Clemens Brentano
Godwi
Clemens Brentano

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Ein und zwanzigstes Kapitel.

Georg, der stille Diener, brachte mir die Laute, er hatte sie selbst aus dem Jagdhause geholt, wo sie, wie er sagte, noch von Cordelien her in einem Winkel gestanden habe.

Es war ein schönes großes Instrument, und die gothischen Schnirkel, welche die Resonanzöffnung verschlossen, waren fein mit Gold und Elfenbein durchzogen. Eine recht freundliche Idee war, daß durch dieses Gitter alle Töne in Gestalt kleiner Engelsköpfe heraussahen, als seyen sie, wie himmlische Kinder hinein gebannt, und sängen liebliche Lieder durch das Gitter; sie öffneten nach der Reihe die Lippen recht kräftig und immer feiner, wie auch ihre Gesichter die Höhe und Tiefe des Tons durch das Alter ausdrückten. Der Steg stellte eine Aeolsharfe vor, hinter der eine lauschende Jungfrau auf den Arm gestützt in schlafender Stellung lag.

Ich brachte die Saiten mit Vergnügen in Ordnung, und ergötzte mich an dem ruhigen vollen Tone des Instruments. Ich war mit ihm in den Garten gegangen, denn meine ersten Accorde opferte ich wie eine Libation eurem Angedenken, schwesterliche Seelen! Ich hatte lange nicht gespielt, und es war mir, als erwache ein entschlummertes Götterbild in mir, und breite mit Wollust die Arme wieder wirkend und schaffend aus. Es war schon dunkel, und die Töne schienen die Dämmerung zu heben. Ich sang das herrliche katholische Mutter-Gottes-Lied.

Ave maris stella etc.
Meerstern ich dich grüße u. s. w.

Dann ging ich zurück, und wir schickten uns nach Tische an, Habern seine Buße bestehen zu lassen. Die Sache ward recht lustig, er kam oben ans Fenster in ein Betttuch gewickelt, als jage ich ihn aus dem Schlafe, und wir sangen wechselweise zur Laute folgendes scherzhafte italienische Lied, wie ich es in der Eile im Deutschen nachgeahmt hatte.

Giacinto.
            Dorme la bella Amor deh tu con l'ali
    Rinfresca tal'hor l'aria, e fagli vento
    Accioche dell' estate alcun tormento
    Non risenta la Dea, ch'è tra mortali.
2.
Se i miseri occhi miei posar, non ponno,
    Godi la quiete tua, la quiete mia,
    E quello ch'io perdei placido sonno
    Se venga adormentar l'anima mia.
3.
Se ben che tu mi dai cattivi giorni,
    Ecco ti vengo a dar la buona notte
    Lontananza, ne tempo far non puote,
    Ch'al lume qual farfalla lo non ritorni.
Laura 4.
Chi è colui, che dormire non potendo
    Sen vien a perturbar i sonni altrui,
    Che dica quanto volei, io non l'intendo
    Son qual' Aspide sorda a canti suoi.
Giacinto 5.
Canto mia bella, mà ne piange il core,
    Io canto come il Cigno in sul morire,
    Se ben vorrei tacer conuengo dire,
    E ridir ciò, che và dettand' Amore.
Laura 6.
Non intendo Signor vostre ragioni.
    Che siete, che volete, e cosa sate
    Andate altroue sempelicetto, andate,
    Che voglion' esser altro, che canzoni.
Giacinto 7.
Mendico io son hor eccomi alla porta,
    Che chieggio in elemosina del pane.
    Deh non mi fate andar d'oggi in dimane,
    Doppia è la gratia al fin qua˜d'ella è corta.
Laura 8.
Al chieder vostro io sarò sempre muta,
    Qui non s'apre la porta, a chi non porta,
    Presso di noi la Caritade è morta,
    Chi non conta non hà la ricevuta.
Giacinto 9.
Prendetemi Signora per soldato,
    Sarò vostro guerriere senza paga
    Di già assueffatto all' amorosa piaga
    Non temerò d'esser per voi piagato.
Laura 10.
Noi non stimiamo l'amoroso drudo
    Non habbiamo questione, e non ci aggrada
    Quell' Amante, che sà portar la spada,
    Quando non sappia maneggiar lo scudo.
Giacinto 11.
Soldato no, dunque Poeta almeno
    Che v'immortalerà ne propri versi.
    Famosa vi farò trà Sciti, e Persi
    Loderò il crine, gl'occhl, il volto, il seno.
Laura 12.
Poesia, e pouertà van di concerto,
    Che val' il saper far un buon Sonetto
    E non haver per far un sonno in letto,
    Far sempre stanze, en non haver coperto.
Glacinto 13.
Vado cercando, come Pellegrino
    Il più bello del Mondo in ogni parte,
    Mà amico il Cielo à voi sola comparte,
    Il Terrestre non solo, ma il diuino.
Laura 14.
Alloggiar Pellegrini già mai si suole
    Quando che non venisse di Ungaria.
    Solo all' unghero apperta, è qui la via.
    E molto più s'è armato di pistole.
Giacinto 15.
Signora son Barone, e sono Conte
    Nacqui di duca, e son d'altro Lignaggio,
    Sudditi hò molti, che mi fanno omaggio.
    Della gran nobiltà nasco dal fonte.
Laura 16.
Non si fà quì gran stima d'antenati,
    E non vale essere Conte à chi no˜ conta
    Ogni lignaggio al sin passa, e tramonta.
    E tutti Ducchi son quei, che ha˜ ducati.
Giacinto 17.
Non sprezzate, vi prego, Amante fido,
    Ch'adorerà in perpetuo il vostro nume,
    Che seguirà qual Talpa il vostro lume,
    Deh non siate rebelle di Cupido.
Laura 18.
Seguir nudo fanciul, dite, che vale,
    Hor che i vestiti son tutti alla moda
    Se vol siete fedel, e senza froda
    Per vol solo, è fedel quel ch'è reale.
Giacinto 19.
Dunque sprezzate Amor perfida, e ria
    Donna vorace più che nero Corvo.
Laura.
Non ch'anzi per il Cieco con voi stia
    Cerchia˜ di quei ehe fanno ca˜tar l' orbo.

 

Hiacinth.
                Liebchen schläft, mit deinen Flügeln fächle
    Amor, daß des Sommers heiße Schwüle
    Um des Mädchens Lager bald sich kühle
    Und sie in dem Schlafe freundlich lächle.

Kann nimmer ich die armen Augen schließen,
    Ist meine Ruhe nur allein die ihre,
    So möge, was ich hier am Schlaf verliere,
    Wie Ruhe mir ins kranke Herze fließen.

Giebst du mir gleich nur immer böse Tage,
    So sieh mich hier, dir gute Nacht zu geben,
    Nicht Zeit, nicht Ferne lindert mir die Plage,
    Ein Schmetterling ein Lämpchen zu umschweben.

Laura.
Wer ist es, der nicht schlafen kann, und andre
    So frevlend in dem süßen Schlafe stöhret,
    Ein Felsen bin ich, der sein Lied nicht höret;
    Er sing', doch packe er sich bald und wandte.
Hiacinth.
Die Lippe voll Gesang, das Herz voll Zähren
    Sing' ich, ein Schwan in seines Todes Ringen
    Und schwieg ich gern, so würde ohne Singen,
    Und Wiedersingen Liebe mich verzehren.
Laura.
In Eurer Schlüsse Wahrheit einzudringen
    Hab ich nicht Zeit; was seyd Ihr, wollt Ihr, macht Ihr?
    Geht Simpelchen, steht nicht die ganze Nacht hier;
    Die Dinger, die ich brauch, kann man nicht singen.
Hiacinth.
Ein Bettler bittet hier vor Eurer Thüre,
    Gebt Liebe ihm, und fristet Euch ein Leben:
    O daß er gleich, o daß er bald Euch rühre!
    Denn gleich gegeben heißt ja doppelt geben.
Laura.
Wer mir nichts bringt, hat nichts von mir zu hoffen,
    Dem Mitleid hab' ich längst den Hals gebrochen,
    Und ohne Klingen hilft euch hier kein Pochen,
    Nur offnen Händen steht die Thüre offen.
Hiacinth.
Nehmt mich zum Krieger an, hört auf zu höhnen,
    Will streiten für, und mit Euch aller Stunden,
    Denn abgehärtet fürcht' ich keine Wunden,
    Die Löhnung sey mir nur, Euch anzulehnen.
Laura.
Bey mir war offner Krieg stets schlecht empfohlen,
    Auch führ ich keinen Krieg, wo ich was kriege;
    Und weil ich meist dem Degen unterliege,
    So ehr' ich das Duell nur auf Pistolen.
Hiacinth.
Zum Streiter nicht? So nehmet mich zum Dichter!
    Bin Dichter ich dem Busen, sing' in Versen
    Ein Lied ich Euch bey Scythen und bey Persen
    Zum Lob' des Haares und der Augenlichter.
Laura.
Mit Poesie geht Armuth nur gesell't,
    Macht Ihr Sonnette, macht sie noch so nette,
    Ihr bleibt ein armer Sohn und so ohn' Bette:
    Gebt Geld statt Versen oder Fersengeld.
Hiacinth.
Ein Pilger bin ich, suche aller Orten,
    Das Göttliche im Irdischen zu finden,
    Doch ist umsonst, denn Euch ist nur geworden,
    Das Göttliche im Ird'schen zu entbinden.
Laura.
Gott helf Euch! geht, ich bitte, geht von hinnen,
    Denn wißt, allhier beherbergt man nur ungern,
    Nur Kremnitzer, was sonst woher, muß hungern,
    Auch für Zechienen ist die Zeche innen.
Hiacinth.
Ein Graf bin ich, ein Duc, bin mit Souvrainen
    Verwandt, und habe mehr als sechzehn Ahnen,
    Auch fröhnen mir gar viele Unterthanen,
    Und Euer Unterthan, laßt mich Euch fröhnen.
Laura.
Ein Duka ist mir lieb, doch mit Dukaten,
    Souvrainen pflege ich für Severinen,
    Baronen ohne Baares nie zu dienen,
    Und kann mit Ahnen keine Hahnen braten.
Hiacinth.
Verachtet nicht die Liebe des Getreuen,
    Vor Eurem Sterne will er ewig knien,
    Nach Eurem Lichte wie ein Maulwurf ziehen;
    O suchet nicht Cupiden zu verscheuen.
Laura.
Auch Ihr seyd nackt, drum bleibt nur sein Geselle,
    Ich brauche Kleider und des wackren Glauben
    An Eure Treu' will ich Euch nicht berauben,
    Doch nur Reale sind bey mir reelle.
Hiacinth.
Mit Spotten siehst du, wie ich hier vergehe,
    Du Weib, goldgierig, fleischfressend wie Raben.
Laura.
Von ihm ist Nichts, er nur zum Narr'n zu haben,
    Ich stand sein Narre hier, er steh, ich gehe.

Haber zankte noch ein wenig in Prosa über Husten und Schnupfen; ich aber ging ins Haus, das Bild Annonciatens und Mariens in zwei Sonnetten aufzuschreiben.

Mich reute der Scherz mit Habern, denn die stillen Sitten der Mennoniten schienen das muthwillige Lied nicht zu vertragen, und der alte Anton rief während dem Gesange die jungen Burschen und Mädchen weg, welche zuhörten. Die Unschuld ist sich selbst die größte Freiheit und andern Beschränkung.

 
Annonciatens Bild.

          Am Hügel sitzt sie, wo von kühlen Reben
    Ein Dach sich wölbt durchrankt von bunter Wicke,
    Im Abendhimmel ruhen ihre Blicke,
    Wo goldne Pfeile durch die Dämmrung schweben.

Orangen sind ihr in den Schooß gegeben
    Zu zeigen, wie die Glut sie nur entzücke,
    Und länger weilt die Sonne, sieht zurücke
    Zum stillen Kinde in das dunkle Leben.

Der freien Stirne schwarze Locken kränzet
    Ihr goldner Pomeranzen süße Blüthe,
    Zur Seite sitzt ein Pfau, der in den Strahlen

Der Sonne, der er sehnend ruft, erglänzet.
    Mit solchen Farben wollte das Gemüthe,
    Von Annonciata fromm ein Künstler mahlen.

Mariens Bild.

    Im kleinen Stübchen, das von ihrer Seele,
    An reiner Zierde uns ein Abbild schenket,
    Sitzt sie und stickt, den holden Blick gesenket,
    Daß sich ins reine Werk kein Fehler stehle.

Was ihres Busens keuscher Flor verhehle
    Und ihre Hand in stillem Fleiße lenket,
    Die Lilie an ihrer Seite denket,
    Das Täubchen dir in ihrem Schooß erzähle.

Durch's Fenster sehen linde Sonnenstrahlen,
    Die Josephs Bild, das eine Wand bedecket,
    Mit ihrem frohen Glanze heller mahlen,

Und wär der Schein der Taube zu vereinen,
    Die sie herabgebückt im Schooß verstecket,
    Marie würde Mutter Gottes scheinen.

Ich ging früh nach der Eremitage an meine Arbeit, und als ich zum Fenster hinaus blickte, und die Fische in dem hellen Teiche munter hin und wieder spielen sah zu den Füßen des Marmorbildes, wünschte ich recht herzlich, auch nicht mehr von ihm zu wissen, als so ein Hecht oder Karpfe, denn eine Geschichte aus bloßem Respect gegen den Leser zu schreiben, ist unangenehm; überhaupt bin ich ein großer Feind von Arbeiten, wenn die anderen Geschöpfe alle zum frohen Müßiggange aufstehen. Die Vögel sangen, die Bäume säuselten, die Fische plätscherten im Wasser, und ich mußte schreiben.


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