Clemens Brentano
Godwi
Clemens Brentano

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I.
An S . . . . y.

                Erhebe dich von dem verschloßnen Munde,
Komm von dem Lager, wo Maria ruht:
Er schläft so heiter, ruhig, still und gut,
So lächelnd sah er der Befreiung Stunde;
Noch streitend fühlt er schon, daß er gesunde,
Frei wird in seiner Brust der höhre Muth,
In Ahndung löst sich die verschwiegne Glut,
Geheilt ist bald des Lebens tiefe Wunde.
Maria schläft: verschlossen ist sein Mund,
Er ist die Antwort schuldig mir geblieben,
Ach, wirst denn du sie meiner Liebe geben?
Ist es denn wahr? kann denn der Mensch nicht lieben?
Ist keine Wahrheit in dem dunklen Leben?
Wird jeder Schmerz im Tode nur gesund?

 
II.
Nachgefühl

von N – M.

      Wenn die Blumen wieder blühen,
Regt es sich im stillen Herzen,
Wenn die Rosen wieder glühen,
Fühl' ich tiefer Ahndung Schmerzen.

Thränen rinnen von den Wangen,
Meine Blicke muß ich senken,
Stiller Sehnsucht zart Verlangen,
Faßt des Freundes Angedenken.

Ach und Niemand kann mir sagen,
Wo der theure Freund geblieben,
Trauer hätt' ich gern getragen,
Gern ein Lied auf ihn geschrieben!

 
III.
Als Stammblatt.

                    Bitter tadelst du den Schöpfer,
Daß er deinen Freund zerstöret,
Und daß er ihn nur deswegen
In des Lebens Mitte führte,
Um dann auf dem letzten Blatte
Der Verwesung ihn zu weihen.
Nicht den Schöpfer, nein das Leben,
Trifft, o Freund, dein bittrer Tadel!
Ach, das Leben ist so kurz,
Ach, so kurz und doch so lang!
Ist es denn auch nicht das längste,
Laß es uns zum dicksten machen!
Sein Gebein stürz' in den Abgrund,
Lebt er doch im Grunde ewig.
Sein Geist, der ewig schaffende,
Lebt tönend fort in dir und mir
Von einer Messe zu der andern
Ertönet sein belebend Werde,
Das ist das Loos des Schönen auf der Erde.

IV.

        Der duftgen Wolken Schleier
Verhüllt der Landschaft Moor,
Um fallendes Gemäuer
Klagt der Sylphiden Chor.

Was hemmt in goldnen Lüften
Der hehren Ahndung Flug,
Was bringt aus dunkeln Grüften
Der stillen Gnomen Zug?

Es ist des Jünglings Leiche,
Sie tragen ihn empor,
Der sich im Geisterreiche
An Laura's Hand verlor.

Erglänzt von Lunas Blicken
Ruht dunkel die Gestalt,
Und durch die Dämmrung zücken
Errinnrungsblizze kalt.

V.

        Genius senke die Fackel, hier ruht der erbleichete Jüngling,
    Ach, der heftige Schmerz schließt uns den klagenden Mund!
Zwischen der Form und der Sache da irren die menschlichen Triebe,
    Und ein ewiger Streit trennet das Ich und das Nichts,
Trennet die Pflicht und die Liebe, trennt das Gesetz und die Freiheit,
    Bindet zu Formen den Thon, trennt dann den Thon und die Form.

 
VI.

        Grausam eröffnet schon der alte Tod
Das tiefe Grab, nimmt edle schöne Knochen
Heraus, um unserm Freunde Platz zu machen.
Maria duldet still die Arzeneien,
Wie grausam ist des Edlen Schicksal!
Der nichts, der ach! nichts nachzutrinken hat!
So duldet er sein Schicksal, bis
Der Athem (wehe, wehe dem Verräther!)
Heimtückisch, wie ein Seufzer, ihn verläßt,
Nun liegt er da, die edle schöne Seele,
Wir beben alle, wir verstummen!

Da erscheinest du, der Leichen Muse,
Entwindest dich des Todtengräbers Armen,
Hüllst den Verstorbenen freundlich
In deinen dichten Schleier,
Und bringst den Schlummernden
Der dunkeln Erde in die Arme –
Da ruht der Jüngling, bis dem Mutterschooße
In neuen Formen die Geburt entsteigt,
Lebend in Blüthen oder Liedern
Den Vater grüßt!

VII.
Von A. W–nn.

        Du hattest schon, o Freund! den Weg gefunden,
Vertrauend bald der heilgen neuen Lehre!
Du hattest schon die heilge drei verbunden,
Bis dir die viere deutlich worden wäre,
Ließ dich der Blick ins Centrum schon gesunden!
Ein tapfrer Krieger für der Gottheit Lehre,
Ein Phönix, wirst du dich der Liebe weihen,
Die junge Brust in ewger Lust erfreuen!

 
VIII.

(Mel. der Vogelfänger u. s. w.)

        Maria liegt nun schlafend da,
    Lustig, mein Mädchen, Hopsasa!
Der Tod ist Schlaf, der Schlaf ist Tod
Zwischen dem Morgen und Abendroth.

Maria liegt nun schlafend da,
    Lustig, mein Mädchen, Hopsasa!
Kann der Begriff die Liebe fassen,
Kann der Kaptain das Fluchen lassen.

Maria liegt nun schlafend da,
    Lustig, mein Mädchen, Hopsasa!
Wär ich schon todt, ich kehrte mich um,
Ohne das Salz ist die Erde dumm!

Maria liegt nun schlafend da,
    Lustig, mein Mädchen, Hopsasa!
Sieht doch der Kaiser den Sonnenbrand!
Kirschen, o Kirschen! lustiger Tand!

Maria liegt nun schlafend da,
    Lustig, mein Mädchen, Hopsasa!
Ackerleute des lustigen Weins,
Liebe! du Tausend und immer Eins!

IX.
Von K. R.

        Heil dir, der du der Dichtung magern Rappen,
Gespornet frisch, wie Ritter Donquixote,
Entrissen kühniglich aus Glück und Nothe
Hast du dich aus dem Streit poetscher Knappen.
Wozu nach Abentheur und Reimen tappen?
Dich traf der Wettlauf mit gar harter Pfote,
Dann kam des Tods entschuldigender Bote
Und nahm dem Leben seine Schellenkappen.
Nun sind zu Ende alle die Geschichten,
Dich hat ein Gott der Littratur entzogen,
Du badest dich allein in blauen Wogen.
Wozu noch länger reimen, dichten, richten,
Du hast verlassen unsre Katakomben
Und freuest dich der Götter Hekatomben.

An Clemens Brentano.

        Dir so theuer wie mir, war diese freundliche Jugend,
    Die sich, in heiliger Glut sterbend, in Liebe gelöst!
Weinend wendest du dich – wir scheiden mit ewigen Thränen,
    Daß diese Liebe verstummt, welche so zart uns vermählt!
Sieh noch einmal zurück auf die schöne heilige Ahndung,
    Ueber der Schlummernden gieb mir zu dem Bunde die Hand.
Ist es uns nicht geworden, zu rächen die Wünsche der Jugend?
    Blieb ein Vermächtniß nicht dir, was sie so glühend erstrebt,
Dir, dem die Götter die reiche Fülle der freundlichen Dichtung,
    Dem sie die Sprache verliehn und ihre bildende Kraft?
Schon ergreifst du die Leier, zu rächen, zu retten die Liebe,
    Und ein neues Geschlecht dankt dir den freien Genuß.
Wie du hinunter jetzt steigst in das Dunkel des irrenden Lebens,
    In die Tiefe der Brust kehrst du begeistert zurück,
Dort die verlorne Jugend umringt von Schatten zu finden,
    Kühn bezwingend den Tod führst du die Dichtung zurück.
Also zum Orkus hinab stieg einst der thrazische Orpheus,
    Suchte, die er geliebt, fand sie dem Tode vertraut,
Aber die göttliche Leier bezwang des Tartarus Mächte,
    Seinem Gesange vermählt kehrt die Geliebte zurück.
Ja, schon lächelt das Licht, doch an der Schwelle des Lebens
    Faßt ihn des Zweifels Gewalt, raubt ihm den schönen Besitz.
Unglückseliger Mann! sie war dem Vertrauen gegeben,
    Was dir der Glaube gewährt, kann es der Zweifelnde sehn?
Doch was fürchtetest du, dir nahe tödtend der Zweifel
    Und dir mislänge dein Werk, kühn zu gestalten den Schmerz?
Dir bewahret die Liebe der Guten das schöne Vertrauen
    Und der kindliche Sinn schützt dir das kindliche Glück.
Heilige Jugend erscheint in deinen fröhlichen Werken
    Uns dann auf ewig erneut, dir dann auf ewig vermählt!

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