geist nicht ganz zusammenbricht.

                              65.
Geflügel à la Condé, Salmenschnitten,
Mit Genfer Sauce und Wildpret-Hüftenstück,
Und Weine, die zu Boden wol geritten
Des Ammon SohnAlexander der Große als Sohn des Jupiter Ammon. (ein seltner Gauch – zum Glück!)
Auch einen Schinken aus Westphalens Mitten,
Dem wol zu lieb Apicius käm' zurück,
Champagner dann, mit einem Schaume ja,
Weiß wie die Perlen der Cleopatra.

                              66.
Und dann à l'Allemande, Gott weiß, welche Speise,
A l'Espagnole Timpal und Mischgericht
Und Vieles noch, um das ich mich nicht reiße,
Wenn Mancher auch gewaltig drauf erpicht,
Auch Zwischenwerk zum Spiel für Kind und Greise,
Woran man einschläft wie durch mein Gedicht,
Indeß Lucull's »Triumphrock« (das heißt Ruhm!)
Feldhühner ziert mit Trüffeln um und um.Ein Gericht à la Lucullus. Dieser Held, welcher das Morgenland eroberte, hat dadurch, daß er die Kirschen nach Europa brachte, und mehreren sehr leckeren Speisen seinen Namen gab, eine noch größere Berühmtheit erlangt; und vielleicht mag er durch seine Kochkunst der Menschheit wirklich mehr Dienste geleistet haben, als durch seine Eroberungen. Ein Kirschbaum mag einen Lorbeerbaum aufwiegen.

                              67.
Was ist des Siegers stolzer Kranz dagegen?
Nur Staub und Fetzen! Wo der Bogengang,
Durch den so Mancher zog, der unterlegen?
Wo ist der Wagen, der Triumphgesang?
Wo Sieg und Gastmahl hinzugehen pflegen!
Doch weiter folg' ich nicht des Grübelns Drang.
Doch ihr moderne Helden mit dem Kranz,
Gibt euer Name auch 'nem Feldhuhn Glanz?

                              68.
Auch jene Trüffeln sind kein übles Essen,
Wenn kleine »Liebesschachteln« noch dabei,Petits puits d'amour garnis de confiture – ist ein classisches und wohlbekanntes Gericht, das einen Theil der Flanken des zweiten Ganges bildet.
Man macht verschieden dies Gericht indessen,
Ein Jeder so, daß es ihm schmackhaft sei,
Ganz nach des Koches eigenem Ermessen
Und nach den Büchern feiner Kocherei;
Wird er auch ohne Confiture gebracht,
Vortrefflich schmeckt ein solcher Liebesschacht.

                              69.
Der Geist verliert sich ganz in dem Beschauen,
Wie in zwei Gängen so viel Wissenschaft!
Hier aufzuzählen, was nicht zu verdauen,
Ging über meine schwache Rechenkraft.
Wer schlösse auch aus Adams magrem Kauen,
Was seither uns die Kochkunst beigeschafft,
Und daß aus dem Bedürfniß der Natur
Emporwuchs Kunst und selbst Literatur. –

                              70.
Die Gläser klangen und die Gaumen schlangen,
Die Hochgebornen Esser speisten gut,
Die Damen thaten mit, doch nur befangen,
Sie hatten kaum zum Picken recht den Muth,
So auch die jungen Herrn, denn diese Rangen
Enthüllen andern Bissen ihre Glut,
Und sind auf das Geflüster mehr gespitzt
Mit einer Holden, die bei ihnen sitzt.

                              71.
Ach unerwähnt muß ich das Wildpret lassen,
Das Salmi, Consommé und das Purée,
Die meinem Reime hier weit besser passen,
Als John Bull's Roastbeef mit und ohne Thee;
Ja nicht einmal ein Rippchen darf ich fassen,
Auch »Schüsselfleisch« thät meinem Reime weh,
Selbst einer Schnepfe köstliches Gericht
Zu schildern hier, taugt nicht für mein Gedicht.

                              72.
Und Früchte, Eis und alles was die Küche
Verfeinerte zu Dienst und Lust des Gout –Ein Wortspiel: gout, englisch, Gicht; goût, französisch, Geschmack.
Heißt's Gicht? Geschmack? Hier komm' ich in die Brüche.
Nun, vor dem Essen neig' ich Frankreich zu,
Doch nachher gibt es Zeichen auch und Flüche,
Die uns zu Englands Wörtchen ziehn im Nu.
Habt ihr die Gicht gehabt? Gottlob, ich nicht,
Doch sie kann kommen, wenn man von ihr spricht.

                              73.
Soll ich des Weins Gefährtin, die Olive,
Ganz übergehn in meinem Speis'bericht?
Sie war ein Futter meinem Hippogryphe
In Spanien, Lucca, Argos – und wo nicht?
Mit ihr und Brod speist' ich wie ein Kalife
Auf grünem Plan, im feinen goldnen Licht
Auf Sunium, ein zweiter Diogen,
Von dem ich wol noch bess're Frucht entlehn'.

                              74.
Inmitten dieser Fisch- und Fleischesmasse
Und der Gemüse, mannigfach maskirt,
Hatt' man die Gäste je nach ihrer Klasse
Zu den verschiednen Schüsseln rings placirt:
Don Juan bei einer Espagnole von Rasse,
Das heißt bei einer Speis', so titulirt,
Und ausgeschmückt ganz einer Dame gleich
Mit tausend Dingen aus dem Feenreich.

                              75.
Durch einen Zufall kam er heut' zu sitzen
Links bei Aurora, rechts bei Adelin';
Das war ein Platz, um nicht gering zu schwitzen,
Denn Herz und Aug' verwirrte mächtig ihn,
Und jenes Zwiegespräch mit seinen Spitzen
War nicht gemacht, daß er bei Laune schien,
Auch schenkt' ihm Adeline kaum ein Wort
Und trieb ihn fast mit ihren Blicken fort.

                              76.
Oft kommt mir vor, als haben Augen Ohren,
Gewiß ist, daß ganz außer Hörbereich
Oft Dinge sich zu hübschem Ohr verloren;
Wie es geschah, weiß wirklich man nicht gleich;
Wie die Musik von sphärischen Emporen,
Die Niemand hört, und klingt sie noch so reich.
Merkwürdig, wie die Frau oftmals erlauscht
Ein lang Gespräch, wenn auch kein Wörtchen rauscht.

                              77.
Aurora zeigte jene Maskenkühle,
Die jeden Ritter nach Gebühr verstimmt;
Nichts ist so tief verletzend dem Gefühle,
Als wenn für uns nicht ein Gedanke glimmt,
Und Don Juan saß in einer sichern Schwüle,
Obschon von eitlem Hochmuth nicht bestimmt.
Er kam sich vor, als wie ein Schiff im Eis,
Nachdem man ihn gewarnt mit so viel Fleiß.

                              78.
Sein heitres Plaudern fand nur tiefe Stille
Und wenn ein Echo kam, war's leeres Nichts;
Aurora schien heut' eine ganze Grille;
Nicht eine Miene zuckte des Gesichts.
Der Teufel stak in ihr! War's Eigenwille,
Zerstreutheit, Stolz, ein Zeichen des Verzichts?
Der Himmel weiß! Doch Adelinen's Blick
Erglänzt' in Lust ob seinem Mißgeschick.

                              79.
»Ich hab's gesagt!« schien sagen sie zu wollen.
Ich warne vor Triumphen dieser Art,
Weil sie zuweilen Einen reizen sollen,
Daß er, damit er seine Stellung wahrt,
In Ernst verkehrt ein anfangs scherzend Schmollen,
Was man an Freund und Buhlen oft gewahrt;
Und alle Leute prophezeien gern
Und hassen die, die so was weisen fern.

                              80.
Don Juan versuchte ein'ge Artigkeiten,
Nicht stark doch fein, und grade groß genug,
Um einer Frau von Geist zu unterbreiten,
Daß man sie eher hoch als tief anschlug;
Aurora aber (ich will nicht entscheiden,
Ob man's nur meint', ob's wirklich zu sich trug)
Ließ die Gedanken so weit nun heraus,
Daß sie belächelt' diesen Ohrenschmaus.

                              81.
Bald kam sie von der Antwort nun zum Fragen.
Bei ihr was Neu's! Und Adelin', die kaum,
Erst als Prophetin hoch den Kopf getragen,
Sah die Kokette fertig schon im Traum.
So schwer wird es, Extremen zu entsagen,
Gibt man einmal den Leidenschaften Raum.
Doch hatte sie hier allzu viel gewahrt,
Aurora's Geist war nicht von solcher Art.

                              82.
Doch Don Juan's Wesen mußte bald gewinnen;
Von stolzer Demuth war's, wenn Stolz hiebei.
'S lag eine Achtung vor den Frauen drinnen,
Als ob ihr Wort Gesetz für Alle sei.
Sein Tact ließ ihn bald ernst bald heiter minnen
Und lehrte ihn bescheiden sein und frei,
Er wußte zu ergründen Jedermann
Und Niemand merkte, wie er es begann.

                              83.
Aurora, die ihn anfangs leichthin mischte
Mit der gemeinen Schmeichler dicker Schaar,
Obschon sie sah, daß er nicht Witze fischte
Und auch kein Geck und Unverschämter war,
Begann zu fühlen, daß er sie erwischte
Mit jenem Schmeicheln, das den Stolzen gar
Durch Achtung, nicht durch Complimente fängt,
Ja dadurch selbst, daß man auch anders denkt.

                              84.
Und dann sein Aeußres! – hierin waren Alle
Längst eines Sinns; nur leider, daß dies gern
Bei Eh'frau'n führt zu des Gerichtes Halle.
Wir überlassen's den geschwornen Herrn,
Zu lang schon weilten wir bei diesem Falle. –
Nun täuschte zwar von je der Augen Stern,
Doch immer wirkt ein schönes Auge mehr,
Als selbst das schönste Buch von Urzeit her.

                              85.
Aurora, die noch mehr in Büchern spürte,
Als in den Augen, war zwar jung, doch klug,
Mehr als die Grazien sie Minerva rührte,
Sie fühlte zu Gedrucktem tiefen Zug;
Doch Tugend selbst, so streng sie sich auch schnürte,
Ist nicht so dürr, wie's Alter ist mit Fug.
Und Sokrates, dies Muster aller Pflicht,
Verschmähte Schönheit, wenn auch mäßig, nicht.

                              86.
Und junge Mädchen sind Sokratologen
Und unschuldsvoll wie Sokrates einst war,
Und wenn der Weise, der Athen erzogen,
Noch Phantasieen trug mit siebzig Jahr,
Wie Plato sie in seinen Dialogen
Geschildert hat, so ist es mir nicht klar,
Warum, versteht sich in bescheidnem Grad,
Sie nicht bei Jungfrau'n finden sollten Gnad'?

                              87.
Und hab' ich je zwei Meinungen verfochten,
Wie Mylord Coke (man suche Littleton),
Die anfangs widersprechend scheinen mochten,
So ist die zweit' die bessere davon.
Vielleicht ich hab' 'ne dritte mit verflochten,
Vielleicht ich habe keine – 's klingt wie Hohn!
Doch wär' ein Dichter ganz mit sich im Blei,
Wie könnt' er schildern diesen Weltenbrei?

                              88.
Wenn sich die Leute selber widersprechen,
Muß ich's auch ihnen thun, und Jedermann,
Selbst meinem Ich? Das hieße selbst mich schwächen!
Das that ich nie! Wer immer zweifelt, kann
Sich etwas zu bestreiten nicht erfrechen.
Der Wahrheit Born ist rein, wo er begann,
Doch führt durch manchen Kreuzkanal ihr Fluß,
Wo auf Fiction sie trüb oft schwimmen muß.

                              89.
Falsch ist die Poesie und die Parabel,
Doch werden sie auch manchmal wahr gemacht;
Sät man in gutes Land selbst eine Fabel,
So hat sie oft ein schön Product gebracht;
Sie macht die Wirklichkeit oft noch tractabel.
Doch was ist Wirklichkeit? Wer hellt die Nacht?
Philosophie? Nein! sie verwirft zu viel.
Die Religion? Doch welcher Farbe Spiel?

                              90.
Millionen müßten dann wol Unrecht haben,
Vielleicht auch haben alle endlich Recht.
Hilf Gott! – Doch daß weil wir hienieden traben.
Das heil'ge Feuer brenne ungeschwächt,
Sollt' man uns mit Propheten neu begaben,
Die alten sich erneuen dem Geschlecht.
In tausend Jahren geht der Glaube drauf,
Frischt man ihn nicht von Oben wieder auf.

                              91.
Doch warum soll in Metaphysik wieder
Ich mich verwickeln? Niemand hasset mehr
Als ich des Zanks, des unfruchtbaren, Hyder;
Und doch! so kommt mir Thorheit, Schicksal quer,
Daß ich mir immer stoße Kopf und Glieder
An Heute, Gestern, Morgen – hin und her.
Doch will ich Tyrern und Trojanern wohl,
Denn Mäßigung war immer mein Idol.

                              92.
Wenn aber gleich ein sanfter Theologe,
Auch in der Metaphysik gut und mild
Und unparteiisch in des Streites Woge,
Wie Eldon, wenn es Narrenfragen gilt,
So bin in Politik ich Demagoge
Und zeige gern John Bull der Völker Bild;
Wie Heclas Quellen siedet dann mein Blut,Der Hecla ist eine berühmte heiße Quelle in Island.
Wenn das Gesetz ein Fürst zu drehn geruht.

                              93.
Wenn Politik und Religion ich bringe,
So thu ich's nicht des Wechsels wegen nur,
Nein! deshalb, weil höchst dienlich diese Dinge
Für die Moral und jede Creatur,
Weil es mein Amt, daß ich Erziehung singe
Und Weisheit füttre mancher Gansnatur.
Und nun zu kitzeln Jedermanns Geschmack,
Will ich's versuchen mit Gespensterschnack.

                              94.
Nun will ich das Beweisen gänzlich lassen
Und die Versuchung reiße künftig nie
Mich fort durch dieses Hangs fatale Gassen;
Ich ändre völlig die Physionomie.
Nie konnte ich des Volkes Meinung fassen,
Die für Gefahr hielt meine Poesie!
Sie ist so harmlos, wie so manch Gedicht,
Das mehr sich müht und wen'ger Früchte bricht.

                              95.
Mein Leser, hast du einen Geist gesehen?
Nein! Doch gehört davon? Genug! – kein Wort!
Bedaure nicht, daß es noch nicht geschehen,
Denn dies Vergnügen wartet dein noch dort.
Auch glaube nicht, ich woll' das Geisterspähen
Verhöhnen und versperren diesen Port
Der hohen und geheimnißvollen Welt –
Es ist mir ernst mit diesem dunkeln Feld.

                              96.
Mir ernst? Ihr lacht – ich nicht in diesem Falle,
Mein Lachen geht von Herzen oder schweigt.
Auch ich erlebte Spuk, wie ihr fast alle.
Doch wo? davon wird Niemand vorgegeigt,
Damit es der Vergessenheit verfalle;
Vor »Richard's Seel' manch bleicher Schatten steigt,«
Ja, hierin tritt mir manchmal Dunkles nah,
Wie es dem Mann von Malmsbury geschah.Hobbes, der an seiner eigenen Seele zweifelte, lehnte doch den Besuch der Seelen anderer Leute ab, da er sich etwas davor fürchtete.

                              97.
Trüb ist die Nacht (ich singe wie die Eule
Und manchmal wie die Nachtigall bei Nacht)
Und um mich krächzt der Vögel wüst Geheule,
Die einst Minerva so berühmt gemacht;
Ein alter Kopf grinst her von alter Säule,
Ich wollt', der Bursche nähm' mich nicht in Acht,
Die Kohle schwindet auf dem Rost so bang –
Ich glaube fast, ich blieb heut' auf zu lang.

                              98.
Und deshalb fühl' ich – ob um Mittag reimen
Auch nicht mein Fall, wo Andres an mich klingt,
Wenn überhaupt Gedanken in mir keimen –
Wie kaltes Schauern mein Gebein durchdringt
Und will drum lieber morgen weiter leimen
An einem Stück, das mir nur Schatten bringt;
Doch fühlet erst, was mich oft drückt und brennt,
Eh' ihr mich schlechthin abergläubisch nennt.

                              99.
Es flattert Leben zwischen beiden Welten,
Dem Sterne gleich an Horizontes Rand.
Was wissen wir, was wir hier sind und gelten
Und erst was künftig hin! Der Wogenbrand
Trägt unsre Blasen fort; wenn sie zerschellten,
So schäumen neue an der Zeiten Strand,
Indessen sich der Reiche Gräber blähn,
Wie flücht'ge Wellen, die vorüber gehn.

 


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