George Byron
Don Juan
George Byron

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Vorrede zum 6., 7. und 8. Gesang.

Die Einzelnheiten über die Belagerung von Ismail, wie sie in den folgenden Gesängen, d. h. im 7. und 8. vorkommen, sind einem französischen Werke entnommen, das betitelt ist: Histoire de la nouvelle Russie. Einige Geschichten, welche auf Don Juan's Rechnung geschrieben wurden, sind wirklich vorgekommen, so die Rettung eines Kindes, die durch den verstorbenen Herzog von Richelieu geschah. Er war damals ein junger Freiwilliger in russischen Diensten, später Gründer und Wohlthäter Odessa's, wo man seinen Namen und sein Gedächtniß noch immer hoch hält.

In diesen Gesängen finden sich ein Paar Stanzen, die auf den Marquis von Londonderry gehen und einige Zeit vor seinem Tode geschrieben wurden. Wenn die Oligarchie dieses Mannes mit ihm dahin gegangen wäre, würden sie unterdrückt worden sein. So aber kann ich in der Art seines Todes und seines Lebens nichts finden, was mich hindern könnte, die freie Ansicht aller Derer auszusprechen, die zu Sklaven zu machen die Aufgabe seines ganzen Lebens war. Daß er im Privatleben ein liebenswürdiger Herr war, mag wahr sein; das Publikum hat nichts damit zu schaffen. Wenn einmal Irland aufhört, seine Geburt zu beweinen, wird es Zeit sein, seinen Hingang zu beklagen. Als Minister haben ihn Millionen für den herrschsüchtigsten und zugleich geistlosesten Mann gehalten, der je ein Land regieren durfte. Zum ersten Male seit der Normannen Herrschaft wurde England durch einen Minister insultirt, der nicht einmal Englisch verstand. Ja, das Parlament ließ sich sogar in der Sprache der Madame Malapropos Gesetze dictiren.

Ueber die Art seines Todes ist wenig zu sagen. Hätte sich ein armer Radikaler, ein Waddington oder Watson, den Hals abgeschnitten, so hätte man ihn mit dem gewöhnlichen Apparat von Galgen und Rad an einem Kreuzweg beerdigt. Aber der Minister war ein eleganter Narr, ein sentimentaler Selbstmörder: er schnitt sich nur die Halsader auf, (o Segen der Wissenschaft!) und deshalb Gepränge, Westmünsterabtei, Schmerzensrufe in den Zeitungen, Lobrede des Leichenschauers am blutigen Leichnam (dieser Cäsar war eines solchen Antonius werth!) und ekliges Gewinsel herabgekommener Schufte. Durch seine Todesart war er nach dem GesetzIch meine nach dem Landesgesetz. Die Gesetze der Menschheit richten milder; aber da die Legitimisten stets das Gesetz im Munde führen, mögen sie nun auch den Nutzen davon haben. von zwei Dingen Eins: ein Schurke oder ein Narr, beides eben keine Helden für Lobreden. Bei seinem Tode war er – was die ganze Welt weiß und die Hälfte davon noch nach Jahren spüren wird, wofern nicht sein Tod eine moralische Lection für die übrigen SejaneIch nehme Canning aus. Canning ist ein Universalgenie: ein Redner, ein Dichter, ein Staatsmann. Kein Mann von Talent konnte den Weg seines Vorgängers des Lord Castlereagh lange verfolgen. Wenn je ein Mann sein Land retten konnte, so ist es Canning. Aber wird er es auch? Ich hoffe es wenigstens. in Europa ist. Es mag die Nationen einigermaßen trösten, daß ihre Unterdrücker nicht glücklich sind, und ihre eigenen Handlungen manchmal so richtig beurtheilen, daß sie dem Spruch der Menschheit zuvorkommen. Nichts mehr von diesem Menschen! Irland aber möge die Asche seines Grattan aus dem Heiligthum Westmünster entfernen. Soll der Patriot der Menschheit neben dem Werther der Politik ruhen?

In Beziehung auf die Einwürfe, welche man gegen die bereits veröffentlichten Gesänge dieses Gedichts in anderer Richtung erhoben hat, begnüge ich mich mit zwei Anführungen aus Voltaire: La pudeur s'est enfuite des coeurs et s'est refugiée sur les lèvres. – Und: Plus les moeurs sont dépravés, plus les expressions deviennent mesurées; on croit regagner en langage ce qu'on a perdu en vertu.

Dies ist wirklich so, und ganz anwendbar auf die heruntergekommene, heuchlerische Menge, welche den Sauerteig der gegenwärtigen Generation Englands bildet; es ist die einzige Antwort, die sie verdient. Der übliche und schnell ertheilte Titel eines Gotteslästerers, den die Miethlinge täglich in einem Athem mit radikal, liberal, Jacobiner und Reformer denen in die Ohren heulen, die sie anhören, sollte Allen eine Ehre sein, wenn man sich erinnert, wem er ursprünglich an den Kopf geworfen wurde. Sokrates und Jesus Christus wurden als Gotteslästerer öffentlich hingerichtet und so wird es noch Manchem ergehen, der sich dem sichtlichen Mißbrauch des Namens Gottes und der menschlichen Seele widersetzt. Aber Verfolgung ist nicht Widerlegung, nicht einmal Triumph. Der elende Ungläubige, wie man ihn nennt, ist in seinem Gefängniß wahrscheinlich glücklicher als der Stolzeste seiner Widersacher. Mit ihren Ansichten habe ich nichts zu schaffen, sie mögen Recht oder Unrecht haben. Aber er hat für sie gelitten, und dieser Dulder um des Gewissens Willen wird mehr Proselyten für den Deismus machen, als das Beispiel heterodoxerAls Lord Sandwich sagte: Er kenne den Unterschied zwischen Orthodoxie und Heterodoxie nicht, erwiderte Bischof Warburton: Orthodoxie, Milord, ist immer meine Doxie und Heterodoxie ist eines Anderen Doxie. – Ein Prälat der Gegenwart hat wie es scheint noch eine dritte Doxie entdeckt, welche die von Bentham sogenannte Kirche des Englandismus in den Augen der Auserwählten nicht sonderlich gefördert hat. Prälaten solche für das Christenthum, selbstmörderischer Staatsmänner für die Unterdrückung, und mit Pensionen überladener Menschenschlächter für eine unheilige Allianz macht, die freilich der Welt mit dem Namen »heilig« ins Gesicht schlägt. Es macht mir kein Vergnügen auf Ehrlosen oder Todten herumzutreten; es wäre aber zu wünschen, wenn die Anhänger der Klassen, aus denen jene Persönlichkeiten hervorgingen, ihr Gewinsel etwas herabstimmen wollten, da die schreiende Sünde einer doppelzüngigen und falschen Brut selbstsüchtiger Räuber ist – doch genug davon für heute.

Pisa, im Juli 1822.


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