George Byron
Don Juan
George Byron

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Don Juan.

Erster Gesang.

                               1.
Mir fehlt ein Held! ein ungewöhnlich Klagen,
Da alle Tag' ein neuer fast erscheint,
Mit dessen Ruhm die Zeitungen sich plagen,
Bis man erkennt, man hab' es nur gemeint.
So Schmähliches soll man von mir nicht sagen,
Drum wähl' ich Don Juan, unsern alten Freund.
Wir Alle sahen ihn im Puppenspiel,
Wie ihn der Teufel holte, vor dem Ziel.

                               2.
Vernon und Cumberland, wer will's bestreiten?
Wolfe, Burgoyne, Ferdinand und Stein,
Die Guten wie die Bösen hatten ihre Zeiten,
Den Wirthsschild nahmen sie wie Wellesley ein,
Und schritten so wie Banco's Kön'ge schreiten
Dem Ruhme nach wie Ferkel einem Schwein.
Auch Frankreichs Moniteur sang je und je
Von Bonaparte und von Dumourier.

                               3.
Barnave und Mirabeau und jene Großen,
Clootz, Pethion, Marat, Lafayette, Danton,
Sie waren einst verherrlichte Franzosen
Und Manche noch – jetzt fast vergessen schon,
Auch Joubert, Hoche und Moreau, der verstoßen,
Desaix und mancher and're Martis Sohn,
Von dem die Welt mit hohem Staunen spricht, –
Sie eignen sich für meine Zwecke nicht.

                               4.
Als Englands Kriegsgott Nelson ward gepriesen
Und sollt's noch sein, doch seine Zeit ist um,
Wann wird noch auf Trafalgar stolz gewiesen?
Er liegt bei seinen Helden todt und stumm.
Das Landheer ist's, dem jetzt die Reden fließen
Und traurig geht der Seemann nun herum.
Ist ja der Prinz dem Landdienst zugethan
Und so vergißt man Jervis, Howe, Duncan.

                               5.
Vor Agamemnon lebten auch schon LeuteVixere fortes ante Agamemnona.
Horaz.

Und nachher gab es einen guten Theil,
Nicht ganz wie er, doch tapf're und gescheute,
Doch weil kein Dichter sie geschleppt am Seil,
Versanken sie. – Ich schelte Keinen heute,
Doch wächst mir aus der Gegenwart kein Heil,
Kein Heldenstoff, der meinem Sinn behagt,
Drum nahm ich mir den Don Juan, wie gesagt.

                               6.
Meist fällt der Dichter sogleich in die Mitte
(Nach Freund Horaz die wahre Heldenbahn).
Dann meldet euer Held, mit oder ohne Bitte
Gelegentlich was vorher er gethan,
Wenn nach dem Mahle er nach alter Sitte
Bei der Geliebten ruht auf weichem Plan,
In Höhle, Garten, Paradies, Palast,
Wo unser Paar wie im Hotel hält Rast.

                               7.
Dies ist der Andern Art, doch nicht die meine,
Ich fange sachte mit dem Anfang an,
Die Ordnung meines Plans erlaubt mir keine
Abschweifung von der vorgeschrieb'nen Bahn.
So nehm' ich denn zur Hand den Kopf der Leine
(Ich rücke zwar die schönste Zeit daran!)
Und melde euch von Don Juan's Vater was,
Auch von der Mutter – macht das Ding euch Spaß.

                               8.
Er wurde zu Sevilla einst geboren,
Das hochberühmt durch Früchte und durch Frau'n,
Wer sie nicht sah, hat wirklich viel verloren,
Das Sprichwort sagt's, ihr dürft ihm keck vertrau'n,
Von Spaniens Städten ist es auserkoren,
Nur Cadix gleicht ihm – doch das sollt ihr schau'n.
Dort lebten Don Juan's Eltern im Revier
Des edeln Stromes, des Guadalquivir.

                               9.
Sein Vater hieß José, ein »Don« ihn ehrte,
Als ächter Hijodalgo, unbefleckt
Von Mauren- oder Judenblut, deß Fährte
Nur nach den gothisch'sten der Ritter schmeckt'.
Nie stieg ein bess'rer Cavalier zu Pferde,
Nie ward ein bess'rer in den Sand gestreckt
Als Don José, der unsern Mann gezeugt,
Der selbst – doch davon noch die Fabel schweigt.

                              10.
Die Mutter war von dem Gelehrtenfache,
Zu Haus in jedem Zweig der Wissenschaft,
In jeder uns bekannten Christensprache,
Und so wie geistreich auch noch tugendhaft.
Sie hielt die Fähigsten recht gut im Schache,
Der Weise selbst beneidete die Kraft,
Womit sie spielend fast und wie im Schlaf
In Allem alle Andern übertraf.

                              11.
Und ein Gedächtniß hatte sie! Sie kannte
Den Lopez halb und ganz den Calderon,
Wenn ein Acteur sich irrte und verrannte,
Soufflirte sie ihm richtig Ton für Ton.
Feinaigle's Kunst verlief für sie im Sande,
Ihr gegenüber würde er zum Hohn.
Nie zog er ein Gedächtniß so famos,
Wie Donna Inez Schädel in sich schloß.

                              12.
Die Mathematik liebte sie am meisten,
Die Großmuth war ihr höchster, schönster Zug,
Im Witze konnte Classisches sie leisten,
Doch dunkel war oft ihr erhab'ner Flug,
Sie durfte sich als Wunder viel erdreisten;
Von Barchent war, was sie am Morgen trug,
Von Seide Abends, Sommers von Muslin
Und andrem Stoff, worin ich Laie bin.

                              13.
Sie sprach Latein, das Vater unser nämlich.
Ihr Griechisch schloß im A B C sich ein,
Französisch las sie allerdings vernehmlich,
Doch sprach sie es nicht eben gut und rein,
Für's Span'sche selber war sie zu bequemlich,
Es schien ihr auch nicht mundgerecht zu sein.
Ihr Sinn war Theorie, Problem ihr Wort,
Als komme Großes nur im Dunkel fort.

                              14.
Sie pflegte auch das Englische zu preisen
Und fand drin mit Hebräisch Aehnlichkeit,
Sie wollt's aus einem heil'gen Lied beweisen,
Gesehen hab' ich's nicht, es thut mir leid.
Doch hört' ich sie, sich heftig drein verbeißen.
Man schließe draus auf ihre Eigenheit.
Sie sprach: was auf Hebräisch heißt »ich bin«,
Setzt stets vor sein »Verdammt!« der Britte hin!

                              15.
Gewisse Weiber brauchen ihre Zungen,
Sie sah wie eine Fastenpredigt drein
Und war von ihrem Lebenszweck durchdrungen,
Wie nur ein Romilly es konnte sein,
Der die Gesetze und den Staat umschlungen
Und dennoch litt des Selbstmords schwere Pein;
Beweis genug, daß Alles wandelbar.
(Die Jury sprach, daß er im Wahnsinn war).

                              16.
Kurz sie war Sitte und Berechnung immer,
Ein Werk, wie nur Miß Edgeworth ausgeheckt,
Das Tugendbuch für Mütter von Frau Trimmer
Und »Coelebs Weib«, das die Galane schreckt,
Ein durch und durch moralisch Frauenzimmer,
In dem der Neid selbst keinen Fleck entdeckt;
Wenn Manche unter ihren Schwächen bricht,
Sie hatte keine – auch die schlimmste nicht.

                              17.
O sie gehörte zu den reinsten, ächten
Modernen Heiligen vom besten Ton.
Da sie so fern von allen Höllenmächten,
Verließ ihr Schutzgeist seine Garnison.
Sie wußt' ihr Tagwerk künstlich zu verflechten,
Es ging wie eine Uhr von Harrison.
Von Erdendingen übertraf sie nur
Dein Oel, Macassar, dünner Haare Kur!Beschreibung der unvergleichlichen Eigenschaften des Macasseröls. Siehe die Ankündigung.

                              18.
Sie war vollkommen! Doch wer frei von Trieben
Erscheint gar leicht in dieser Schmutzwelt dumm,
In der einst Adam nicht gelernt zu lieben,
Bis man ihn trieb aus seinem Heiligthum,
Wo er so lange unschuldsvoll geblieben
(Wie brachte er den langen Tag herum?)
Und Don José als ächter Evasohn
Aß Aepfel ohne ihre Pemission.

                              19.
Er war ein Mann von jener leichten Weise,
Dem Lernen und Gelehrtes war ein Graus,
Der gerne sich bewegte auf dem Eise,
Er wußte wohl, Sie nehme es nicht kraus.
Die schlechte Welt, die stets drauf paßt mit Fleiße,
Ob nicht ein Thron erbebt, ein edles Haus,
Schied ihm ein Liebchen oder zweie zu,
Doch eine reicht für eines Hauses Ruh'.

                              20.
Nun war bei allen guten Eigenschaften
Doch Donna Ines ihres Werths bewußt,
Ein Heilg'er kann Mißachtung nicht verkraften
Und heilig war der Donna reine Brust,
Jedoch im Geist blieb noch ein Teufel haften,
Sie mischte Wahrheit, Dichtung oft mit Lust,
Und ließ Gelegenheiten nie vorbei,
Dem Herrn Gemahl zu salzen seinen Brei.

                              21.
Das war nicht schwer bei diesem armen Schächer,
Der viel gefehlt, und nie war auf der Hut;
Ist ja ein unvorsichtiger Verbrecher
Der Klügste oft, und dann so ohne Muth,
Daß man ihn jagen könnt' mit einem Fächer,
Und Damen schlagen oft mit solcher Wuth,
Daß sich der Fächer wandelt in ein Schwert,
Wenn Niemand auch: weßhalb? wozu? – erfährt.

                              22.
Wie schad', wenn sich gelehrte Mädchen binden
An einen Mann, der jeder Bildung bar,
Wenn selbst die gut gezog'nen Gatten finden,
Gelehrtes Wesen sei zum Sterben gar.
Ich will mich dessen weiter nicht verwinden,
Da niemals ich in solchem Falle war,
Doch Hand aufs Herz, ihr Herrn gelehrter Frau'n,
Dürft ihr was mehr als den Pantoffel schau'n?

                              23.
Auch Don José und seine Inez schmollten,
Doch Niemand witterte die rechte Bahn,
Obschon viel Tausende es wissen wollten,
Die es so wenig als mich selbst ging an;
Die Neugier hass' ich, die sie Alle zollten,
Doch gibt es was, worin ich viel gethan,
So ist es das, daß Andere ich versöhnt,
Weil mir im Haus, Gottlob, kein Hader tönt.

                              24.
Ich wollt' vermitteln drum, jedoch zu Schanden
Ward all mein Müh'n an ihrer Flegelei,
Die Narren lagen wie in Teufelsbanden,
Man schrie mich an, daß kein's zu Hause sei,
Obschon ihr Portier später mir gestanden,
– Doch das macht nichts, das Schlimmste ist vorbei –
Der kleine Don Juan goß auf mich herab
Ein Wasserfäßchen, das die Magd ihm gab.

                              25.
Ein kleiner Schuft mit braunen Lockenhaaren,
Der Unheil braute von der Wiege an,
Die Eltern waren einig nie seit Jahren
Als in der Liebe zu dem Urian.
Sie hätten ihn, wenn sie bei Sinnen waren.
Statt sich zu zanken, in Pension gethan,
Auch wol zu Hause tüchtig durchgehau'n,
Um ihn in Zukunft artiger zu schau'n.

                              26.
So führte Don José ein peinlich Leben
Mit Donna Ines eine lange Zeit;
Sie hätten gerne sich mit Gift vergeben,
Doch außen schien's, als ob sie sich geweiht
Dem edelsten, gemeinsam theuern Streben,
Und nie ward ruchbar der geheime Streit,
Bis einst empor die inn're Lohe schlug,
Und an das Licht den saubern Hader trug.

                              27.
Zuerst rief Ines Bader und Doctoren,
Um nachzuweisen, daß ihr Gatte toll,
Doch weil er den Verstand nicht ganz verloren,
Kam sie darauf, er sei nur ränkevoll;
Und wenn man fragte, was ihr denn zu Ohren
Gekommen sei, zu stützen solchen Groll,
So sprach sie nur: es heische ihre Pflicht,
Daß sie so handle – mehr gestand sie nicht.

                              28.
Ein Tagbuch hielt sie über seine Sünden,
Erbrach auch seine Briefe dann und wann,
Um es gelegentlich der Welt zu künden;
Sevilla secundirte wie Ein Mann,
Auch eine Großmama mit tausend Gründen;
Man hörte sie und trug es weiter dann,
Plaidirte, inquirirte selbst für sie
Aus Langeweile oder Perfidie.

                              29.
Und dann ertrug die schwere Schuld des Gatten
So heiter dieses engelhafte Weib,
Wie Sparta's Frauen einst geduldet hatten,
Sah'n sie zerfleischt, gefällt des Mannes Leib,
Und nicht verloren eines Wortes Schatten.
Verleumdung ließ sie kalt wie Zeitvertreib,
Sie schaute so sublim auf seine Pein,
Daß Alles rief: es muß ein Engel sein!

                              30.
So still zu sein, wenn uns die Leute schmähen,
Zum Ruhme unsern Freunden wol gereicht;
Auch ist es süß, als edel sich zu blähen,
Wenn man dabei zugleich den Zweck erreicht;
Ein Malitiöser nur wird nicht verstehen,
Warum ein Freund die Segel also streicht.
Die Rache ist zwar eine Tugend nicht,
Doch bin ich Schuld, wenn euch ein And'rer sticht?

                              31.
Weckt unser Hader frühere Geschichten
Und kommt dann eine Lüge noch dazu,
So sind doch wir und Niemand drum zu richten,
Denn solche Dinge kommen 'rum im Nu.
Ihr Ruchbarwerden kann uns nur verpflichten,
Es mehrt den Ruhm und sichert uns're Ruh'.
Die Wissenschaft gewinnt ein neues Blut,
Denn ein Scandal ist zum Seciren gut.

                              32.
Erst suchten es die Freunde auszutragen,
Dann die Verwandten, doch der Hader schwoll;
In solchen Fällen ist es schwer zu sagen,
An wen man sich am besten wenden soll,
Mit Freund und Vetter möcht' ich's niemals wagen.
Zur Scheidung trieb der Advocat wie toll!
Doch hatt' er kaum die Sportel eingesackt,
Ward Don José vom Tode schon gepackt.

                              33.
Er starb – und sehr zur Unzeit, wie mir Leute
Mittheilten, die hierin schon viel gemacht:
Der Advocaten wohlbekannte Meute,
Die stets zwar dunkel spricht und mit Bedacht –
Den schönsten Fall begrub sein Grabgeläute,
Um ihr Vergnügen ward die Stadt gebracht;
Und Alles war erregt, ja selbst empört,
Daß der Scandal so tückisch ward gestört.

                              34.
Jedoch er starb, und mit ihm ward beerdigt
Des Volkes Zorn und des Gerichts Profit,
Sein Haus verkauft, die Diener abgefertigt,
Eins seiner Mädchen nahm ein Jude mit,
Ein Pfaff das and're, wie man es gewärtigt'.
Ich frug den Arzt, an was der Arme litt?
Ein schleichend Fieber hatte ihn gefällt,
Der Wittwe blieb die Galle zugesellt.

                              35.
Doch Don José war Ehrenmann! Ich kannte
Ihn nur zu gut und muß es drum gesteh'n,
Wenn ihn auch Schwachheit manchmal übermannte,
Darf man mit ihm doch ins Gericht nicht geh'n,
Und wenn in Zorn zuweilen er entbrannte,
Und man ihn nie so friedlich, sanft geseh'n,
Wie Numa war, geschah es einfach nur,primus qui legibus urbanem
Fundabit, curibus parvis et paupere terra
Missus in imperium magnu.
Virg.

Weil er gar jäh' und gallig von Natur.

                              36.
Wie wenig Werth wir ihm auch zuerkennen,
Der arme Mensch! er ward doch auch verletzt;
Jetzt da er todt ist, können wir's bekennen,
Man hatte ihm doch schrecklich zugesetzt,
Man wußte ihn von Allem abzutrennen,
Das Glück des Hauses lag vor ihm zerfetzt.
Ihm blieb die Wahl, was lieber er erkor:
Prozeß und Tod – er zog das Sterben vor.

                              37.
So blieb denn unser Don Juan einz'ger Erbe
Des Rechtsprozesses und der Länderei'n,
Die, wenn nur lang und gut gepflegt, nicht herbe
Der Pflegerin versprachen zu gedeih'n.
Ines bekam dies fette Pfleggewerbe,
Dem sie gelobte gründlich sich zu weih'n.
Bei seiner Mutter wird ein einz'ger Sohn
Besorgt viel besser als bei Andern schon.

                              38.
Selbst Weiseste der Wittwen und der Frauen
Wollt' sie ein Muster machen aus dem Sohn,
Man sollt' ihn würdig seines Ursprungs schauen,
(José Castilier, sie aus Arragon)
Des Ritters Künste sollt' er all' verdauen,
Daß er beschützen könnte einst den Thron,
Sollt' lernen wie man reitet, ficht und schwimmt,
Ein Festungswerk, ein Nonnenhaus erklimmt.

                              39.
Was aber Ines Brust am höchsten schwellte,
Was täglich von ihr selber ward gepflegt,
Vor allen Lehrern, die sie ihm gesellte,
War die Moral, die sie in ihm erregt.
Sie war's, die all' sein Studium bestellte,
Drum ward es ihr stets vorher vorgelegt.
Jed Wissen, jede Kunst ward ihm bekannt,
Nur die Naturgeschichte blieb verbannt.

                              40.
Die Sprachen, insbesondere die todten,
Die Wissenschaften, die recht nebelhaft,
Die Künste auch, an die nur Idioten
Verschwenden noch des Lebens edeln Saft,
Sie wurden seiner Bildung Grund und Boden,
Doch ferne blieb jedwede lock're Kraft,
Besonders was nach Zeugung roch und Trieb,
Damit ihm ja das Laster ferne blieb.

                              41.
Beim Studium der alten Mythen machten
Die geilen Götter wol Verlegenheit,
Die in die Urzeit viel Verwirrung brachten
Und hosenlos stolzirten weit und breit;
Die Professoren mußten deßhalb trachten,
Aeneis, Ilias in einem Kleid
Ihm vorzuführen, das sie trugen nie,
Denn Ines haßte die Mythologie.

                              42.
Wüst ist Ovid in seinen Elegieen,
Noch schlimmer ist Anacreon's Moral,
Kaum ist Catull Ein reiner Vers gediehen,
Auch Sappho's Oden schmecken nach Scandal,
So laut Longinus auch für sie geschrieen,Siehe Longinus Section 10.
Als sei ihr Lied des Höchsten Ideal.
Virgil ist rein; ich nehme aus davon
Nur den Formosum pastor corydon.

                              43.
Ungläubig ist Lucrez in einer Weise,
Die junge Magen wirklich drücken muß,
Auch Juvenal erhält hier keine Preise,
Bereitet er auch anderswo Genuß,
Er sagt heraus mit wahrem Hohn und Fleiße,
Was uns beschüttet wie mit rohem Guß.
Und welch ein Mann von Würde und Moral
Liest noch ein Epigramm des Martial!

                              44.
Don Juan bekam die besten Editionen,
Gesäubert durch der Professoren Hand,
Die – um des Knaben Schamgefühl zu schonen,
Die derb're Seite ganz daraus verbannt,
Doch um den Dichter ja nicht zu entthronen
Und daß er dennoch würde recht erkannt, –
Das Fortgelass'ne hinten fügten an,
So daß den Index man entbehren kann.Dies ist eine Thatsache. Es gibt oder gab eine Ausgabe des Martial, wo alle bedenklichen Epigramme zusammen am Schlusse aufgeführt waren.

                              45.
Dort stehen jetzt die Zoten all beisammen,
Die über viele Seiten sonst zerstreut,
In festgeschloss'nen Reihen und in strammen
Erwarten sie den Jüngling ungescheut,
Bis ein Autor von wen'ger heil'gen Flammen
Sie wieder nach dem alten Ort gebeut,
Statt daß sie hier uns schau'n ins Angesicht
Wie Gartengötter – nur so sittsam nicht.

                              46.
Auch das Missal, ein altes Erbmissale,
War illustrirt auf eine solche Art,
Wie häufig solche alten Meßscandale,
Mit Bildern, wo das Nackte nicht gespart,
Wer da dem Texte noch und dem Chorale
Mit Andacht folgt, den hat der Herr bewahrt.
Doch Don Juan's Mutter richtete das schon,
Sie nahm's für sich und gab ein zweit's dem Sohn.

                              47.
Er hörte Predigten, las Heil'gen-Leben,
Erduldete Homilien bis zum Schluß,
Das fand bei ihm kein großes Widerstreben,
Da er gewöhnt war an Chrysostomus.
Doch wie man sich dem Glauben kann ergeben,
Malt Keiner uns mit solchem Hochgenuß
Als Augustin, wenn er sein Thun erzählt;
Und Mancher seufzt: »O hätt' ich so gefehlt!«Aus der Schilderung, welche der heil. Augustin von seiner Jugend macht, ergibt sich, daß er ein rechter Galgenvogel war. Er mied die Schule wie die Pest, er liebte nichts als Spiel und öffentliches Spectakel; er nahm seinem Vater, was er nur erwischen konnte und erfand tausend Lügen, um dem Stock zu entgehen.

                              48.
Für Don Juan trug auch dieses Buch ein Siegel,
Und seine Mutter hatte Recht darin,
Wenn überhaupt vernünftig solche Regel –!
Nicht aus dem Aug' ließ ihn die Pflegerin,
Zu Mägden nahm sie nur die ärgsten Igel,
Die niemals reizten einen Männersinn.
Das that sie schon, als noch gelebt ihr Mann
Und jeder Frau man es empfehlen kann.

                              49.
Jung Don Juan wuchs in Anmuth auf und Güte,
Mit sechs war er ein reizend liebes Kind,
Mit eilf sein Kopf von solcher Schönheit glühte,
Wie nur die schönsten spätern Männer sind.
Er lernte eifrig, wuchs heran und blühte
Und schien dem Himmel sich zu nah'n geschwind,
Sechs Stunden saß er in der Kirche da,
Sechs bei dem Lehrer, Beicht'ger, der Mama!

                              50.
Mit sechs konnt' man kein hübscher Kind gewahren,
Mit zwölfen war er prächtig und doch mild;
Obwol nicht artig in den ersten Jahren,
Ward er doch bald gebändigt und gedrillt.
Sie trieben seine Regungen zu Paaren,
Beglückt entwarf Mama von ihm ein Bild
Als junger Philosoph klug und gesetzt,
Wie man sie selten, gar nicht findet jetzt.

                              51.
Ich hatte Zweifel und vielleicht ich habe
Sie auch noch jetzt, doch Schweigen scheint mir Pflicht;
Den Vater kannt' ich, und ich hab' die Gabe
Der Menschenkenntniß, möchte aber nicht
Auf's Söhnchen schließen als ein Unglücksrabe.
Die Eltern standen zu sehr sich im Licht,
Doch widerwärtig ist mir der Scandal,
Ich liebe ihn im Scherze nicht einmal.

                              52.
Ich sage nichts, ich will darauf verzichten;
Nur so viel hier – ich habe Grund dazu –
Hätt' ich 'nen einz'gen Sohn zum Unterrichten
(Gottlob! ich hab' in dieser Richtung Ruh').
Ich schlöß' gewiß zum Lernen ihn mit nichten
Wie Ines ein, gleich einem Kakadu.
Nein, in die Schule schickte ich ihn bald,
Wo ich mir selbst mein Wissen angeschnallt.

                              53.
Dort lernt man – zwar, ich will mich nicht vermessen,
Obschon ich lernte – doch ich schweig' davon,
Wie von dem Griechischen, das ich vergessen.
Ich sage nur, daß dort es sich verlohn',
Daß ich auch nicht umsonst einst dort gesessen,
Und Manches lernte, was mir nützlich schon.
Drum meine ich, obgleich ich ledig bin,
Ein jeder Bube sollt' zur Schule hin.

                              54.
Jetzt zählte Don Juan seine sechzehn Jahre,
War groß und schlank, jedoch auch stark gedieh'n,
Gewandt, wenn auch nicht witzig gleich dem Staare.
Für einen Mann hielt fast ein Jeder ihn,
Nur die Mama fuhr Einem in die Haare
Und biß die Lippe (die sonst laut geschrie'n),
Sprach man davon; denn also frühreif sein
Erschien ihr scheußlich, eklig und gemein.

                              55.
Zu den Bekannten, die sie sich erkiesen,
Weil deren Tugend ihr gar wohl gethan,
Zählt Donna Julia. Wenn man sie gepriesen
Als hübsche Frau, so fing man kaum recht an,
Weil ihre Reize ihr so herrlich ließen
Wie Duft der Rose, Salz dem Ocean,
Wie Band der Venus, Pfeil dem Cupido.
(Dies letzt're Gleichniß ist recht rokoko).

                              56.
Die schwarze Nacht, die in dem Aug' ihr wohnte,
Wies auf' moreskisch Blut und Wesen hin,
(Das in der That die Schöne nicht verschonte,
Und das bracht' ihr in Spanien nicht Gewinn).
Als einst Granada fiel und der entthronte
Boabdil fast Verstand verlor und Sinn,
Versuchten viel' in Afrika ihr Glück,
Die Großmama von Julia blieb zurück.

                              57.
Sie nahm zum Mann – doch ich vergaß den Namen!
's war ein Hidalgo, der befleckt sein Blut
Und es gerissen aus dem edeln Rahmen.
Sein Ahnherr hätte wol geschaut mit Wuth,
Daß so verschleudert sein geweihter Samen.
In Spanien hält man hoch die Inzuchtbrut.
Man freit dort Vettern, Tanten, Nichten gar,
Was schädlich stets der guten Züchtung war.

                              58.
Die Kreuzung kam dem Hause sehr zu Statten,
Das Fleisch ward fest, blieb auch das Blut nicht rein.
Wo span'sche Knirpse sich verbuttet hatten,
Erstand ein Schlag so schön wie Sonnenschein,
Die Söhne groß, die Töchter keine Latten,
Doch zischte man – (ich stimme nicht mit ein)
Die Liebe habe einen größern Theil
Als das Gesetz an diesem Kinderheil.

                              59.
Wie dem auch sei, der Rasse ward Gedeihen,
Mit jeder Stufe schien sie besser nur,
Bis nur ein Sohn noch blieb zum Weiterfreien,
Der eine Tochter ließ als einz'ge Spur.
Hier braucht es wol kein großes Prophezeien,
Daß so an Julia angelangt die Tour,
Von der ich Manches hier noch melden soll.
Sie freite jung und keusch und reizesvoll.

                              60.
Ihr Aug' – ich liebe schöne Augen mächtig –
War groß und schwarz, sein Feuer halb erstickt,
Doch wenn sie sprach, schoß draus ein Blitz so prächtig,
Wie nur der Stolz erhab'nen Herzens blickt,
Und noch mehr Liebe, denn er war so nächtig,
Als sei er von geheimem Trieb geschickt,
Der selbst nicht in das off'ne Leben drang,
Weil ihn die keusche Seele niederrang.

                              61.
Ihr glänzend Haar durft' eine Stirn' umwogen,
Die hell von Geist und schön und spiegelrein,
Die Brauen wölbten sich wie Regenbogen,
Die Wange stand in Jugend-Purpurschein,
Und war oft so von tiefer Glut durchzogen,
Als flösse in den Adern edler Wein.
Ihr Wesen war voll Anmuth und voll Licht,
Auch war sie groß – ich mag die kleinen nicht.

                              62.
Sie war vermählt seit etlich magern Jahren
An einen Mann, der fünfzig schon vorbei;
Viel süßer ist's statt Eines solchen Laren
Sich einzuthun von fünf und zwanzig Zwei,
Zumal im Breitegrad der Balearen.
Es ist ja Damen selbst nicht einerlei
Von unbequemster Tugend, ob ihr Mann
Bald dreißig oder fünfzig werden kann.

                              63.
Es ist ein Jammer, und nicht auszujäten,
Und nur die geile Sonne ist dran Schuld,
Die dort nicht aufhört unsern Leib zu kneten
Und bäckt und brennt und schmort in ihrer Huld,
Daß, wie man auch dort fasten mag und beten,
Das Fleisch wird schwach, der Geist mit eingelullt.
Was hier galant, bei Göttern Eh'bruch heißt,
In solchem Klima findet es sich meist.

                              64.
Wie glücklich sind die Völker doch des Norden,
Wo Alles Tugend, und des Winters Hand
Die Sünde zitternd jaget von den Pforten
(Durch Schnee kam auch Antonius zu Verstand),
Wo das Gericht die Weiber all nach Sorten
Taxirt, und einen Straftarif erfand,
Wonach der Sünder tüchtig zahlen muß,
Weil dort nur Handelssache der Genuß.

                              65.
Alfonso hieß der Gatte unsrer Schönen;
Er sah noch gut für seine Jahre aus;
Doch pflegten sie der Liebe nicht zu fröhnen
Noch auch dem Haß: sie lebten still zu Haus;
Verstanden's ihre Schwächen zu versöhnen
Und rechneten's nicht so genau heraus.
Doch war er eifersüchtig ins geheim,
Die Eifersucht würgt still an ihrem Schleim.

                              66.
Ich konnte niemals recht den Grund verstehen,
Der Julia zu Ines hingeführt;
Sie mocht' in nichts mit der zusammengehen
Und hatte eine Feder nie berührt.
Doch Ein'ge flüsterten, es sei geschehen
(Wie Bosheit doch in allen Ecken spürt!),
Weil Ines, eh' Alfonso sich vermählt,
Mit ihm ein ganz klein wenig sich verfehlt.

                              67.
Und weiter pflegend jene alten Triebe,
Die sich gedämpft, veredelt mit der Zeit,
Hab' sie der Frau gewidmet gleiche Liebe,
Von ihr gewiß politisch und gescheit.
So wachte sie, daß jene sittsam bliebe
Und pries Alfonso's Wahl ganz ohne Neid,
Und konnte sie nicht stillen den Scandal,
So machte sie sein Mäulchen möglichst schmal.

                              68.
Ich weiß es nicht, ob Julia die Sache
Mit andrer Leute Augen angeschaut,
Ob selbst sie etwas merkte unterm Dache,
Sie hat es Niemand wenigstens vertraut.
Vielleicht sie war nicht pfiffig in dem Fache,
Vielleicht sie hatte eine harte Haut.
Ich weiß nicht, was ich denken, sagen soll,
Sie offenbarte auch nicht einen Zoll.

                              69.
Sie pflegte Don Juan oft und viel zu kosen
Als hübsches Kind – das hat ja nicht Gefahr!
Und Niemand mochte sich daran auch stoßen,
So lang sie zwanzig und er dreizehn war,
Doch anders dachten drüber wol die Losen,
Als sechzehn – drei und zwanzig unser Paar,
Denn diese wen'gen Jahre ändern viel,
Zumal in jener Sonne Strahlen-Spiel.

                              70.
Sie wurden anders, was der Grund auch immer,
Gemess'ner sie, er scheu und sonderbar;
Fast grüßten sie sich stumm. Der Augen Schimmer
Enthüllte die Beklemmung und Gefahr.
Wol manche schwören, daß dem Frauenzimmer
Der inn're Grund gewiß nicht dunkel war.
Doch Don Juan hatt' so wenig 'ne Idee
Als Einer – der sie nicht sah – von der See.

                              71.
Zwar stets noch lieb war Julia's äuß're Kühle,
Und zog sie zitternd ihre kleine Hand
Aus seiner fort in schwankendem Gefühle,
So blieb ein Druck zurück als süßes Pfand,
So sanft, so leicht in seiner heißen Schwüle,
Daß, ob er da war, Zweifel fast entstand.
Doch rief ein Zaubrer Schön'res nie hervor,
Wie dieser Druck aus Don Juan's Herz beschwor.

                              72.
Zwar nicht mehr lächelt' sie, wenn sie sich trafen,
Doch war ihr Blick so traurig süß und hold,
Als sehe sie in ihrem Herzen schlafen,
Was nimmer sie der Welt gestehen sollt',
Doch was ihr lieb trotz Schmerzen und trotz Strafen!
Die Unschuld selbst steht in der Sünde Sold,
Weiß selbst nicht recht, ob ihr zu trauen sei,
Und Liebe treibt von Haus aus Heuchelei.

                              73.
Doch Leidenschaft, die noch so sehr verstecket,
Verräth gerade sich durch ihre Nacht,
Wie uns den Sturm die schwarze Wolk' entdecket;
Sie bricht durch's Aug', das man umsonst bewacht,
Und wie sie sich maskirt und dreht und recket,
Sie hat doch nur in Heuchelei gemacht.
Zorn, Kälte, ja Verachtung, Haß sogar
Trägt sie als Larve, ob zu spät es zwar.

                              74.
Dann gab es Seufzer, tiefer durch's Bezwingen
Und Blicke durch den Diebstahl doppel werth,
Erröthen selbst ob harmlos nicht'gen Dingen,
Beim Kommen Zittern, das dann wiederkehrt
Beim Geh'n, das alte Vorspiel zum Erringen,
Worin die junge Liebe sich verzehrt,
Das nur beweist, wie groß die Leidenschaft,
Wenn sie an einem Neuling übt die Kraft.

                              75.
Das Herz der armen Julia wollt' ermatten,
Sie fühlte, daß es so nicht weiter ging,
Sie wollte kämpfen wegen ihres Gatten,
Weil Tugend, Ehre, Seligkeit d'ran hing;
Sie schwur so hoch, daß des Tarquinius Schatten
Darob erheben mochte, nicht gering.
Die heil'ge Jungfrau flehte heiß sie an,
Die ja den Frau'n am besten helfen kann.

                              76.
Ihn nicht mehr seh'n! so lauten ihre Schwüre,
Doch zur Mama treibt dennoch sie die Pein;
Sie schaute ängstlich nach der offnen Thüre,
Die Jungfrau ließ nur einen Fremden ein;
Es schien, als ob es Julia schmerzlich spüre.
Sie öffnet wieder sich – jetzt muß er's sein!
Don Juan ist's sicher! – Nein! In dieser Nacht
Ward wol der Jungfrau kein Besuch gemacht.

                              77.
Sie sagt' sich nun: die Tugendhafte solle
Kühn der Versuchung in das Antlitz schau'n;
Feig sei es, schwach, wenn man entfliehen wolle,
Vor keinem Mann dürf' ihrem Herzen grau'n,
Ja fallen dürfe man nicht aus der Rolle,
Auch nicht bei Solchen, die im Aug' der Frau'n
Zwar holder als die Andern von Natur,
Die aber gleichwol uns're Brüder nur.

                              78.
Und wenn sie je – wer möchte es verschwören?
Entdecken sollt' – der Teufel ist so fein! –
Es wolle dieser, jener sie bethören
Und innen sei nicht alles klar und rein,
So müsse solches Fühlen man zerstören,
Man werde nachher um so besser sein,
Und bat ein Mann, würd' er mit Nein! beehrt –
– Für junge Damen sehr empfehlenswerth!

                              79.
Und dann gibt's eine himmlisch reine Liebe,
Die unbefleckt und ungemischt und lind;
Die Engel fühlen diese zarten Triebe
Und ält're Frau'n, die auch so sicher sind,
Auch so platonisch – – »Das ist meine Liebe!«
Sprach Julia und glaubt' es auch, das Kind!
So müßt' sie denken, wäre ich der Mann,
Dem sie in Träumen himmlisch zugethan.

                              80.
Schuldlos ist solche Lieb', sie darf beglücken
Ein junges Pärchen ohne viel Gefahr;
Man darf die Hand, man darf die Lippe drücken,
Mir selbst ward nie so Süßes offenbar.
Doch hörte ich, mehr dürfe niemals pflücken,
Wer noch so sehr der Liebe Zögling war.
Wer weiter geht, der trägt gar schwere Schuld –
Doch ich erzähl' euch Alles, habt Geduld!

                              81.
Somit war Liebe, doch in schönen Grenzen,
Frau Julia's unschuldiger Beschluß,
In diesen edeln, herrlichen Sentenzen
Sollt' Don Juan finden dann und wann Genuß.
Sein Herz, genährt von himmlischen Essenzen
Und stets erhalten in dem hehrsten Fluß,
Wollt' Sie und Liebe unterrichten dann –
In Etwas, was ich euch nicht nennen kann.

                              82.
In diesem Entschluß und so ganz umschlungen
Die Seele von dem schirmenden Verstand,
Von ihrer künft'gen Stärke tief durchdrungen,
Von ihrer Tugend felsenfestem Stand,
Erließ sie sich, als ob ihr's schon gelungen,
Jedwede Art von hartem Zwang und Band,
Ob sie jedoch dem Ding gewachsen war,
Wird bald nun werden völlig offenbar.

                              83.
Sie hielt den Plan für unschwer auszuführen
Bei einem Jüngling, der erst sechzehn Jahr.
Was konnte da wol der Scandal erspüren?
Und wenn er's that, so wär' es offenbar
Nicht angethan, ihr Herz so aufzurühren,
Weil zu beruhigt ihr Gewissen war.
Nun, Christen haben Christen auch verbrannt
Und fromm geglaubt, das thue Gottes Hand.

                              84.
Und starb dann ihr Gemahl – doch Gott verhüte,
Daß solch ein Denken durch den Kopf ihr schoß,
Im Traum selbst nicht! (Sie seufzte voll Gemüthe!)
Sie überlebte nimmer solches Loos;
Doch angenommen, daß er so – verfrühte,
Ich sage, angenommen – inter nos,
(Sprich: entre nous, sie dacht' französisch ja,
Doch dann war ja kein Reim auf os mehr da).

                              85.
Ich sage also: immer angenommen,
Don Juan wär' dann herangereift zum Mann,
So würd' er trefflich einer Wittwe frommen,
Das ging auch noch nach sieben Jahren an;
Das Unglück, das inzwischen konnte kommen,
War nicht so groß, daß er nicht noch gewann.
Er lernte ja der Liebe ersten Theil,
Das Himmlische, zu seinem ew'gen Heil.

                              86.
So viel von ihr! Und nun zu Don Juan wieder!
Der arme Kerl! Ihm war durchaus nicht klar,
Was in ihm glühend wogte auf und nieder.
Schnell, wie Medea im Empfinden war,Siehe Ovid. de Art. Amand, I. 2.
Zuckt' es auch ihm verwirrend durch die Glieder;
Und bis dahin ward er noch nicht gewahr,
Daß das natürlich und nicht schrecklich sei
Und bei Geduld auch mancher Reiz dabei.

                              87.
Schweigsam und sinnend, ruhelos und träge
Begrub er sich in Waldes Einsamkeit,
Er wußte nicht, daß solche Herzensschläge
Stets Einsamkeit ersehnen für ihr Leid.
Auch ich bin für ein einsames Gehege
Und dort zu weilen immerdar bereit,
Doch muß ich Sultan dort, nicht Klausner sein,
Im Harem wohnen, nicht im Kämmerlein.

                              88.
»O Lieb'! auf solcher Wildniß öden Wegen,
Wo sich Entzücken mischt mit Sicherheit,
Hier kommt das Glück vollkommen dir entgegen,
Hier trägst du stolz dein leuchtend Götterkleid.«Campbells Gertrude von Wyoming. – Ich glaube, so lautet der Anfang des II. Gesanges von Campbells Gertrude von Wyoming. Uebrigens citire ich aus dem Gedächtniß.
Der Dichter, der dies sang, empfand den Segen
Und hat dem Glück das rechte Wort geweiht.
Nur blieb die Mischung etwas dunkel schier
Von Sicherheit und von Entzücken mir.

                              89.
Er wollte damit ohne Zweifel sagen,
Und hielt sich an den guten Hausverstand,
Was Jeder schon, wir brauchen nicht zu fragen,
Erfahren hat, empfindet und empfand:
Daß Niemand 's liebt, wenn man ihn bei Gelagen,
Und Küssen stört. – Doch schweig' ich vor der Hand,
Wie »Mischung« zu »Entzückung« sich verlor;
Die »Sicherheit« verschließe Thür' und Thor.

                              90.
Der junge Don Juan ging durch Wald und Schluchten
Und dachte, was nicht auszusprechen war,
Er warf sich oft in dunkle Laubesbuchten,
Wo sich erhub der Eichen dichte Schaar,
Wo Dichter oft den Stoff zu Büchern suchten,
Die wir dann lesen, die wir lieben gar,
Wofern ihr Plan, ihr Rhythmus Solches werth
Und nicht wie Wordsworth's dunkel und verkehrt.

                              91.
Und hier verfolgte Don Juan's hohe Seele
Die eig'ne Beichte seiner Brust so lang,
Bis seines Herzens mächtigem Befehle
Die Krankheit zu beschwichtigen gelang;
Das heißt zum Theil, er kannt' ja die Kanäle
Noch nicht, durch die des Fiebers Lüftchen drang,
So wurde er, und ward sich selbst nicht klar,
Ein Philosoph wie Coleridge es war.

                              92.
Er dachte über sich, die ganze Erde,
Den Menschen und der Sterne Wunderheer,
Wie sich erklärt ihr wunderbares Werde,
Dann über Erderschütt'rung, Krieg und Wehr,
Wie groß des Mondes Umfang, Lauf und Fährte,
Wie hoch ein Luftballon, und wie so schwer
Des weiten Himmels völliges Versteh'n,
Und blieb zuletzt bei Julia's Augen steh'n.

                              93.
In solchem Denken mögen wir erkennen
Das hohe Sehnen und den starken Trieb,
Den Ein'ge von Geburt schon eigen nennen,
Doch der den Meisten erst zu lernen blieb.
Daß auch in Don Juan's Kopf sollt' Solches brennen,
War jedenfalls ein sonderbarer Hieb.
Das that nicht die Philosophie allein,
Der Reise Drang griff mächtig mit herein.

                              94.
Er grübelte an Blumen und an Blättern
Und hörte Stimmen in dem Abendwind,
Er schaute Nymphen, Feen die in Wettern
Herniederstiegen zu dem Menschenkind,
Verlor den Weg, vergaß im Weiterklettern,
Daß auf der Welt noch Zeit und Stunden sind,
Und sah auf einmal auf der Uhr, es sei
Die Zeit des Mittagsmahles längst vorbei.

                              95.
Bisweilen sah er in sein Büchlein wieder,
Den Garcilaso oder den Boscan;
Wenn Lüftchen regten seines Buches Glieder,
Dann regte ihn das eig'ne Herz wohl an
Und zu dem Blatte flog die Seele nieder,
Als ob ein Zaub'rer es ihm angethan,
Und jenes Lüftchen hätt' erlöst den Geist,
Wie euch gar leicht ein altes Weib beweist.

                              96.
So bracht' er hin die öden, trüben Stunden,
Ihm fehlte was, doch wußte er nicht was;
In Traum und Dichtung hatt' er nicht gefunden,
Wornach er schmachtend in den Sternen las:
Ein Herz, das an das seinige gebunden,
An dessen Schlag er seine Liebe maß,
Nebst manchem Andern, was ich nicht mehr weiß,
Was jedenfalls erst später ihm macht' heiß.

                              97.
Die Einsamgänge und die Träumereien
Entgingen doch der holden Julia nicht,
Sie sah: Freund Don Juan wollte nicht gedeihen,
Doch Donna Ines, dieses Weib der Pflicht,
Enthielt sich wunderbar der Quälereien,
Sie fragte nicht, hielt keinerlei Gericht;
Vielleicht sie sah nicht, wollt' vielleicht nicht seh'n:
Den Klügsten pflegt das Aergste zu gescheh'n.

                              98.
Dies scheint curios, pflegt aber zu passiren,
Wenn zum Exempel eine schöne Frau
Sich keck erlaubt, den Ring zu ignoriren
Und es mit dem Gebot nicht nimmt genau
(Mit dem wie vielten doch? o woll't souffliren,
Ich weiß nicht mehr – ich bin hierin wol flau).
Und wenn ihr Mann dann eifersüchtig wird,
Erzählt die Frau uns, wie er fehlt und irrt.

                              99.
Ein rechter Eh'mann ist stets eifersüchtig,
Argwohnt jedoch stets an dem falschen Ort,
Er hütet Einen, der gesinnungstüchtig,
In einem Andern sieht er seinen Hort
Und rühmt ihn noch, obschon der gar nicht züchtig,
Bei seiner Frau – so geht's in Einem fort;
Bis Frau und Freund zumal zum Teufel geh'n,
Dann wundert er sich, daß er nichts geseh'n.

                             100.
So sind mit Blindheit Eltern auch geschlagen,
Sie sehen nichts trotz aller Wachsamkeit,
Indessen rings die bösen Zungen sagen,
Daß jene Frau gebrochen ihren Eid
Mit diesem Fant – bis ein zu freches Wagen
Den Krug zerbricht und sie der Schande weiht;
Dann schreit die Mutter und der Vater flucht,
Daß ihm erwachsen solche saub're Frucht.

                             101.
Doch Ines war so sorglich, so gescheite,
Daß ich in diesem Falle denken muß,
Sie wußte wol, warum sie Don Juan weihte
Jetzt der Versuchung, später dem Genuß;
Vielleicht sie sah in diesem Herzensstreite
Nur der Erziehung Gipfelpunkt und Schluß.
Vielleicht sie wollt' Alfonso machen klar,
Daß seine Frau nicht allzu kostbar war.

                             102.
Es war an einem von des Sommers Tagen
– Gefährlich ist die heiße Jahreszeit, –
Auch Ende Mai schon hört man Liebesklagen,
Die Sonne ist's, die dieses Feuer speit;
Doch was es sei, man kann beruhigt sagen
Und bleibet von der Wahrheit dann nicht weit;
's gibt Monde von besond'rer Narrethei,
Der März bringt Hasen, Liebeslust der Mai.

                             103.
Es war an einem von des Sommers Tagen.
Irr' ich mich nicht, der sechste Juni schon.
Ich merk' mir gerne, welche Uhr geschlagen,
Das Datum ist der Parzen Poststation,
Von wo sie fort mit neuen Pferden jagen
Und Reiche niederrennen mit Passion,
So daß kaum eine Jahrzahl bleibt davon
Und eines Pfaffen schlechter Grabsermon.

                             104.
Am sechsten Juni um die sechste Stunde
Geschah's – vielleicht auch erst um sieben Uhr –
Daß Julia in reizender Rotunde
Wie eine Houri saß auf jener Flur,
Die wir ja kennen aus Muhammed's Munde
Und aus den Liedern des gekrönten Moore,
Dem Lorbeer lohnte für den Weihgesang,
Er hat's verdient, mög' er ihn tragen lang.

                             105.
Sie saß, doch nicht allein – man soll nicht fragen.
Wer, wie man dies Zusammensein erschlich;
Wenn ich's auch wüßt', ich würd' es doch nicht sagen,
Man schweigt darüber besser sicherlich.
Doch gleichviel wie, warum, sich's zugetragen,
Sie saßen schweigend gegenüber sich.
Wo solche Augen blitzen hin und her,
Sollt' man sie schließen, aber das ist schwer.

                             106.
Wie schön sie war! Wie glühte ihre Wange!
Doch sah sie nichts Verfängliches darin.
O Liebe du, du mächt'ge Zauberschlange,
Du stärkst den Schwachen, wirfst den Stärksten hin,
Die Weitesten erliegen deinem Drange,
Und täuschen sich um dich, du Zauberin.
Sie stand vor einem großen Schlund, jedoch
Ihr Glauben an sich selbst war größer noch.

                             107.
Sie dacht' an ihre Stärke, Don Juan's Scheue,
Und wie stets thöricht ihr Befürchten war,
An ihre Tugend, ihre Gattentreue,
An Don Alfonso's volle fünfzig Jahr';
Doch diese Zahl bringt gar nicht selten Reue,
Sie dachte lieber nicht an graues Haar.
In Liebesdingen stimmt das rothe Gold
Zum Silber schlecht, mit dem 's sonst friedlich rollt.

                             108.
Spricht man: »ich sagte dir's schon fünfzig Male« –
So klingt das schon wie Vorwurf unsrem Ohr.
Sagt wer: »ich machte fünfzig Madrigale«, –
Gleich fürchten wir, er lese sie uns vor.
Zu Fünfzig hat man Händel und Scandale.
Wenn einen Fünfz'ger Eine sich erkor,
Dann ist die Liebe sicher solcher Art,
Daß sie sich gern mit fünfzig Thalern paart.

                             109.
Wol hegte Julia Tugend, Ehr' im Herzen
Und für Alfonso alle Lieb' und Treu;
Sie schwur zum Himmel, niemals zu verscherzen
Den theuern Ring, vor dem sie heil'ge Scheu,
Und nie zu wünschen, was sie müßte schmerzen,
Doch denkend dies und Manches was ihr neu,
Legt' sorglos sie die Hand aus Don Juan's Hand,
Die sie aus Zufall statt der eig'nen fand.

                             110.
Doch an die and're, die im Haar ihr wühlte,
Lehnt' harmlos sie das heiße Köpfchen an.
Man sah ihr an, daß Seltsames sie fühlte.
Es jetzt noch zu bekämpfen – welch' ein Wahn! –
Daß Don Juan's Mutter sie nicht zeitig kühlte,
Allein sie ließ auf dieser glatten Bahn,
Das war fürwahr nicht recht, nicht klug gemacht.
Die meine hatte besser mich bewacht!

                             111.
Die Hand, die Don Juan immer noch gehalten,
Ward deutlicher in ihrem sanften Druck,
Als spräche sie: »Willst du mich nicht behalten?«
Sie aber dachte nicht an solchen Tuck,
Sie wollte ein platonisch Händefalten.
Zurück fuhr sie, wie vor dem schlimmsten Spuk,
Hätt' sie geahnt: sie wecke einen Trieb,
Der Frauen stets gefährlich bleibt und blieb.

                             112.
Ich weiß nicht recht, was Don Juan davon dachte,
Doch was er that, hätt' Mancher auch gethan,
Als er die Hand an seine Lippen brachte
Und dann beschämt in seines Unrechts Wahn
Verzweiflungsvoll sich auf den Rückzug machte.
Lieb' ist so schüchtern, fängt sie kaum erst an!
Sie zürnte nicht, nur ward sie roth vor Schreck;
Sie wollte sprechen, doch die Stimm' war weg.

                             113.
Die Sonne sank, der Mond war aufgegangen.
Der Teufel weiß, was mit dem Monde ist!
Der hat zu früh' sein Lehrbuch angefangen,
Der keusch betitelt diesen Antichrist.
Der längste Tag sieht nicht so viel Verlangen,
So viel Begegnen, Liebeslust und List,
Als dieser Mond in ein Paar Stunden sieht;
So ehrbar er den breiten Mund verzieht.

                             114.
Um jene Stunde herrscht gefährlich Schweigen,
Das Raum der Seele, sich zu öffnen, gibt;
Sie rüstet sich vom Thron herabzusteigen,
Es schmilzt ihr Stolz und jede Kraft zerstiebt.
Das Silberlicht auf Zinnen, Flur und Zweigen
Gießt jenen Schimmer, den sie ach! so liebt,
So sanfte Schönheit aus auf alle Welt,
Daß jedes, Herz von banger Sehnsucht schwellt.

                             115.
Und Julia saß bei Don Juan halb bezwungen
Und halb entfliehend seinem heißen Arm,
Der wie der Busen, den er sanft umschlungen,
Erzitterte – ihr bracht' es nicht Alarm,
Sie hätte ja sonst leicht sich losgerungen,
Doch 's war so süß, das Herz schlug gar so warm!
Und dann – und dann – Gott einzig weiß was dann,
Ich schweige still; mich reut, daß ich begann.

                             116.
O Plato du, mit deinen Phantasieen,
Den schändlichen, hast du den Weg gebahnt, –
– Indem du träumtest Herzen zu erziehen
Durch dein System, das leider Jünger fand –
Den Weg zu sittenloseren Partieen
Als Dichter je beschrieben und geplant.
Du bist ein Schaf, ein Narr, ein Charlatan,
Im besten Fall ein Kuppler noch voll Wahn.

                             117.
Und Julia's Stimme starb, sie seufzte leise,
Zu nützlichem Gespräch war es zu spät!
Die Thränen flossen ach! mit solchem Fleiße,
Der schöne Busen war damit besät!
Doch sagt, wer liebt und bleibt dabei noch weise?
Was half da Kampf, was Ringen und Gebet?
Sie sträubte sich – wie schmerzte sie die Schmach!
Sie stöhnte: »Nie!!« – und gab zugleich doch nach

                             118.
Xerxes soll einen Preis versprochen haben
Dem, der ihm eine neue Lust entdeckt.
Er durfte keck mit Schätzen den begaben,
Der wirklich ihm was Neues ausgeheckt.
Ich lasse mich mit wen'ger Kosten laben,
Wenn nur mein Herz ein Bischen Liebe schmeckt.
Ich will nicht neue Wonnen – mir genügt,
Wenn alte Lust nicht flieht und mich betrügt.

                             119.
O Lust, du bist ein gar zu süßes Wesen,
Wird man auch Etwas deinethalb verdammt.
In jedem Frühling schwör' ich zu genesen
Und abzuthun, was aus der Hölle stammt,
Doch mein Gelübd' verfällt dem Zauberbesen
Und reitet hin, wo schnöde Lust entflammt.
Es thut mir leid, ich schäme mich gar sehr;
Im nächsten Jahre bess'r ich mich – auf Ehr'!

                             120.
Hier muß ich mir noch eine Freiheit nehmen.
Erschrick nicht, keuscher Leser! künftig hin
Bin ich gar brav, du sollst dich nicht mehr schämen.
Ich möcht' ein Kleines nur nach meinem Sinn
Dem strengen Plan der Dichtung anbequemen;
Und da von Achtung ich durchdrungen bin
Vor Aristoteles und seinem Regelbuch,
Erbitte ich Verzeihung dem Versuch.

                             121.
Ich hoffe nämlich, meine Leser wollen
Annehmen, daß nach jenem Junitag
– Da nichts sich findet in der Chronik Rollen,
Was meiner Muse irgend frommen mag –
(Doch Er und Sie uns nicht verschwinden sollen)
– Ein Zwischenraum von vielen Monden lag.
Es war November; doch nicht so genau
Kennt man den Tag. Der Himmel war schon grau.

                             122.
Doch davon gleich! – Es ist so süß zu lauschen,
Wenn über's blaue, mondbeglänzte Meer
Zum Ruderschlag die Schifferchöre rauschen,
Vom Raum gedämpft, in steter Wiederkehr,
So süß, den Blick mit Hesperus zu tauschen,
Zu hören, wie der Wind das Blätterheer
Durchbraust! zu schauen, wie ein heiter Band,
Der Regenbogen, den Azur umspannt.

                             123.
Es ist so süß, des Hofhunds freundlich Bellen
Zu hören, wenn der Heimat wir uns nah'n;
So süß, zu wissen, daß zwei lichte Quellen
Dann höher glänzen, wenn sie uns ersah'n;.
Am Lied der Lerche aus dem Schlaf zu schnellen,
Sich einzuschläfern an dem Ocean!
Der Biene Summen und des Vogels Sang,
Der Kinder Lallen – ach! welch' süßer Klang!

                             124.
Süß ist der Herbst, wenn reiche Traubenknollen
Zur Erde sinken, dunkelroth und lind;
Süß ist's, sich aus dem Stadtlärm fort zu trollen,
Aufs Land zu zieh'n, wo still die Zeit verrinnt;
Süß sind dem Geizhals seine Goldesrollen,
Süß ist dem Mann sein erstgeboren Kind;
Süß ist die Rache auf der ganzen Welt,
Die Plünderung und auch das Prisengeld.

                             125.
Süß ist uns ein Legat, und äußerst süße
Der unverhoffte Ruf ins Paradies
Der einem alten Onkel machte Füße,
Der uns nur allzulang schon warten ließ,
Bis uns sein Gut als neuen Herrn begrüße,
Das schwer mißbraucht, sich doch so kräftig wies,
Daß selbst die Juden seinen nächsten Herrn
Mit Geld und Werthen unterstützen gern.

                             126.
Es ist so süß, sich Lorbeern zu erringen
Durch Blut und Tinte, bei des Kampfes Schluß,
So süß bisweilen seinen Stock zu schwingen,
Ja gegen Freunde oft ein Hochgenuß;
Auch alter Wein ist süß vor allen Dingen,
Wenn in der Flasche sicherem Verschluß,
Süß ist der Platz, wo ich als Knabe saß,
Ich denke sein, wenn er auch mein vergaß.

                             127.
Doch süßer noch als Alles das ist Liebe,
Wenn sie zum ersten Male uns entzückt,
Sie ist so einzig, neu wie Adams Triebe,
Als er vom Baum des Wissens einst gepflückt;
Ich wüßte nichts, was noch zu wünschen bliebe,
Nachdem uns diese Göttersünd' beglückt.
Drum wird sie wie das Feuer uns fatal,
Das uns Prometheus aus dem Himmel stahl.

                             128.
Der Mensch ist seltsam, und hantirt nicht selten
Mit seinem Sein und Können sonderbar,
Vielseitig will er und talentvoll gelten
Und bringt deshalb oft sehr Curioses dar;
Jetzt ist die Aera der bizarren Helden
Und jeder Kunst erhebt sich ein Altar.
Beginnt mit Wahrheit! will man sie dann nicht,
So ist's der Trug, der sicher Bahn sich bricht.

                             129.
Was haben wir Erfindungen gesehen!
(Beweis von Geist und – daß die Tasche leer).
Der wußte neue Nasen uns zu drehen,
Der machte Guillotinen, Beine der,
Congrève's Raketen durften Tod uns säen,
Weil uns im Impfen wuchs die Gegenwehr,
Womit der Arzt geheilt ein alt Geschwür
Und von der Kuh ein neues nahm dafür.

                             130.
Brod wird uns aus Kartoffeln jetzt geboten,
Durch Galvanismus wird der Tod gestört,
Noch Schöneres hat man von den Methoden
Für Menschenrettung nach Recept gehört,
Wodurch man Athem einpumpt selbst den Todten.
Ja die Mechanik hat die Welt bethört!
Mit Kinderblattern fing der Schwindel an,
Bald kommen Männerblattern auf die Bahn.

                             131.
Es heißt, daß aus Amerika sie kamen,
Vielleicht sie kehren bald dahin zurück.
Weil dort so rasend zu die Menschen nahmen,
Daß sie verdünnen, wäre nur ein Glück
Durch Krieg und Pest und andern Todessamen,
Daß sie dran schau'n von der Cultur ein Stück
Und selber spüren, was der schlimm're Biß:
Die ächte oder Pseudosyphilis.

                             132.
Die jetz'ge Zeit hat ein Patent für's Neue,
Sei's nun zum Tödten, sei's zum Seelenwohl,
In bester Absicht auserdacht und Treue.
Mit Davis Lamp', dem Sicherheits-Idol,
Schafft man in Kohlengruben ohne Scheue;
Die Reisen nach Tombuctu, nach dem Pol
Sind Wege auch zu aller Menschen Heil,
Und mir auch für ein Waterloo nicht feil.

                             133.
Ein Räthsel ist der Mensch von dunklem Werthe,
Das sich mit keinem Maße mißt der Welt;
Nur Schade, daß man auf der schönen Erde
Die Lust für Sünd', die Sünd' für Lust oft hält.
Kaum Einer weiß, was ihn beglücken werde;
Doch ob es Ruhm, ob Macht, ob Lieb', ob Geld,
Der Weg dahin ist schwer für Jedermann,
Und ist's erreicht, dann sterben wir – und dann?!

                             134.
Und dann? – Ich weiß es nicht! Du wol desgleichen,
Darum gut' Nacht! – Zurück nun zum Roman! –
Es war November, wo die Tage bleichen,
Wo Schimmel sich an dem Gebirg setzt an,
Die blauen Gipfel weißen Kappen weichen,
Wo stärker schwankt der leichte Fischerkahn,
Die laute Brandung an die Felsen sprüht,
Die kühle Sonne schon um fünf verglüht.

                             135.
Es war 'ne Pechnacht, wie's die Wächter nennen.
Kein Mond! kein Stern! Der Wind nur stoßweis laut;
Auf manchem Herde sah man Feuer brennen
Und die Familie saß darum gar traut.
Mich freut ein solches Licht, ich muß bekennen,
Wie wenn der Himmel ohne Wolke blaut.
Das Feuer lieb' ich, das Gezirp, den Rauch,
Champagner, Hummer und Geplauder auch.

                             136.
's war Mitternacht, Frau Julia lag im Bette
Und schlief vermuthlich, als ein Lärm im Haus
Entstand, der auferweckt die Todten hätte,
Wenn kein Prophet sie vorher rief heraus, –
Und daß man's that, das steht an heil'ger Stätte,
Wie auch, daß uns bevorsteht gleicher Graus. –
Geschlossen war's. Doch außen klopft's mit Macht
Und eine Stimme stöhnte: »Aufgemacht!«

                             137.
»Um Gotteswillen, auf! Der Herr ist unten!
Die halbe Stadt folgt auf dem Fuße nach!
Gab's solch ein Unglück je bei Christi Wunden!
Ich bin nicht Schuld, ich wachte gut – ach! ach!
Ist denn der Riegel noch nicht aufgefunden?
Schon sind sie auf der Treppe, o der Schmach!
Gleich sind sie hier. Vielleicht Er kann noch flieh'n,
Das Fenster ist ja nicht zu hoch für ihn«.

                             138.
Inzwischen war mit Fackeln, Freunden, Knechten
In großer Zahl Alfonso angerückt.
Die meisten waren mit den Eherechten
Schon längst bekannt, und deshalb hoch entzückt,
Ein schlafend Weib zu stören, sie zu ächten,
Die heimlich ihres Mannes Stirn' geschmückt.
Beispiele der Art sind so lockungsreich,
Blieb Eine straflos, thäten's Alle gleich.

                             139.
Ich weiß nicht wie, aus welchem dunkeln Grunde
Alfonso schöpfte höllischen Verdacht;
Für einen Ritter seiner Art und Kunde
Hatt' er's jedoch gewiß nicht klug gemacht,
Daß ohne Mahnung er zu solcher Stunde
Am Bett der Dame lieferte die Schlacht
Und Diener rief mit Feuer und mit Schwert,
Um anzuseh'n, wie sehr er mitleidswerth.

                             140.
Die arme Julia fuhr – wie aus dem Schlafe.
Daß sie nicht schlief, hab' ich noch nicht gesagt;
Sie schrie, sie blökte wie ein Pferch voll Schafe.
Antonia, die kluge Stubenmagd,
Stieß schnell das Bettzeug, als ob sie, die Brave,
Es weggestrampft, daß es zur Decke ragt.
Warum sie zeigen wollt', daß ihre Frau
Mit ihr geschlafen, weiß ich nicht genau.

                             141.
Und Julia und ihre Vielgetreue,
Sie sahen aus wie harmlos gute Frau'n,
Die nur aus Geisterfurcht, aus Männerscheue,
Weil dann ein Mann sich nicht würd' hergetrau'n,
Beisammen schliefen auf geduld'ger Streue,
Bis daß der liebe Herr im Morgengrau'n
Nach Haus gekehrt mit dem bekannten Wort:
»Mein holder Schatz, ich ging zuerst dort fort!«

                             142.
Frau Julia fand nun schnell, was sie verloren,
»Um Gotteswillen!« schrie sie, »was soll das?
Seid ihr verrückt? O wär' ich nie geboren,
Daß mich nicht würgte dieser Satanas!
Was soll das wüste nächtliche Rumoren?
Seid ihr betrunken? ist's ein schlechter Spaß?
Ihr wagt's, mit schnödem Argwohn mich zu schmäh'n?
Sucht nur!« – Alfonso sprach: »»Das wird gescheh'n.«

                             143.
Er suchte nun, sie suchten aller Orten,
Im Kleiderschrank, Kamin, im Kabinet;
Sie fanden Bettzeug, Strümpfe, Nestel, Borten
Und Schuhe, Kämme, Bürsten – kurz complet,
Was Damen noth, im Süden und im Norden,
Damit nicht Schönheit vor der Zeit Valet.
Die Degen stießen sie durch Thür' und Wand,
Verwundeten, was nur im Wege stand.

                             144.
Sie suchten unterm Bett, woselbst sie fanden –
Gleichviel welch' Ding – 's war das Gesuchte nicht;
Sie sah'n, ob Keiner auf dem Sims gestanden,
Ob unten nicht ein Eindruck von Gewicht,
Dann glotzten sie auf ihren Commandanten
Und rathlos, dumm, sich selber ins Gesicht.
Und fabelhaft! es fiel nicht Einem ein:
's könnt' Einer im Bett, nicht nur drunter sein.

                             145.
So lang man suchte, tobte Julia's Zunge:
»Ja sucht nur!« rief sie, »sucht! häuft Schmach auf Schmach!
Mich freite darum dieser alte Junge,
Und darum gab ich ihm so lange nach
Und duldete und schonte meine Lunge,
Obschon das Herz mir beinah' drüber brach!
Doch länger duld' ich's, länger bleib' ich nicht,
So wahr in Spanien Richter und Gericht!«

                             146.
»Ja, Don Alfonso! schon mein Gatte nimmer,
– Ihr habt den Namen doch nie wahr gemacht –
Schämt Ihr Euch nicht mit Eurem Mondenschimmer,
Der Ihr's bereits zu sechzig Jahr gebracht,
Daß grundlos Ihr ein edles Frauenzimmer
Hinunterstoßet in der Schande Nacht?
Undankbarer Alfonso, wildes Thier,
Wie konntet so was denken Ihr von mir?«

                             147.
»Hab' darum einst so edel ich verzichtet
Auf meines Standes Privilegium,
Daß einen Beichtiger ich mir verpflichtet,
Der alt und taub und gar ein Bischen krumm?
Nie gab ich Grund ihm, daß er mich gerichtet;
Ich war so schuldlos, ja beinahe dumm.
Er zweifelte, ob ich auch recht vermählt,
Wie wird er wüthen, wenn man's ihm erzählt.«

                             148.
»Hab' deshalb ich mir keinen SattelitenIm Spanischen Cortejo, dasselbe was das italienische Cavalier servente.
Aus Sevillaner edlem Blut gewählt?
Blieb darum ich stets in des Hauses Mitten
Und habe nur mit Messen mich gequält?
Mit Stiergefecht, mit Spiel und Nachtvisiten?
Hab' die Galane immer ausgeschmählt?
Besonders den O'Reilly, den Gen'ral,
Der Algier nahm, wie hielt ich den so schmal!«Donna Julia irrt sich hier. Graf O'Reilly nahm Algier nicht, sondern Algier nahm beinahe ihn. Er nebst Armee und Flotte zog sich mit großem Verlust und wenig Ruhm (im Jahr 1775) von dieser Stadt zurück.

                             149.
»Sang nicht der Italiener, Herr Cazzani,
Sechs Monate mir ganz vergeblich vor?
Sprach nicht sein Landsmann, jener Graf Cornani,
So spröd sei keine aus der Damen Flor?
Gab es nicht Russen, Britten, Hindostani,
Wie Stroganoff, die jammerten im Chor?
Und jener Lord, der fand sein frühes Grab
Und sich aus Lieb' zu mir – mit Wein – vergab.«

                             150.
»Sah ich Prälaten nicht zu meinen Füßen?
Fernando Nunes und den Fürst Ichar?
Und so laßt Ihr ein treues Weib nun büßen?
Mondsüchtig müßt Ihr sein und toll fürwahr.
Was zögert Ihr mit Schlägen mich zu grüßen?
Die Zeit ist günstig, nehmt mich doch beim Haar.
O Held mit Schwert und mit gespanntem Hahn,
Ihr gäbt ein Bild für einen Wouwerman.«

                             151.
»Deshalb begannt ihr Eine schnelle Reise
Zu einem drängend wicht'gen Amtsgeschäft?
Und jenem schuft'gen Advocatenkreise
Entnahmt Ihr Den hier, der am schönsten kläfft?
Und dem's nun schwül vor Scham und brennend heiße.
Weil Euch und sich er findet hier geäfft.
Ja er ist Schuft von noch viel höherm Grad,
Weil er's aus Geldgier, nicht aus Liebe that.«

                             152.
»Wenn er gekommen zu dem Protocolle,
So fange er doch ohne Zieren an;
Des Zimmers Zustand paßt zu solcher Rolle
Und hier ist Schreibzeug für den saubern Plan;
Notirt nur Alles, braucht's zu Eurem Grolle,
Daß nicht umsonst das Blutgeld Ihr empfah'n.
Doch da mein Mädchen nackt, weist die hinaus.«
– »»Dem««, schrie die Magd, »»kratz' ich die Augen aus.««

                             153.
»Hier ist der Kasten, hier die Toilette,
Sucht sie gut durch und auch das Vorgemach.
Hier ist mein Sopha, wo es Platz wol hätte,
Hier das Kamin, o schlüpft doch eilig nach.
Doch ich bin mild' und möchte jetzt zu Bette,
Drum seid hübsch still, bis Ihr entdeckt die Schmach,
Und wenn den Schatz Ihr aus der Höhle zieht,
So zeigt ihn mir, ich bitt' Euch, eh' er flieht.«

                             154.
»Und nun da Ihr mit Argwohn schwer mich kränket
Und Alles in Verwirrung, Schrecken setzt,
Ei sagt mir doch, wen Ihr zum Schatz mir schenket,
Wen Ihr hier sucht und fast mit Hunden hetzt?
Wer ist der Mann, sagt mir, von wem Ihr's denket?
Er ist doch jung und hübsch und groß? – denn jetzt,
Da Ihr so stürmt auf meine Ehr' hinein,
Soll's wahrlich nicht umsonst gewesen sein.«

                             155.
»Er zählt vielleicht noch nicht ganz sechzig Jahre,
Dann wäre er für ein Duell zu alt
Und zum Beschimpfen Eurer – blonden Haare.
(Antonia – bring' Wasser – aber kalt!)
Ich schäme mich, daß ich um solche Waare
Nur 'nen Moment verloren meinen Halt.
Ach meine Mutter träumte einstmals nicht,
Daß mich beschimpfte solch ein schlechter Wicht!«

                             156.
»Vielleicht Ihr eifert gar mit meiner Zofe,
Weil Ihr gesehen, daß sie bei mir lag,
Als Ihr genaht mit Eurem säubern Hofe?
Doch seht Euch um, nichts scheuet hier den Tag.
Nur meldet künftig solche Katastrophe
Voraus, und wartet an der Thüre Schlag
Aus Schicklichkeit, bis wir uns angethan,
Um solche Herren würdig zu empfah'n.«

                             157.
»Jetzt bin ich fertig, will nichts weiter sagen:
Aus meinem Wort erseht Ihr mit Genuß,
Welch' bittre Qualen mir am Herzen nagen,
Ob all dem Unrecht, das es tragen muß.
Einst wird Euch das Gewissen darob schlagen,
Ihr werdet kauen an der harten Nuß.
Ja, schütz' Euch Gott vor bittrer Reue Fluch.
– Antonia – wo ist mein Taschentuch?«

                             158.
Sie schwieg und warf sich bleich auf ihre Decken,
Die Augen flammten durch der Thränen Nacht,
Den Wolken gleich, die Blitz und Regen wecken,
Und wie ein Schleier fällt der Haare Pracht;
Die schwarzen Locken suchen zu verstecken
Der Schultern Glanz, der so verführend lacht.
Die sanfte Lippe zuckt in wildem Schmerz
Und lauter, als der Athem schlägt ihr Herz.

                             159.
Herr Don Alfonso stand verwirrt, betroffen,
Antonia fuhr im Zimmer auf und ab,
Sie warf die Nase, trotzte keck und offen
Dem Herrn, den Dienern, wie sich's eben gab.
Der Advocat nur hatt' es gut getroffen,
Denn Händel waren seine Lust und Lab'.
Wie sie entstanden, kümmerte ihn nicht,
Er wußte ja, sie kamen vor Gericht.

                             160.
Mit kleinen Augen und mit Spürhundsnase
Folgt' er Antonia's geschäft'gem Gang;
Sie schien verdächtig ihm in hohem Maße,
Ein guter Ruf macht ihm noch lang nicht bang',
Und Tugend, Schönheit ist ihm Seifenblase,
Geht der Prozeß nur seinen schönen Gang.
An's Läugnen glaubt er nimmermehr, wo nicht
Ein guter falscher Zeuge dafür spricht.

                             161.
Doch Don Alfonso stand mit trüben Blicken
Und machte wirklich eine Spottfigur,
In keinem Winkel war was zu erpicken,
Trotz allem Stöbern, nirgends eine Spur!
Er fühlte schon ein böses inn'res Zwicken,
Dazu der Haß, den seine Frau ihm schwur.
Es hagelte so rasch, so dick und schwer
Seit einer halben Stunde auf ihn her.

                             162.
Anfangs versucht' er Bitten herzustammeln,
Doch Antwort gab nur bitterlich Gewein',
Ja Krämpfe schienen sich bereits zu sammeln,
Das Zucken kam, das Schnappen hinten drein
Und all' das Zeug, womit sich Frau'n verrammeln.
Alfonso sah's und Hiob fiel ihm ein.
Dann dacht' er ihrer ganzen Vetterschaft
Und nahm zusammen die Geduld und Kraft.

                             163.
Er wollte eben etwas Kluges sprechen,
Jedoch die Zofe schnitt das Wort ihm ab,
Eh' er vermocht' der Zunge Band zu brechen.
»Ich bitte, Herr, stürzt nicht die Frau ins Grab,
Entfernt euch schnell!« – Er brummt' von Weiberschwächen;
Zu weit'rer Red' man ihm die Zeit nicht gab.
Er schaute sich noch einmal kläglich um
Und ging dann fort, er wußte nicht warum.

                             164.
Mit ihm zog ab sein adelich Gesinde,
Zuletzt der Advocat, der an der Thür'
Noch zögerte, bis ihn hinaus gelinde
Die Zofe schob. Er konnte nichts dafür,
Daß Don Alfonso sich gleich einem Kinde
Behandeln ließ und strafen nach Gebühr;
Er überlegte hin und her den Fall,
Da schloß man vor der Nase ihm den Stall.

                             165.
Kaum war's geschlossen, als – o Sünd' und Schande!
O Weibervolk, wie darfst du so was thun
Und doch den Ruf erhalten gut im Stande,
Wenn alle Welt nicht blind ist, einst und nun?
Nichts ist so schön wie unbefleckte Bande.
Doch weiter! Ach wir dürfen noch nicht ruh'n.
Gesagt muß sein, was gern verhehlt ich hätt':
Erstickt fast schlüpfte – Don Juan aus dem Bett!

                             166.
Er war versteckt – wie? kann ich nicht beschreiben,
Noch weiß ich sicher, wo er vorher war,
Jung und elastisch, leicht zum Einverleiben,
Ward er gerollt, verpackt mit Haut und Haar;
Ihn zu beklagen, laß ich füglich bleiben,
So sehr ihn plagte jenes hübsche Paar.
Im schlimmsten Falle starb er schöner hier
Als Clarence einst im Faß von Malvasier.

                             167.
Auch kann ich ihm mein Mitgefühl nicht schenken,
Da er die Sünd' ja nicht begehen mußt',
Die Gott und Menschensatzung schwer verdenken,
Und er zu früh begonnen mit der Lust;
Allein mit sechzehn pflegt uns nicht zu kränken,
Was wir mit sechzig schwer uns sind bewußt,
Wenn unsrer Thaten Abschluß vor uns liegt
Und unsre Sünde höllisch überwiegt.

                             168.
Von seinem Zustand kann ich nichts berichten.
Die Bibel meldet gleichen Zeitvertreib,
Als Davids Blut sich drohte zu verdichten,
Und man versuchte durch ein junges Weib,
Was Trank und Pille anderswo verrichten,
Und was auch gut that seinem kranken Leib.
Vielleicht das Pflaster lag dort besser auf,
David genaß, und Don Juan ging fast drauf.

                             169.
Was nun? Alfonso wird gleich wieder kommen,
So bald er seine Helfer fortgeschickt;
Antonia's Witz ist ihr total genommen,
Nichts fällt ihr ein, wohin sie immer blickt.
Was wird ihr bei dem nächsten Angriff frommen,
Zumal der Tag schon durch die Bäume nickt?
Antonia war stumm, und Julia
Lag blaß und starr an Don Juan's Munde da.

                             170.
Er küßte sie und ordnete die Locken
Des wirren Haars mit bebend heißer Hand;
So sehr sie auch erschüttert und erschrocken,
Die Liebe hatte noch die Oberhand.
Jetzt machte sich Antonia auf die Socken.
»Kommt«, rief sie, »seid ein ander Mal galant.
Verlaßt einmal das unglücksel'ge Bett,
Der feine Herr da muß ins Kabinet.«

                             171.
»Spart euern Spaß für glücklichere Nächte.
Wer hat den Herrn zu dieser That gehetzt?
Was wird daraus? Mir ist vor Angst ganz schlechte.
Der Teufel hat sich in den Schelm gesetzt.
Ist's Zeit zu kichern? O ihr Himmelsmächte!
Wo jener schon das Messer für Euch wetzt?
Ja, Ihr verliert den Hals und ich den Platz,
Die Herrin Alles – um den saubern Schatz!«

                             172.
»Wär's wenigstens ein kräft'ger stolzer Ritter
Von fünf und zwanzig oder dreißig Jahr.
Doch so ein Kind! (Kommt eilig hinter's Gitter!)
Sennora, der Geschmack war sonderbar!
(Kommt schnell!) Schon naht der grause Schnitter,
So bei der Hand er wahrlich sonst nicht war.
Wenn wir den Schelm nur bergen bis es tagt.
(Schlaft ja nicht, Don Juan! Laßt's Euch sein gesagt!)«

                             173.
Jetzt trat Alfonso ein, doch ganz alleine,
Und schloß damit des treuen Mädchens Mund.
Er hieß sie geh'n, damit er käm' ins Reine,
Sie zögerte aus uns bekanntem Grund.
Doch off'ne Gründe hatte sie jetzt keine,
Und blieb sie auch, vielleicht war's nicht gesund.
Drum blickte sie die Beiden seitwärts an,
Putzt' noch das Licht und ging dann ihre Bahn.

                             174.
Alfonso mußt' sich erst ein wenig sammeln,
Dann fing er eine Art Entschuldigung an,
Zwar konnte er nichts Nennenswerthes stammeln,
Denn ungezogen blieb, was er gethan.
Doch sucht' er sich mit Gründen zu verrammeln,
Bracht' aber keine gilt'gen auf die Bahn.
Er sprach gar schön, jedoch verwirrt und hohl,
Was die Gelehrten nennen Mist und Kohl.

                             175.
Sie sagte nichts, obschon ihr kam zu Statten,
Daß auch Alfonso schon gewandelt krumm:
Ein Weib das kennt die Schwächen ihres Gatten,
Dreht oft den Stiel mit wenig Worten um,
Sie weiß ihn zu verblüffen, zu ermatten,
Und sind's auch Fabeln nur, sie machen stumm,
Wenn man's nur immer fest zurück ihm gibt
Und einem Stein gleich drei entgegenschiebt.

                             176.
Und Julia hatte wirklich gute Gründe,
Ihr war sein Stand zu Ines wohl bekannt,
Jedoch vielleicht verwirrt die eig'ne Sünde.
Doch nein! ein Weib – das weiß ja Stadt und Land –
Gebietet über gut gelad'ne Schlünde.
Wahrscheinlich, daß ihr Schweigen nur entstand,
Weil Don Juan, dem die Mutter theuer war,
Es hören mußte, sprach sie all zu klar.

                             177.
Ein weit'rer Grund mocht' sie dazu bewegen,
Nie hatt' ihr Mann auf Don Juan angespielt,
Zwar er gestand der Eifersucht Erregen,
Doch sagt' er nie, auf wen er dabei zielt',
Nichts führte ihm den wahren Mann entgegen,
Was um so mehr den Geist in Spannung hielt.
Von Ines sprechen war daher so viel,
Als Don Alfonso weisen nach dem Ziel.

                             178.
Ein Wink genügt in solchen zarten Fällen,
Am besten ist's, man meistert sich und schweigt
Und überdies (nach den modernsten Quellen,
Vor denen mir die Galle immer steigt)
Weiß Frauentakt mit seinen sanften Wellen
Hinwegzuspülen was zu scharf sich zeigt.
Die Holden lügen mit so frohem Muth,
Es steht den Lippen gar zu schön und gut.

                             179.
Sie werden roth; wir glauben ihrer Röthe.
Ich that es stets und fand es ganz gescheit.
Wenn ich das Schönste ihr entgegenflöte,
Dann wirkt erst recht der Frau Beredtsamkeit;
Und fehlt der Athem, seufzt die holde Kröte;
Es sinkt der Blick in süßem Herzeleid,
Die Thräne fällt, noch eine! – es ist 'rum,
Ergeben sitzen wir zu Tisch und stumm.

                             180.
Alfonso schloß und bat sie dann um Gnade,
Die Julia ihm halb gab, halb vorenthielt,
Sie machte Klauseln – hart in hohem Grade,
Und weigerte, wonach sein Sehnen zielt'?
Er stand wie Adam, der im Schweißesbade
Nach seinem Eden nutzlos, reuig schielt'.
Er bat so heiß um das was sein doch war
– Da stolpert' er an einem Schuhepaar!

                             181.
Nun ein Paar Schuh, das will ja gar nichts heißen,
Wenn sie nur passen an der Dame Fuß,
Doch die – (ich möcht' mich in die Zunge beißen!)
Gehörten einem Mann! Und mit Genuß
Ergriff er sie, als wollt' er sie zerreißen.
Mir schwindelt ach! daß ich es sagen muß.
Er prüfte streng, von wem die Form wol sei,
Sodann gerieth er ganz in Raserei.

                             182.
Er stürzte fort, den Degen sich zu holen,
Und Julia eilte in das Kabinet.
»Flieh'! flieh', um Gott! ich stehe wie auf Kohlen,
Die Thür' ist auf – kein Wort – sonst ist's zu spät!
Durch jenen Gang, wo du so oft verstohlen –
Den Schlüssel nimm! – ich sage dir Valet –
Alfonso naht – flieh', flieh', es ist kein Spaß!,
Noch ist es Nacht und Niemand auf der Straß'.«

                             183.
Der Rath war gut, ein Jeder wird's gestehen,
Nur Schade, daß zu spät der gute kam.
Doch ist's von jeher auf der Welt geschehen,
Daß die Erfahrung hohe Steuern nahm.
Die Thür' schon rührte Don Juan mit den Zehen,
Ein Sprung noch, er war frei! – da – o infam!
Da stieß er auf Alfons in seinem Flug,
Der Tod ihm droht' und den er niederschlug.

                             184.
Der Kampf war furchtbar und das Licht verwehte.
Antonia schrie: Mord! und Julia: Brand!
Kein Diener kam, so laut Alfonso schmähte,
Und er, dem so der Liebe Lust entschwand,
Schwur sich zu rächen, eh' der Hahn noch krähte,
Auch Don Juan fluchte, wie ein Leibtrabant,
So jung er war, hatt' er ein Teufelsblut,
Zum Märtyrer war er sich viel zu gut.

                             185.
Eh' er ihn zog, fiel schon Alfonso's Degen,
Sie schlugen nun mit Fäusten auf sich los.
Zum Glück sah Don Juan nicht, wo er gelegen,
Denn seine Wuth war so entsetzlich groß,
Daß, fand er ihn in diesem Prügelregen,
Alfonso ward ein stummer Erdenkloß.
O Weiber, denkt an Mann's- und Buhlen-Tod,
Und daß euch häufig doppelt Wittthum droht!

                             186.
Alfonso suchte seinen Feind zu halten
Und Don Juan riß, um sich ihm zu entzieh'n,
Schon floß das Blut (doch aus der Nase Spalten!)
Da, als die Kraft von Beiden schien zu flieh'n,
Entwand sich Don Juan endlich doch dem Alten,
Nur fiel dabei sein einzig Kleidchen hin;
Er floh wie Joseph, ließ es hinter sich,
Der einz'ge Punkt, worin er jenem glich.

                             187.
Jetzt kamen Lichter, Männer auch und Frauen,
Die Zofe fanden sie in bösem Krampf,
In Ohnmacht mußten sie die Herrin schauen,
Alfonso stand noch athemlos vom Kampf,
Am Boden Kleider, wie zerfetzt von Klauen,
Und Spuren selbst von Blut und Fußgestampf',
Don Juan erreichte nun das Thor im Nu,
Schloß auf und wohlbedacht gleich wieder zu. –

                             188.
Hier endet mein Gesang. – Soll ich noch sagen,
Wie unser Held, begünstigt durch die Nacht,
Die stets verhüllet alle übeln Lagen,
Nach Hause kam in unanständ'ger Tracht?
Was man am nächsten Tag herumgetragen? –
Der Hauptscandal, der so ans Licht gebracht,
Und wie auf Scheidung Don Alfonso drang,
Stand in den Times natürlich, breit und lang.

                             189.
Wollt ihr die Sache von dem Grund aus wissen,
Der Protocolle ganzen Lug und Trug,
Wie man sich vor Gericht herumgebissen
Und Annullirung mit Sistirung schlug,
Man hat's beschrieben – öfters – höchst beflissen
Und jede Lesart ist pikant genug.
Die beste gab Gurney, der Stenograph,
Der eigens deshalb in Madrid eintraf.

                             190.
Doch Ines, um den größten der Scandale,
Der Spanien seit Jahrhunderten durchhallt,
(Zum wenigsten seit abzog der Vandale),
Zu Tod zu schweigen ohne Aufenthalt,
Gelobte erstens (und sie hielt's dem Baale!!)
Der heil'gen Jungfrau einen Kerzenwald
Und schickte dann auf einer Tante Rath
Den Sohn nach Cadiz, wo ein Schiff parat.

                             191.
Er sollt' von da durch ganz Europa reisen,
Zu Land und See, zu seiner Besserung;
In Frankreichs und Italien's feinen Kreisen
Sollt' er gewinnen neuen Lebensschwung
(So pflegt man's ja noch heut' zu thun und heißen).
In's Kloster mußte Julia im Sprung.
Wie sie's geschmerzt, ersieht am besten man
Aus ihrem Abschiedsbrief an Don Juan:

                             192.
»Man sagt, du reisest, es sei fest beschlossen;
Das ist wol gut, doch schmerzt mich's bitterlich.
Dein Herz entflieht und was mir draus entsprossen,
Das meine blutet, wird es stets um dich;
Daß ich mit Liebe ganz dich übergossen,
Dies war die Kunst, die einzig übte ich.
Ist hier ein Klecks, so ist's nicht was er scheint,
Mein Auge brennt, doch nimmermehr es weint.«

                             193.
»Ich liebte dich und hab' darum verloren
Mein Haus, den Himmel und die Gunst der Welt,
Doch reut mich nicht, daß ich dich auserkoren.
O die Erinn'rung ist ein süßes Feld!
Doch prahl' ich auch nicht wie so manche Thoren,
Mein eigen Herz das strengste Urtheil fällt.
Mit Vorwurf nicht, noch Bitten komm' ich an,
Ich schreibe nur, weil ich nicht ruhen kann.«

                             194.
»Die Liebe ist ein Stück vom Mannesleben,
Doch ganz und gar des Weibes Thun und Sein;
Am Hof, im Feld, am Pult kann Jener streben,
Das Schwert, der Chorrock beut Gewinn und Schein,
Die seinem Herzen die Befried'gung geben
Und ihn entschäd'gen für die Liebespein.
Dem Weib bleibt Eines nur, es liebt und liebt,
Bis Liebe ihm zuletzt den Tod noch gibt.«

                             195.
»Dein warten noch des Lebens Freuden alle,
Wirst lieben und geliebt sein, oft und viel,
Für mich blüht nichts nach meinem tiefen Falle,
Ich bin nur noch der Schmach, des Grames Spiel,
Sie trag' ich gern'; doch daß mein Herz nicht walle,
Nicht mehr für dich – nie, nie wird dies mein Ziel!
Leb wohl! verzeih' mir – liebe mich – doch nein!
Dies Wort ist eitel jetzt, drum laß es sein.«

                             196.
»Mein Herz war schwach, und ward nicht stark indessen,
Doch faß' ich mich, geht's auch nicht so geschwind.
Noch kocht mein Blut, mein Geist ist schon gemessen,
So rollt die See, wenn sich gelegt der Wind.
Mein Herz ist weiblich und kann nicht vergessen;
Für Alles bis auf Ein Bild ist es blind.
Die Nadel schwankt, der Pol steht ruhig, still,
Es bebt mein Herz, doch meine Seele will.«

                             197.
»Ich. weiß nichts mehr und zög're doch noch immer;
Eh' ich das Siegel auf dies Blättchen drück';
Mein Elend wird ja darum doch nicht schlimmer,
Beschließ' ich auch dies herbe Actenstück;
Wenn Schmerz entseelte, lebte längst ich nimmer;
Doch ruft man ihn, weicht scheu der Tod zurück.
So überleb' ich auch dies Abschiedswort,
Und bet' für dich und lieb' dich – fort und fort!«

                             198.
So schrieb sie auf Papier mit gold'nem Rande,
Mit einer Rabenfeder leicht und fein,
Das Händchen kam damit nur schwer zu Stande,
Es zitterte vor tiefer Herzenspein,
Doch keine Thräne macht' der Seele Schande,
Die Sonnenblume war ihr Siegelstein,
Im Carneol stand: Elle vous suit partout;
Der Lack war fein – auch das gehört dazu!

                             199.
Es war dies Don Juan's erste Liebesklemme.
Von meinem Publikum hängt es nun ab,
Ob ich's mit seinen Thaten überschwemme,
Wir wollen seh'n, wie ich's getroffen hab'.
Sein Lob wiegt leicht wie ausgedörrte Schwämme,
Und sein Mißfallen stürzt mich nicht in's Grab.
Wenn ihm jedoch mein neues Werk gefällt,
Erscheint auf's Neu' im nächsten Jahr mein Held.

                             200.
Mein Werk ist Epos und es soll erhalten
Zwölf der Gesänge. Jeglicher Gesang
Bringt Lieb' und Krieg und eines Sturmes Schalten,
Ein Schiffsverzeichniß, Kapitäns von Rang,
Auch Könige und neue Hauptgestalten
Und nach der Hölle einen raren Gang;
Wie es Homer und dann Virgil gemacht.
Dann ist's ein Epos, nicht wahr, daß es kracht?

                             201.
All' diese Dinge werd' ich zeitig melden,
Auf Aristoteles wol geben Acht,
Dies Vademecum der erhab'nen Welten,
Das so viel Dichter und auch Narren macht.
Der Prosaist läßt keine Reime gelten,
Ich liebe sie als Instrument voll Pracht.
Auch bring' ich neuen mythologischen Dunst
Und nie geseh'ne, fabelhafte Kunst.

                             202.
Ein Unterschied ist einzig zu beachten,
Der zwischen andern Epikern und mir,
Wobei sie mich in reinen Vortheil brachten:
(Auch And'res spricht zu meinen Gunsten hier,
Was später wir im Einzelnen betrachten).
– Ihr Werk besteht aus so viel Schmuck und Zier,
Daß man durchschwimmen muß ein Fabelmeer,
Indeß ich nur der Wahrheit geb' die Ehr'.

                             203.
Wenn Jemand zweifelt, kann ich mich berufen
Auf Tradition, Geschichte, Thatbestand,
Auf Zeitungen, die stets mir Wahrheit schufen,
Auf Schauspiel, Oper als ein Unterpfand,
Und sie bestätigen's durch alle Stufen.
Was aber jeden Zweifel weit verbannt,
Ist, daß ich selbst und halb Sevilla sah,
Wie Don Juan mit dem Teufel flog von da.

                             204.
Sollt' ich mich je zur Prosa niederlassen,
So schrieb ich ein poetisch Regelwerk,
Das sollte dann so reichen Schatz umfassen,
Daß jeder and're Autor wär' ein Zwerg;
Ich gäbe Regeln, die für Alle passen,
Man staunte wol, was Alles hinterm Berg.
»Longinus bei der Flasche« hieß ich es,
»Ein Jeder, selbst sein Aristoteles.«

                             205.
An Milton, Dryden, Pope dürft ihr glauben,
An Wordsworth, Coleridge, Southey aber nicht,
Denn Erstrer hat im Kopf zu viel der Schrauben,
Der Zweite sauft, der Dritte ist ein Wicht;
Gefährlich pflegt uns Crabbe anzuschnauben
Und trocken stets ist Campbells Sinngedicht.
Von Samuel Rogers stehlt beileibe nie;
Moore's Muse achtet, achtungswerth ist sie.

                             206.
Laßt euch nach Sotheby's Muse nicht gelüsten,
Nach seinem Pegasus und was noch sein;
Mit falschem Zeugniß sollt ihr euch nicht brüsten.
(Ein »Blaustrumpf« ist's, den ich besonders mein'!)
Ihr sollt nur schreiben, mag's euch auch entrüsten,
Wie ich's gestatte: das heißt wahr und rein.
Küßt diese Ruthe, oder ich – bei Gott!
Hau' euch damit nach Herzenslust und flott.

                             207.
Wenn Jemand zanken wollte: die Geschichte
Sei nicht moralisch, bitt' ich, nach der Tour
Zu kratzen erst, wenn's beißt; – dann dem Gedichte
Noch einmal nachzugehen Spur für Spur,
(Es lüstet Keinen wol nach dem Gerichte.)
Gewiß er fände, daß es lustig nur.
Im zwölften Sange zeig' ich überdies,
Wohin die Schlechten kommen ganz gewiß.

                             208.
Ist Einer aber so sehr von den Blinden,
Daß dies Verfahren ihm noch nicht genügt,
Und er vermeint in seinen Irrgewinden,
Daß ihn mein Wort und selbst sein Auge trügt,
Und schreit, er könne die Moral nicht finden,
So sag' ich, ist er Geistlicher: er lügt!
Ist er ein Kritiker, ein Capitän,
So lügt er gleichfalls – doch aus Mißverstehn.

                             209.
Das Publikum wird mir wol Beifall geben
Und meinem Wort, betreffend die Moral,
Ich werde auch Vergnügen mit verweben,
(Wie man ein Kind beschenkt bei einer Qual.)
Auch wird es hoffentlich mein heiß Bestreben
Nach einem Lorbeer sättigen einmal.
Aus Furcht, mein Leser täuschte meine Müh',
Bestach ich gar die britische Revue.

                             210.
Ich schickt' es ihr mit einem art'gen Schreiben;
Umgehend hatte ich dafür den Dank.
Sie kann mir die Kritik nicht schuldig bleiben.
Doch legt sie meine Muse auf die Bank,
Bricht sie ihr Wort in unverschämtem Treiben
Und läugnet, was sie einnahm baar und blank,
So daß statt Honig Galle ihr entfällt,
Kann ich nur sagen: Nun, sie hat ihr Geld!

                             211.
Das Publikum hoff' ich mir zuzukehren
Durch diese neue heilige Allianz;
Die andern Blätter kann ich nun entbehren
Trotz ihrer Kunst und ihres Wissens Glanz;
Ich wollte ihren Hofstaat nie vermehren,
Man sagte mir, ich liefe nur im Schwanz;
Die Edinburgh-, die Quarterly-Review
Beschimpften Jeden, der nicht stimmte zu.

                             212.
»In meiner Jugend hätt' ich's nicht ertragen«,
Sagt schon Horaz, »als Plancus Consul war«.
So sag' auch ich; und damit will ich sagen,
Daß ich vor etwa sechs bis sieben Jahr
Gleich bei der Hand war, tüchtig zuzuschlagen,
(Fern von der Brenta lebte ich Barbar!)
Ja nimmer hätt' ich so was tolerirt,
Als George der dritte England noch regiert.

                             213.
Doch nun mit dreißig hab' ich graue Haare
(Wie wird es wol mit vierzig damit sein?
Ich denk' schon dran, wie ich den Kopf verwahre).
Mein Herz gährt auch nicht mehr wie junger Wein,
Ich hab' vergeudet meine schönsten Jahre,
Ich stelle keinem Gegner mehr ein Bein;
Hin ist mein Leben, Zins und Capital,
Und auch die Seele nicht mehr hart wie Stahl.

                             214.
Ach nie mehr, nie mehr wird sie wieder fallen
Des Herzens Frische wie ein Thau auf mich,
Und an den holden Dingen um mich allen
Gefühle wecken, neu und wonniglich,
Die schliefen in des Busens heil'gen Hallen! –
Glaubst du, die Dinge thaten das für dich?
Ach nein! in dir lag's einst, in deiner Macht,
Zu doppeln selbst der schönsten Blumen Pracht.

                             215.
Ach nie mehr, nie mehr kannst du mir ersetzen
Die ganze Welt – mein Herz! – durch dich allein.
Einst konntest du's, jetzt bist du selbst in Fetzen,
Jetzt kannst du mir nicht Fluch, noch Segen sein.
Der Wahn ist hin! Von der Empfindung Schätzen
Ist nichts mehr da, doch ward ich drum nicht Stein:
Der Himmel schenkte mir ein Stück Verstand,
Gott weiß, wie's eine Stelle bei mir fand.

                             216.
Vorüber sind die Tage meiner Liebe!
Und Mädchen, Frau und Wittwe weckt nicht mehrMe nec femina, nec puer
Jam, nec spes animi credula mutui,
Nec certare juvat mero,
Nec vincere novis tempora floribus.

In mir wie einstmals närrisch süße Triebe;
Ein andres Leben wogt auf mich daher,
Dahin der Wahn, daß ich verstanden bliebe!
Und auch der Claret ist mir jetzt zu schwer;
Will ich ein Laster für 'nen alten Herrn,
Muß ich den Geiz erkiesen mir zum Stern.

                             217.
Der Ehrgeiz war mein Ideal; zerbrochen
Ist's am Altar des Grams, der wilden Lust,
Die letzt're ließ mir manche harte Knochen,
An denen ich noch lange nagen mußt';
Drum hab' wie Bacons ErzhauptEin von Roger Bacon gefertigter Automat. ich gesprochen:
»Zeit ist – Zeit war!« – Ein Schatz für jede Brust
Ist jene Jugend, die ich früh verthan,
Das Herz in Lieb', den Geist in Dichterwahn.

                             218.
Was ist der Ruhm? – Man füllt in heil'ger Hitze
Zahllos Papier mit Prosa und Gedicht;
Man klimmt nach einem Hügel, dessen Spitze
Nie aus dem Dunst zu wahrer Klarheit bricht;
Man schreibt, man spricht, man schleudert Todesblitze,
Der Dichter brennt bis Mitternacht sein Licht.
Sind wir dann Staub, was bleibt? – Ein schlechtes Bild
Und eine Büste, die für scheußlich gilt!

                             219.
Was sind des Menschen Hoffnungen und Plane?
Cheops, Egyptens alter Herr, erschuf
Die größte Pyramide in dem Wahne,
Sie berge ihm die Mumie und den Ruf,
Doch es zertrat ein Sammelmonomane
Des Sarges Dach mit unverschämtem Huf.
Welch Denkmal sichert uns'res Namens Glanz,
Wenn Cheops Staub zerfahren ist so ganz?

                             220.
Ich, der ich ächte Weltweisheit so liebe,
Sag' oft zu mir, wenn mich ein Scrupel sticht:
Das Irdische ist da, daß es zerstiebe
Und alles Fleisch ist Heu! Du hast doch nicht
So schlecht verwendet deiner Jugend Triebe;
Kam' sie zurück, wie bald war' sie zu Nicht'!
Dank deinem Stern, daß es nicht schlimmer ist,
Nimm's Geld in Acht und sei ein guter Christ.

                             221.
Für jetzt drückt, lieber Leser, dir der Dichter
Und dir, noch lieb'rer Käufer, fest die Hand.
Lebt wohl! seid ihm kein allzustrenger Richter,
Wir seh'n uns wieder in dem zweiten Band,
Wenn uns behagen unsere Gesichter;
Wo nicht, so will ich weiter keinen Sand
In's Aug' euch streu'n, bis die Geduld euch brach –
Es wäre gut, mir ahmte Mancher nach.

                             222.
»Geh, kleines Buch, ich werf' dich in die Wellen,
Aus meiner Einsamkeit schwimm heute fort.
Wenn edle Triebe deine Adern schwellen,
Hascht dich die Welt in einem sichern Port.« –
– Wo Southey's man und Wordsworth' dunkle Stellen
Liest und versteht, da blüht auch mir ein Hort.
Die ob'gen Zeilen sind von Southey's Hand,
Ich, lieber Leser, wär' das nicht im Stand.

 


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