Clemens Brentano
Godwi
Clemens Brentano

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Römer an Godwi.

Mein voriger Brief und mein vorletzter scheinen dir wohl nicht recht innig zu seyn. Du wirst glauben, ich sey schon wieder ganz klug geworden, und doch ist es nicht so.

Die sogenannte Türkin ist noch immer der Gedanke, der mich beherrscht, wenn ich Zeit habe, von irgend einem beherrscht zu werden. Aber dies ist hier im Hause schwer, man kann und darf hier fast nichts, als auf seiner Hut seyn, und seinen Kopf auf dem rechten Fleck haben.

So eben bekomme ich einen Brief von deinem Vater. Ich bin meiner sogenannten Geschäftsreise entledigt, und darf noch ein paar Monate ausbleiben und so fröhlich seyn, als mein Aufenthalt mich machen kann.

Du wirst dich aus meinem zweiten Briefe des Fremden erinnern, der zu deinem Vater kam; er versieht alle meine Geschäfte und ist völlig genesen.

Ich schrieb dir, daß er immer in deines Vaters heimlichen Kabinette ist, nun bin ich noch begieriger, was dieß Zimmerchen wohl verbirgt, denn dein Vater schreibt vermuthlich in der Vergessenheit, daß ich nichts davon weiß:

»Ja, es ist mir lieb, einige Zeit mit dem Manne allein zu seyn, der mich durch seine Arbeit in meinem Kabinette so glücklich gemacht; er hat mein Innerstes aufgedeckt, und zarter verhüllt, als ich es je konnte.«

Auch nach dir fragt er:

»Wo ist mein Sohn, wissen Sie von ihm? Ich suche seine Freundschaft, o daß ich –«

Hier brach er ab, Gott weiß, was der Gedankenstrich und das Kabinett verstecken.

Du solltest ihm doch schreiben, er glaubt dich beinahe schon auf dem Kapitol in Rom, und erwartet wohl Antiken von dir, und du sitzest fest für die Ewigkeit auf dem Reinhardstein, und könntest ihm zur Noth einen Eichen- oder Epheukranz schicken.

Dein Vater kennt dich nicht, gar nicht, und wenn du so fort in dir revolutionirst, so wirst du vielleicht um den Zirkel der Bildung herum gereist auf seinem Punkte stehn, wenn er unter der Erde ist.

Höre, da fällt mir etwas ein, womit ich dich ärgern will:

Gestern Abend las man hier im Hause den Brief des einen abwesenden Bruders vor, der dir sehr ähnlich zu seyn scheint, den Brief hättest du auch schreiben können.

Die Frage an den Bruder war: was willst du denn endlich werden?

Die Antwort: »ein Mensch.«

Weiter: »Du bist Extravagant« –

Die Antwort: »O du armer Bruder, du weißt nicht, was du sprichst; einstens wünschtest du, ich möge selbstständig seyn, und da haben wir es, ihr Leute könnt nie etwas ganz seyn, ihr könnt in nichts die Vollendung; da ich nun selbstständig bin, versteht ihr mich nicht mehr, weil ihr mit eurer Selbstständigkeit nicht die Selbstverständigkeit verbindet. – Du hast damals gemeint, ich sollte Standselbstig seyn, und auch das bin ich so, wie ich bin, denn ich bin mein Stand selbst, weil das Ich selbst allein mein Stand ist, und ich nicht im Stande bin, in irgend einem andern Stande zu seyn. Ihr aber seyd nicht in eurem Stande, noch auf eurem Standpunkte, sondern euer Stand ist in euch, und euer Standpunkt auf euch, so daß ihr übel steht, und euer Stand gut, denn er läßt euch keinen Platz in Herz und Kopf, und hat euch unter den Füßen. Was die Extravaganz angeht, hast du dich auch verschrieben, – o wäre ich ein wenig Extravagant, so wäre ich nicht allein Intravagant, so ging ich nicht in mir selbst herum, und räumte ängstlich auf. Ihr seyd Extravagant, denn ihr seyd aus euch heraus, in die Kaufmannschaft geschweift, und eure Seelen klettern wie Affen auf Kaffeebäumen herum.« etc.

Nun, bist du böse? Nicht wahr, der Mensch hat Recht? –

Lebe wohl, ich muß ins Bureau d'Esprit der Mademoisell Buttlar. Je was ist das für ein Bureau? Nicht viel Kluges, mehr Witziges, keine zwei jungen Pappeln, keine Tilie. Nächstens lernst du die Menschen kennen.

Römer.


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