George Byron
Don Juan
George Byron

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Vierzehnter Gesang.

                               1.
Ja, könnten wir Gewißheit uns erholen
Aus der Natur, aus unsres Geistes Schlund,
Dann schritte Menschheit auf soliden Sohlen
Und mancher Philosoph ging rasch zu Grund,
Der davon lebt, was Andern er gestohlen,
Wie einst Saturn die Kinder schob in Mund,
Und ließ wie dieser übrig nicht ein Bein,
Als ihm die Gattin unterschob den Stein.

                               2.
Nur umgekehrt wie der Titane schlinget
Ein neu System das ältre, wenn auch schwer
Es zu verdaun. Doch wenn ihr tiefer dringet,
Glaubt ihr denn wirklich eine Glaubenslehr'?
Schaut hinter euch, eh' ihr das Kreuz umschlinget
Und einer Form und Weise schenkt die Ehr';
Nichts richtiger als Sinnen nicht zu traun,
Doch auf was Andres sollen wir denn baun?

                               3.
Ich selbst weiß nichts und will auch nichts verneinen,
Ja ich verwerfe und verachte nichts;
Auch ihr könnt nur, daß ihr geboren, meinen
Und daß ihr sterbt – doch am Beweis gebricht's.
Es kann dereinst ein Zeitraum hier erscheinen,
Wo alt und neu verschwimmt im Born des Lichts.
Der sogenannte Tod wird laut beklagt,
Indeß der Schlaf des Lebens Drittel nagt.

                               4.
Ein fester Schlaf nach schwerem Arbeitstage
Ist unser höchster Wunsch, und doch wie sehr
Erschrecken wir vor der noch festern Lage!
Der Selbstmord selbst, dem der Termin zu schwer
Und der die Schuld drum zahlt mit Einem Schlage,
(Ein alter Weg – der Gläub'ger mag's nicht sehr.)
Geht fieberhaft entgegen dem Entschluß,
Aus Tod'angst mehr als Lebensüberdruß.

                               5.
Sie ist um ihn, gähnt da und dort entgegen;
Und einen Muth gibt's, der der Furcht entspringt,
Er wagt das Höchste des Erkennens wegen.
Und wenn das Hochgebirge dich umringt
Und deine Blicke an des Abgrunds Stegen,
Am Felsschlund hängen, der tief unten klingt,
Da mußt du mit dem Kitzel niederschaun,
Hinabzustürzen in des Todes Graun.

                               6.
Du thust es nicht! Doch bleich im langen Schwanken
Fährst du zurück; und fragst den Eindruck du
Und bebst du vor dem Spiegel der Gedanken,
So findest du, und gibst dir's selber zu,
Den steten Hang, den starken oder kranken
Zum Unbekannten, der dir raubt die Ruh',
Dich trotz der Angst treibt, wohin weißt du nicht,
Und stets bei dir aus Thun und Lassen spricht.

                               7.
Jedoch wozu das Alles? wirst du fragen.
Zu nichts, mein Leser! 's ist nur Phantasie.
Ich kann dir zur Entschuldigung nur sagen:
Ich muß gelegentlich, es ist 'ne Art Manie,
Mich an das Höchste ohne Weitres wagen.
Geschichten als Geschichten schrieb ich nie,
Ihr habt sie nur als luft'gen Grund zu schaun,
Gewöhnliches gewöhnlich drauf zu baun.

                               8.
Der große Bacon sagt – ihr werdet's wissen –
»Ein Strohhalm wirf und merke dran den Wind.«
Ein solches Strohhalm in die Luft geschmissen,
Ist Poesie, das theure Herzenskind,
Ein Drache von Papier, den Tod und Leben hissen,
Ein Schatten, den der Geist nach rückwärts spinnt.
Die meine ist ein Seifenblasenspiel,
Ich spiel' damit, wie mir's als Kind gefiel.

                               9.
Die Welt hat vor – hat hinter mir gelegen,
Ich sah davon wol einen guten Theil,
Genug um mir die Seele zu bewegen,
Auch fühlt' ich g'nug der Leidenschaften Pfeil,
Um solchen Freunden Freude zu erregen,
Die gerne sehn im Ruhme einen Keil;
Denn ich war sehr berühmt zu einer Zeit,
Bis ich durch Reime meinen Ruhm entweiht.

                              10.
Ich hatte diese Welt schwer auf dem Halse
Und jene auch, das heißt die Geistlichkeit,
Die mich verdonnerte mit ihrem Salze
In vielen frommen Büchlein weit und breit;
Doch muß ich immer wieder an die Walze,
Langweilend Leser aus der alten Zeit.
Einst schrieb ich viel, das Herz war mir so voll,
Jetzt fühl' ich wol, daß es nicht mehr so toll.

                              11.
Doch warum schreiben? Wenn die Welt es müde,
Lohnt sie mit Ruhm und Nutzen nimmermehr.
Ich frag', warum man je für Karten glühte,
Warum man liest und trinkt? Um minder schwer
Die Zeit zu dau'n. Ich schaue im Gemüthe
Auf das, was ich erwogen hin und her
Und werf' mein Schriftstück in der Wogen Schaum,
Ob's sinkt, ob's schwimmt, ich hatte meinen Traum!

                              12.
Ich glaube, wenn des Siegs ich sicher wäre,
Ich brächte eine Zeile kaum zu Stand.
Ich kämpfte so lang auf dem Feld der Ehre,
Daß mich kein Schlag von meinen Musen bannt;
Und dies Gefühl, das ich im Busen nähre,
Ist schwer zu schildern und fürwahr kein Tand.
Zwei Freuden winken ja bei jedem Spiel:
Man kann gewinnen und verlieren viel.

                              13.
Doch meine Muse dichtet nicht Geschichten,
Sie ist nur des Geschehenen Organ,
Natürlich gilt's da Manches wol zu sichten,
Doch singt sie meist von Menschenthat und Wahn;
Dies ist ein Grund, sie manchmal streng zu richten,
Denn zu viel Wahrheit spricht zuerst nicht an,
Und wär', was Ruhm man heißt, ihr Zweck und Ziel,
Sie hätte wahrlich ein weit leichter Spiel.

                              14.
Krieg, Liebe, Sturm – sind doch verschiedne Sachen,
Dazu die Würze nächtlicher Passion,
Ein Blick auf der Gesellschaft Kreis, den flachen,
Und auf die Menschen jeglicher Station,
Das ist doch ein'ges Futter für den Rachen,
Sowol im Text als in dem Vorwort schon,
Und füttern diese Strophen Koffer nur,
So nützen sie doch auf 'ner Reisetour.

                              15.
Der Theil der Welt, den ich jetzt vorgenommen
Als Inhalt für den folgenden Gesang,
Ist einer, der kein Portrait noch bekommen,
Den Grund warum, kennt Jeder wol schon lang;
Obwol er stets hoch auf der Flut geschwommen,
Ist Alles doch so gleich in Form und Gang,
So schal, Familien ähnlich durch die Bank,
Daß Poesie davon hat keinen Dank.

                              16.
Bei viel Erregung wenig zum Begeistern,
Nichts was da immer und zu jedem spricht,
Ein Firniß jeden Fehler zu verkleistern,
Gewöhnlichkeit selbst wenn man was verbricht,
Nicht große Leidenschaften, die uns meistern,
Witz ohne Salz, kein ächt Naturgericht,
Die Charaktere glatt und monoton,
Wenn überhaupt Charakter die Person.

                              17.
Bisweilen zwar verlassen sie die Glieder
Und meiden froh die ganze Drillerei,
Dann aber ruft Appell die Armen wieder,
Sie sinken wieder in ihr Einerlei.
Wol sieht man dort manch glänzendes Gefieder,
Doch bald hat satt man diese Mummerei
Und es erblaßt – so war es einst bei mir –
Dies Paradies von Langweil' und Plaisir.

                              18.
Ist unsre Lieb' und unser Spiel vollendet,
Hat man gestimmt, geglänzt und sonst noch was,
Gespeist mit Stutzern, Rednern Rauch gespendet,
Schönheiten auf den Markt gebracht, auf daß
Sie Wüstlinge zu Gatten umgewendet,
Dann werden wir zuletzt, der Welt zum Spaß,
Wie jene Jünglinge vom vor'gen Jahr,
Die doch nicht gehn, ob's längst an ihnen war.

                              19.
Man sagt, und dies ist allgemeine Klage,
Noch Niemand habe so die Welt gemalt,
Wie sie's verdiente ohne alle Frage;
Vom Autor werd' der Portier oft bezahlt,
Um was zu klatschen von der innern Lage,
Skandal, womit man dann fein spöttelnd prahlt,
Und diese Bücher hätten Einen Grund:
Die Kammerfrau, somit Mylady's Mund.

                              20.
Doch dies kann nicht mehr sein, seit die Autoren
Ein mächt'ger Theil der Beaumonde selber sind;
Ich sah, daß man vor Rauchern sie erkoren,
Besonders wenn sie noch vom jungen Rind.
Warum ist, was sie schreiben, so verloren?
Warum erscheinen sie so taub und blind
Für dieser Kaste wahr Portrait? – Nun, wißt!
Weil wirklich wenig zu beschreiben ist.

                              21.
Haud ignara loquor, 's sind Nugae quarum
Pars parva fui
, und noch bin zum Theil,
Doch malt' ich leichter des Serails Tralarum,
Schiffbruch und Schlachten, Amors Liebespfeil,
Als sie. Ich möcht' sie schonen – warum? darum!
Ich geh' nicht gern mit meinem Grund auf's Seil:
Vetabo Cereris sacrum qui vulgarit,
Das heißt, dem Haufen theil' ich's niemals mit.

                              22.
Was ich entwerfe, ist das Ideale,
Jedoch erniedrigt wie die Maurerei,
Der fast so ferne abliegt das Reale,
Wie Parry's Fahrt des Jason Seglerei;
Das Weltgeheimniß liegt nicht auf der Schale,
Auch mein Gesang ist nicht von Dunkel frei
Und viel ist drin, was nicht verstehen kann,
Wer nicht dazu den Schlüssel sich gewann.

                              23.
Ach! Welten stürzen, und das Weib, das eine
Welt einst gestürzt, woran man gläubig hält,
– Was zwar nicht artig aber wahr – hat seine
Praxis nicht ganz bei Seite noch gestellt.
Das arme Ding! ihm drohn so viele Steine!
Hat's Unrecht, fällt's, hat's Recht, wird es zerschellt,
Verdammt zum Kindbett, wie des Mannes Kinn
Am Messer des Rasirers fast wird hin –

                              24.
Ein täglich Elend, dessen Leidenssumme
Sich messen kann mit des Gebärens Pein.
Doch wer stand je im Leidenheiligthume
Des Weib's und sah, was stürmet auf sie ein;
Das Mitleid selbst mit ihrem Martyrthume
Ist bei dem Manne Selbstsucht nur und Schein.
Trotz Liebe, Tugend, Schönheit sind sie nur
Zum Haushalt da, zur Brut der Creatur.

                              25.
Dies ist schon gut, und kann nicht anders gehen;
Doch ist es auch, der Himmel weiß es, schwer.
Viel hat das Weib von früh an auszustehen,
Von Freund und Feinden stürmt es auf sie her.
Um's Gold der Fessel ist es bald geschehen;
Und fragt ein Weib, was sie wol lieber wär',
(Fragt, wenn sie in den dreiß'ger Jahren drin)
Ob Mann, ob Weib, ob Schulbub – Königin?

                              26.
Der Unterrock ist ein gewalt'ger Drache.
Auch die, die ihm gehorchen, möchten gern,
Daß man nicht glaube, daß sie unterm Dache;
Doch da's hienieden einmal unser Stern,
Daß jeder seine Wallfahrt drunter mache,
Ehr' ich den Unterrock als meinen Herrn:
Dies Kleidungsstück von mystischer Gewalt,
Ob es in Wolle oder Seide wallt.

                              27.
Wie habe ich in meinen jungen Tagen
Dies holde Schleierkleid geliebt, verehrt,
Das manchen Schatz in seinem Schooß getragen,
Nach dessen Kern die Sehnsucht mich verzehrt;
Das myst'sche Ziel, nach dem die Wünsche jagen,
Die Arzenei, die unsre Herzen nährt;
Denn was geht einem Unterrocke vor,
Aus dem ein Knöchel reizend schaut hervor!

                              28.
Und wenn an einem stummen düstern Tage,
Wo der Sirocco durch die Straßen weht,
Wenn trüb die See trotz Schaum und Wellenschlage,
Der Fluß mit Murren seiner Wege geht,
Der Himmel voll von jener grauen Lage,
Dem Gegensatz der goldnen Majestät,
Dann freut ein Blick (wenn überhaupt was freut)
Denn eine Schöne selbst 'ne Bäurin beut. –

                              29.
Wir ließen Heldinnen und Helden weilen
In jener Luft, die nicht am Klima hängt,
An der vorbei die Thierkreis-Zeichen eilen,
Die schwerer zu besingen, als man denkt,
Weil Sonn' und Stern' mit ihres Lichtes Pfeilen,
Und was Erhabnes sonst uns noch umfängt,
Dort oft so finster wie ein Mahner sind,
Und gegen die man taub dort ist und blind.

                              30.
Nicht sehr poetisch ist ein innres Leben
Und außerhalb gibts Regen, Nebel, Schnee;
Da lasset sich kein Schäferspiel draus weben.
Doch wie dem sei, der Dichter wie 'ne Fee,
Muß jedes Hemmniß machen gleich und eben,
Das sich entgegen stemmet der Idee;
Es muß den Stoff bewältigen der Geist,
Wenn Wasser auch und Feuer um ihn kreist.

                              31.
Don Juan, ein Heiliger in diesem Stücke,
Kam jeder Zeit mit Jedermann gut aus;
Er lebte friedlich, ohne Arg und Tücke,
Im Lager, Schiff, am Hof, im Bauernhaus,
Sein Herz war stark und brauchte keine Krücke,
Bescheiden that er mit bei Müh' und Schmaus,
Den Frauen allen war er gleichfalls viel,
Doch trieb er nie damit ein kindisch Spiel.

                              32.
Fremd für den Fremden ist der Füchse Jagen
Und unterworfen doppelter Gefahr:
Zu stürzen erst und dann davon zu tragen
Noch einen Spott, daß man so linkisch war;
Doch Don Juan war auch hierin wol beschlagen
Und jagte wie ein wüthender Husar,
So daß sein Roß nicht 'nen Moment vergaß,
Daß ihm ein Reiter auf dem Rücken saß.

                              33.
Er setzte drum auf diesem neuen Boden
Mit Beifall über Hecken, Graben, Bahn,
Er war nicht ängstlich, griff nicht falsche Noten,
Und stockte nur, wenn kein Geruch im Plan.
Zwar folgte er nicht allen Jagdgeboten,
Denn auch der Klügste denkt oft nicht daran,
Ritt' Hunde nieder, ja vielleicht sogar
'Nen Landbaron, der ihm im Wege war.

                              34.
Im Ganzen aber ward von ihm die Sache
Zu der Bewund'rung Aller abgemacht,
Die Squires erstaunten, weil er nicht vom Fache,
Die Bauern schrie'n: Wer hätte das gedacht?
Die Jagdnestoren hatten Glut im Dache
Und fluchten Lob und Beifall, daß es kracht';
Es grinste selbst der niedre Jägersmann
Und sah ihn fast als Hundejungen an.,

                              35.
Dies die Trophä'n, zwar nicht von Speer und Schilde,
Jedoch von Sprung, von Durchbruch, Fuchsesschwanz.
Indeß gesteh' ich zum Verdruß der Gilde
Und opfre meine Heimatliebe ganz:
Im Herzen dacht' er ähnlich Chesterfielde,Siehe die Briefe desselben an seinen Sohn.
Der einst nach einem langen Hexentanz
Durch Heck und Busch – er ritt famos – gefragt:
Ob je ein Mensch im Leben zwei Mal jagt'?

                              36.
Don Juan besaß noch ein Verdienst, das selten
Bei Frühaufstehern nach gewalt'ger Jagd,
Die schon erwachen, eh' des Hahnes Schelten
Dem trüben Tag, daß er sich tummle, sagt –
Von den Verdiensten, die bei Frauen gelten,
Wenn ihre Rede euch geflügelt plagt
Und Hörer sucht, und sollten's Teufel sein:
Er schlief nicht sogleich nach dem Essen ein.

                              37.
Stets war er lebhaft, aufgeweckt und munter,
Und glänzte in der Unterhaltung Gang,
Er ordnete Behauptungen sich unter
Und lauschte dem, was eben war im Schwang;
Bald ernst, bald froh, nie Stein und auch nie Zunder,
Nur im Geheimen lächelnd, wenn's ihn zwang,
Und nie verbessernd mit dem eignen Licht –
Kurz, einen bessern Hörer gab es nicht.

                              38.
Dann tanzte er – die Fremden alle schlagen
Den ersten Britten in der Redekunst
Des Bein's auf's Haupt – er tanzte so zu sagen
Mit Kunstverständniß und mit edler Brunst,
Was bei dem Tanzen hoch stets anzuschlagen;
Er tanzte ohne theatral'schen Dunst,
Nicht wie der Meister vor dem Nymphenchor,
Nein, wie ein Gentleman, wie ein Sennor!

                              39.
Keusch war sein Schritt und blieb stets in den Schranken
Und Anmuth floß um seine Huldgestalt,
Leicht schwebten seine Füße wie Gedanken,
Nie ließ er seine Kraft aus der Gewalt,
Nie sah man ihn im Tacte fehlen, wanken,
Dem strengsten Kritiker gebot er Halt,
So classisch war sein Schritt in Form und Ton,
Er schwebte wie Bolero in Person.

                              40.
Wie vor Aurora schwebend eine Stunde
Auf Guido Reni's großem Frescobild,
Das lohnt nach Rom zu machen eine Runde,
Wenn nichts mehr sonst die Cäsarstätte gilt.
Dem Ganzen lag die Grazie zu Grunde,
Wie aus dem zarten Ideal sie quillt,
Und die kein Wort beschreibt, weil's farbenleer,
Was Dichtern und Prosaikern höchst quer.

                              41.
Kein Wunder drum, wenn er der Liebling wurde
Und als Cupido ward bewundert sehr,
Und auch verderbt, doch nicht so ganz absurde;
War er auch eitel, zeigt' er's nimmermehr;
Groß war sein Tact, ob er um Keusche schnurrte,
Ob er sich nur mit Gänschen trieb umher.
Die Herzogin Fitz Fulke, die gerne spaßt',
Begann zu äugeln mit dem fremden Gast.

                              42.
Sie war 'ne schöne üppige Blondine,
Begehrenswerth und in der Welt verehrt
Seit ein'gen Wintern durch die Paladine;
Ich sage nicht, was man von ihrem Werth
Sich zugeflüstert hinter der Gardine,
Vielleicht daß es der Wahrheit auch entbehrt.
Ihr letzter Streich war ein famos Duett
Mit Lord Augustus Fitz Plantagenet.

                              43.
Der Herr begann ein wenig schwarz zu schauen
Zu dieser neuen Ladung Kokett'rie;
Doch solche Späßchen muß ein Mann verdauen,
Sie sind ein Theil der Frauenphantasie,
Und weh' dem Mann, der drüber wollt' miauen,
Nur um so schneller überstürzte sie;
Was höchst fatal, doch ungewöhnlich nicht,
Verläßt man sich auf eines Weibes Pflicht.

                              44.
Man lächelte, man flüsterte und höhnte,
Die Fräuleins dies und die Matronen das,
Die hoffte noch, daß man sich bald versöhnte,
Die glaubte nicht, daß jene sich vergaß,
Die hörte gar nicht, was halb laut ertönte,
Die sah verblüfft, die hob empört die Nas'
Und einige bedauerten recht nett
Den Lord Augustus Fitz Plantagenet.

                              45.
Jedoch curios! vom Herzog keine Rede!
Er hatte bei der Sache doch ein Wort,
Er war zwar fort und Jeder sprach und Jede,
Ihn kümmre nicht, was Jene da und dort
Und wie sie's thu'. Wenn er drum keine Fehde
Erhob, so durft' auch schmählen sonst kein Lord:
Ja ihre Ehe war von bester Art,
Man traf sich nie und blieb vor Zank bewahrt.

                              46.
Doch ach! daß ich so Trauriges muß schreiben!
Bewegt von ihrer Tugendlieb' und Scham,
Konnt' Adeline nicht mehr ruhig bleiben,
Als sich die Herzogin so frei benahm.
Es schmerzte sie ihr leichtes Thun und Treiben,
Sie ward in ihrer Freundschaft kühl und lahm.
Ernst schaute sie, wie schwach die Freundin war,
Für solche Schwächen sieht die Freundschaft klar.

                              47.
Nichts geht doch über Sympathie auf Erden!
Wie steht der Seele, dem Gesicht sie gut,
Man läßt den Seufzer zu Accorden werden
Und trauert zierlich im Pariser Hut.
Was wären wir, wenn wir den Freund entbehrten,
Der unsre Fehler zu erspäh'n geruht,
Uns tröstet mit: »O hättest du's bedacht!
O hättest du's, wie ich gesagt, gemacht!«

                              48.
Zwei Freunde hatte Hiob – nehmt nur Einen!
Besonders wenn euch irgend droht Gefahr,
Sie steuern schlecht, wenn See und Sturm sich einen,
Sie heilen schlecht für großes Honorar;
O klagt nicht, wenn sie abzufallen scheinen,
Wie Blätter fallen, wenn sich neigt das Jahr;
Dreht sich zum Guten wieder euch der Wind,
Geht in's Café, holt einen neu'n geschwind!In Swift's oder Horace Walpole's Briefen wird erzählt, daß, als Einer den Verlust eines Freundes beklagte, ein universeller Pylades ihm erwiderte: »Wenn ich einen verliere, gehe ich in St. James' Kaffeehaus und hole mir einen neuen.« – Ich erinnere mich, eine Anecdote von derselben Natur gehört zu haben. Sir W. D. war ein großer Spieler. Als er eines Tags in seinen Club kam und sehr traurig aussah, fragte ihn Hare, heiteren Angedenkens: Was ist Ihnen, Sir William? – Ach! erwiderte Sir W., eben habe ich die arme Lady D. verloren. – Verloren? In was? Im Quinze oder im Hazardspiel? war die tröstliche Entgegnung des Fragers.

                              49.
Mein Grundsatz war dies nie, wär' er's gewesen,
Manch Herzensweh' blieb mir dadurch erspart;
Doch bin ich froh, daß ich kein Krötenwesen
Mit einer Schale, die wie Stein so hart;
Es ist doch besser, selbst im Herzen lesen
Und sehn und fühlen andrer Menschen Art;
Es lehret uns zu meistern manchen Trieb
Und unser Meer zu gießen in kein Sieb.

                              50.
Nichts häßlicher von allen Klagetönen
Und widriger als Sturm und Eulensang,
Als das: »Ich hab' dir's ja gesagt!« dies Höhnen
Aus Freundesmund in seinem Doctorsklang;
Statt dich zu trösten und dich zu versöhnen,
Thun sie nur groß, daß sie's gewußt schon lang,
Und rechnen weise alle Dinge vor,
Als ob dein Unglück sich dadurch verlor.

                              51.
Doch Adelinen's holde Sittenstrenge
Beschränkte sich auf ihre Freundin nicht;
Der Ruf derselben schien ihr im Gedränge,
Wofern nicht rasch sie kehrte um zur Pflicht.
Auch Don Juan trieb sie lebhaft in die Enge,
Doch zart, wie nur das reinste Mitleid spricht.
Er war so jung (sechs Wochen hinter ihr!)
Das rührte sie zu blut'gen Thränen schier.

                              52.
Der große Vortheil dieser vierzig Tage
– Sie durfte hierin keine Rechnung scheun
Und kühn verweisen jede läst'ge Frage
Auf das Geburtsbuch adelicher Leu'n –
Er gab ihr wol ein Recht in dieser Lage,
Mit Muttersorgen Don Juan zu erfreun,
Obschon sie fern noch von dem Sprungjahr war,
Das Frauen wegstreicht jedes künft'ge Jahr.

                              53.
Man kann's noch etwas vor die dreißig setzen,
Auf siebenundzwanzig, denn ich hörte nie
Die ehrlichste ihr Alter höher schätzen,
So lang es stimmte mit der Kokett'rie.
O Zeit, warum die Sense immer wetzen,
Vergönn' ihr Ruhe, putz' von Roste sie,
Dann mähe zarter, nicht so furchtbar schnell,
Am besten wär's, du kämst nicht von der Stell'.

                              54.
Doch Adeline war noch fern den Jahren,
Die freilich reif und doch so bitter sind,
Sie war schon klug durch das, was sie erfahren,
Sie sah die Welt und war dabei nicht blind,
Wie ich euch ließ schon oben wo gewahren,
Wo? weiß ich nicht mehr, doch wer sucht, der find't,
Indessen streicht von siebenundzwanzig sechs,
So wißt ihr auch, wie alt dies fein Gewächs.

                              55.
Mit Sechzehn trat sie auf und ward gepriesen
Und in Entzücken kamen alle Pairs,
Mit Siebzehn ward ihr gleiche Ehr' erwiesen,
Sie galt als Venus eines Strahlenmeers,
Mit Achtzehn sah sie zwar vor sich zerfließen
Die herrlichsten des großen Stutzerheers,
Doch war sie da zu schaffen schon so dreist,
Was man den »Glücklichsten der Menschen« heißt.

                              56.
Drei Winter hatte sie nun durchgeschimmert,
War viel bewundert, aber so correct,
Daß auch der schärfste Blick, der sie umflimmert,
Nicht einen leisen Fehl an ihr entdeckt,
Auch nicht ein Splitter war hinweg gezimmert
Von diesem Marmor, dessen Kälte schreckt,
Auch hatt' in einem freien Augenblick
Sie einen Sohn und ein klein Fehlgeschick.

                              57.
Leuchtkäfer viele kreisten voll Verlangen
Um sie im Dunkel dieser Lond'ner Nacht,
Doch Keiner blieb an ihren Blüten hangen,
Sie war entrückt der Thoren eitler Macht,
Vielleicht daß höher ihre Wünsche drangen,
Doch wie dem sei, sie nahm sich stets in Acht.
Und hält die Frauen auf der rechten Bahn
Stolz, Kaltsinn oder Pflicht, was liegt daran?

                              58.
Ich hasse ein Motiv wie eine Flasche,
Die allzu langsam mir der Wirth servirt,
So daß die Kehle wird zu heißer Asche,
Besonders wenn man grad' politisirt,
Ich hasse es, wie jene staub'ge Wasche,
Womit uns eine Heerde oft tractirt,
Ich hass', es, wie gekrönten Dichters Vers
Und wie das Ja des niederträcht'gen Pairs.

                              59.
Es ist nicht gut, in Wurzeln einzuhauen,
Die zu verwachsen mit der Erde sind,
Wächst mir was Grünes lieblich auf den Auen,
So frag' ich nicht, ob's einer Eichel Kind;
Den Thaten stets bis auf den Grund zu schauen,
Ist kein Geschäft, wobei man viel gewinnt,
Doch dies ist jetzt nicht meiner Rede Kern
Und ich verweis' auf Kanzler Oxenstiern.Der berühmte Kanzler Oxenstierna sagte zu seinem Sohn, als dieser sein Erstaunen darüber ausdrückte, wie in den vermeintlichen Mysterien der Politik die großen Wirkungen in der Regel aus kleinen Ursachen entspringen: »Du siehst hieraus, mein Sohn, mit wie wenig Aufwand von Weisheit man die Königreiche der Welt regiert.«

                              60.
In bester Absicht, 'nen éclat zu sparen
Der Herzogin und unsrem jungen Fant,
Beschloß, sobald sie glaubte zu gewahren,
Daß Don Juan leiste keinen Widerstand
– Denn Fremde kennen ja nicht die Gefahren,
Die solch ein faux pas bringt im Brittenland,
Wo der Geschwornen öffentlich Verdict
Die Sünden der Art schon im Keim erstickt –

                              61.
Beschloß die Lady, Alles aufzubieten,
Was ihrer Meinung nach dem Weitergang
Des schlimmen Werkes Einhalt könnt' gebieten.
Dies war naiv, selbst wenn es je gelang.
Doch Kühnheit ist der Unschuld ja beschieden
Und Einfalt vor der Welt; ihr ist nicht bang,
Sie braucht die Schranke mancher Dame nicht,
Die tugendhaft, so lang das Eis nicht bricht.

                              62.
Sie fürchtete zwar keine blut'ge Rache,
Der Herzog war ein guter Ehemann;
Ihm sah's nicht gleich, daß er viel Lärmen mache,
Und sich an Doctor Commons wende dann;
Doch glaubte sie, wenn die Fitz Fulke entfache
Den ganzen Zauber ihres Talisman,
Dann geb' es Streit (ein blutiges Duett)
Mit Lord Augustus Fitz Plantagenet.

                              63.
Auch galt die Herzogin für eine feine,
Boshafte Frau in ihren Liebelei'n,
Für jener schönen kleinen Plagen eine,
Die ihre Liebsten holden Launen weihn,
Die Einem stellen fort und fort die Beine,
Wenn nicht von selbst ein Hader will gedeihn,
Bald kalt, bald heiß, im Foltern Virtuos,
Die, was am schlimmsten, niemals lassen los.

                              64.
Sie konnte einem Mann den Kopf verdrehen,
Ja einen Werther aus ihm machen gar;
Kein Wunder drum, wenn sie, die dies gesehen,
Den Freund behüten wollt' vor der Gefahr.
Mit Heirath lieber oder Tod abgehen,
Als solche Herzens-Folter, das ist klar!
Drum frag' sich, eh' er hergeht, jeder Christ,
Ob solch ein Glück auch wirklich eines ist.

                              65.
Zuerst nahm sie in ihres Herzens Wallen,
Das wirklich sich bewußt war keiner Schuld,
Den Mann bei Seit' und ließ die Bitte fallen,
Er möchte Don Juan rächen mit Geduld.
Doch lächelnd hörte Henry dies Erschallen
Des Warnungsrufs vor der Sirene Huld,
Und sprach darauf als Staatsmann und Prophet,
Das heißt, so glatt, daß nichts sie daraus dreht.

                              66.
Erst sagte er, er kümmre sich um keine
Int'ressen mehr, als die des Königs nur;
Sodann: er handle niemals nach dem Scheine,
Nie ohne Grund nach unbestimmter Spur;
Dann: Don Juan komme selbst damit ins Reine,
Er sei von sehr selbstständiger Natur;
Und dann – was auf Erfahrung ja beruht –
Es mache selten guter Rath was gut.

                              67.
Mit dieser Wahrheit gleichsam fein zu spaßen,
Rieth er nun selber seiner lieben Frau,
Die Leutchen nur sich selbst zu überlassen,
Das heißt, so weit der Anstand es verdau',
Die Fehler Don Juan's würden bald erblassen,
Die jungen Herren nähmen's nie genau,
Und Widerstand verschlimmre nur zu leicht –
Hier wurde ihm ein Schreiben überreicht.

                              68.
Und da es kam von dem geheimen Rathe,
So ging Lord Henry nach dem Cabinet,
So nützlich sich zu machen dort dem Staate,
Daß ihn ein Livius gepriesen hätt';
Wenn ich nicht Alles, was er that, verrathe,
Geschieht es nur, weil mir's entgeht complet,
Doch hol' ich es in einem Anhang nach,
Wenn mein Gedicht sein letztes Wörtchen sprach.

                              69.
Doch eh' er ging, ließ er noch Winke fallen,
Und brachte noch ein Paar Gemeinplätz' an,
Wie man sie prägt aus billigen Metallen
Und die man ausgibt, wenn das Gold verthan,
Dann brach er auf des Siegeldrucks Corallen
Und sah hinein, was etwa auf der Bahn;
Dann zog er sich zurück mit einem Kuß,
Wie man die Schwester etwa küssen muß.

                              70.
Er war ein braver Mann, doch kühl von Blute,
Und stolz auf seinen Adel und noch mehr,
Ein Geist, der einem Staatsrath kam zu Gute,
Und wie gemacht, vor einem König her
Mit Stern und Band zu ziehn in stolzem Muthe,
Den Hof zu führen als sein schönster Pair,
Das wahre Muster eines Kammerherrn –
Was er auch wird, führt mich zum Thron mein Stern.

                              71.
Im Ganzen aber wollte etwas fehlen,
Ich weiß nicht was, und wie ich's nenne hier,
Die Frauen heißen's Seel', die lieben Seelen!
Auf keinen Fall war's eine Körperzier,
Denn er war ja den Pappeln gleich und Pfählen,
Ein schöner Mann, ein menschlich Wunderthier;
In jeder Liebes- oder Kriegsaffair'
Blieb er so stramm, als ob er Ladstock wär'.

                              72.
Doch Etwas fehlte, es war wirklich Schade,
Das je ne sais quoi, das, soviel ich weiß,
Vor Zeiten Schuld war an der Iliade,
Indem's die schöne Helena zur Reis'
Von Sparta lockt' nach Ilium's Gestade;
Sie that's auf jenes Paris bös Geheiß,
Der doch viel schlechter war als Menelaus –
Das kommt bei manchem Ehebund heraus!

                              73.
Wer kann des Weibes Wesen ganz durchdringen,
Wenn man nicht selbst ein Weib mit Fleisch und Bein,
Wie einst Tiresias war, in allen Dingen;
Wir wissen nicht, wie es geliebt will sein,
Die Sinnliche kann uns nur kurz bezwingen.
Die Geist'ge rühmt sich, daß sie kalt wie Stein,
Sie beide bilden 'ne Centaurenart,
Mit der man sich am besten gar nicht paart.

                              74.
Sie suchen immer, was das Ding wol wäre,
Das ihrem Herzen ganz und gar genügt.
Wie aber soll man füllen diese Leere?
Da liegt's! Ihr Herz ist schwach; es irrt und trügt,
Ein Schiffer, der da fährt die Kreuz und Quere
Und vor dem Wind her durch die Wogen pflügt,
Und wenn er endlich nun erreicht das Land,
Oft finden muß, daß es ein Felsenstrand.

                              75.
In Shakespeare's holdem, blütenreichen Eden
Lebt eine Blum', »Liebmüßiggang« genannt,
Ich raubt' nicht gern von seinen Blumenbeeten
Und bitt' um Gnade von des Dichters Hand,
Wenn ich in meiner Noth an Reim und Reden
Ein einzig Blatt aus seinem Kranze wand;
Doch rufe ich (obschon die anders blühn)
Mit Rousseau aus: Da ist ja Immergrün!In der Neuen Heloise.

                              76.
Ich hab's, ich hab's! Ich will damit nicht sagen,
Die Liebe sei ein reiner Müßiggang,
Doch Liebe sei von Müßiggang getragen,
Ja davon bin ich überzeugt schon lang.
Durch Arbeit wird die Liebe todt geschlagen
Und in Geschäften fühlt man niemals Drang,
Seitdem Medea auf dem Handelsschiff
Der Argo spann der Liebe feinsten Kniff.

                              77.
»O glücklich der, der von Geschäften ferne!«Beatus ille etc. – Hor. Epod. Od. II.
Sagt Freund Horaz, doch hat der Mann nicht Recht.
Sein andrer Satz: Daß man am Umgang lerne,
Was Einer sei – ist wahrlich nicht so schlecht;
Der Umgang nagt am allerbesten Kerne,
Zumal wenn lang man der Gesellschaft Knecht.
Doch drei Mal glücklich, wer Beschäft'gung hat,
Sei's auf dem Lande, sei es in der Stadt.

                              78.
Adam ging von dem Paradies zum Pfluge,
Eva betrieb ein Feigenblatt-Geschäft,
Der erste Schritt zu einem freiern Zuge,
Nachdem der Apfel sie so schwer geäfft.
Und seit der Zeit weiß jeder halbwegs Kluge,
Daß darum nur der Mann oft stöhnt und kläfft,
Das Weib oft klagt, weil sie sich lange Lust
Durch kurze Müh' zu sichern nicht gewußt.

                              79.
Vornehmes Leben ist oft grause Leere,
Vergnügungsfolter, wo wir oft etwas
Erfinden müssen, daß es uns doch scheere;
Der Dichter singt von der Zufriedenheit zum Spaß,
Zufriedensein ist Sättigung und Schwere,
Draus folgen Leiden ohne Unterlaß:
Schwermuth, Blaustrumpfthum, practischer Roman,
Den harmlos wie ein Tänzchen man fängt an.

                              80.
Auf Wort erklär' ich: solche Erzromane,
Wie ich im Leben schaute, las ich nie;
Gäb' ich sie 'raus aus irgend einem Wahne,
Man hielte sie für eitel Phantasie;
Doch lag das niemals noch in meinem Plane.
Gewisse Wahrheit, das heißt solche, die
Fast Lüge scheint, bleibt besser in dem Schrein,
Ich halte mich an das, was allgemein.

                              81.
»Die Auster kann von Lieb' gepeinigt werden,«
Weil träge sie in ihrer Muschel träumt
Und ihre Seufzer stöhnt im Schooß der Erden,
So wie ein Mönch sich in der Zelle bäumt.
Denn Trägheit macht dem Mönch auch so Beschwerden,
Daß trotz der Frömmigkeit er überschäumt,
Es setzt dies Pflanzenvolk des Vatican
Gar gerne einen reichen Samen an.

                              82.
O Wilberforce, du Held im Reich der Mohren,
Den man im Lied genug nicht rühmen kann,
Du Wilberforce, für Afrika geboren,
Du brachst in Stücke einen Riesenbann;
Doch könntest du gewinnen goldne Sporen,
Nähmst du dich einmal andrer Leute an.
Es glückte dir, die Schwarzen zu befrein,
Nun sei so gut und schließ' die Weißen ein.

                              83.
O sperr' nur ein den Kaiser Alexander,
Die heil'gen Drei schick' nach dem Senegal,
Und laß sie selbst verschachern dort einander,
Damit sie schmecken solcher Knechtschaft Qual.
Sperr' ein mir jeden Heldensalamander,
Der gratis Feuer frißt (der Sold ist schmal),
Verschließ' – den König nicht – den Pavillon,Die kostbaren Bauten Georgs IV.
Sonst kostet es uns wieder 'ne Million.

                              84.
Sperr' ein die Welt und lasse Bedlam springen
Und du wirst staunen, wenn du bald erkannt,
Daß es genau so läuft in allen Dingen,
Wie wenn der Kluge hat die Oberhand.
Beweise könnt' ich reichlich dafür bringen,
Wär' auf der Welt ein Bischen nur Verstand.
Doch bis ein Stützpunkt da, laß ich auf's Haar,
Wie Archimed die Erde wie sie war. –

                              85.
Nur einen Fehler hatte Adeline:
Ihr Herz, dies schöne Wohnhaus, war vacant;
Sie war correct in Führung und in Miene,
Weil nie ein Grund zum Gegentheil sich fand.
Ein schwacher Geist bricht leichter die Maschine,
Als einer, der geschützt durch Eisenband,
Doch wenn der letztre in's Verderben rennt,
So kracht's in ihm, wie wenn ein Erdball brennt.

                              86.
Sie liebte Henry, glaubte ihn zu lieben,
Doch machte ein'ge Müh' die Liebe ihr,
Es galt, den Stein des Sisyphus zu schieben
Und gegen Neigung und Empfindung schier;
Zwar war er nie entgegen ihren Trieben,
Nie gab's ein eh'lich Treffen und Turnier.
Die Ehe war ein Muster an Gehalt,
So ruhig, edel, eh'lich, aber – kalt.

                              87.
Kein großer Unterschied war in den Jahren,
Nur in dem Blut, doch nie gab's einen Stoß,
Sie zogen hin, wie Sterne die sich paaren,
Wie stets die Rhone durch den Leman floß,
Sie mischt sich zwar mit Jenes Wellenschaaren,
Doch bleibt sie Fluß auch in des Seees Schooß;
Durch die krystallne Tiefe strömt ihr Guß,
Die gern in Schlaf ihr Kind gelullt, den Fluß!

                              88.
Nahm sie an Jemand nun ein Interesse
Und mochte sie sich schmeicheln stolz damit,
Daß sich ihr Wille mit dem besten messe,
Lag doch Gefahr in jedem solchen Schritt;
Schwer litt sie unter der Empfindung Presse,
Es riß ihr Herz wie Überschwemmung mit,
Und um so mehr, weil anfangs ihr Gemüth
Nicht gar so rasch bei jedem Eindruck glüht';

                              89.
Doch wenn's geschah, verfiel sie dem Dämone
Der sogenannten doppelten Natur,
Die Festigkeit auf einem Königsthrone
Im Sturme heißt – (doch wenn man glücklich nur)  –
Und Eigensinn bei jedem Erdensohne,
Wenn jener Glücksstern in die Tiefe fuhr;
Dem Sittenlehrer aber wär' es schwer,
Hier zu bestimmen, wo die Grenze wär'.

                              90.
Hätt's Bonaparte bei Waterloo gewonnen,
War's Festigkeit. So hieß es Eigensinn.
Erörtern mögen eure Weisheitssonnen,
Ob stets den Werth entscheidet der Gewinn,
Wo Wahres erst, wo Falsches dann begonnen –
Wenn Menschenwitz zu solchem Werk reicht hin;
Mir hab' ich Adelinen aufgespart,
Die eine Heldin war in ihrer Art.

                              91.
Sie kannt' ihr Herz nicht, wie sollt' ich es kennen?
Ich glaub' nicht, daß sie Don Juan schon geliebt,
Sonst war sie fähig, sich von ihm zu trennen,
Und die Empfindung wäre rasch zerstiebt.
Sie mocht' ihr Fühlen Sympathie nur nennen
(Ich sage nicht, daß es nicht diese gibt),
Weil sie den Fremdling glaubte in Gefahr,
Der ihres Manns, ihr eigner Freund auch war.

                              92.
Sie war ihm Freund, und glaubt' als Freund zu handeln,
Doch ohne jene Freundschaftsthuerei,
Durch welche Frauen oft im Irrthum wandeln,
Die nur in Deutschland sahn, was Freundschaft sei,
Wo sie dies Glück mit reinen Küssen sandeln.
So weit ließ Adelin' sich nicht herbei;
Doch einer Freundschaft wie der Mann zum Mann,
War sie so fähig, als die Frau es kann.

                              93.
Hier wirket das Geschlecht, wie sonst die Bande
Des Bluts mit einer tief geheimen Macht
Und bringt ein schuldlos Uebermaß zu Stande;
Der Einklang wird in zartern Ton gebracht;
Wenn Leidenschaft mit ihrem Feuerbrande
Nun offnen Platz dem wahren Fühlen macht,
Gibt's keinen Freund, so tüchtig wie ein Weib,
Man denkt dann nicht an Liebeszeitvertreib.

                              94.
Die Liebe trägt vom Kopf bis zu den Zehen
Des Wechsels Keim; wie sollt' es anders sein?
Daß heft'ge Dinge wieder schnell vergehen,
Zeigt die Natur in ihrem ganzen Sein.
Wie sollte nun das Heftigste bestehen?
Liebt man am Himmel stets der Blitze Schein?
Wie kann, was zart ist, wie der Liebe Trieb,
Auch stark und zäh' sein, daß es ewig blieb'?

                              95.
Trotz der Erfahrung, hatten wir fast immer
(Ich sage nur, was ich gar oft gehört)
Grund zu beklagen jenen holden Schimmer
Der Leidenschaft, die Salomo bethört.
Ich selber kannte manche Frauenzimmer
(Daß sie vereh'licht, hat sie nicht gestört),
Die wahre Muster waren, und dabei
Unglücklich machten sicher zwei bis drei.

                              96.
Auch kannt' ich Frauen, die mir Freunde waren,
– 'S klingt seltsam, doch ich liefre den Beweis –
Die treu mit mir durch Dick und Dünn gefahren,
Mehr als die Liebe, wenn sie noch so heiß,
Die mich nicht ließen mitten in Gefahren,
Die von mir trieb nicht Kläffen noch Geschmeiß,
Die für mich fochten mit erhabnem Muth,
Trotz dem Geklapper dieser Schlangenbrut.

                              97.
Ob Don Juan und die keusche Adeline
So oder anders freundlich sich genaht,
Darüber zieh' ich vorerst die Gardine;
Ein Vorwand wäre lieb mir in der That,
Um anzuhalten diese Dampfmaschine,
Daß sie den Leser spannte desperat:
Bei Frau'n und Büchern eine sichre Art,
Daß man sich immer das Int'resse wahrt.

                              98.
Ob sie nun ritten, oder Spanisch trieben,
Zu lesen Don Quixot' im Or'ginal, –
Das Lustigste, was je ein Mensch geschrieben;  –
Ob sie sich unterhalten trivial,
Ob ernst, die Frage muß ich noch verschieben,
Erörtern werd' ich sie das nächste Mal.
Dort sage ich wol Ein'ges zu dem End'
Und zeig' dabei mein eigenstes Talent.

                              90.
Vor Allem will ich Alle dringend bitten,
Sich kein Geschicht'chen aus dem Fall zu drehn,
Sie täuschten sich in Adelinen's Sitten,
Auch Don Juan würden sie nicht recht verstehn.
Ich komme nun zu weit aus ernstern Schritten,
Als dieses Epos sie bisher gesehn.
Es steht nicht fest, daß Adeline fällt,
Doch wenn's geschieht, so stürzet beider Welt.

                             100.
Doch große Dinge kommen meist aus kleinen:
Bei mir auch sog einst eine Leidenschaft,
So furchtbar wie sie selten nur erscheinen,
Aus einem solchen Nichts die erste Kraft,
Daß Niemand es für möglich sollte meinen,
(Ich stand damals noch in der Jugend Saft):
Ihr rathet's nie, 's gilt tausend Louisd'ors!
Sie ging – aus einem Billardspiel hervor.

                             101.
Seltsam, doch wahr! Stets seltsam ist das Wahre,
Mehr als die Dichtung. Würd' es ausgeschellt,
Mehr als Romane ging's in's Wunderbare,
In andrem Licht erschien gar mancher Held,
Das Laster schöb' die Tugend vom Altare!
Es käme eine wahrhaft neue Welt,
Wenn ein Columb' im Meere der Moral
Die Seelen-Antipoden fänd einmal.

                             102.
Wie viele Höhlen, wie viel dürre Wüsten
Im Menschenherzen fänd' man in der That!
Wie viele Eisberg' in der Großen Brüsten,
Als Pol die Selbstsucht in dem höchsten Rath,
Wie viele Kerls mit Menschenfraßgelüsten,
Von Denen selbst, die lenken einen Staat!
Ja nennte man die Dinge ohne Schlich,
Selbst Cäsar schämte seines Ruhmes sich.

 


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