George Byron
Don Juan
George Byron

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Fünfter Gesang.

                               1.
Verliebte Dichter, die gar süße singen
Von ihrer Liebe in gewandtem Reim
Und ihre Verse kosend selbst umschlingen,
Verbreiten so des wahren Unheils Keim,
Nur um so schlimmer, wenn sie lieblich klingen!
Man sieht das an Ovidius' Honigseim.
Petrarca selbst, beurtheilt wie man soll,
Ist nur ein Kuppler, und macht Tausend toll.

                               2.
Ich schelte deshalb alle Liebeslieder,
Die ausgenommen, die nicht reizend sind,
Die einfach, kurz und nüchtern, aber bieder
Und höchst moralisch durch und durch gesinnt,
Wo Weisheit mehr als Lust regt ihr Gefieder
Und Leidenschaft nur durchfliegt wie ein Wind;
Und ist mein Pegasus nicht ganz ein Wicht,
Wird ein moralisch Muster dies Gedicht.

                               3.
Paläste an Europa's heitrem Strande,
An Asiens auch, mit schwer Geschütz gedeckt
Die lange Küste beider Nachbar-Lande,
Sophia's Kuppel wie mit Gold bedeckt,
Cypressen rings, Olymp im Schneegewande,
Zwölf Inseln dann, wie sie kein Traum entdeckt –
So steht das Bild, so unbeschreiblich da,
Das Mary Montague entzückt einst sah.

                               4.
Der Name Mary ist noch meine Schwäche,
Einst war's ein magisches Geläut für mich,
An Feeen denk' ich noch, wenn ich ihn spreche
Und schaue noch, was nie verwirklicht sich,
Das letzte Fühlen ist's, mit dem ich breche
Und seinem Zauber folg' noch immer ich.
Doch ich werd' weich und mein Gedicht verraucht,
Das doch gewiß kein solch Empfinden braucht.

                               5.
Die Wogen brachen an den Symplejaden
Vom Wind getrieben aus dem schwarzen Meer,
Da kamen sie wie rollende Granaten
Und schlugen auf Europa, Asien her
Und zischten an des Bosporus Gestaden,
Vom »Riesengrab« gesehn, wie groß und hehr!Das Riesengrab ist eine Höhe am asiatischen Ufer des Bosporus und wird als Ziel von Sonntagsausflügen benützt, wie Harrow und Highgate. Kein Meer, in das je ein Tourist gespien,
Hat bösre Wellen als der Pont Euxin.

                               6.
Ein rauher Tag war's in des Herbsts Beginnen,
Wo gleich die Nächte, doch die Tage nicht,
Die Parzen hören auf, den Zwirn zu spinnen
Und schneiden ab, wenn er von selbst nicht bricht;
Und wer im Wellensturme mitten drinnen
Geht mit sich selbst voll Aengsten ins Gericht,
Gelobet Bess'rung, bleibt jedoch ein Wicht –
Ertrunken kann, gerettet mag er nicht!

                               7.
Am Markte stand ein Haufen blasser Sklaven
Von jedem Volke, Alter und Geschlecht
Bei ihren Herrn gleich armen Schlachtbankschafen,
Die heitre Miene merklich abgeschwächt,
Im Vorgefühl von Elend und von Strafen,
Von Freunden fern, von Freiheit und von Recht.
Mehr Philosoph, ergebner war der Mohr,
Ihm kam als Aal das Schinden öfters vor.

                               8.
Don Juan war jung, somit voll Kraft und Hoffen,
Wie Leute seines Alters immer sind,
Doch etwas wol von diesem Schlag betroffen,
Und Thränen flossen, leise zwar und lind.
Der Blutverlust entblößte ihn von Stoffen
Und beugte ihn. Auch jenes liebe Kind,
Die Aussicht auf ein neues Glück war hin!
Nun fiel er einem Türken zum Gewinn!

                               9.
Das konnte einen Stoiker erschüttern,
Und doch sah er nicht düster, elend aus,
Und die Gestalt, noch fest vom guten Füttern,
Auch mancher Goldrest an dem nobeln Flaus,
Empfahl ihn wol bei Töchtern und bei Müttern;
Man sah, er war aus edlem, hohem Haus;
Auch blaß war er der schönste Kerl der Welt,
Und dann – bedachte man das Lösegeld.

                              10.
Der Platz war voll von Schwarzen und von Weißen,
Ganz Schachbretartig standen sie gruppirt,
Doch ziemlich regellos. Je nach den Preisen
Ward der in Weiß und der in Schwarz servirt.
Ein kräft'ger Mann, ein gutes Stück zum Beißen,
Von dreißig Jahren, stolz und ungenirt,
Mit grauem Aug' stand neben Don Juan
Und wartete bis Einer käm' heran.

                              11.
Er schien ein Brite nach der Schultern Breite
Und nach der weißen, röthlich frischen Haut,
Mit guten Zähnen, Haar von brauner Seide,
Die offne Stirn' mit Arbeit wohlvertraut
In dem gedankentiefen Furchenkleide,
Ein Arm in blut'ge Binde eingebaut,
So stand er da so ruhig und so kalt,
Als ob es nur ein heiter Schauspiel galt.

                              12.
Doch da er einen Jüngling sah daneben,
Der offenbar von höherm Geiste war,
Obwol er schien vor einem Loos zu beben,
Das Männer wirft, so fühlt' er – bei ihm rar –
'Ne Art von Mitleid mit dem jungen Leben,
Das so in Kummer schien ob der Gefahr,
Obschon er selbst sie schätzte höchst gering
Als leichte Klemme, ein natürlich Ding.

                              13.
»Mein Junge,« sprach er, »in dem bunten Haufen
Von Russen, Persern, Nubiern und so fort,
Die sämmtlich auf den Namen »Spitzbub« laufen,
An die das Loos uns knüpft an diesem Ort,
Sind wir die einzig Nobeln, die zu kaufen;
So laßt uns wechseln denn ein trautes Wort.
Kann ich Euch trösten, wird's mit Lust gethan,
Doch bitte, welchem Volk gehört Ihr an?«

                              14.
Als Don Juan Spanien nannt', sprach jener weiter:
»Ich dacht' es wol, daß Ihr kein Grieche seid,
Die Hunde blicken nicht so stolz und heiter;
Das Schicksal hat Euch tüchtig eingeweiht,
So thut es stets, bis es versucht den Streiter,
Doch in acht Tagen seid Ihr schon befreit.
Es ging mit mir ganz ebenso jetzt um,
Nur nahm ich es, weil ich's gewohnt, nicht krumm.«

                              15.
»Ich bitte« sagte Don Juan, »darf ich fragen,
Was führte Euch hierher?« – »O nichts von Werth!
Von einer Kette ward ich hergetragen
Und sechs Tataren.« – »Aber was, erklärt,
Bracht' Euch in diese schlimmste aller Lagen? –«
»Ich hatte Rußlands Heer mit Dienst beehrt,
Und als Suwarow kürzlich eine Stadt
Zu nehmen ging, man mich genommen hat.«

                              16.
»Habt Ihr nicht Freunde?« – »Wohl, doch Gottes Gnade
Hat mich zuletzt nicht sehr damit geplagt.
Jetzt wißt Ihr meine ganze Iliade;
Nun ist's an Euch, daß Ihr die Eure sagt.« –
»Ach,« meinte Don Juan, »'s wär' in hohem Grade
Betrübt und lang.« – »Dann hab' ich nicht gefragt;
Dann habt Ihr, wenn ihr schweiget, doppelt recht,
Ein langes Klaglied lautet doppelt schlecht.

                              17.
»Doch härmt Euch nicht: Fortuna wird sich fassen,
Obschon ein ziemlich flatterhaftes Weib
Und Euch – sie ist nicht Eures! – nicht verlassen,
Sie zieht Euch bald heraus mit heilem Leib.
Mit ihr zu kämpfen, hieße wahrlich spaßen,
Ein Kampf der Aehre mit der Sichelscheib'!
Der Mensch ist der Verhältnisse Vasall,
Wenn er auch meint, 's sei umgekehrt der Fall.«

                              18.
»Ich traure nicht ob meiner jetz'gen Lage,«
Sprach Don Juan, »nein! ob der Vergangenheit.
Ich liebte!« – – Und sein Auge ward voll Klage,
In seine Wimpern schoß die Bitterkeit
Und fiel herab. – »Doch wie ich Euch jetzt sage,
Mein jetzig Schicksal thut mir nicht so leid.
Ich trug ein Elend auf des Meeres Plan,
Das auch die Stärksten langsam abgethan.

                              19.
»Doch dieser letzte Schlag« – hier stockt' er wieder
Und wandte seitwärts sein bewegt Gesicht.
– »Ach,« sprach sein Freund, »es war also ein Mieder,
Ich dachte gleich an ein so zart Gericht.
Da freilich strömt mit Recht die Thräne nieder,
Ich selbst hielt sie an Eurer Stelle nicht.
Ich weinte, als mein erstes Weib entschlief,
Und später als mein zweites mir entlief.

                              20.
»Mein drittes« – »Was? Ein drittes,« rief der Junge
»Ihr könnt kaum dreißig sein, habt Ihr denn drei?« –
»Nur Zweien athmet noch die zarte Lunge.
O ist es denn so eine Narrethei,
Wenn Einer drei Mal pfändet Herz und Zunge?«
– »Und mit der Dritten ist es auch vorbei?
Sie lief doch nicht und ließ Euch auch im Stich?«
– »Nein, nein!« – »Nun denn?« – »Wer dies Mal lief, war ich.«

                              21.
»Ihr nehmt's,« sprach Don Juan, »mit sehr kaltem Blute.«
– »Nun,« rief der Andre, »was denn soll man thun?
Viel Geigen stehn in Eurem Azimuthe,
Mir sind sie hin. Geht man in jungen Schuhn,
Da spielet der Gefühle Zauberruthe,
Doch mit der Zeit muß jeder Zauber ruhn.
Wie ihre Haut die Schlange von sich gab,
So streift ein Wahn sich um den andern ab.

                              22.
»Dann zieht sie eine neue an und frische,
Oft eine hell're, doch nach einem Jahr
Wird diese Haut auch schon zum alten Wische,
Oft währt sie nur ein kurzes Wochenpaar.
Die Liebe fängt zuerst uns arme Fische,
Dann folgen Ehrgeiz, Ruhmgier, Geiz sogar,
Die Vogelleime unsrer spätern Welt,
Wo wir um Ehre flattern oder Geld.«

                              23.
»Das klingt sehr schön, mag auch als wahr erscheinen,«
Sprach Don Juan drauf, »doch seh' ich gar nicht ein,
Wie's Euern Zustand bessert oder meinen.«
– »Wie?« rief der Andre, »kann was klarer sein?
Als daß man durch Erfahrungen im Kleinen
Und Großen wächst? Wir lernen jetzt recht fein,
Was Sklaverei, und sind wir nur nicht blind,
Kommt's uns zu gut, wenn wir erst Herren sind.«

                              24.
»Ich wollt', wir wären Herrn, um zu versuchen,
Wie, was wir lernten, diesen Türken thut,«
Bemerkte Don Juan unter stillem Fluchen,
»Gott schütze den, der lernt bei dieser Brut.«
– »Wir wollen es einstweilen treulich buchen,«
Sprach jener, »bis das Glück uns wieder gut.
Inzwischen wünsch' ich – (wie der Mohr da schaut!)
'S käm' Einer her und kaufte unsre Haut.

                              25.
»Was ist's mit uns? Wir sind jetzt schlecht gefahren,
Doch kann sich's bessern; das ist Aller Loos.
Wer ist nicht Sklav'? die Großen sind die wahren,
Sie folgen ihrer Leidenschaften Stoß.
Selbst die Gesellschaft, die uns sollte paaren,
Erstickt die Herzlichkeit in ihrem Schooß,
Für Niemand fühlen ist die Kunst der Welt,
Die herzlos Volk für hohe Weisheit hält.« –

                              26.
Hier kam ein altes, schwarzgerauchtes Wesen
Des doppelten Geschlechts und sah sie an,
Und schien im Blick und der Figur zu lesen,
Ob sie auch wirklich dazu angethan,
In einem Türkenkäfig zu verwesen.
Sein Mädchen mustert schärfer kein Galan,
Kein Schmied ein Roß, kein Schneider einen Rock,
Kein Jud das Geld, kein Büttel einen Stock,

                              27.
Als der Eunuch die Sklaven sich betrachtet.
O Menschenkauf ist süß und Jeder feil,
Wenn man auf seine Leidenschaften achtet:
Der opfert für ein schön Gesicht sein Heil,
Der wird für einen Fürsten hingeschlachtet,
Den macht ein Amt, ein Ehrenposten geil.
Ein Jeder hat 'nen Preis, bald groß bald klein,
Je nach dem Laster, das genährt will sein.

                              28.
Nach langer wohlbedachter Augenweide,
Bot der Eunuch dem Menschenhandelsmann
Auf Einen erst und dann auf alle Beide.
Sie feilschten, zankten, fluchten dann und wann,
Als markteten sie um 'nen Sack Getreide,
Um Ochse, Esel und ein Zwiegespann,
So daß ihr Handel zu 'nem Kampf gedieh,
Um jenes Joch von schönem Menschenvieh.

                              29.
Sie wurden endlich Handels eins mit Grollen,
Die Börse kam mit Widerstand hervor,
Es zeigten langsam sich die Silberrollen,
Ein jedes Stück ward umgedreht am Thor,
Und manche Paras wollten sich verzollen,
Als Gold-Zechine, so was kommt ja vor. –
Bis voll die Summ' und jener gab heraus,
Quittirte dann und ging ins Speisehaus.

                              30.
Ich möchte wissen, ob er Eßlust hatte,
Und ob auch die Verdauung richtig war,
Was er wol dachte bei der vollen Platte,
Ob sein Gewissen ihn ergriff am Haar?
Und laut ihn frug, ob er denn nie ermatte
In diesem Markt mit Fleisch und Blute gar?
Wenn mich das Essen drückt, so ist dies mir
Die schlimmste Stunde von den Zwanzig Vier.

                              31.
Voltaire sagt Nein! sein Candide fand das Leben
Nach Tische sehr behaglich stets. Wenn nicht
Der Mensch ein Schwein, muß ich ihm Unrecht geben;
Auch das Gefühl wird schwerer durchs Gewicht,
Wofern man nicht berauscht – dann mag sich heben
Der Druck des Hirns, so lang man Unsinn spricht –
Vom Essen denke ich, wie Ammon's Sohn,Siehe Plutarch in Alex., Q. Curt. Hist. Alexand. und Sir Richard Clayton's Kritische Forschungen über das Leben Alexanders des Großen.
(Dem nicht genügt' Ein Vater und Ein Thron);

                              32.
Wie Alexander denk' ich, daß das Essen
Und ein Paar Freuden von der gleichen Art
Uns manche Noth des Lebens läßt vergessen.
Wenn ein Ragout mit einem Fisch gepaart,
Wenn Braten, Suppe nebst Delicatessen
Zu Freud und Leid den Meisten täglich ward,
Wer wollte sich viel kümmern um den Geist,
Der doch so sehr an dem hängt, was man speist.

                              33.
Letzthin, am Freitag hat sich's zugetragen,
Thatsache ist's, nicht Phantasie-Gebild;
Als Hut und Handschuh auf dem Tisch noch lagen,
Und in den Rock zu schlüpfen ich gewillt,
Fiel dumpf ein Schuß – es hatte acht geschlagen.Der Mord, auf den hier angespielt wird, fand am 8. December 1820 in den Straßen von Ravenna Statt, kaum hundert Schritte von der Wohnung des Autors.
Rasch stürzt' ich fort, ich sagte mir: »Das gilt!«
Da – auf der Straße lag der Commandant
Des Militärs, zu athmen kaum im Stand.

                              34.
Der arme Mann! sie hatten ihn durchschossen
Mit fünf Geschossen, wol aus wicht'gem Grund.
Da lag er auf das Pflaster hingegossen,
Ich schleppte in sein Haus den schweren Fund
Und zog ihn aus und schaffte unverdrossen;
Doch Alles war umsonst, es schwieg sein Mund.
Er war dahin! Aus einem alten RohrMan fand einen alten, halbabgesägten Flintenlauf neben ihm. Er war eben abgefeuert und noch warm.
Flog ihm der Schlüssel zu des Himmels Thor.

                              35.
Ich schaut' ihn an, ich kannte ihn seit lange,
Und ob ich schon der Todten viel gesehn,
Sah ich doch Keinen mit so ruh'ger Wange,
Doch war der Schuß durch Herz und Bauch geschehn.
Er schien zu schlafen nach vollbrachtem Gange,
Denn da das Blut nach Innen mußte gehn,
Wies auf das Gräßliche kein Tropfen schier.
Als ich ihn ansah, sagte ich bei mir:

                              36.
»Ist dies der Tod? Was ist dann Tod und Leben?
Sprich!« – Doch er schwieg. – »Erwache!« – Er schlief fort.
Und gestern noch, welch kräftig Sein und Streben!
Bei tausend Krieger lauschten seinem Wort,
Er konnt' Befehle wie der Hauptmann geben:
»Geh!« und man ging. »Komm her!« – man kam schon dort.
Trompet' und Pfeife schwiegen, wenn er sprach,
Jetzt tönt ihm nur die dumpfe Trommel nach.

                              37.
Und die ihn einst bedienten und verehrten,
Sie drängten nun die Köpfe um das Bett,
Um noch einmal den Mann zu schaun auf Erden,
Der gerne anderswo verblutet hätt'.
Ihm solch ein End', der einst auf blut'gen Fährten
Den Feind getrieben mit dem Bajonet,
Der Erste, wenn es Sturm und Angriff galt,
Nun hingemäht durch tückische Gewalt!

                              38.
Die frischen Wunden saßen bei den Narben,
Den Ehrennarben, die ihm Ruhm gebracht;
Und schrecklich war der Gegensatz der Farben!
Doch weg davon! denn diese dunkle Nacht
Heischt schärfern Blick, als Menschen sich erwarben.
Ich schaute hin, wie ich es oft gemacht,
Ob ich vom Tode nichts erlauschen sollt',
Das Glauben geben oder nehmen wollt'.

                              39.
Doch es blieb Nacht! Hier sind wir, keine Frage!
Und dahin fahren wir. Doch wohin? – Ha,
Fünf Stücke Blei, Eins ändert unsre Lage,
Und ist dies Blut denn zum Vergießen da?
Kann jedes Element vernichten unsre Tage?
Luft, Erde, Wasser, Feuer leben ja,
Wir aber nicht? die Allergründer? – Nein!! –
Doch nun zurück zu Don Juans neuem Sein.

                              40.
Der Käufer Don Juans führte seine Waare
Hinunter nun nach goldverziertem Boot.
Dort stieg er ein und schiffte mit dem Paare
So schnell dahin, als wäre er bedroht.
Sie sahen aus, als ging es zum Altare,
Zu einem heidnisch grausen Opfertod,
Bis ihren Kahn nun ein Kanal empfing,
In dem der Schatten von Cypressen hing.

                              41.
Hier klopfte ihr Geleitsmann an die Pforte,
Die klein und eisern, rasch geöffnet ward,
Dann zog er sie durch Buschwerk niedrer Sorte,
Mit hohem Baumschlag da und dort gepaart.
Es war so dunkel an dem fremden Orte,
Daß sie den Pfad mit Mühe nur gewahrt.
Der Mohr gab den Matrosen einen Wink,
Sie fuhren ab so schweigsam und so flink.

                              42.
Als sie auf diesem Schlangenpfad sich schoben,
Durch Büsche von Orangen und Jasmin,
– Ich hätte hier die Fülle gern erhoben
Von Wunderpflanzen, die wir nicht erziehn
In unsrem magern kalten Norden droben,
Doch bei den Schmierern unsrer Zeit erschien
Schon manch Gewächshaus auf der Staffelei,
Weil Ein Poet gereist in der Türkei.

                              43.
Als sie so weiter drückten auf dem Pfade,
Schoß Don Juan ein Gedanke durch den Kopf;
Er flüsterte, indem er Jenem nahte
(Dasselbe wuchs wol unter jedem Schopf): –
»Ich denke«, sprach er: »'s wäre just nicht Schade,
Wenn wir das Schicksal faßten hier am Zopf
Und schlügen diesem Kerl den Schädel ein
Und liefen fort – im Nu könnt's fertig sein?«

                              44.
»»Und was?«« frug jener, »»wenn dies nun geschehen?
Wo dann hinaus? Wo kamen wir herein?
Wenn glücklich wir dem Ort den Rücken drehen
Und vor Sanct Barthel schützen das Gebein,Der H. Bartholomäus soll lebendig geschunden worden sein.
Wird uns der Morgen nicht gefangen sehen
Und unsrer warten nur noch schlimm're Pein?
Mich hungert überdies, ich gäb' auf Ehr'
Die Erstgeburt gleich für ein Beefsteak her.

                              45.
»»Gewiß sind wir ganz nahe einem Hause;
So sicher kriecht der alte wüste Mohr
Mit uns durch diese wirre finstre Klause,
Es paßt gewiß ein guter Freund am Thor.
Ein Ruf von ihm bringt uns ein schwer Gezause,
Drum sehen wir für jeden Fall uns vor.
Schau! diese Wendung hat uns schnell gebracht
Vor ein Palais voll Lichterglanz und Pracht.««

                              46.
Vor ihren Blicken stand ein stolz Gebäude,
Auf dessen vordre, regellose Wand
Gar viel Vergoldung ihren Schimmer streute,
Auch Farbenspiel, nach türkischem Verstand;
Der Ungeschmack beherrschet hier die Leute
In jeder Kunst, die einst doch hier entstand.
Wie Lichtschirm und Coulisse sieht, o Graus!
Am Bosporus fast jede Villa aus.

                              47.
Doch als sie nahten, kam von gutem Braten,
Von Reis und Rostbeaf ihnen ein Geruch,
Was bei der Menschheit immer stand in Gnaden,
Und Don Juan's Pläne brachte rasch zum Bruch;
Von solchem Duft ließ er sich gern berathen,
Dazu kam noch des Freundes kluger Spruch:
»Ins Himmels Namen, speisen wir zu Nacht,
Dann bin ich Euer, wenn Ihr Unsinn macht.«

                              48.
Ein Redner hält sich an die Leidenschaften,
Ein andrer ans Gefühl, an den Verstand.
Das letztre wollte niemals noch recht haften,
Weil man Verstand nie zeitgemäß erfand.
Der Sprecher glaubt's durch Winseln zu erkraften,
Durch Geißeln jener; doch die ganze Band'
Macht uns mit ihren Kraftbeweisen Pein
Und kurz zu sein, fällt keinem Einz'gen ein.

                              49.
Indeß von allen Rufen, die uns tönen
– Ich traue viel dem Pathos zu, dem Gold,
Der Schönheit Schmeichelei, dem Zornes-Dröhnen –
Klingt uns doch keiner so unendlich hold,
Weiß so das Herz mit Allem zu versöhnen,
Daß es erweicht und keinem Menschen grollt,
Als jener Allbesänft'ger, jener Schall
Der Glocke, die zu Tische ruft uns All'.

                              50.
Den Türken fehlt die Glocke, doch sie speisen,
Und ob auch Don Juan und sein Freund noch nicht
Lakaien sahn zur Tafel sie zu weisen,
Noch läuten hörten zum Mittagsgericht,
So rochen sie den Braten doch am Eisen
Und hatten auch die Köche schon in Sicht
Und schauten mit des Hungers scharfem Blick
Nach rechts und links, was ihnen Allah schick'.

                              51.
Schon dachten sie nicht mehr zu widerstehen
Und folgten ihrem schwarzen Führer hart,
Der gar nicht ahnte, daß ihn weg zu mähen,
Noch eben hinter ihm besprochen ward.
Jetzt hieß er sie ein wenig stille stehen
Und pocht' ans Thor, das bald melodisch knarrt
Und eine große Halle zeigt die Pracht,
In der ein Türke sich's behaglich macht.

                              52.
Ich schildre nichts, es ist zwar meine Stärke,
Doch heut zu Tage schildert jeder Thor,
Wie er gewandert über alle Berge,
Und will gerühmt sein als ein Meteor.
Weh' dem Verleger seiner Wunderwerke!
Doch die Natur verliert nicht den Humor,
Ward sie gequält auch zwanzigtausend Mal
Durch Bücher, Verse, Skizzen ohne Zahl.

                              53.
Entlang der Halle kauerten die Einen
Nach Türken Art und spielten Schach dazu,
Die Andern schien Geplauder zu vereinen,
Die Dritten freuten sich an Rock und Schuh;
Und Ein'ge rauchten Pfeifen reich an Steinen,
Und Bernsteinspitzen in erhabner Ruh,
Der schlief mit Lust und Der stieg stolz herum,
Der rüstete auf's Essen sich mit Rum.In der Türkei geschieht es sehr häufig, daß man mehrere Gläser Liqueur nimmt, um den Appetit zu reizen. Ich habe gesehen, wie Türken 6 Gläser Raki vor Tisch nahmen und behaupteten, sie haben um so mehr essen können. Ich versuchte es auch; es ging mir aber wie dem Schotten, der gehört hatte, die isländischen Möwen reizen den Appetit, und nachdem er 6 davon gegessen, sich beklagte, daß er jetzt erst nicht hungriger sei als da er angefangen habe.

                              54.
Als der Eunuch herein trat mit dem Paare
Von Christenhunden, ward er zwar beguckt,
Doch ging nicht langsamer der Janitschare
Und der der saß, mit keiner Miene zuckt';
Man sah sie an, als wär' es Pferdewaare,
Die man beschaut, ob's irgendwo nicht spukt,
Auch winkten ihm ein Paar von ihrem Ort,
Doch keiner störte ihn mit einem Wort.

                              55.
Er führt sie durch die Halle ohne Säumen
Und weiter hin durch eine Zimmerreih',
Es herrschet Stille in den prächt'gen Räumen;
Hier tropfet nur des Brunnens Einerlei.Eine gewöhnliche Einrichtung. Ich erinnere mich, daß mich Ali Pascha in einem Zimmer empfing, in welchem sich ein Marmorbecken und ein Springbrunnen befand.
Und unterbricht das mystisch düstre Träumen.
Neugierig huscht ein Mädchenkopf vorbei,
Ein schwarzes Auge durch ein Gitter lauscht
Und frägt, was hier so ungewöhnlich rauscht.

                              56.
Gedämpfte Lampen hängen von den Wänden
Und zeigen kaum, wohin die Straße führt,
Die stolzen Hallen wollen Niemand blenden,
Den Glanz verhüllen, wie es sich gebührt,
Nichts packt auch so das Herz an allen Enden,
Daß es fast Angst und heimlich Graun verspürt,
Als so ein Prunksaal, dessen todte Pracht
Kein lebend Wesen lebend für uns macht.

                              57.
Zwei, Drei sind wenig, Eins will gar nichts heißen.
In Wüsten, Wäldern und am Meeresstrand
Mag Einsamkeit ihr volles Antlitz weisen,
Von jeher waren sie ihr Vaterland.
Jedoch in Hallen, die von Schimmer gleißen,
Ob nun modern, ob auch antik die Wand,
Erfaßt uns Schauer, wenn in einem Raum
Für hundert Menschen – zwei erscheinen kaum.

                              58.
Ein trauliches und stilles Arbeitszimmer,
Ein Buch, ein Freund, ein Mädchen und ein Glas
Bordeaux, ein Sandwich, dazu Eßlust immer,
Dies braucht, wer lang an brit'schem Herde saß,
Vermißt dann gern den eiteln Prunk und Schimmer,
– Selbst ein Theater, das erhellt von Gas. –
Ich bring' in großen Hallen zu die Nacht,
Das ist's, was mich so melancholisch macht.

                              59.
Der Mensch macht groß, was ihn klein läßt erscheinen.
In einer Kirche ist das recht und gut,
Was Gott erhebt, muß alle Kraft vereinen,
Damit es so gewaltig schallt und thut,
Als sprächen Geisterchöre aus den Steinen.
Doch große Häuser nehmen uns den Muth;
Am Thurm zu Babel sehen wir es klar,
Es ist noch heute wie vor tausend Jahr.

                              60.
Ein Jagdsitz Nimrods war erst dieses Babel,
Dann reiche und umwallte Gartenstadt,
Wo einst Nabuco thront' und nach der Fabel,
Dem Ochsen gleich ins Gras gebissen hat,
Wo Daniel dem Löwen strich den Schnabel,
Daß alles Volk geglotzt, gestaunet hat.
Wo Pyramus und Thisbe lebten, und
Semiramis geschmäht ward ohne Grund.Babylon wurde durch Nimrod vergrößert, durch Nabuchodonosor befestigt und verschönert und von Semiramis umgebaut.

                              61.
Wie haben sie beschuldigt die Autoren,
(Es war wol ein Complot der Sensation)
Daß sie ihr Herz an einen Hengst verloren!
(Lieb' ist oft Ketzerin wie Religion)
Die Scheußlichkeit fand leider gläub'ge Ohren,
Doch scheint's – man hat ja Beispiele hiervon –
Verschrieben – »Renner« anstatt »Männer« – mir,
Ich wollt', der Fall käm' vor 'ne Jury hier.

                              62.
Doch sollt' es etlich Glaubenslose geben
– Und was kann nicht in unsern Tagen sein? –
Nicht glaubend nur, weil sie's nicht finden eben,
Wo Babel stand und jener Thurm von Stein
– Obschon Herr Rich zwei Ziegel fand daneben
Und drüber schrieb zwei Bände obendrein –
Auch nicht den Juden glaubend, dieser Brut,
Der man muß glauben, ob sie's selbst nicht thut,

                              63.
So mögen sie dran denken, wie das Bauen
Horaz gar kurz und schön gegeißelt hat,
Der Thoren nämlich, die nur Pläne brauen,
Uneingedenk der letzten Ruhestatt;
Denn alle Dinge enden doch mit Grauen,
Ein melancholisch, aber wahres Blatt.
Das immemor sepulchris struis zeigt,
Daß Mancher baut, der bald zu Grabe steigt.

                              64.
Ein fern Gemach nahm endlich auf die Dreie,
Wo Echo wie aus langem Schlaf erwacht'.
Es war gefüllt mit einer langen Reihe
Kostbarer Dinge nur für's Aug' gemacht,
Doch ohne wahren Nutzens edle Weihe.
Der Reichthum hatte hier entfaltet seine Pracht
Und einen Raum mit Möbeln überfüllt,
Woran sich Kunst, doch nicht Vernunft enthüllt'.

                              65.
Es schien indessen nur das Thor zu bilden,
Zu weiterer Gemächer langer Flucht,
Gott weiß nach welchen himmlischen Gefilden;
Doch das Geräth war hier höchst ausgesucht,
Auf solche Sopha's plumpten nur die Wilden,
Kein Biedermann mit seines Leibes Wucht.
Und dieser Teppich wie so glatt und weich,
Ein Goldfisch selbst vertraut' ihm seinen Laich.

                              66.
Der Schwarze aber wandte kaum die Blicke
Nach dem, was jene in Erstaunen setzt';
Wo auf den Zehen sie mit viel Geschicke
Kaum hingestreift, damit sie nichts verletzt,
Da strampfte ungenirt der schwarze Dicke.
Nach einem Schranke wandte er sich jetzt,
Der in der Nische stand, dort bei der Thür;
Seht ihr sie nicht, so kann ich nichts dafür. –

                              67.
Ich möchte stets auf's Deutlichste beschreiben!
Der Schwarze also öffnete den Schrank
Und zog daraus – ich will nicht übertreiben –
Doch jeder Türke, ob beleibt ob schlank,
Konnt' einen Anzug hier sich einverleiben,
So viele waren's, und so fein und blank.
Der Mohr jedoch ließ jenen nicht die Wahl,
Er wählte selbst, was ihm der Zweck empfahl.

                              68.
Der Anzug, den für passend er gefunden,
Bestand beim ältern und beleibtern Mann
In einem Kaftan, der den Leib umwunden,
Und Pantalons so weit als man nur kann,
'Nem Caschmirshawl, der Jedem würde munden,
Pantoffeln ferner, zierlich von Saffian,
Und einem Dolch, reich eingelegt und scharf,
Kurz was ein türk'scher Stutzer nur bedarf.

                              69.
Indeß sie Baba freundlich angekleidet,
Wies er bedeutsam auf die Freuden hin,
Die Jedem hier Fortuna noch bereitet,
Wenn er nur folgte ihrem Wink und Sinn;
Dann fügt' er bei, sie würden, wohl geleitet,
Durchdringen zu noch höherem Gewinn,
Wenn sie sich schwängen zum Entschluß empor,
Der Taufe zögen die Beschneidung vor.

                              70.
Es würde ihn unendlich ja entzücken,
In ihnen wahre Gläubige zu schaun;
Doch wolle er nicht mit Gewalt drauf drücken. –
Der Brite dankte ihm für das Vertraun
Und für die Absicht, so sie zu beglücken,
Er könne keck auf seine Stimme baun.
Dies edle Volk, sein Brauch und Ritual
Sei ihm schon längst ein wahres Ideal.

                              71.
Er habe nur sehr wenig einzuwenden,
Der alte Brauch sei ihm höchst achtungswerth,
Und wollt' man ihm nur einen Bissen spenden,
Weil er so lange gar nichts mehr verzehrt,
So würde er gewißlich damit enden,
Daß er zu jener Sitte sich bekehrt. –
– »Ihr wollt?« schrie Don Juan, »mich schlagt lieber todt,
Nehmt meinen Kopf, wenn Ihr mit so was droht! –

                              72.
»Ja, lieber soll den Kopf man mir abschlagen!«
»»Ei,«« sprach der Andre, »»unterbrecht mich nicht;
Was wollt' ich doch dem Herren eben sagen?
Ja, wenn ich erst gegessen ein Gericht,
Will ich an Euern Plan mich ernstlich wagen
Und sehen, ob er meinem Zweck entspricht;
Vorausgesetzt Ihr seid so gütig noch
Und überlaßt es meinem Willen doch.««

                              73.
Baba sah Don Juan an: »Habt nun die Gnade,«
Sprach er, »und zieht auch Ihr Euch an.« – Dabei
Wies er auf eine reiche Maskerade
Für eine Fürstin wahrlich der Türkei:
Doch Don Juan stieß ergrimmt in hohem Grade
Hinweg die saubre Harems-Mummerei.
Und als der Alte sprach: »So macht doch schnell!«
Erwidert er: »»Ich war noch nie Mamsell.««

                              74.
»Mir ist es gleich, für was Ihr wollt passiren,«
Sprach Baba drauf, »doch thut wie ich begehr';
Ich hab' nicht Zeit, noch Worte zu verlieren.«
– »»Ich darf doch fragen,«« meinte Don Juan, »»wer
Mit diesen Possen mich darf cujoniren?««
– »Fragt nicht!« rief Baba streng, »ich bitte sehr!
Das Alles wird zur rechten Stunde klar,
Ich darf Euch nichts entdecken, bei Gefahr.«

                              75.
– »»Dann,«« fluchte Don Juan, »»soll mich, wenn ich's thue«« –
»Halt,« rief der Neger, seid zu heftig nicht!
Glut ist schon gut, jedoch gepaart mit Ruhe.
Wir lieben's nicht, wenn man zu trotzig spricht.«
– »»Was wird die Welt mir schieben in die Schuhe,««
Schrie Don Juan, »»wenn ich auf's Geschlecht verzicht'?«« –
Doch Baba stopft' ihm mit dem Wort den Mund:
»Still mit Geschlecht! sonst nimmt man's Euch zur Stund'!«

                              76.
»Ich biete Euch gar herrliche Gewänder,
Zwar weibliche, doch das hat seinen Grund.« –
– »»Von ganzer Seele hass' ich Rock und Bänder,
Nein! dieses Maskenspiel ist mir zu rund!««
So fluchte Don Juan auf die zarten Pfänder.
»»Was thu ich hier mit diesem dünnen Schund?««
Und schimpfte auf das feinste Spitzenband,
Das je ein holdes Brautgesicht umwand.

                              77.
Und fluchend schlüpft' er in die seidnen Hosen,
'S war doch was anders als ein schnöder Drillch;
Dann kam ein Gürtel reich geschmückt mit Rosen,
Das Hemd zu halten, das so weiß wie Milch.
Doch auf das Röckchen trat er mit Erbosen,
Was, oder wie die Schotten sagen, »wilch« –
(Das macht der Reim; ein König ist oft nicht
So schwierig und so streng, wie ein Gedicht).

                              78.
»Wilch,« welches, was er wol vermieden hätte,
Wär ihm der Anzug nicht so neu und fremd.
Doch endlich schloß er seine Toilette,
Obschon sie ihn noch etwas engt und klemmt.
Der Neger Baba half ihm um die Wette,
Wenn ihn ein ungewohntes Hauptstück hemmt.
Als er die Arme in die West' gezwängt,
Betrachtet er, wie Alles sitzt und hängt.

                              79.
Eins fehlte noch: es waren Don Juan's Haare
Nicht lang genug; doch Baba fand alsbald
So viele falsche Zöpf' und Lockenpaare,
Daß seine Stirne herrlich ward umwallt,
Ganz nach der Mode im Kalenderjahre.
Juwelen glänzten in dem dunkeln Wald,
Wie sich's geziemte für solch Prachtgewand
Und Baba kämmte noch und salbt' galant.

                              80.
Und nun mit Hilfe von Toupet und Scheere,
Von Zängelchen und Schminke schön geschmückt,
Sah Don Juan aus als ob's ein Mädchen wäre,
Und Baba lächelte und rief entzückt:
»Ihr seid verwandelt, umgetauscht auf Ehre,
Nun kommt mit mir, daß Ihr die Frucht auch pflückt.
Das heißt – Madame!« dann klatscht' er in die Hand,
Ein Mohrenpaar sofort auch vor ihm stand.

                              81.
»Ihr Freund,« sprach Baba nun zu unsrem Briten,
»Folgt zu dem Abendbrode diesem Herrn.
Euch aber, holde Christin, muß ich bitten,
Mit mir zu kommen, ungern oder gern,
Wenn ich was sage, wird nicht mehr gestritten.
Was fürchtet Ihr? Geht's denn in die Cistern'?
Nein, in ein Schloß, wo wenn Ihr weise seid,
Das Paradies Euch seine Freuden weiht.

                              82.
»Ihr Thor! ich sag' Euch, Niemand will Euch kränken.«
– »»Das,«« meinte Don Juan, »»ist für Alle gut,
Sonst sollten sie an diese Fäuste denken
Und fühlen, wie's auf ihrem Schädel thut.
Ich gebe nach, doch werd' ich dem nichts schenken,
Der mir sich naht in dummer Liebesglut,
Und hoffe ich, daß Keiner mich berührt
Und die Verkleidung nicht zu Unheil führt.««

                              83.
»Seht erst!« rief Baba, »statt den Lärm zu machen!«
Und Don Juan wandte zu dem Briten sich,
Der ob betrübt, doch innen mußte lachen,
Als er den Mann mit seinem Rock verglich.
»Lebt wohl!« sprach Jener, »was sind das für Sachen!
An Wundern reich scheint dieser Erdenstrich!
Der wird zum Türken, der zum Mädchen gar,
Durch diesen Zaubrer mit dem Wollenhaar.«

                              84.
»»Und,«« sprach Don Juan, »»wenn ich Euch nicht mehr sehe,
So wünsch' ich Euch noch guten Appetit.«« –
– »Lebt Ihr auch wohl, es thut mir herzlich wehe;
Beim Wiedersehn bringt Jeder Wunder mit.
Das Schicksal will's, da heißt es: Steh' und gehe!
Wahrt Eure Ehr', obschon selbst Eva glitt.«
– »»Der Sultan selbst,«« sprach Don Juan, »»zwingt mich nicht,
Wenn er mir nicht die Heirath gleich verspricht.««

                              85.
So schieden sie nach zwei verschiednen Seiten;
Don Juan ward in das Innere geführt,
Durch schimmernde Gemächer mußt' er schreiten,
Wo Marmor nur der flücht'ge Fuß berührt,
Bis ein Portal ihm öffnet seine Weiten
Und Wohlgerüche seine Nase spürt.
Es war, als nahten sie dem Hochaltar,
So groß und still und göttlich Alles war.

                              86.
Das Riesenthor war hoch und breit und helle,
Von goldner Bronce und wundersam geschnitzt,
Hier sah man eines Kampfes Wechselfälle,
Der Sieger stand, der Feind lag hingeblitzt;
Gefangne zogen, an dem Fuß die Schelle,
Und in der Ferne floh ein Trupp erhitzt.
Es schien ein Werk aus jener Zeiten Stil,
Eh' Constantin auf Stambul's Mauern fiel.

                              87.
Es stand dies Thor am Ende einer Halle,
Auf beiden Seiten dämmerte ein Zwerg,
So winzig klein, so wüst wie eine Qualle,
Gleichsam Ein Stück mit jenem Wunderwerk,
Dem Riesenthor, das aus dem goldnen Walle
Sich aufwärts hob, stolz wie ein Götterberg.
So prächtig stand's, so schön bemessen da,
Daß man die kleinen Dinger gar nicht sah;

                              88.
Bis man genaht und fast auf sie getreten,
Dann fuhr ein Jeder wie entsetzt zurück,
Zu scheußlich waren diese Quadrupeden,
Von jeder Farbe zeigten sie ein Stück;
Die Feder zagt, zu malen ihre Schäden,
Vielleicht der Pinsel machte hier sein Glück,
Die größten Ungeheuer auf der Welt,
Kriegt man sie nur für ungeheures Geld.

                              89.
Ihr Amt – sie waren nämlich keine Schwachen,
Verrichteten auch manches schwere Ding –
Bestand darin, die Thüre aufzumachen,
Die sehr gelind in ihren Angeln ging;
Und insgeheim den Thron auch zu bewachen,
Wenn sich ein Fürst zu meutern unterfing;
Sie brachten dann dem Mann ein hänfen Band,
Ein passend Werk für eines Stummen Hand.

                              90.
Durch Zeichen sprachen sie, sofern dies Sprechen,
Wie Kobold und wie Gnomen sahn sie drein;
Doch Baba warf zur Seite schnell die Frechen
Und öffnete der Thüre Schloß allein.
Vor jener Schlangenaugen gift'gem Stechen
Fuhr Don Juan rückwärts wie vor Feuerschein.
Es war als ob verzaubert Jedermann,
Wer nur gerieth in dieser Augen Bann.

                              91.
Doch vor der Thür hielt Baba etwas stille,
Um Don Juan noch zu geben eine Lehr':
»Es wäre gut – und Alles kann der Wille,
Wenn Euer Gang nicht so energisch wär';
Auch solltet Ihr, und nehmt das nicht als Grille,
Euch nicht so lebhaft schaukeln hin und her.
Das paßt nun einmal nicht zu diesem Kleid,
Auch wünscht' ich Eurem Blick Bescheidenheit.

                              92.
»Folgt mir! Seht, diese Stummen haben Augen,
Die nadelgleich durch Rock und Schürze gehn,
Wenn sie daraus die Wahrheit sollten saugen,
Dann würdet bald des Meeres Grund Ihr sehn.
Wir Beide würden dann zu nichts mehr taugen,
Man würde uns in hübsche Säckchen nähn
Und schwimmen lassen auf dem Marmormeer,
Das ist hier Brauch im täglichen Verkehr.« –

                              93.
Mit diesen Worten, die recht lustig klangen,
Schob er ihn in ein prächtigstes Gemach,
Wo tausend Wunder herrlich sich verschlangen;
Das Auge kam dem Ueberfluß nicht nach,
Es war ein überwältigendes Prangen,
Man fühlte sich in diesem Chaos schwach,
In diesem Wust von Gold, Juwelen, Tand,
Der in so reizender Verwirrung stand.

                              94.
Reichthum that Wunder, doch Geschmack mit nichten,
Es kömmt das öfters im Oriente vor –
Und auch vom Abendland kann man's berichten,
Von manchem Schloß, das stolz sich hebt empor;
Wo Gold und Steine sich in Massen schichten,
Die Kunst jedoch zeigt einen schwachen Flor:
Mißlungne Bilder, Statuen, Geräth,
Nicht werth, daß ein Erzähler darnach kräht.

                              95.
In diesem königlichen Prunkgemache
Lag höchst vertraulich, lockend hingestreckt
Ein Weib, beschirmt von goldnem Himmelsdache.
Baba hielt an und kniete unbedeckt
Und winkte Don Juan, daß er's auch so mache,
Der nicht verstand, was Alles das bezweckt'.
Inzwischen bückte Baba sich zur Erd'
So lang die Ceremonie gewährt.

                              96.
Wie Venus aufstieg aus dem Schaum der Welle,
Erhob sich nun die schöne hohe Frau
Und warf auf sie ein Auge der Gazelle,
Vor dessen Glanz Juwelen schienen grau;
Gab mit dem Arm, der wie das Mondlicht helle,
Baba ein Zeichen, der devot und schlau
Den Saum des Kleides küssend leise sprach,
Auf Don Juan wies, der sich den Kopf zerbrach.

                              97.
Ihr Wesen war so wie ihr Rang erhaben
Und ihre Schönheit so gewalt'ger Art,
Daß jede Schild'rung müßte sich vergraben;
Sie bleibt der Macht der Phantasie gespart;
Man kann nicht malen solche Form und Gaben,
Ihr würdet blind, würd' euch geoffenbart,
Was alles an ihr reizte und entzückt',
Nie wäre mir ein solches Bild geglückt.

                              98.
Zwar war sie reif, muß gleich hinzu ich setzen,
So etwa sechsundzwanzig zählte sie, –
Doch Manche wagt die Zeit nicht zu verletzen,
Wie einst die Schottenkönigin Marie,
Sie hält sich eher an gemeine Fetzen;
Wol nagt der Schmerz und Liebesenergie,
Wol streift der Gram oft holde Reize ab,
Doch eine Ninon stieg noch schön in's Grab.

                              99.
Sie sprach zu ihren Zofen ein Paar Worte,
Es waren ihrer achte oder zehn';
Wie Don Juan ging gekleidet diese Horde,
Von Baba war mit Absicht dies geschehn,
Es schienen Nymphen von der gleichen Sorte,
Wie um Dianen man sie einst gesehn,
Das heißt, so weit man das von Außen sah,
Sonst trete ich Dianen nicht zu nah'.

                             100.
Sie neigten sich gehorsam und verschwanden,
Doch nicht durch unsres Baba's Eintrittsthor;
Indessen Don Juan's Sinne ringsum fanden,
Was sein Erstaunen höchlich rief hervor.
So Herrliches war hier aus allen Landen,
Daß er im Schauen förmlich sich verlor.
Ich faßte nie, warum für wünschenswerth,
Das Nihil admirari ward erklärt.

                             101.
Nichts zu bewundern sei wie ich erfahren
– Bei simpler Wahrheit bleibt die Blume fort –
Die einz'ge Kunst, um Menschenglück zu wahren
– So heißt der Spruch nach seinem strengen Wort –
So sang Horaz vor fast zweitausend Jahren
Und so schrieb Pope auch an demselben Ort
Als Uebersetzer, doch hätt' nie Jemand
Sie angestaunt, schrieb Keiner einen Band. –

                             102.
Als alle Mädchen sich zurückgezogen,
Trieb Baba Don Juan sich nun ganz zu nahn;
Er wollte, daß er seine Knie gebogen
Den Fuß der Dame küssend sollt umfahn;
Doch darin hatt' er sich in Don Juan schwer betrogen,
Denn dieser nahm des Dones Haltung an
Und sprach: Er küsse niemals Jemands Schuh,
Es sei, daß er dem Papst gehöre zu.

                             103.
Darüber kam's mit Baba scharf zum Streite,
Der über solchen Hochmuth tief ergrimmt',
Er brummte selbst – doch dieses nur bei Seite –
Von einer Schnur, die jeden Dünkel nimmt;
Jedoch umsonst! Don Juan warf's in die Weite.
Schön ist's, wo Etikette oben schwimmt,
Sei es im Königsschloß, im Kaisersaal,
Bei einem Ball in abgelegnem Thal.

                             104.
Er stand ein Atlas trotz dem Heer von Worten,
Das ganz umsonst an seine Ohren schlug;
Es schoß das Blut der altcastil'schen Orden
Ihm in den Kopf, den er stets höher trug;
Er ließe lieber tausend Mal sich morden,
Als er den Schild befleckt durch solchen Zug.
Als Baba sah, es geh' nicht mit dem Fuß,
Schlug er den Handkuß vor als Eintrittsgruß.

                             105.
Hier konnte man vereinen sich in Ehren,
Das war ein Punkt bekannter Höflichkeit,
Wo man verlangen durfte und gewähren.
Don Juan erklärte sich auch gleich bereit,
Die Artigkeit zu üben nach Begehren,
Da sie auch Sitte in der Christenheit
Und namentlich im Süden, wo galant
Der Herr der Dame immer küßt die Hand.

                             106.
Er nahte nun, obwol etwas gezwungen,
Und selten hat wol einer zartern HandNichts ist vielleicht bezeichnender für die Vornehmheit der Geburt als die Hand. Es ist fast das einzige Zeichen von Blut, das die Aristokratie erzeugen kann.
Die flücht'ge Spur die Lippe aufgedrungen,
Sie weilt wol gerne auf so schönem Land
Und hat es oft mit Küssen fast verschlungen,
Wenn der Geliebten angehört das Pfand;
Doch auch die Finger einer fremden Fee
Bewirkten oft zwölf Monden Liebesweh.

                             107.
Die Dame maß von oben ihn bis unten
Und hieß dann Baba sich zurückzuziehn,
Der Neger war mit Anstand bald verschwunden,
Doch flüsterte zu Don Juan er noch hin:
Es warten seiner keine Schreckensstunden;
Er lächelte befriedigt wie es schien
Und ging dann fort als wie ein Ehrenmann,
Der eine tugendhafte That gethan.

                             108.
Kaum war er fort, so wechselte die Scene:
Ich weiß nicht, wie der Dame ward zu Muth,
Auf ihrer Stirne wogten dunkle Pläne,
In ihre Wangen stieg das heiße Blut,
Wie blutigrothe Wolkenphänomene
Beim Gehn der Sonne; ihrer Augen Glut
Enthüllte eine Mischung von Gefühl,
Halb wollustheiß, halb wie Commando kühl.

                             109.
Sie hatte Formen, wie sie Engeln eigen,
Doch Züge von des Teufels ganzem Reiz,
Als er mit eines Cherubs süßem Reigen
Eva verlockte auf den Pfad des Leids,
Die Sonne selbst könnt' weniger nicht zeigen,
Als sie von Pünktchen, Fleckchen allerseits.
Doch fehlte es ihr irgendwo und wie –
Statt zu gewähren, commandirte sie.

                             110.
Dies Herrische vom Kopf bis zu den Hacken
Warf einen Bann auf Alles was sie that;
Man fühlte eine Kette um den Nacken.
Selbst durch die Lust zieht eine böse Saat,
Wenn auf Befehl des Herzens Triebe flaggen,
Denn frei ist unsre Seele, kein Soldat,
Sie unter's Fleisch zu beugen Unverstand,
Der Geist behält ja doch die Oberhand.

                             111.
Ihr Lächeln war wol süß, doch überlegen,
In ihrem Nicken lag kein traut Gefühl,
Selbst in dem Füßchen herrisches Bewegen,
Als ob es wüßte, ihm gehör ein Pfühl;
Sie schritt dahin, wie Königinnen pflegen;
Und daß es Jedem würde angst und schwül,
Stak noch ein Dolch in ihrem Gürtelband –
– Das darf des Sultans Weib nur hier zu Land.

                             112.
Horch' und gehorche! – war Gesetz für Alle,
Die ihr von früher Jugend an genaht;
Der Sklave flog, zu thun was ihr gefalle
Und auszuführen jegliches Mandat;
Hoch war ihr Rang, ihr Reiz besiegte Alle,
So ward sie launenhaft im höchsten Grad;
War Christin sie, so sah das Publikum
An ihr das mobile perpetuum.

                             113.
Was sie nur sah, das mußte man ihr schaffen,
Was sie nicht sah, doch ahnte und errieth,
Das suchte sie zu finden, zu erraffen
Und mußt' es haben, wie es auch sie mied;
Sie kaufte endlos, ohne zu erschlaffen,
Von ihrer Unruh' gab's ein langes Lied.
Doch dieses Tollen stand ihr zu Gesicht,
Die Fraun verziehn's – nur das Gesichtchen nicht!

                             114.
Don Juan, das letzte Spielzeug ihrer Laune,
Hatt' auf dem Markt gefesselt ihren Blick;
Sofort befahl sie ihrem alten Faune,
Daß er ihn kaufe, aber mit Geschick;
Baba, geladen stets wie die Karthaune,
Gab es ein Unheil, folgt' im Augenblick.
Sie war nicht klug dabei, wol aber er,
Don Juan's Verkleidung schrieb von ihm sich her.

                             115.
Sie war nur möglich bei so jungen Zügen.
Doch fraget ihr, wie eine Sultanin
Sich wagen durfte an so schwere Lügen,
Fragt ihre Schwestern, die gewiegt hierin;
Auch einen Kaiser kann die Frau betrügen,
Er ist Gemahl nur, in des Weibes Sinn.
Das wissen wir theils durch die Tradition,
Theils fühlten selbst ein Stückchen wir davon. –

                             116.
Doch zu dem Ziel, nach dem schon lang wir streben!
Sie faßte nun die ganze Schwierigkeit
Und glaubte sich schon sehr herabzugeben,
Als sie der neuen süßen Augenweid'
Mit Blicken, die voll Leidenschaft und Leben,
Die Frage warf und forderte Bescheid:
»Christ, kannst du lieben?« – Ihr schien das genug,
Ihn zu erobern, hinzumähn im Flug.

                             117.
Das war's wol auch zur rechten Zeit und Stätte,
Doch Don Juan's Herz war voll noch von Haidee,
Er trug noch immer ihre Rosenkette;
Heiß stieg sein Blut – er dachte ja an sie! –
Und floß zurück zu seinem engen Bette.
Die Blässe sprach von seiner Agonie.
Durch seine Seele fuhr's wie Todesgraus;
Er konnt' nicht sprechen, brach in Thränen aus.

                             118.
Sie war erschüttert, doch nicht durch die Thränen,
Denn Weiber sind an solche Flut gewöhnt,
Doch weint ein Mann, so packt es wie mit Zähnen,
Es liegt was drin, womit kein Gott versöhnt;
Des Weibes Thräne trocknet, eh' wir's wähnen,
Doch die des Mannes brennt wie Blei und dröhnt,
Wenn sie vom Herzen rollet ohne Wahl;
Denn jene ist Erleicht'rung, diese Qual.

                             119.
Gern hätte sie getröstet, wenn sie konnte,
Doch da sie niemals ihres Gleichen sah,
Lag Liebe außer ihrem Horizonte,
Und weil sie eine Ahnung nie bis da,
Was schwerer Gram, wie schmerzlich dessen Sonde,
Weil ihr nur kleine Sorgen traten nah,
So staunte sie, daß Aug' in Aug' mit ihr
In Tränen schwimme solch ein Cavalier.

                             120.
Doch mehr schenkt die Natur, als Macht kann nehmen;
Und spricht ein starkes, wenn auch fremd Gefühl,
So wird ein Frauenherz sich niemals schämen
Und Oel einträufeln, das die Wunde kühl',
Dem Samariter gleich den Schmerz zu lähmen.
So ward es auch Gulbeyaz bang und schwül,
In ihrem Auge schimmerte ein Naß,
Sie wußte nicht warum und wie und was?

                             121.
Doch Thränen hören auf wie alle Dinge,
Und Don Juan einen Augenblick erregt
Durch jener Frage peinliches Geklinge:
Ob er geliebt? – er der so tief bewegt!
War bald gefaßt und hob auf's Neu' die Schwinge.
Der Schwachheit Woge hatte sich gelegt.
Wol fühlte er, wie schön die Dame sei,
Doch mehr noch Zorn, daß er vor ihr nicht frei.

                             122.
Gulbeyaz war zum ersten Mal im Leben
In großen Nöthen und Verlegenheit,
Sonst fand sie Bitten nur und ein Bestreben
Ihr zu gefallen, und da sie bereit,
Ihr Leben für das Wagniß hinzugeben,
Für Liebesglück in süßer Einsamkeit,
So war die Stund' verlieren eine Qual,
Da schon ein Viertel davon hin zumal.

                             123.
Ich möchte hier den rechten Zeitpunkt nennen,
Der den Entschluß in solchem Fall verlangt,
Das heißt in Ländern, wo die Lüfte brennen,
Bei uns thut's nichts, wenn man ein wenig schwankt;
Dort aber ist Verbrechen das Verkennen.
Drum merkt, wenn ihr die höchste Huld empfangt,
Dann zwei Minuten drauf legt tapfer los,
Sonst stellt ihr euern Ruf für immer bloß.

                             124.
Don Juan's war gut, konnt' sich mit jedem messen,
Eh' ihm Haidee den Kopf total verrückt,
Jetzt konnte er die Holde nicht vergessen
Und sein Benehmen war deshalb gedrückt;
Gulbeyaz sah den Mann in ihm indessen,
Den sie für sich erhandelt und geschmückt.
Sie wurde roth, weil er noch Trotz ihr bot,
Dann todesblaß, dann wieder flammendroth.

                             125.
Dann legte sie in königlicher Weise
Die Hand auf seine, bog sich über ihn
Und forscht' nach Lieb' in seiner Augen Kreise,
Die sonst so heiß, nun suchten zu entfliehn;
Sie war verletzt, drum hielt sie an mit Fleiße,
Ein Weib will nicht durch Schelten an sich ziehn.
Sie stand jetzt auf und schwankte mädchenhaft,
Dann warf sie sich an seine Brust mit Kraft.

                             126.
Dies hieß, wie Don Juan fand, gar plump erproben,
Er war zu sehr durch Schmerz und Stolz gestählt;
Mit sanfter Macht ward sie hinweggeschoben
Und hingesetzt, von Scham und Zorn entseelt.
Dann stand er auf, beschaute sie von oben
Und sprach mit kalten Worten und gewählt:
»Ein Adler, der gefangen, paart sich nicht,
Für geile Launen bin ich kein Gericht.

                             127.
»Du fragst mich, ob ich lieben kann? – Erfahre,
Ich lieb' so sehr, daß dir nichts übrig bleibt;
Die Kunkel paßt zu diesem Rock und Haare,
Denn Liebe nur in Freiheit wächst und treibt,
Mir imponirt nicht Thron und nicht Tiare,
So vornehm Wesen einzig mich vertreibt,
Muß sich der Kopf dir beugen und das Knie,
Mein Herz ist mein und thut so Schnödes nie.« –

                             128.
Dies klingt für uns nicht unbegreiflich eben,
Sie aber hatte nie so was gehört,
Sie wähnte, Alles müss' für sie nur leben,
Die Welt sei da, daß sie ein Weib bethört,
Ob rechts ob links die dummen Herzen kleben,
Das hatte niemals ihren Schlaf gestört.
So denkt, wer von Geburt Legitimist
Und seines Rechts auf Andre sicher ist.

                             129.
Sie war zudem so reizende Kokette,
Daß sie damit auch in geringrem Haus
Genug Verwirrung angestiftet hätte;
Auch beutete sie ihre Reize aus,
Und spannte Alle an die Rosenkette;
Sie glaubte fest, es leite sich hieraus
Ein doppelt göttlich Herrscherrecht für sie,
– Zur Hälfte theil' ich diese Theorie.

                             130.
Erinnert euch, wo nicht, möcht ihr's euch denken,
Die ihr als jung die Keuschheit euch bewahrt,
Wie eine Wittwe euch mit Liebestränken
Verfolgt, und von euch abgewiesen ward,
Wie sie getobt bei diesem schweren Kränken
Und wie sie da den Athem nicht gespart,
Und denkt euch dann, welch' höllischen Krawall
Erst eine Junge macht in solchem Fall.

                             131.
Denkt euch, doch das ist längst von euch geschehen,
Lady Booby, die Frau des Potiphar,
Phädra und all' die reizenden Medeen!
(Nur Schade, daß von den Gelehrten gar
So wenige als Beispiel sind ersehen
Zur Bildung für Europa's Jugendschaar)
Wenn ihr sie denkt mit grimmigstem Gesicht,
Kennt ihr Gulbeyaz wilden Grimm noch nicht.

                             132.
Ein Tigerthier, dem sie das Junge nahmen,
Hyäne, Löwin oder sonst ein Wild,
Sind alte Gleichnisse für schöne Damen,
Die ihren Durst nicht ganz nach Wunsch gestillt.
Ich brauche ungefähr denselben Rahmen,
Doch ist er viel zu klein noch für mein Bild;
Ist Jungenraub je so von Schmerz vergällt,
Als wenn die Hoffnung auf ein Junges fällt?

                             133.
Die Jungenliebe ist gemein den Frauen
Von Ent' und Gans bis zu der Tigerin,
Nichts wetzt den Schnabel, waffnet so die Klauen,
Als kommt ein Feind zu ihren Kleinen hin.
Wer eine Amme sah, der kann dran schauen
Der ächten Mutter Affenlieb' und Sinn.
Aus solcher Wirkung ziehe man den Schluß,
Daß stärker noch die Ursach' packen muß.

                             134.
Sagt' ich, daß Feuer ihrem Aug' entsprühte,
So sagt' ich nichts: das sprühte immerdar,
Daß ihre Wange wie in Purpur glühte,
So war dies doch zu wenig offenbar;
Denn ihr Gebahren war ein toll Gewüthe,
Weil sonst ihr Wunsch nie Wunsch geblieben war.
Ihr die ihr wißt, was ein getäuschtes Weib,
Ihr wißt nicht, welchen Teufel die im Leib!

                             135.
Ihr Wüthen währt' zum Glück nur zwei Minuten,
Noch eine mehr und sie war umgebracht;
Doch gab's 'nen Einblick in der Hölle Gluten.
Nichts größer doch als solcher Galle Macht,
Ein Schmerzensbild wie wilde Meeresfluten,
Die Felsen stürmen in erhabner Pracht;
Die Leidenschaft, die sie durchtobt', der Wahn
Erhob sie zum verkörperten Orkan.

                             136.
Ein Werktagszorn verhielt zu ihrem Rasen
Sich wie zum Wirbel ein gemeiner Wind;
Doch wollte sie das Mondlicht nicht ausblasen,
Wie jener Heißsporn, als er zornesblind;
Ihr Grimm verblieb in niedereren Phasen,
Geschlecht und Alter waren doch zu lind.
Ihr Wunsch war Lear's: Schlagt todt, schlagt todt, schlagt todt
Dann weint' sie sich die Aeuglein blutigroth.

                             137.
Es rast' wie Sturm und zog auch so von dannen,
Ganz ohne Worte, sie bracht' keins heraus;
Dann ließ die Scham sich nicht mehr länger bannen,
Ein Ding bei ihr, bis dahin kaum zu Haus;
Jetzt strömte es wie Wasser, die entrannen,
Rasch, unaufhaltsam nieder mit Gebraus.
Sie sah gebeugt den überhohen Muth,
Und das ist oft für solche Leute gut.

                             138.
Es lehrt sie, daß auch sie von Fleisch und Blute
Und daß die Andern, wenn sie gleich von Thon,
Doch nicht von Koth; daß aus derselben Bude
Geschirr und Vasen kommen lange schon,
Gebrechlich beide, schlechte Waar' wie gute,
Ob dieser nun, ob jener Mutter Sohn.
Es lehrt – Gott weiß was Alles, doch manchmal
Verbessert es, und nähert Berg und Thal.

                             139.
Erst dachte sie, den Kopf ihm abzuschneiden,
Dann abzuschneiden die Bekanntschaft nur,
Dann ihn zu fragen nach vergangnen Zeiten,
Dann ihn zu höhnen, bis er Reue schwur,
Dann in dem Bett zu bergen ihre Leiden,
Dann sich zu tödten, dann in scharfe Kur
Baba zu nehmen – doch das Ende war,
Daß sie sich setzt' und weinte – das ist klar!

                             140.
Sie wollte sich erstechen, doch sie hatte
Den Dolch so nahe, daß dies albern ward,
Auch sind die Mieder dort nicht so voll Watte,
Ein Dolch geht durch, wenn man dagegen fahrt;
Ihn tödten wollt' sie, und der Aalesglatte
Verdiente es, weil er so wenig zart,
Doch war das Kopfabschneiden nicht die That,
Wodurch sie seinem Herzen mehr genaht.

                             141.
Don Juan ergriff's. Er war gefaßt gewesen
Auf Spieß und Rad, auf wilder Hunde Fraß,
Auf Qualen, wie von Wilden wir sie lesen,
Auf Fisch und Löwe als verlornes Aas.
Er war entschlossen, eher zu verwesen,
Als einzugehen jenen süßen Spaß;
Doch all sein Heldenthum zerschmolz wie Schnee,
Als er nun sah des schönen Weibes Weh'.

                             142.
Wie Siege oft mit Niederlagen schließen,
So ward auch Don Juan's Tugend bald verzagt;
Erst staunte er, daß er sie abgewiesen,
Dann dachte er, es sei noch nichts vertagt,
Dann grollte er, daß er sich spröd' bewiesen,
Wie sein Gelübde oft ein Mönch beklagt,
Wie eine Dame ihren Schwur bereut,
Und ihn zu brechen sich dann nicht mehr scheut.

                             143.
So fing er an zu stammeln und zu bitten,
Doch mit den Worten kommt man da nicht weit.
Und wäre er zu all dem Zeug geschritten,
Das Dichter jemals solchem Fall geweiht,
Und jedem Bild, das Castlereagh geritten!!
Schon schien beendet fast der Liebesstreit:
Sie lächelte, doch eh' er weiter wagt',
Kam Baba athemlos hereingejagt.

                             144.
»O Braut des Lichtes und des Mondes Schwester,«
Sprach er verzückt, »und Kaiserin der Welt,
Bei deren Zorn erbeben Adlernester
Und deren Lächeln alle Herzen schwellt,
Euch meldet Euer Sklave, Euer bester,
(Doch nicht zu früh'?) – was Euch den Blick erhellt:
Der Sonnengott versandte mich als Strahl,
Zu künden Euch, er nahe diesem Thal.«

                             145.
»Ist's wie du sagst?« rief Gulbeyaz. »Ich wollte,
Er schiene morgen erst. – Nun so befiehl,
Daß meine Frauen, wenn er kommen sollte,
Die Milchstraß' bilden in bekanntem Styl.
Du aber, Christ, dem ich noch eben grollte,
Willst du verbessern dein gestörtes Spiel,
Tritt unter sie« – hier tönte dumpfer Klang,
Und dann der Ruf: »Der Sultan lebe lang!«

                             146.
Erst kam die Mädchenschaar und macht' Spaliere,
Dann Seiner Majestät Eunuchencorps,
Ein Meilenviertel brauchten die Hartschiere;
Der Kaiser war so artig, stets zuvor
Sich anzukünden durch die Hoffouriere,
Besonders wenn die Nachtzeit er erkor;
Denn da sie jüngste Frau des Kaisers war,
War sie noch Favoritin offenbar.

                             147.
Er war ein Herr von feierlicher Haltung,
Shawl bis zur Nas', bis an die Augen Bart;
Aus Haft zum Thron durch der Parteien Spaltung
Geholt, indeß erwürgt sein Bruder ward,
War er ein Fürst von ähnlicher Entfaltung,
Wie Cantemir und Knolles sie uns bewahrt
In ihrem Werk, wo außer Soliman,
Dem Ruhm des Hauses, Keiner viel gethan.Es ist vielleicht bemerkenswerth, daß Bacon in seiner Abhandlung über das Kaiserreich davon spricht, daß Soliman der letzte seiner Linie gewesen sei; auf welche Autorität hin, weiß ich nicht. Seine Worte lauten also: »Die Tödtung Mustapha's war deshalb so verhangnißvoll für die Linie Soliman's, weil die Erbfolge der Türken von Soliman bis heute im Verdacht der Unächtheit und des falschen Blutes steht, denn man hielt Solimus II. für unterschoben.« – Doch Bacon ist in seinen historischen Angaben oft ungenau. Ich könnte ein halb Dutzend Beispiele von solchen Aussprüchen anführen.

Da ich einmal im Kritisiren bin, so will ich auch auf ein paar unbedeutende Fehler in der Ausgabe der englischen Dichter durch den mit Recht berühmten Campbell hindeuten. Doch thue ich dies bona fide und hoffe, daß man es auch so auffaßt. Wenn etwas meine hohe Meinung von den Talenten und wahren Gefühlen dieses Mannes noch erhöhen könnte, so wäre es seine classische, ehrenhafte und siegreiche Vertheidigung Pope's gegen das ordinäre Tagesgeschrei. Die Uebersehen, die ich meine, sind folgende: Erstens beschuldigt er Anstey, seine Hauptcharaktere aus Smollett entlehnt zu haben. Aber Anstey's Bath Guide kam im Jahre 1766 heraus; Smollett's Humphrey Clinker, das einzige Werk Smollett's, dem Tabitha 2c. entnommen sein könnte, wurde während Smollett's letztem Aufenthalt in Livorno im Jahre 1770 geschrieben. Wenn in Argal etwas entlehnt ist, so müßte Anstey der Gläubiger, nicht der Schuldner sein. Ich berufe mich auf Campbell's eigene Angaben in seinen Lebensbeschreibungen von Smollett und Anstey.

Zweitens sagt Campbell im Leben Cowper's, (Seite 358, Bd. 7) er wisse nicht, auf wen Cowper in folgender Strophe anspiele:
    Auch Er nicht, der zu Tausender Verderben
    Gott einen Tempel baute und sein Wort verhöhnte.
Der Calvinist meint Voltaire und die Kirche zu Ferney, welche die Inschrift trug:
    Deo erexit Voltaire.

Drittens führt Campbell in Burn's Leben Shakespeare also an:
    To gild refined gold, to paint the rose
    Or add fresh perfume to the violet.
    (Reinstes Gold vergolden, die Rose malen
    Oder dem Veilchen frischen Wohlgeruch verleihen.)
Diese Lesart verbessert das Original keineswegs, welches lautet:
    To gild refined gold, to paint the lily
    To throw a perfume on the violet.
    (Reinstes Gold vergolden, die Lilie malen,
    Dem Veilchen Wohlgeruch geben.)

                             148.
Er ging nach der Moschee, sprach die Gebete
Mit mehr als oriental'schem Pflichtgefühl,
Ließ den Vezieren die polit'schen Drähte
Und auch der Kön'ge Neugier ließ ihn kühl;
Ich weiß nicht, ob zu Haus er biß auf Gräte,
Doch kein Prozeß bewies, daß es dort schwül.
Vier Frau'n und tausend Mädchen liebten ihn,
So still wie Eine Christenkönigin.

                             149.
Wenn hie und da ein Fehltritt auch geschehen,
So machte man doch keinerlei Krawall,
Kaum mocht' er über eine Lippe gehen,
Der Sack, das Meer bereinigte den Fall,
Kein Lüftchen durfte aus dem Hofe wehen,
Das Publikum hört' keinen Widerhall;
Man fand nicht Schmutz auf jedem Zeitungswisch,
Moral ward besser, schlechter nicht der Fisch.

                             150.
Er sah es selbst, daß rund der Mond geschnitten
Und war gewiß, die Erde sei geeckt,
Schon fünfzig Meilen war er fortgeritten
Und hatte nie was Rundes dran entdeckt;
Es war sein Land, das große Reich der Mitten
Zwar wurde manchmal etwas angesteckt
Von bösen Paschen, schnödem Christenvieh,
Doch zu den sieben Thürmen kam es nie.

                             151.
Bis dahin kamen höchstens die Gesandten,
Um dort zu wohnen, wenn ein Krieg brach aus;
Denn so hat's nicht das Völkerrecht verstanden,
Daß diese Schufte, die doch nie beim Strauß,
Und nie den Weg zu einem Schwerte fanden,
Streit dürften stiften nur in Nachbars Haus,
Mit feigem Lug – Depesche hier genannt –
Frei von Gefahr, beschmierend nur die Hand.Ein großer Dichter, der einen andern citirt, sollte genau sein. Er sollte ebenso gewissenhaft sein, wenn er einen Parnaßbruder beschuldigt, er habe etwas entlehnt. Ein Poet dürfte Alles (außer Geld) eher entlehnen als die Gedanken eines Andern; sie werden sicher wieder reclamirt. Es ist aber sehr hart, wenn man selbst ausgeliehen hat, als Schuldner denuncirt zu werden, wie in dem Fall van Anstey versus Smollett.

Da selbst unter den Dieben eine gewisse Ehre besteht, so sollte sie auch unter den Dichtern bestehen und man einem Jeden das Seine geben. – Uebrigens thut dies sonst Niemand mehr als Campbell selbst, der ungeachtet seines hohen Rufs als Original und eines unerschütterlichen Renommée's, der einzige zeitgenössische Dichter ist, (neben Rogers) dem man den Vorwurf machen kann, und bei ihm ist das wirklich ein Vorwurf – daß er zu wenig geschrieben habe.

                             152.
Er hatte fünfzig Töchter, fünfzig Söhne;
Sie alle wurden im Palast verwahrt,
Wie eine Nonne lebte jede Schöne,
Bis ihr ein Pascha zugefertigt ward,
Daß er als Braut, der Reihe nach, sie kröne,
Oft ward sie schon im sechsten Jahr gepaart,
Und deshalb zwar, weil jeder Schwiegersohn
Dem Alten steuern mußte hohen Lohn.

                             153.
Die Söhne wurden stets in Haft gehalten,
Bis sie so alt, daß sie verdient den Strick,
Wenn nicht nach Gottes Rath und güt'gem Walten
Sie auf den Thron berufen das Geschick.
Daß sie bis dahin fürstlich sich entfalten
Gedurft, sah jeder auf den ersten Blick;
Und immer war der Erbe gleich sehr werth,
Daß man ihn krönte oder hängt auf Erd'.

                             154.
Den Sultan grüßt' die vierte seiner Frauen
Mit dem Gepräng', das seinem Rang gebührt,
Ihr Aug' ward heller, glatter ihre Brauen,
Wie's Einer ziemt, die einen Streich vollführt;
Die müssen doppelt nach den Pflichten schauen,
Daß Niemand ihre schwanke Haltung spürt.
Drum wird kein Mann so herzlich cajolirt,
Als wenn sein Weib im Stillen was peccirt.

                             155.
Er warf umher die schwarzen Augensterne,
Sie fanden bald mit ihrem scharfen Licht
Don Juan heraus, trotz dem verhüllten Kerne,
Das wunderte und kümmerte ihn nicht.
Er meinte nur gar weise aus der Ferne,
(Wobei es wol Gulbeyaz brennt und sticht):
»Ihr habt da, wie ich seh', ein neues Kind,
Wie Schade, daß so hübsch die Christen sind.«

                             156.
Dies Compliment, das auf die neue Waare
Die Blicke lenkte, macht' sie roth und blaß.
Die Andern barsten fast. Allah bewahre!
Daß Seine Majestät mit gnäd'gem Spaß
Die Christin ehrt', indeß seit Tag und Jahre
Er nie zu ihnen sagte irgend was.
Es gab ein Flüstern, Husten, eine Noth,
Doch Hofgebrauch das Kichern streng verbot.

                             157.
Die Türken haben Recht, wenn sie bisweilen
Einschließen ihre Fraun; das ist gewiß,
Daß Keuschheit unter jener Sonne Pfeilen
Manchmal gelangt zu einem kleinen Riß;
Im Norden aber trotzt sie allen Keilen
Und hält sich dort selbst in der Finsterniß.
Die Sonne, welche das Polareis thaut,
Wirkt ganz conträr auf unsre Lasterhaut.

                             158.
So weit die Chronika und wir pausiren,
Doch nicht weil's uns an gutem Stoff gebricht,
Nein! weil des Epos Regeln uns dictiren,
Daß Unterwerfen jetzo unsre Pflicht.
Doch kann dies fünfte Buch euch amüsiren,
Sieht auch das sechste bald mit Schwung das Licht.
Inzwischen wollt' ein Schläfchen mir verzeihn,
Bekanntlich nickt' Homer bisweilen ein.

 


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