George Byron
Don Juan
George Byron

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Achter Gesang.

                               1.
»O Blut und Donner! und o Blut und Wunden!«
Dies sind zwar Flüche nicht sehr edler Art
Und werden wol vom Leser wüst gefunden.
Sie sind es auch. Doch hierin offenbart
Der Traum des Ruhms sich. Da für manche Stunden
Sich meine Muse mit so Schlimmem paart,
So muß sie auch Begeist'rung ziehn daraus:
Bellona, Mars – bedeuten doch nur Strauß.

                               2.
Gerüstet war jetzt Alles: Schwert und Feuer,
Auch der Soldat der sie regieren sollt';
Das Heer, ein Löwe der aus Felsgemäuer
Hervortritt, war zum Schlagen aufgerollt,
Wie eine Hyder, jenes Ungeheuer,
Das allwärts hin Tod und Verderben grollt
Und dessen Köpfe Heldenköpfe sind,
Die abgehaun schnell wachsen wie der Wind.

                               3.
Geschichte nimmt die Dinge nur im Großen;
Erörterten im Kleinen wir sie auch
Und wögen ab, was Dornen gab, was Rosen,
So ginge wol des Kriegs Verdienst in Rauch.
Um eine Schlacke so viel Gold zerstoßen,
Erschiene dann als ein verkehrter Brauch.
Das Trocknen einer einz'gen Thräne bringt
Mehr wahren Ruhm, als wenn in Mut man sinkt.

                               4.
Warum? Weil wir mit jenem selbst uns lohnen;
Indeß der Krieg mit seinem Lorbeerblatt,
Mit Hurrahruf, Triumphen und Pensionen
Von einem Volke, das nichts übrig hat,
Mit seinen Titeln, seinen Rangstationen,
Woran doch nie die Corruption kriegt satt,
– Wenn ihr der Freiheit Kampf ausnehmen wollt –
Nur aus des Mordes Würfelbecher rollt.

                               5.
So war es einst, so wird es künftig werden.
Nicht so Leonidas und Washington!
Ihr Schlachtgefild ist heil'ger Grund auf Erden,
Es spricht von Heil, nicht von gestürztem Thron,
Und wohl dem Ohr, das solche Töne nährten!
Ein Siegernamen mag den Eiteln schon,
Den Knecht verblüffen, doch ein solches Wort
Ist einer freien Zukunft sichrer Hort. –

                               6.
Die Nacht war finster und der Nebel dicke,
Ließ nichts als der Kanonen Flammen schaun.
Wie Feuerwolken schreckten sie die Blicke
Bis nieder zu der Donauflut, der blaun,
Ein Höllenspiegel schrecklicher Geschicke!
Dann Knall auf Knall, ein lang hindröhnend Graun,
Entsetzlicher als Donner, denn der Blitz
Verschont; dies Feuer trifft im Aberwitz.

                               7.
Kaum überschritt die russischen Batt'rieen
Die Sturmcolonne, als der Muselman
Sich trotzig hob, und gleiche Melodieen
Entgegenschickte auf des Donners Bahn,
Dann schien Ein Feuer mächtig zu umziehen
Luft, Erde, Strom, es schwankt' der ganze Plan.
Indeß der Wall wie Aetna Flammen spuckt,
Wenn der Titan in seiner Höhle schluckt.

                               8.
Ein ungeheurer Allahruf ertönte
In diesem Augenblick, laut wie der Schall
Der tödlichsten Kanon' und höhnte
Den Feind: Stadt, Fluß und Strand ein Widerhall
Von jenem Ruf! Das Wolkendach selbst dröhnte,
Das überschattet Festungsplan und Wall,
Vom Namen Gottes! – Horch! wie brausest du
Durch jeden Laut hin: Allah! Allahu!Allahu ist das eigentliche Kriegsgeschrei der Muhamedaner; sie legen den Accent auf die letzte Silbe, was eine eigentümliche wilde Wirkung macht.

                               9.
Nun stürmten die Colonnen mit Geschmetter,
Nur die nicht, die den Wasserangriff macht',
Und Leben fielen dichter wie die Blätter;
Arseniew führte an mit wahrer Pracht,
Der kühnlich trotzte jedem Schlachtenwetter.
Die Tochter Gott's,    Dein (Das heißt der Gottheit. Dies ist ein so schönes Muster von einem Mörderstammbaum, als je ein Wappenkönig einen aufstellte. Was hätte man gesagt, wenn andere freimüthige Leute eine solche Abstammung entdeckt hätten?) furchtbarst Werkzeug doch
    Bei reinster Absicht ist
    Der Mensch, der schlachtet sich.
    Dein' Tochter ist die Schlacht.
        Wordsworth's Dankesode.
sagt Wordsworth, ist die Schlacht.
Ist's wirklich so, ist Jesu Schwester sie
Und wirkte wie im heil'gen Land auch hie.

                              10.
Der Fürst von Ligne ward in das Knie verwundet,
Graf Chapeau Bras traf zwischen Kopf und Hut
Auch eine Kugel, was mit Glanz bekundet,
Es sei der Kopf von adelichem Blut,
Weil er trotzdem gleich wie der Hut gesundet.
Es könnte wirklich ein Geschoß nicht gut
Ein legitimes Haupt verletzen. – Ei!
Wenn »Asch' zu Asch'«, warum nicht Blei zu Blei?

                              11.
Auch Gen'ral Markow, Führer der Brigade,
Der auf des Fürsten Forttransport bestand,
Indeß hier Tausend schrien nach Gottes Gnade,
Gemeine Kerls, wovon sich Mancher wand,
Nach Wasser lechzt' in seines Blutes Bade,
Auch Markow, der so tief für Rang empfand,
Sah bald sein Unrecht an den Andern ein,
Als ihm die gleiche Münze nahm ein Bein.

                              12.
Dreihundert Schlünde warfen große Brocken
Und dreißigtausend kleine Pillen aus,
Damit des Blutes Abfluß nicht sollt' stocken. –
O Mensch, du kriegst die Rechnungen in's Haus:
Pest, Hunger, Aerzte! – und wie Todesglocken
Schallt in das Ohr so mancher alte Graus,
Der Gegenwart und Zukunft Leid – doch gilt
Dies Alles nichts vor eines Schlachtfelds Bild.

                              13.
Hier schaut ihr tausend wechselvolle Leiden,
Die Ueberzahl des Anblicks macht uns hart;
Rings sieht man mit dem herben Tode streiten.
Wo immer hin das bange Auge starrt,
Da stöhnt's, da krümmt es sich auf allen Seiten;
Das Auge bricht, der blut'ge Nagel scharrt.
So werden Tausende belohnt in Reih' und Glied,
Indeß der Rest das Loos des Ländchens zieht.

                              14.
Doch lieb' ich Ruhm, Ruhm ist 'ne große Sache.
Denk' was es heißt, wenn dich, der grau und alt,
Dein König nährt, beschirmt mit sichrem Dache!
Wie manchen Weisen lockt ein Ruh'gehalt;
Man braucht schon Helden für der Dichter Mache:
Da wird im Vers die Lust am Kampf nicht kalt,
Dazu genießt man Halbsold lebenslang,
Das stärkt uns schon für manchen Mördergang.

                              15.
Jetzt rückten vor die ausgeschifften Truppen,
Um wegzunehmen eine Batterie,
Und andre landeten stromab in Gruppen
Und gingen drauf mit gleicher Energie.
Es waren Grenadiere, und wie Puppen,
Ja wie ein Kind erklimmt der Mutter Knie,
Erstiegen sie Bastei und Pallisad',
So wohl rangirt, wie auf der Wachparad'.

                              16.
Dies war bewundernswerth, denn jenes Feuer
War so verwünscht, daß wäre der Vesuv
Gefüllt mit jeder Sorte Ungeheuer,
Vor dieser Höll' verlör' er seinen Ruf.
Der Führer Drittheil zahlt' dem Tod die Steuer,
Was keineswegs viel Trost und Hoffnung schuf
Für das im Sturme tief begriffne Heer,
Denn fällt der Jäger, thut der Hund auch schwer.

                              17.
Hier lasse ich das allgemeine Ringen
Und folge Don Juan auf des Ruhmes Pfad.
Er soll den Lorbeer ganz allein erzwingen,
Zugleich mit fünfzig Tausend wäre Schad',
Und müßte einem Jeden man was singen,
Sei's ein Couplet, sei's eine »Morithat,«
Das gäbe ein zu dickes Lexikon,
Ist die Geschichte jetzt zu lange schon!

                              18.
Drum müssen wir der Zeitung überlassen
Die größre Zahl, die sicher ehrlich fährt
Mit Denen, die in rühmlichem Erblassen
In Gräbern ruhn auf Feldern ehrenwerth,
Wo sie den Leib, doch nicht die Seel' gelassen.
O glücklich Der, des Namen nicht verkehrt
Im Zeitungsblatt: Ich kenne einen Groß,
Den man als Grob zu seinem Schmerz erschoß.Eine Thatsache, siehe die Waterloo Zeitung. Ich erinnere mich, daß ich damals gegen einen Freund bemerkte: Was ist doch menschlicher Ruhm! es wird Einer erschossen, der Groß heißt, und sie drucken Grob! – Ich war mit dem Verstorbenen auf der Universität. Er war ein liebenswürdiger, talentvoller Mann, dessen Gesellschaft wegen seines Witzes, seiner Heiterkeit und seiner Trinklieder sehr gesucht war.

                              19.
Don Juan und Johnson stießen zu den Schaaren
Und drangen vor auf unbekanntem Weg;
Sie wußten nicht, wo sie jetzt eben waren,
Noch wohin führte dieser Todessteg,
Auf Leichen ging's, durch tausend von Gefahren,
Da gab es Feuer, Stöße, Schweiß und Schläg';
Sie aber wütheten so fürchterlich,
Daß sie verdient ein Bulletin für sich.

                              20.
So drangen sie voran in blut'gem Schlamme
Von Tausenden, die sterbend oder todt,
Bald vorwärts rückend mit dem tapfern Stamme
Nach einem Punkte, der schon lang bedroht,
Bald rückwärts taumelnd vor des Feuers Flamme,
Die züngelte wie aus der Hölle Schlot.
An manchen Kameraden stößt ihr Fuß,
Der blutend hier und zuckend enden muß.

                              21.
Wol war dies Don Juan's erste Schlacht im Leben,
Auch konnte wol der stille Marsch der Nacht,
Das kalte Dunkel, das kein feurig Streben
Wie unterm Lorbeerbaume möglich macht,
Ihn zittern machen, frösteln und erbeben,
Wol blickt' er zu der Wolken schwerer Tracht,
Die selbst den Himmel steiften wie zum Hohn,
Und seufzt' nach Tag – doch lief er nicht davon.

                              22.
Er konnte nicht! Doch wär' er auch gelaufen,
Was wär's? Es gibt ja Helden und es gab,
Die auch gegangen mit dem großen Haufen,
Selbst Friedrich ließ zu Molwitz seinen Stab;
Denn wie ein Dieb, ein Falk' bestimmt zum Raufen,
Wie eine Braut – fand sich noch Jedes ab,
Nach ein'gem Strauß, mit seinem neuen Stand,
Und focht wie toll für Geld und – Vaterland.

                              23.
Er war, was Erin uns in seinem schönen
Und alten Irisch oder Punisch nennt: –
(Der Antiquar,Siehe General Valancey und Sir Lawrence Parsons. der Alles vom Gewöhnen,
Was Römisch, Keltisch, auf's genau'ste kennt,
Schwört, daß die Sprache Pats in Dido's Söhnen,
So gut wie Hannibal, ihr Element
Und ihren Ausdruck fand; so rationell
Ist dies, wie irgend was – nicht nationell.)

                              24.
Er, Don Juan, war »ein Fetzenkerl« von Jungen,
Ein Kind der Regung, des Gesanges Sohn,
Jetzt von der Freude Hochgefühl durchdrungen,
(Und scheint dies falsch – von Sensation),
Ward aber zum Zerstören er gezwungen,
Und in Gesellschaft von dem besten Ton,
Wie sie zu Schlacht und gleichem Spaß sich drängt,
So war auch er von gleicher Lust versengt.

                              25.
Doch immer ohne Haß! Wenn er bekrieget,
Wie wenn er liebte, that er's wie man sagt,
»In bester Absicht,« die stets vor ja wieget,
So oft ein Vorwurf an dem Menschen nagt:
Der Staatsmann, Held, der Advocat auch schmieget
Sich stets vorbei, wenn in die Eng' gejagt.
Sie sagen dann: »Die Absicht war ja rein!«
Der Hölle Pflaster ist aus solchem Stein.Das portugiesische Sprichwort sagt: Die Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert

                              26.
Ich habe jüngst zu fürchten angefangen:
Das Pflaster – wenn es wirklich noch florirt,
Sei letzlich etwas aus dem Leim gegangen,
Nicht durch die Vielen, die ein Vorsatz ziert,
Nein! weil so Viele dort hinunter drangen,
Die ohne jenen Vorsatz abmarschirt,
Der einst die Höllenstraße machte glatt,
Die große Aehnlichkeit mit Pall Mall hat.

                              27.
Wie oft ein Zufall trennet die Kam'raden
In jenen grausen Wendungen der Schlacht,
Wie Frauen dem Gemahl entflohn mit Schaden,
Oft ehe noch das erste Jahr vollbracht,
So sah sich Don Juan plötzlich ohne Faden,
Durch eine Wendung, die das Rad gemacht,
Und fand nach scharfem Fechten sich allein
Und auf dem Rückzug alle Freunde sein.

                              28.
Ich weiß nicht, wie die Sache zugegangen:
Die Meisten waren wol verwundet, todt,
Dann ward vom Rest zu laufen angefangen,
Ein Umstand, der auch Cäsar'n einst bedroht.
Sein Heer, das sonst so muthvoll draufgegangen,
Entlief ihm fast, so daß in seiner Noth
Er einen Schild ergriff, und in die Schlacht
Sein Römervolk mit Müh' zurückgebracht.

                              29.
Don Juan, der keinen Römerschild konnt' heben,
Und der ein Fant, kein großer Cäsar war,
Dem nicht bewußt, wozu er wagt' sein Leben,
Stand 'ne Minute – was zu wenig zwar –
Dann rannte er wie nur ein Esel eben –
(Erschrick nicht, Leser, seit Homeros gar
Von Ajax brauchte dieses Simile,
Thut es auch unserem Don Juan nicht weh.)

                              30.
Ja wie ein Esel rannte er von hinnen
Und was noch mehr, er sah nicht hinter sich;
Und als es flammte von den Festungszinnen,
Wie Morgenroth's erhabner Feuerstrich,
Ein Schreckensbild den aufgeregten Sinnen,
Da stürmt' er fort, daß irgendwo zu Stich
Er käm' und einem Haufen lieh die Kraft,
Deß bester Theil vielleicht dahingerafft.

                              31.
Als er nun nicht mehr sah den Kommandanten
Des eignen Corps und dieses selber nicht,
Das irgendwie gekommen war abhanden –
(Ich stehe nicht für Alles im Gedicht,
Was übel klingt; doch sei hier zugestanden,
Daß es kein Wunder, wenn ein junger Wicht,
Der Ruhm ersehnte, vorwärts stets geschaut
Und keinen Deut sich scheert' um seine Haut.)

                              32.
Als er nicht Führer mehr, noch Trupp' noch Fahnen,
Und wie 'ne Waise das Bedürfniß sah,
Auf eig'ne Faust sich einen Weg zu bahnen,
Da wie ein Wandrer, der dem Irrlicht nah',
Wie ein Gestrandeter in dunklem Ahnen,
Dem nächsten Lichte zueilt mit Hurrah,
Nur seiner Nase folgend und der Ehr',
Stürzt' Don Juan fort in's dickste Feuermeer.

                              33.
Er wußt' nicht wo er war, ließ sich's nicht grämen,
Denn schwindlich war er, hastig und sein Blut
Im Kochen. Eifrig wollt' er Antheil nehmen,
Er fühlte ganz der Feuerköpfe Glut,
Und wo sie schossen, wie nicht mehr zu zähmen,
Wo die Kanone brüllte voller Wuth,
Da stürzt' er hin. Es bebte Luft und Erd'
Von dem, was Bacon's Scharfsinn uns verehrt.Die Engländer behaupten, Bacon habe das Schießpulver erfunden.

                              34.
Bald stieß er nun voll Glut und Feuerflammen
Auf das, was einst der zweite Haufen war,
Von Lasey ward er angeführt, dem strammen,
Und nun geschwächt, wie wenn ein Bändepaar
In einen dünnen Auszug sinkt zusammen.
Er stellte sich in diese Heldenschaar,
Die noch das Antlitz brav und ehrenwerth,
Wie das Gewehr, hin nach dem Walle kehrt.

                              35.
Auch Johnson war genaht in dem Momente,
Der sich zurückgezogen – wie man's nennt,
Wenn Einer lieber lauft, als durch die Hände
Des Todes nach des Teufels Höhle rennt.
Doch Johnson hatte wahre Kriegstalente,
Er wußte, wann man geht und wieder wend't
Und lief nur fort, wenn Laufen eine Art
Von Tapferkeit und schlauer Arglist ward.

                              36.
Als seine Schaar theils todt, theils sterbend ruhte,
Bis auf den Neuling Don Juan, der noch nicht
An's Fliehn gedacht in seinem Jugendmuthe,
Weil die Gefahr nicht fühlbar ward dem Wicht,
– Was allerdings den Nerven kommt zu Gute,
Wie Unschuld stark ist, die kein Kitzel sticht –
Da zog sich Johnson auf das Corps zurück,
Das in dem Todesthal versucht sein Glück.

                              37.
Und dort etwas gesichert vor den Schüssen,
Die regneten von Bastion und Bank,
Von Wall, Gewölb' und anderen Verschlüssen
– Denn in der Stadt, die nun auf jeder Flank'
Beworfen ward mit harten Eisennüssen,
War kaum ein Fleck, der nicht geschickt den Dank –
Stieß er auf Jäger, die noch ganz zersprengt
Vom Widerstand, der ihre Jagd beschränkt.

                              38.
Die rief er her, und selten Glück! sie kamen
Auf seinen Ruf – nicht wie das Geisterheer
Des Höllenschlundes, das man lang beim Namen
Aufrufen kann, bis es bemüht sich her –
Sie thaten's wol, weil sie's für Schande nahmen,
Vor schnödem Blei zu strecken das Gewehr
Und weil in Religion und Strategie,
Dem welcher führt, der Mensch stets folgt wie's Vieh.

                              39.
Beim Zeus! er war ein wackerer Geselle,
Der Johnson, ob sein Name schon nicht klang
Wie des Achill harmonisch edle Welle,
Und Seinesgleichen sucht man hier oft lang.
Er klopfte ruhig seiner Feinde Felle,
Wie der Passatwind fortsetzt seinen Gang,
Er wechselt' selten Farbe, Blick und Zug
Und schaffte viel, ohn' daß er Lärmen schlug.

                              40.
Lief er daher, so that er es mit Fleiße,
Er wußte ja, er fände hinten mehr,
Die gerne sich befreiten von dem Eise
Der bleichen Furcht, die Heldenmagen schwer
Oft drückt. Und schließt sich nach des Herrn Geheiße
Ein Heldenaug', so sieht es doch vorher,
Und stößt er auf den Tod und dessen Tück',
So geht er nur des Ansprungs halb zurück.

                              41.
So war auch Johnson deshalb nur gelaufen,
Um nach dem dunkeln, nebelvollen Plan
Zurückzukehren mit 'nem Kriegerhaufen,
– Nach Hamlet ist's der Aengsten enge Bahn. –
Jack rührt' das nicht, er dachte nur an's Raufen
Und seine Seel' griff die Lebend'gen an,
(Wie Galvanismus durch die Todten fährt)
Daß sie in's Feuer rasch zurückgekehrt.

                              42.
Doch schau! sie fanden nun zum zweiten Male,
Was schon beim ersten in die Flucht sie trieb,
So furchtbar war's trotz allem Vorgemale
Von Ruhm, Unsterblichkeit und Kampfeslieb',
Was sonst die Leute (neben dem Gezahle
Des Groschens) zäh' macht gegen Schuß und Hieb,
Sie fanden bei der Umkehr solche Nuß,
Als träfe sie ein höllischer Erguß.

                              43.
Sie fielen wie vom Hagel sinkt die Aehre,
Wie vor der Sense fällt das hohe Gras;
Von Neuem floß daraus die alte Lehre,
Das Leben sei so elend als nur was.
Der türkischen Geschosse ganze Schwere
Fiel hier so derb den Bravsten auf die Nas',
Daß sie wie Brei dalagen auf dem Plan,
Eh' sie nur spannen konnten ihren Hahn.

                              44.
Die Türken hinter Flanken und Basteien
Beschossen sie wie Teufel: – Wie den Schaum
Ein Windstoß wegfegt, flogen ganze Reihen;
Das Fatum aber, das den Weltenraum
Und Volk und Stadt darf seiner Laune weihen,
Verfügte, daß in diesem Höllentraum
Johnson mit Ein'gen, die nicht durchgebrannt,
Zuletzt erreicht des Walles äußre Wand.

                              45.
Erst stieg nur Einer aufwärts oder Zweie,
Dann Fünf und Sechs und dann ein Dutzend schnell,
Denn um den Hals ging's jedem in dem Breie,
Es schossen Flammen, rings um wie ein Quell.
Man wußte nicht, wen früher traf die Reihe,
Die, die bereits hier angelangt zur Stell'
Und auf dem Wall nun standen, oder die,
Die noch sich schaarten unten am Glacis.

                              46.
Die aber, die hinaufgestiegen, fanden
Ihr Weitergehn zufällig unterstützt,
Die Türken hatten Cohorn mißverstanden
Und Pallisaden, wo sie nichts genützt; –
Man lachte drüber in den Niederlanden!
(Gibraltar ist noch trefflicher geschützt.)
Gerade in der Brustwehr Mitte stand
Der Pallisaden frisch gesetzte Wand.

                              47.
So war ein Raum von zehen Schritt gelassen,
Wo die Bewegung unbehindert war.
Die Mannschaft wußt' den Vortheil zu erfassen,
So weit sie überstanden die Gefahr;
Sie bildete von Neuem ihre Massen
Und hieb hierauf zum Weitermarsch der Schaar
Durch diese Pallisaden eine Straß',
Da kaum sie höher als des Walles Gras.

                              48.
Der Ersten Einer – denn ich möcht' nicht sagen,
Der Erste selbst, weil solcher Ehrenpreis
Oft Haß und Feindschaft hat hereingetragen
In Völkerglück und manchen Freundeskreis;
Kein Britte dürfte zu behaupten wagen
– John Bull's Geblüt ist allzu stolz und heiß –
Bei Waterloo hab' Wellington fallirt, –
Obschon's die Preußen oft insinuirt;

                              49.
Und wäre Blücher, Bülow nicht gewesen
Und alle Möglichen in ow und au
Und hätten ohne langes Federlesen
Die angefaßt mit schärfster Bärenklau',
Die noch gekämpft wie aberwitz'ge Wesen,
So legte nicht mehr Wellington zur Schau
Die Orden aus, und mißte die Pension,
Die größte die man Helden gab als Lohn. –

                              50.
Gleichviel! Gott schütz' den König und sie alle!
Thut Er es nicht, die Menschen haben's satt.
Ich lauschte kürzlich eines Liedes Schalle:
»Das Volk sei aufgewacht in Land und Stadt –«
Die Mähre strampft, wenn sie Geschirr und Schnalle
Mehr schindet als die Post gestattet hat,
Und endlich däucht's dem Volke sonderbar,
Den Hiob nachzuahmen immerdar.

                              51.
Erst murrt's, dann flucht's und schleudert glatte Steine,
Wie David einstmals gegen Goliath;
Dann greift's zu Waffen, wie sie der Gemeine
Erfaßt, wenn die Verzweiflung ihn umfaht;
Dann kommt's zum Kampf – und bald kommt's, wie ich meine.
Ich sagte: Pfui! zu solcher Frevelthat,
Säh' ich nicht deutlich, daß Empörung nur
Die Erde rettet von der Hölle Spur. –

                              52.
Doch weiter nun! Von Ismail die Wälle
Erstieg der Ersten Einer Freund Don Juan,
Als wäre er gewöhnt an solche Fälle,
So neu für ihn auch diese blut'ge Bahn,
Wie für die Meisten wol. Zur Ruhmesquelle
Zog es auch ihn in süßem blinden Wahn.
So edel auch sein ganzes Wesen war,
So heiß sein Herz, so weiblich ja sogar.

                              53.
Hier stand er nun, der selbst im Arm der Frauen
Nur wie ein Kind gefühlt von Kindheit an,
(Obschon sonst immer als ein Mann zu schauen)
Ihm war Elysium diese süße Bahn.
Er konnte selbst die Probe wohl verdauen,
Die Rousseau bangen Schönen deutet an:
»Beacht' den Liebsten, läßt er deinen Arm,«
Doch Don Juan ließ nicht, so lang jene warm.

                              54.
Er ließ sie nur, wenn Schicksal, Wind und Wellen,
Wenn die Verwandten ihn dazu gebracht. –
Jetzt stand er hier, wo Herz und Geist zerschellen
An der Geschütze und der Schwerter Macht,
Und er, in dem so weiche Triebe quellen,
Hierher geschleudert, eh' er's recht bedacht,
Fuhr nun dahin wie ein gesporntes Roß,
Von Zeit und Ort gejagt wie ein Geschoß.

                              55.
So war sein Blut gereizt durch Widersetzen,
Wie das des Jägers durch Barrière und Thor,
Wo Englands Jugend in dem wilden Hetzen
Das Leben einsetzt und es oft verlor,
Wo leicht Gewicht ein Jeder weiß zu schätzen. –
Blut kam von Ferne ihm gar häßlich vor,
Wie Jedem bis er heiß – und selbst auch dann
Sein eig'nes fast am Schmerzensschrei gerann.

                              56.
Als Gen'ral Lascy, den der Feind bedrängte,
Die so willkomm'ne Hilfe nahen sah,
Zweihundert Mann, so jäh dahergesprengte,
Als fielen sie vom Monde eben da,
Verdankt' er Don Juan, der die Spitze lenkte,
Und meinte, daß des Sieges Stunde nah'.
Er nahm ihn als Livonier ungefragt,
Nicht als Bezonier, wie Freund Pistol sagt.

                              57.
Don Juan, den deutsch er angeredet, kannte
So wenig Deutsch als Sanscrit dazumal,
Und machte drum, da heiß der Kopf ihm brannte
Nur seinen Diener vor dem General;
Denn da ein Mann mit blau und schwarzem Bande,
Mit Stern, Medaille und dem blut'gen Stahl
Ihn dankend ansprach, wettete er schwer,
Es sei der Herr ein hoher Offizier.

                              58.
Zwei Männer halten keine langen Reden,
Wo ein gemeinsam Idiom gebricht;
Auch kann bei solchem Stürmen und Befehden,
Wo mancher Schrei und manche Unthat spricht,
Eh' noch die Antwort an das Ohr getreten,
Wo Schreckenstöne wie ein jüngst Gericht,
Geheul und Stöhnen auf uns stürmen ein,
Nicht viel die Rede von Gesprächen sein.

                              59.
Was wir daher erzählt in zwei Octaven,
Geschah in einem kleinen Augenblick,
Doch in dem gleichen Augenblicke trafen
Sich alle Frevel hier im Pickenick;
Selbst das Geschütz klang dumpf wie in 'nem Hafen,
Und übertäubt vom Lärmen, der so dick,
Man hörte einen Finken fast so gut,
Wie Donner in der allgemeinen Wuth.

                              60.
Man rückte ein. – O Schicksal aller Zeiten!
»Gott schuf das Land, der Mensch erschuf die Stadt,«
Schrieb Cowper einst; ich kann es nicht bestreiten,
Tyrus und Babel hin! Rom todesmatt!
Carthago, Niniveh in öden Weiten!
Einst hochberühmt und nun ein leeres Blatt!
Wenn ich's bedenke, muß ich glauben bald,
Daß unsre Heimat einstmals wird der Wald.

                              61.
Von allen Menschen, Sulla ausgenommen,
Der glücklich war im Leben wie im Tod,
Von all den Namen die auf uns gekommen,
Ist doch gewiß das schönste Abendroth
Für Gen'ral Boon, den Jägersmann, erglommen,
Der nur den Bären oder Bock bedroht
Und in Kentucky's tiefstem Waldesschooß
Des Greisenalters stillen Tag genoß.

                              62.
Verbrechen fand ihn nicht, es ist kein Sprosse
Der Einsamkeit. Gesundheit ließ ihn nicht,
Denn sie ist stets der Wildniß Spielgenosse;
Hier ist der Mensch nicht so auf sie erpicht,
Der Tod ihm näher als des Lebens Posse.
Gewohnheit zeigt ihm hier in andrem Licht,
Was in der Stadt ihm jählings sträubt das Haar –
Kurz, Boon der Jäger jagte neunzig Jahr.

                              63.
Und was noch seltner: hinterließ 'nen Namen,
Wofür man oft vergebens decimirt,
Nicht nur berühmt, nein, auch von jenem Samen,
Der höhern Ruhm als Kneipenruf gebiert,
Der einfach, schön die Spötter macht erlahmen,
Den weder Neid noch Feindschaft ruinirt,
Ein fleiß'ger Klausner und Naturkind doch,
Der Mensch von »Roß,« nur ohne menschlich Joch.

                              64.
Wol blieb er ab, selbst von den Landsgenossen;
Wenn sie bei seinen Bäumen sich gesetzt,
Dann zog er fort, wo andre Ströme flossen,
Wo Ruhe ihn und Einsamkeit geletzt;
Ein solches Glück ist der Cultur verschlossen,
Man hetzt dort nur und wird dort nur gehetzt;
Doch traf er wo den reinen Menschen an,
War er so lieb, wie Einer nur es kann.

                              65.
Nicht einsam war er: um ihn wuchs und lebte
Ein kräftig Volk des Waldes und der Jagd,
Ihr junges Herz war immer frisch und strebte,
Nicht Schwert noch Gram hat sich hierher gewagt;
Glatt war die Stirne und kein Grollen bebte
Im Menschenaug', das wie die Sonn' getagt;
Der freie Wald fand und erhielt sie frei
Und frisch wie's Wasser, Gottes Arzenei.

                              66.
Groß waren sie und stark, und schnell von Beinen,
Mehr als das blasse Mißgebild der Stadt,
Nie durften Sorgen ihren Muth verkleinen,
Gemeinsam war der Wald, die grüne Matt',
Kein müder Geist ließ sie gealtert scheinen,
Die Mode fand bei ihnen keine Statt.
Sie waren schlicht, nicht wild und ihr Gewehr
Gab nie zu einer Kleinigkeit sich her.

                              67.
Ihr Tag war Leben, Ruhe war ihr Schlummer,
Mit ihrer Arbeit paart' sich Heiterkeit,
Die Kopfzahl hatte just die rechte Nummer;
Nie keimt' in ihrer Brust Verdorbenheit,
Der Glanz der drückt, die Lust die zeuget Kummer,
Sie brachten nie den Waldbewohnern Leid.
Die Einsamkeit, die dieses Volk genoß,
War fröhlich stets und jedes Grames los.

                              68.
So die Natur! – Zu deinen Hochgenüssen
Zur Abwechs'lung zurück nun, o Cultur!
Zu der Gesellschaft herrlichen Ergüssen,
Zu Krieg und Pest, Verwüstung, Unnatur,
Der Königsruthe und den Wollustküssen,
Den Millionen auf der Todtenflur,
Den Scenen in Cath'rina's Boudoir,
Wozu die Folie Ismail heut' war!

                              69.
Man rückte ein! Es schritt auf blut'gen Wegen
Die erste, dann die zweite, dritte Schaar,
Das Bajonnet, der scharfe blut'ge Degen
Schlug an den Säbel; Kind- und Mütterschaar
Schrie ihren Schmerz dem Himmel laut entgegen,
Bis er erstickt in Schwefelwolken war:
So schlug der Türke sich in zäher Wuth
Und forderte für jeden Zoll breit Blut.

                              70.
Held Kutusów, der dann in spätern Tagen,
Mit Hilfe zwar von Kälte und von Schnee,
Napoleon von Moskau weggeschlagen,
Empfand jetzt selbst der Niederlage Weh'.
Es war ein hübscher Bursch, und konnt' es wagen,
Mit Freund und Feind zu scherzen je und je,
Stand Leben, Tod und Sieg selbst auf dem Spiel –
Heut' aber schien's zum Scherzen doch zu viel.

                              71.
Er sprang hinab in einen Festungsgraben
Und etlich Grenadiere hinter her,
Sie schienen sich mit Schnaps erhitzt zu haben.
So klomm er aufwärts an der äußern Wehr.
Hier aber hemmten sie den kühnen Knaben;
Hier fiel auch bald Gen'ral Ribaupierre,
Beklagt von Jedermann. Es schmissen sie
Die Türken rückwärts ohne Galant'rie.

                              72.
Doch Etlich die zu Schiffe hergeschwommen
Und sich verfehlt, weil sie nach einem Fleck
Der Strom geführt, wo sie's fast fortgenommen,
Und die umhergeirrt in ihrem Schreck,
Sie waren mit dem Tag an einen Ort gekommen,
Der aussah wie ein Thor. So kam zum Zweck
Der lust'ge Kutusów, der sonst wol blieb,
Wo halb sein Corps im Sand die Nase rieb.

                              73.
Als diese Truppe an dem Wall hinrückte,
Nachdem genommen war der Cavalier,
Und eben Furcht und schwere Sorge drückte
Auf Kutusów's verlorne Hoffnung hier,
Da gab es sich, daß es der erstern glückte,
Das Kiliathor zu öffnen dem Panier
Der scheuen Helden, die im tiefen Koth
Hier wateten, von Menschenblute roth.

                              74.
Die Kassaks oder lieber die Kosaken
– Ich geb' nicht viel auf Etymologie,
Wenn nur in Factis nicht zu viel der Haken
In Taktik, Politik, Geographie –
Die stets nur saßen auf der Pferde Nacken,
Sich schlecht auf Wall verstanden und Glacis
Und kämpften ohne rechts und links zu schaun,
Sie wurden alle in die Pfann' gehaun.

                              75.
Obschon beschossen von den Batterieen,
War nun ihr Pulk bis an den Wall gerückt
Und hoffte, dort die Türken auszuziehen,
Von Niemand mehr belästigt und bedrückt;
Jedoch die Türken hörten auf zu fliehen,
Als ob nur eine Arglist hier geglückt,
Und stürzte wüthend auf die Christenschaar,
Grad' als sie zwischen zwei Basteien war.

                              76.
So sahen sie gepackt sich in dem Rücken
– Für Bischof und Kosaken gleich fatal –
Und alsbald auch zerquetscht wie arme Mücken,
Zu viel für eine Löhnung, die so schmal;
Doch starben ohne Zagen sie und Bücken,
Wie Treppen lag der Leichen schwere Zahl.
Auf ihnen schritt Poluzki's Bataillon,
Voran Jesuskoi, nach dem Polygon.

                              77.
Der tapfre Mann hieb Alles hier zusammen,
Doch fressen konnte er die Türken nicht;
Denn diese wollten nicht umsonst in Flammen
Die Festung sehn – und machten ihn zu nicht'.
Die Stadt war hin, doch in Betreff der Schrammen,
Ergab sich beiderseits ein Gleichgewicht.
Schlag fiel auf Schlag, man focht um Ruhm und Schmach,
Der wich nicht weg und der gab auch nicht nach.

                              78.
Auch eine zweite Schaar lief blut'ge Gassen,
Und wir bemerken mit der Chronik drum,
Die Truppen sollten wenig Pulver fassen,
Die man bestimmt zum höchsten Heldenthum,
Man sollt' sie los mit Bajonneten lassen
In vollem Sturm auf's Capitolium,
Sonst fangen sie, dem Leben zugethan,
Auf tollen Abstand schon zu feuern an.

                              79.
Zuletzt gelang's mit Gen'ral Mecnop's Schaaren
– Doch ohne Ihn, der etwas vorher fiel –
Und die bis dahin fast verlassen waren,
Sich zu vereinen vor dem letzten Ziel,
Dem bösen Wall, dem Gipfel der Gefahren;
Und ob der Türk' auch im Heroenstil
Hier focht, ward doch gewonnen die Bastion,
Der Seraskier trug hohen Ruhm davon.

                              80.
Don Juan und Johnson und zwei Volontaire,
Die Vordersten, entboten ihm Pardon;
Doch paßt das nicht zu Seraskier und Ehre,
Nicht wenigstens zu diesem Heldensohn;
Er starb, verdienend seines Landes Zähre,
Ein Märtyrer von Säbel und Kanon'.
Ein Capitän fiel mit, in britt'schem Sold,
Der zum Gefangnen machen ihn gewollt.

                              81.
Denn ein Pistolschuß, der ihn niederstreckte,
War Jenes Antwort auf sein Angebot;
Was allen Grimm der Uebrigen erweckte,
Die nun mit Stahl und Blei ausstreuten Tod,
Den frommen Stoffen, die so Mancher schmeckte
In solchem Fall; kein Kopf blieb unbedroht,
Dreitausend Türken fielen kämpfend hier,
Von sechzehn Stichen sank der Seraskier.

                              82.
Die Stadt ward nur erst nach und nach genommen;
Der Tod berauschte sich in Menschenblut,
An jeder Ecke focht ein Herz beklommen
Für die, die bald entbehren seinen Muth.
Hier war der Krieg vom Selbstmord abgekommen
Und schlug mehr die Natur in seiner Wuth.
Des Blutbads Hitze schuf der Unthat viel,
Wie Sonne Wahngebild' im Schlamm des Nil.

                              83.
Ein Offizier der Russen, der auf Leichen
Dahin schritt, fühlte seinen Fuß erfaßt,
Wie von der Schlange Zähnen, deren Gleichen
Schon über Eva brachte Noth und Last.
Vergebens Stoßen, Fluchen, Winden, Keifen!
Vergebens schrie er wie ein Tiger fast,
Die Zähne hielten, was sie sich erwählt,
Wie man's von Nattern alter Zeit erzählt.

                              84.
Ein Türke, der am Sterben schon, verspürte
Den Fuß des Feindes über sich und biß
Grad' in die Sehne, die zur Ferse führte
(Und die man längst nach dir, Achilles, hieß.)
Er biß so scharf, daß Zahn den Zahn berührte
Und ließ nicht los, selbst als das Leben riß.
Man sagt – doch das wird wol gelogen sein –
Der todte Kopf hing am lebend'gen Bein.

                              85.
Wie dies nun sein mag, so viel ist erhoben,
Der Russe blieb gelähmt sein Leben lang,
Die Zähne faßten allzu tief, die groben,
Und hinkend ward und krüppelhaft sein Gang,
Der Stabsarzt machte dran die schlimmsten Proben,
Vielleicht auch dadurch Jenem mehr noch bang,
Als selbst der Kopf, der so verzweifelt biß,
Daß abgetrennt er kaum ihn fahren ließ.

                              86.
Doch wahr bleibt wahr! Und es ist stets die Sache
Des ächten Dichters, Dichtung zu umgehn,
Wo er nur kann. Wer recht gewandt im Fache,
Muß auch in Versen wahr zu sein verstehn,
Wofern uns nicht verführt der Modedrache,
Poetisch schöne Redensart zu drehn,
Und jener Hunger, der nach Lügen drängt,
Womit der Satan täglich Seelen fängt.

                              87.
Genommen ist die Stadt – doch nicht gegeben,
Kein Türke hat verzagt das Schwert gestreckt;
Das Blut mag fließen, wie hier in den Gräben
Die Donau fließt, doch keine That entdeckt,
Kein Wort, daß Todes Aengste um ihn schweben,
Der Siegesruf des Moskoviters schreckt
Umsonst. Des letzten Feindes Stöhnen schafft
Ein Echo in der eignen Brust, die klafft.

                              88.
Es stößt das Bajonnet, der Säbel spaltet
Und Menschenleben werden rings zerstückt,
Wie mit dem Laub der rauhe Herbstwind schaltet,
Wenn sich der Wald vor kaltem Hauche bückt;
So weint die Stadt, nun grausam mißgestaltet,
Von deren Schooß die Besten man gepflückt.
Sie stürzt! doch ihre Splitter sind noch groß,
Der Eiche gleich mit tausendjähr'gem Moos.

                              89.
Ein großes Thema, aber meine Sache
War es noch nie, ein Schreckensmann zu sein;
Das Menschenschicksal ist von bunter Mache,
Bald gut bald bös; ja oftmals hat's den Schein,
Als ob man in der Traurigkeit selbst lache.
Zu viel von Einem schläferte uns ein!
Ob Freund ob Feind ich kränke oder nicht,
Ich mal' die Welt genau in ihrem Licht.

                              90.
Doch eine Großthat mitten in Verbrechen
»Erfrischt« – in der gezierten Redensart
Des Tags mit seinen Pharisäerschwächen,
Mit Kleinlichkeiten aller Art gepaart.
Sie mag bethauen diese dürren Flächen,
Die noch versengt vom Sturm, der nichts gespart,
Und seinen inhaltsschweren Folgen, die
So reich gestalten ep'sche Poesie.

                              91.
Auf einem Werke, das genommen, lagen
Wol Tausende von Männern hingestreckt,
Und unter ihnen warm noch, doch erschlagen,
Ein Haufen Frauen, der sich hier versteckt;
Entsetzlich war's! – indeß in Scheu und Zagen
Ein Mädchen, lieblich wie's der Mai erweckt.
Die junge Brust in des Entsetzens Flucht
Hier zwischen Leichen zu verbergen sucht.

                              92.
Doch zwei Kosaken folgten hart dem Kinde
Mit blitzendem Gewehr und Blick! Ein Wild,
Das streifet durch Sibirien's eis'ge Winde,
Ist gegen sie gezähmt und gut und mild;
Ein Bär ist zart, ein Wolf selbst noch gelinde.
Wem aber danken wir dies Schreckensbild?
Nur der Natur? Nicht eher ihrem Herrn,
Der da vernichtet jeden bessern Kern?

                              93.
Die Säbel zuckten schon zu Todesstreichen,
In Schrecken sträubte sich das schöne Haar,
Sie barg ihr Antlitz ängstlich bei den Leichen,
Als Don Juan dieses Anblicks ward gewahr.
Da rief er laut – doch will ich das verschweigen
Dem feinen Ohre wär' es widrig gar,
Dann aber nahm er unsanft sie beim Frack,
Die beste Sprache für Kosakenpack.

                              94.
Dem Einen schlitzte er im Zorn die Lende,
Dem Andern schlug die Schulter er entzwei,
So daß sie mit der unverhofften Spende
Zum Doctor liefen unter Wuthgeschrei,
Daß er die Wunden, die verdient, verbände;
Und abgekühlt in Sicht der Metzelei
Hob Don Juan Jene aus dem Knäu'l empor,
In dem auch sie das Leben fast verlor.

                              95.
Sie war so kalt wie die, und auf den Wangen
Bewies ein feiner, frischer Streifen Blut,
Wie nahe ihr, was Alle traf, gegangen,
Es schürfte sie desselben Streiches Wuth,
Der ihre Mutter schlug. So ward empfangen
Ein Denkemein! an das verlorne Gut.
Sie öffnete das Auge groß und rund
Und schaut' auf Don Juan mit erstauntem Mund.

                              96.
Als ihre Blicke in einander eben
Sich senkten und in Don Juan Schmerz und Lust,
Hoffnung und Furcht, gemischt mit freud'gem Beben,
Daß er sie rettete, und unbewußt
Auch Angst gekeimt vor ihrem künft'gen Leben,
Indeß der Schreck bewegte ihre Brust
Und ihr Gesicht so blaß, so rein und mild,
Erschien wie ein beleuchtet Marmorbild; –

                              97.
Trat auch John Johnson auf – ich darf nicht sagen –
Jack kam – das wär' gewöhnlich und gemein,
Da zu so Hohem heut' die Uhr geschlagen
Und eine Festung man genommen ein.
Er kam mit Hunderten in vollem Jagen
Und rief Don Juan: »Mein Junge, drauf und drein!
Ich wette Moskau gegen eine Kron',
Wir tragen ein Georgenkreuz davon!Ein russischer Militärorden.

                              98.
»Der Seraskier ist auf den Kopf gehauen,
Es fehlt jetzt nur die starke Steinbastion;
Dort sitzt der Pascha unter Todesgrauen
Und raucht die Pfeife ruhig fort von Thon,
Indessen unsere Todten hoch sich stauen,
Bis an das Knie ringsum die Brustwehr schon.
Doch seine Schlünde feuern fort und fort,
Wie Trauben regnen die Kartätschen dort.

                              99.
»Drum kommt mit mir!« – Doch Don Juan sprach: Betrachtet
Dies Kind! Ich hab's gerettet, darf es nicht
Dem Zufall lassen. Wenn Ihr kund mir machtet
Den Ort, der Sicherheit für sie verspricht,
So geh' ich mit. – Drauf Johnson sinnt und trachtet,
Und zuckt die Achsel, zupft am Rock und spricht:
»Ihr habt wol Recht, das arme, arme Kind!
Was kann man thun? Ich weiß nicht so geschwind.«

                             100.
Was immer hier, sprach Don Juan, kann geschehen,
Ich werd' sie nicht verlassen, bis ich sie
In bess'rer Obhut als bei uns gesehen.
– »Das,« meinte Johnson, »möcht' ich wissen wie?
Ihr wenigstens könnt ruhmvoll untergehen« –
– Ich, sagte Don Juan düster, murre nie,
Ich trage was ich muß, doch dieses Kind
Hat Nichts und Niemand, als was wir ihm sind.

                             101.
»Wir haben keine Zeit hier zu verlieren,«
Sprach John, »hübsch freilich, sehr hübsch ist das Kind.
Nie sah ich solche Augen wie die ihren,
Doch Ruhm und Ehre auf dem Spiele sind.
Horch, wie es lärmt! Wenn Plünderer regieren,
Darf man nicht zärtlich sein und auch nicht lind.
Ich ging nicht gerne ohne Euch, doch seht,
Wir kommen ja zum großen Schlag zu spät.«

                             102.
Doch Don Juan ließ sich nicht von ihm bewegen,
Bis Johnson, der ihn liebt' auf seine Art,
Die besten auslas seiner wilden Degen,
Die noch ein Quentchen Menschlichkeit gespart,
Und schwur, er lasse sie in Ketten legen,
Wenn sie das Kind nicht wie ihr Aug' bewahrt;
Doch wenn sie's wieder brächten frisch, gesund,
Bekäme Jeder fünfzig Rubel rund.

                             103.
Und überdies den ganzen Theil der Beute,
Der ihren Kameraden heute fiel. –
Jetzte stürmte Don Juan mit der wilden Meute,
Die jeder Schritt verdünnte, nach dem Ziel;
Die Hoffnung war's, die stets den Muth erneute,
Die Hoffnung zu erbeuten mächtig viel –,
Ein Ding, das täglich überall passirt,
Kein Held den Hals nur für den Sold riskirt.

                             104.
So ist der Sieg, so ist der Mensch beschaffen,
Zum wenigsten neun Zehentel davon,
Gott hat wol andere Namen für die Affen,
Denn dunkel ist der Weg zu seinem Thron.
Doch weiter nun: ein Tatarchan in Waffen,
Ein Sultan, wie der Autor (deß Sermon
In Prosa ich in Reime bringe hier)
Den Häuptling nennt, verschmähte das Quartier.

                             105.
Und unterstützt von fünf bewährten Söhnen
(So zeugt Polygamie ein Kriegerheer,
Man sollte sie deshalb nicht so verhöhnen.)
Setzt' er hier fort die tapfre Gegenwehr
Und könnt sich mit dem Sturme nicht versöhnen.
Beschreib' ich Priam's, Peleus' Wiederkehr?
Nein, einen alten braven Biedermann,
Der mit fünf Söhnen focht im Heeresbann.

                             106.
Ihn fangen war das Ziel! Die wirklich Braven,
Sehn sie die Braven durch die Zahl erdrückt,
Verlangen, sie zu retten in den Hafen;
Halb sind sie Thier, halb wie ein Gott verzückt,
Jetzt wild wie Wogen, die auf Klippen trafen,
Jetzt mitleidsvoll. Wie oft der Baum sich bückt,
Der knorrige vor einem Sommerwind,
So wird ein rauh Gemüth oft weich und lind.

                             107.
Er aber wollte sich nicht fangen lassen
Und rief man ihm sich zu ergeben zu,
So mähte er nur Christen hin in Massen,
Wie Schwedens Karl zu Bender gab nicht Ruh'.
Auch seine Jungen ließen sich nicht fassen,
Da schwand der Russen Hochgefühl im Nu,
Das wie die irdische Geduld vergeht,
Wenn nur ein Lüftchen ihm entgegen weht.

                             108.
Johnson und Don Juan ließen alle Phrasen
Aus ihrer Türkensprache auf ihn los;
Sie baten ihn, doch nicht mehr so zu rasen,
Zu mildern seiner Hiebe Wucht und Stoß,
Sie wollten nicht sein Lebenslicht ausblasen,
Doch er schlug wie ein toller Virtuos
Auf sein Clavier, und schalt die Freunde laut,
Wie oft ein Säugling seine Amme haut.

                             109.
Don Juan und Johnson schlug er sogar Wunden,
Obschon nur leichte, und nun fielen sie,
Der seufzend, fluchend jener, gleich den Hunden
Auf dieses aberwitz'ge Sultansvieh.
Der höchste Zorn ward allerseits empfunden
Ob dieses Heiden zäher Energie.
Wie Regen stürzten sie auf ihn daher,
Er fing sie auf, heiß wie der Sand am Meer,

                             110.
Der trocken bleibt. Doch endlich fielen Alle.
von einem Schusse sank der zweite Sohn,
Der dritte kam durch einen Hieb zu Falle,
Dem vierten gab das Bajonnet den Lohn,
Der fünfte, dessen kindliches Gelalle
Ein christlich Mutterherz erfreut, dem Hohn
Und Kränkung dafür ward, – starb doch mit Lust
Dem Vater, der's zu würd'gen nicht gewußt.

                             111.
Der Aelt'ste war der Typus des Tataren,
Ein Christenhasser jener wilden Art,
Wie Märtyrer Muhammeds immer waren,
Für die er seine Huris aufgespart,
Daß sie sich kosend um die Helden schaaren,
Die mit dem Tod geschlossen ihre Fahrt.
Doch diese Huris thun wie jede Frau,
Die hübsch ist, was sie mögen ganz genau.

                             112.
Was mit dem jungen Chan sie machen wollen,
Das weiß ich und errathe ich auch nicht,
Doch ziehn sie einen hübschen, lebensvollen
Den alten Helden sicher vor, bei Licht,
Und hierin werden wir den Grund auch suchen sollen,
Den Grund warum, wo man nur immer ficht,
Für einen wetterbraunen Veteran
Zehntausend Jungens liegen auf dem Plan.

                             113.
Die Huris finden auch ein wahr Vergnügen,
Die jungen Ehemänner hinzumähn,
Noch eh' die Brautzeit in den letzten Zügen
Und eh' des zweiten Monats Wolken wehn,
Eh' Reue Zeit fand, jenen vorzulügen,
Daß sie als ledig Schöneres gesehn.
So nimmt vielleicht die Huri Manchem keck
Der kurzen Blüte beste Frucht hinweg.

                             114.
Drum dachte nicht an seine schönen Frauen
Der junge Chan, und stürzte tapfer sich
In jene erste Nacht in Himmelsauen.
Doch lachen wir darob auch männiglich,
So ist's doch wahr: es ficht in solchem Schauen
Der Türk', als gäb's nur Einen Himmelsstrich,
Da es doch sechs bis sieben solcher gibt,
Wenn Alles wahr, was man zu pred'gen liebt.

                             115.
So strahlte in sein Aug' ihm dies Gesichte,
Daß, als ins Herz ihm nun die Lanze fuhr,
Er Allah! schrie und Eden drauf im Lichte
Erblickte seiner herrlichen Natur,
Daß vor ihn trat des Himmels Glanzgeschichte,
So wie die Sonne vor die Kreatur.
Propheten, Huris, Engel, Heil'ge bracht'
Ein holder Strahl – dann sank er hin in Nacht.

                             116.
Doch mit Entzücken auf dem Angesichte
Schaut Vater Chan, der längst nicht Huris mehr,
Noch Andres sah als seines Stamms Geschichte,
Die Cedern, die da wuchsen um ihn her.
Wie nun sein letzter Held mit Bleigewichte
Die Erde traf, gebrochen, starr und schwer,
Da hemmt' den Arm der alte Kampfeshahn
Und sah den Sohn, den ersten, letzten an.

                             117.
Als er gesenkt die scharfe Säbelspitze,
Hielt auch der Feind und dachte an Pardon,
Falls jener nicht von Neuem schösse Blitze.
Der aber sah und hörte nichts davon,
Sein Herz war ganz aus seinem Gang und Sitze,
Bis dahin stark, ward es nun weich wie Thon.
Da lagen seine Kinder und er sah,
Daß er allein auf dieser Welt noch da.

                             118.
Doch war es nur ein flüchtiges Erbeben,
Dann stürzt er wieder auf der Russen Stahl,
So arglos, wie zum Licht die Motten schweben,
Wo sie verbrennen ohne lange Qual,
Und schärfer drang er – los zu sein das Leben –
Auf seiner Söhne Mörder allzumal.
Noch einen Blick auf sie, dann durft' dahin
Aus Einer Wunde seine Seele fliehn.

                             119.
Und sieh'! Die rohen, harten Kriegerseelen,
Die weder Alter schonten noch Geschlecht,
Sie konnten doch die Rührung nicht verhehlen,
Als dieser Greis nun stürzte im Gefecht,
Den todten Söhnen treu sich zu vermählen;
Und kam's zu einer Thräne auch nicht recht,
In diesen Augen, die vom Kampfe roth,
Sie ehrten's doch, wie er getrotzt dem Tod.

                             120.
Noch setzte fort die Steinbastei ihr Feuer,
Der erste Pascha hatte seinen Posten dort;
Die Russen stürmten zehn Mal das Gemäuer
Und zehn Mal jagte er sie wieder fort.
Da frug er endlich, ob der ihm so theuer,
Erhalten noch, verloren schon, der Ort?
Und da er Letzres hörte, sandte er
Zu Ribas, zu vernehmen sein Begehr.

                             121.
Inzwischen saß er mit gekreuzten Beinen
Und kaltem Blut auf seinem Teppich da,
Und rauchte unter rauchenden Gebeinen,
Selbst Troja größern Heldenmuth nicht sah;
Ein ernstes Sinnen war sein ganz Erscheinen,
Er strich den Bart sich wie ein Perserschah
Und blies empor die Wolken seiner Pfeif',
Als hätte er drei Leben wie drei Schweif'.

                             122.
Die Stadt war hin! Jetzt war's von keinem Werthe,
Wenn er auch sich und die Bastei ergab;
Kein Schutz floß mehr aus seinem tapfern Schwerte.
Hin Ismail!! Der Halbmond ging zu Grab.
Roth stand das Kreuz nun über Strom und Erde.
Doch nicht vom Blut, das ein Erlöser gab;
Wie Mondlicht aus dem Wasser, strahlte her
Der Straßenbrand aus einem Blutesmeer.

                             123.
Jed Gräuelding, vor dem sich Seelen bäumen,
Und jede Unthat, die den Leib durchzückt,
Was wir von Elend lesen, hören, träumen,
Was nur ein Teufel thät, wenn er verrückt,
Ja Dinge, die das Aergste überschäumen,
Womit sich nur die Hölle labt und schmückt,
Was nur ein Mensch kann, der mißbraucht die Macht,
Ward damals über Ismail gebracht.

                             124.
Wenn hie und da geblitzt ein Mitleidsfunken,
Ein edler Herz den blut'gen Zauber brach,
Ein armes Kind befreit ward von Halunken,
Ein Greis entzogen bittrem Ungemach,
Was heißt das denn, wo eine Stadt versunken
Und tausend Menschenloose sanken nach!
Ihr Lond'ner Söhnchen, Stutzer von Paris,
Höchst unterhaltend ist der Krieg gewiß!

                             125.
Bedenkt, aus wie viel Jammer und Gebrechen
Des Zeitungslesens eitle Lust besteht?
Vergesset nicht, es kann sich an euch rächen,
Ein gleicher Wind auch euch noch einmal weht.
Inzwischen mögen Steuern, Schulden sprechen
Und Castlereagh, der über beide geht.
Lest in euch selbst, lest Irlands Martyrthum
Und nährt den Hunger mit Sir Wellesley's Ruhm.

                             126.
Doch leuchtet noch dem Volk von Patrioten,
Das seine Heimat, seinen König liebt,
Ein andres Thema höchster Jubeloden,
Dem jede Muse ihre Schwingen gibt,
Wenn auch Verwüstung durch des Landes Boden
Heuschrecken gleich den wüsten Rüssel schiebt:
Nie nah' dem Thron des Hungers stierer Blick,
Sei Irland hin, wird Georg nur brav dick!

                             127.
Doch laßt mein Thema endlich mich beenden:
Zu Ende ging es auch mit Ismail,
Hoch lohten Flammen aus durchschoss'nen Wänden,
Die Donau war ein roth gefärbter Nil,
Gekreisch und Schlachtruf noch an allen Enden,
Doch schwächer nunmehr der Kanonen Spiel.
Von vierzig Tausend, die besetzt den Wall,
Noch Hundert laut – verstummt die andern All'!

                             128.
In Einem aber war es sehr zu loben,
Das Russenheer bei der Gelegenheit,
Ob einer Tugend, die wird hoch erhoben
Und würdig ist, zu leuchten weit und breit,
Zart ist das Ding, zart sei es auch gewoben.
Vielleicht es war des Winters eisig Kleid,
Die kurze Ruh', das karge Fleisch und Brod:
Sie waren keusch – kaum züchtigten sie Noth.

                             129.
Sie schlugen todt, sie plünderten und thaten
In mancher Richtung Unbill und Gewalt,
Doch an dem Leibe übten sie nicht Schaden,
Wie der Franzos, wenn es zum Sturme knallt.
Ich kann den Grund wahrhaftig nicht errathen,
Wenn es nicht war, weil es so naß und kalt;
Doch alle Mädchen bis auf zwanzig schier,
Verblieben Jungfern wie zuvor dahier.

                             130.
Mißgriffe gab es wol ein Paar im Dunkeln,
Aus Mangel an Laternen und Geschmack,
Und in dem Rauche konnte leicht man munkeln
Und oft dem Freund statt Feind entziehn den Frack,
Doch wo auch nur ein Lichtstrahl mochte funkeln,
Schont' die ergraute Keuschheit der Kosak,
Sechs siebzigjähr'gen Jungfern aber nahm
Ein Dutzend Grenadiere ihren Rahm.

                             131.
Im Ganzen aber blieb die Keuschheit unbestritten,
So daß sich die etwas getäuscht gefühlt,
Die längst schon an der Ledigkeit gelitten
Und weidlich gegen diesen Zwang gewühlt
– Da es ihr Fehler nicht, und Schuld die Sitten –
Und die nun ihre Schönheit gern gekühlt
An einer Art Sabiner Hochtzeitnacht,
Die keine Kosten für die Trauung macht.

                             132.
Auch aus dem geilen Mittelalter kamen
Der Stimmen viel und brachen laut sich Bahn:
– Wittwen von vierzig waren diese Damen –
»Wann denn einmal die Nothzucht fange an?«
Doch da in Blutdurst noch die Krieger schwammen,
Blieb keine Zeit für solchen süßen Wahn.
Ob sie noch Rücksicht fanden oder nicht,
Bleibt unenthüllt, doch Hoffen ist mir Pflicht.

                             133.
Suwórow war jetzt Herr! In seinem Wesen
Lag was von Timur und von Tschingischan,
Indeß Moscheen und Häuser loderten wie Besen
Und das Geschütz den Mund kaum zugethan,
Fing er in folgenden, famosen Thesen
Mit blut'ger Hand die erste Meldung an:
»Gott Ruhm! Ruhm Euch! (Die zwei in Einem Satz!
O güt'ger Himmel!) Mir gehört der Platz!«Im russischen Original:

Slawa Begu! Slawa Wam!
Krepost wzala y ja tam.

Eine Art Couplet, denn er war Dichter.

                             134.
Mich dünkt, dies sind die fürchterlichsten Worte,
Seit Mene Mene Tekel Upharsin,
Die je ein Finger schrieb von Blut und Morde.
Gott steh' mir bei, kein Geistlicher ich bin!
Was Daniel las, kam von des Himmels Pforte,
War ernst und groß, wie das Geschick darin,
Doch dieser Russ' schrieb seinen witz'gen Reim
Wie Nero auf ein brennend Haus und Heim.

                             135.
Er schrieb die Noten kräftig und gemessen,
Von Schrei'n und Stöhnen wol accompagnirt,
Die Wen'ge singen, Keiner wird vergessen! –
O daß die Steine sich emancipirt,
Sich den Tyrannen schmissen auf die Tressen!
Man sage nie, daß Thronen wir flattirt!
Ihr aber, Enkel, merket euch hiebei,
Wie's auf der Welt war, ehe sie noch frei.

                             136.
Für uns nicht, nein! für euch ist diese Stunde,
Und weil ihr in dem Glücke eurer Zeit
Wol schwer begreifet solcher Dinge Kunde,
Hab' ich die Zeilen ihrem Bild geweiht –
Doch fort mit dem Gedächtniß dieser Hunde!
Und taucht's empor, so tretet drauf und speit;
Mehr als die Wilden hasset diese Brut!
Die malten wol den Leib, doch nicht mit Blut.

                             137.
Und wenn man euch von Thronen dann gesprochen
Und denen, die ein Gott darauf gestellt,
So nehmt's etwa wie wir die Mammuthsknochen,
Wie wir jetzt staunen ob der alten Welt,
Aus der Hieroglyphen man gebrochen,
Für lange Zeit ein reiches Räthselfeld;
Und sinnet dann ob diesem dunkeln Fleck,
Wie wir ob einer Pyramide Zweck.

                             138.
Ich habe, Leser, dir mein Wort gehalten;
Was ich versprach, als wir uns erst gesehn,
Von Liebe, Sturm, von Reisen, Kriegsgewalten
Sang ich getreu, du mußt es zugestehn,
Und episch auch; doch ließ ich Wahrheit walten
Und wußte mich in kleinerm Kreis zu drehn,
Als die vor mir. Ich singe ohne Zier,
Doch Phöbus leihet manche Saite mir.

                             139.
Mit dieser kann ich harfen dann und geigen!
Was unsrem Helden jetzt geschehen wird,
Das werde ich natürlich nicht verschweigen,
Indem das Räthsel langsam sich entwirrt.
Jetzt aber muß ich von dem Pferde steigen,
Ich bin erschöpft, drum wird hier ausgeschirrt.
Doch Don Juan ist schon lange auf der Fahrt
Mit dem Bericht, auf den die Hauptstadt harrt.

                             140.
Ihm wurde diese Ehre übertragen,
Weil er bewiesen Menschlichkeit und Muth;
Man liebt die erstre, wenn vorbei das Jagen
Und man von seinen Scheußlichkeiten ruht.
Das Mädchen wurde hoch ihm angeschlagen,
Das er errettet vor der Stürmer Wuth;
Mehr freute selber ihre Rettung ihn,
Als der Wladimir, der ihm ward verliehn.

                             141.
Mit dem Beschützer zog die türk'sche Waise,
Sie war ja ohne Heimat, Freund und Haus;
Nichts blieb ihr übrig von der Theuern Kreise,
Sie fielen All' in Schlacht und Sturmes Graus!
Wo sie geboren, weidete die Geiße,
Kein Muezzin rief Gläubige heraus –!
Don Juan ward weich; er schwur an jenem Ort,
Sie zu beschirmen, und er hielt sein Wort.

 


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