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Katharina die Zweite

I

Bereits einige Jahre hindurch hatte man russischerseits Annäherungsversuche an Voltaire gemacht. Wir haben gesehen, daß er lange Zeit von der Persönlichkeit Peters des Großen erfüllt war, und wie die Arbeit, die er dessen reformatorischem Lebenswerk widmete, bei Friedrich eine tiefe Mißstimmung erregte, da dieser der Ansicht war, Preußen hätte eher Anspruch darauf, daß die Gründung seiner Größe von der Feder verewigt würde, die damals einem Reiche Teilnahme und Ruf schenkte oder vorenthielt.

Peters des Großen Tochter Elisabeth, geboren, ehe Peter und Katharina die Ehe eingegangen waren, war eine schwache Frau, die volle drei Male sich beim Thronwechsel hatte übergehen lassen, war doch schließlich 1741 durch eine Verschwörung und eine Palastrevolution von den Truppen zur Kaiserin ausgerufen worden. Sie war vergnügungssüchtig und grob erotisch, jedoch nicht ohne Sinn für Geist und Witz und näherte sich deshalb Voltaire. Sie sandte ihm ihr Porträt in einer Einfassung von großen Diamanten. Das ganze Rußland liegt in dem Umstand, daß die wertvolle Gabe natürlich unterwegs verschwand. (Vergl. Voltaires Brief an Madame Florian vom 1. Februar 1761.) Er tröstete sich damit, daß er nun wenigstens eine Gesinnungsgenossin in einer Kaiserin habe, die 2000 Meilen fort von ihm wohnte. Das entschädigte ihn für das »Geschrei der Straßenjungen«. Und er empfand es deshalb als einen schmerzlichen Verlust, als Elisabeth 1762 starb. Er schreibt über seinen Schmerz durch den Todesfall sowohl an seine Nichte wie an den Kardinal Bernis.

In Wirklichkeit erlitt er keinerlei Verlust, da dieser Todesfall der Anlaß wurde, daß den russischen Thron kurze Zeit danach eine Frau bestieg, die ihm gegenüber eine so unbedingte Hingabe empfand, wie vor sechsundzwanzig Jahren der Große Friedrich. Die herzliche Zuneigung Katharinas der Zweiten erquickte Voltaires Alter, wie Friedrichs Freundschaft eine Befriedigung seiner Mannesjahre gewesen war.

Zum zweiten Male im Leben Voltaires ereignet es sich nun, daß ein Souverän, der nicht nur ein Genie, sondern ein starkes und reformatorisches Genie ist, sich zu ihm in ein Lehrlingsverhältnis stellt und alles tut, um ihn die Dankbarkeit fühlen zu lassen, auf die er sich durch seine Arbeit Anspruch erworben hatte.

Es bestehen gewisse Parallelen zwischen Friedrich und Katharina. Beide waren von deutscher Geburt und hatten die deutsche Achtung vor der Geistesüberlegenheit im Blute, ebenso deutsches Verständnis für Kenntnisse und geistige Werte. Die Geistesrichtung und die Kultur beider war ohne jedes Verhältnis zum Deutschtum; beide sprachen und schrieben vollendet Französisch. Katharina die Zweite schrieb sogar nur auf Französisch ihre Memoiren (heimlich) nieder, die erst von Alexander Herzen 1859 in London herausgegeben wurden. Beide waren Voltairianer bis in die Fingerspitzen, aber trotz aller Liebe für die französische Zivilisation sah keiner von ihnen jemals Paris oder Frankreich.

Beide versuchten zuerst, sich bei dem bewunderten und fernen Meister durch Übersendung von Gaben beliebt zu machen. Voltaire ging in der Winterkälte in Ferney gern in einem kostbaren Pelz, den Katharina ihm geschenkt hatte. Sie hatte von Anfang an in Voltaires Schriften Bildung und Belehrung gesucht, wonach ihre Seele durstete, und sie hatte ihn beinahe siebzehn Jahre lang gelesen, ehe sie eine persönliche Annäherung versuchte. Daß sie diese erstrebte, hatte gewiß einen Hauptgrund darin, daß sie wußte, wie ungünstig die Revolution, der sie ihre Alleinherrschaft verdankte, an vielen Höfen und in vielen Ländern beurteilt wurde, und daß sie nur ungern die öffentliche Meinung gegen sich haben wollte, die Schlacht aber für gewonnen ansah, wenn sie den Mann für sich einnehmen konnte, der in Europa der Fürsprecher vor irgendeinem anderen war; den Mann, der in allen Ländern das Ohr der Gebildeten für sich hatte und der nicht nur der Verteidiger der Unschuld sein konnte, sondern durch seinen überlegenen Verstand einsehen mußte, daß auch das, was sich in den Augen der Massen als Schuld ausnimmt, Ausdruck eines höheren Rechts sein kann, und der deshalb dieses höhere Recht anerkennen und gegen Angriffe behaupten würde. Doch nicht nur diese Rücksicht auf das Nützliche, sondern auch etwas weit Feineres und Zarteres zog Katharina zu Voltaire. Sie besaß alle Grundeigenschaften des unbezweifelbaren Genies: das Streben zu herrschen, den Drang zu organisieren, zu erheben, aufzuklären, zu verbessern, damit verbunden auch ein starkes Triebleben, eine unmittelbare und heftige Sinnlichkeit, die – was bezeichnend genug ist – in kleinen lutherischen Kreisen in der Regel das einzige ist, was man ihr nachgeredet hat. Daß eine Frau Liebhaber hat, das kann der Pöbel verstehen und herzlich darüber herziehen; schwieriger ist es immer, die Genialität zu begreifen und zu würdigen.

Nun war es bei Katharina so, daß sie zur selben Zeit, als sie sich mit starker Erotik, späterhin mit flüchtiger Sinnlichkeit zu manch einem schönen und kühnen Mann ihrer Umgebung hingezogen fühlte, in ihrem Innersten eine rein geistige Leidenschaft hegte, eine Mischung von Bewunderung, Dankbarkeit und Zugehörigkeitsgefühl einem Manne gegenüber, den sie niemals gesehen und niemals zu sehen bekam, einem Mann, der von ihr durch einen großen Abstand an Jahren und Raum getrennt war, der ihrem Geiste aber als Lehrer und Vorbild stets nahe war als das ferne Ideal des Geistes und Witzes, der Klugheit und der Menschlichkeit – Voltaire.

Im Oktober 1763 schrieb sie ihm in dem ersten ihrer Briefe, der uns erhalten ist (als Antwort auf einen Brief von ihm an Pictet):

Heute beklage ich es zum erstenmal, daß ich keine Verse schreibe; ich kann deshalb die Ihren nur in Prosa beantworten; aber ich kann Ihnen versichern, daß ich von 1746 an, als ich die Verfügung über meine Zeit erlangte, Ihnen gegenüber die stärksten Verpflichtungen habe. Vor dieser Zeit las ich nur Romane; aber zufällig fielen mir Ihre Werke in die Hand; und seit damals habe ich nicht aufgehört, sie zu lesen, und habe nichts von Büchern wissen wollen, die nicht so gut geschrieben waren, und aus denen man nicht einen eben solchen Nutzen zog. Wo aber soll man die finden? Ich kehrte also zu dem Manne zurück, der die erste Triebkraft meines Geistes gewesen war und der mir meinen teuersten Genuß geschenkt hat. Sicher ist auf jeden Fall, mein Herr, daß ich es diesem Manne allein schulde, falls ich Kenntnisse besitze. Da er sich aber aus Respekt selbst verbietet, mir zu sagen, daß er mein Bild küßt, muß ich ihn aus Schicklichkeit über meine Begeisterung für seine Werke im Ungewissen lassen.

Aus dem Briefe Voltaires an Pictet vom September 1765:
Ihre Frau Mutter wird Ihnen Neuigkeiten aus Genf schicken. Ich bin für meinen Teil so erfüllt von Achtung für Ihre erhabene Kaiserin, daß ich darüber sogar Ihre große Republik vergesse. Ich habe ihr Bild geküßt. Aber verschweigen Sie das vor ihr! Das geht wider die Achtung.
Ich lese augenblicklich sein Essay über die Weltgeschichte; ich möchte gern jede Seite davon auswendig lernen, während ich auf das Buch über die Werke des großen Corneille warte, wofür, wie ich hoffe, ein Wechsel geschickt worden ist. Catharina.

II

In der Einleitung zu ihren Memoiren sagt Katharina: Das Schicksal ist nicht so blind, wie man glaubt … Es ist das Resultat von Eigenschaften, von dem Charakter, dem persönlichen Verhalten. Um mich deutlicher auszudrücken, stelle ich folgende Schlüsse auf:

Eigenschaften und Charaktere sind der Hauptsatz.
Das Verhalten ist der Nebensatz,
Glück oder Unheil ist die Folgerung,
Und hierfür zwei treffende Beispiele:
Peter III. – Katharina II.

Peter der Dritte Fjodorowitsch, der ursprünglich als Herzog von Holstein-Gottorp Karl Peter Ulrich hieß, ein Enkel Peters des Großen, war 1728 in Kiel geboren und wurde, als der Mannesstamm der Romanows ausgestorben war, von der Kaiserin Elisabeth nach Rußland gerufen und am 18. November 1742 zum Großfürsten und Thronfolger ernannt. Er war widerstrebend zur griechischen Kirche übergetreten, fühlte sich aber stets als Lutheraner. Fast gleichzeitig (am 4. November 1742) hatten die schwedischen Stände ihn zum König gewählt, doch hatte er die Wahl nicht angenommen. Am 1. September 1745 wurde er mit der Prinzessin Sophie Auguste von Anhalt-Zerbst vermählt.

Dieser Peter war in allem und jedem ein Tier, seit seinem zehnten Jahre ein Trinker, und dazu ein wahnsinniges und gefährliches Tier. Da er ganz und gar ohne Erziehung war, hat man sich eingebildet, daß der Groß-Marschall Brummer, ein gebürtiger Schwede, weil der Prinz nicht für den schwedischen, sondern für den russischen Thron bestimmt war, mit Absicht seine Seele und sein Gemüt verdorben hatte. Der Marschall war an dessen Lastern höchst unschuldig. Nur mit äußerster Mühe konnte er bei Tisch den Jungen daran hindern, sich stets zu betrinken.

Peter hielt in seinem Innersten viel mehr von seinem kleinen holsteinischen Herzogtum als von dem großen russischen Kaiserreich, hegte deshalb einen wahren Haß gegen Dänemark und rüstete sich frühzeitig zum Krieg gegen Dänemark, um die Forderung des Hauses Holstein-Gottorp auf Schleswig durchzudrücken; ja, er dachte daran, gerade aus diesem Anlaß sich an die Spitze seines Heeres zu stellen, als ihm eine Verschwörung in Petersburg die Macht entriß.

Katharina, die ursprünglich Sophie Auguste hieß, war im Mai 1729 in Stettin als Tochter des Fürsten Christian August von Anhalt-Zerbst geboren, der in seiner Eigenschaft als Preußischer General Gouverneur für Stettin war. Auf Empfehlung Friedrichs des Großen wurde sie von Elisabeth zur Gemahlin ihres Nachfolgers ausersehen.

Als sie im Februar 1744 mit ihrer Mutter nach Moskau kam, wo sich der Hof aufhielt, fand sie in ihrem Verlobten trotz seiner sechzehn Jahre einen in hohem Grade kindischen Jungen vor. Er beschäftigte sich in seinen Räumen nur damit, seine beiden Lakaien vor sich exerzieren zu lassen. Er erteilte ihnen Chargen, beförderte und degradierte nach Lust und Laune.

Sobald die vierzehnjährige Katharina angekommen war, ließ sie sich in der griechischen Religion unterweisen und nahm russische Stunden, da sie wohl begriff, daß es darauf ankam, dem russischen Volk das Gefühl zu geben, daß sie mit Herz und Seele in Sprache und Gefühl durchaus russisch war. Seit sie denken konnte, war sie fest entschlossen, die Regentin dieses Volkes zu werden, und sie wollte, ohne zu schwanken, den Preis dafür zahlen. Sie lernte mit einem solchen Eifer Russisch, daß sie, so oft sie nachts nicht schlafen konnte, sich im Bett aufrecht hinsetzte und die Hefte auswendig lernte, die ihr Lehrer ihr zum Selbstunterricht überlassen hatte. Kaum war sie aufgewacht, dann saß sie wieder früh am Morgen in Nachtkleid und Morgenschuhen und las Russisch, zog sich dadurch jedoch eine Lungenflügelentzündung zu, der sie fast erlegen wäre.

Sie, die es verstand zu schweigen und sich niemals zu verraten, hörte mit Erstaunen, wie ihr Verlobter Kraut und Rüben gedankenlos durcheinanderredete ohne eine Spur vernünftiger Zurückhaltung. Er teilte ihr mit, daß ihm an ihr am besten gefiel, daß sie seine Kusine war, denn da sie verwandt miteinander waren, durfte er sich ihr anvertrauen: er war verliebt in eine der Damen der Königin, die den Hof hatte verlassen müssen, weil ihre Mutter nach Sibirien verbannt worden war. Er würde sich am allerliebsten mit diesem jungen Mädchen verheiraten, hatte aber nun dadurch seinen Verzicht bewiesen, daß er Katharina heiraten wollte.

Bei ihrer überlegenen Klugheit und ihrer von Jugend an sicheren und selbstbeherrschten Haltung brauchte sie nur einen einzigen derartigen Ausspruch zu hören, um Verstand und Wert ihres Verlobten zu beurteilen. Aber es blieb nicht bei einem Ausspruch. Dieser kindische und ungeschlachte Sechzehnjährige weihte Jahre hindurch das junge Mädchen (später das stolze Weib, das dem Namen nach seine Frau wurde, das er aber kaum berühren wollte) in alle die dummen und lächerlichen Abenteuer ein, in die er sich mit Frauen einließ, die oft so häßlich und gewöhnlich waren, daß sich kein anderer etwas aus ihnen machte, und die außerdem noch aller Welt erzählten, daß er ihnen zuwider war, und daß sie ihn verachteten, was übrigens auch alle die schönen und etwas besseren Frauen taten, mit denen er sich als Thronfolger und als Zar einließ.

Katharina hatte zahlreiche Schwierigkeiten zu überwinden. Ihre Mutter, die ihr gefolgt war, machte eine Dummheit nach der anderen und war ständig um ein Haar daran, die Kaiserin gegen die Gemahlin des Thronfolgers aufzubringen, während diese vom ersten Tage an doch verstand, daß, wenn es jemand gab, den sie gewinnen mußte, um nicht wieder nach Stettin oder Anhalt zurückgeschickt zu werden, so war es die Kaiserin, die gerade zwanzig Jahre älter als sie war, und die mit einer Unterwürfigkeit und einer Vorsicht behandelt werden mußte, die jeden Gedanken an Rivalität ausschlossen. Außerdem begriff sie, daß sie auch gegen alle andern am Hofe aufmerksam und äußerst höflich sein mußte.

Da sie einen unverwüstlichen Humor besaß, gewann sie mehr und mehr Herzen.

III

Die erste Grundlage zu ihrer literarischen Erziehung wurde von einem schwedischen Edelmann, dem Grafen Gyllembourg, gelegt. Er gab ihr Plutarch, Cicero, Montesquieu zu lesen, versuchte aber besonders durch seine Überlegenheit als älterer Mann über das junge Mädchen ihr Gemütsstärke und Charakterfestigkeit mitzuteilen. Sie gelobte sich selbst, seinem Wink zu folgen. Ihr Verlobter hatte ihr damals gerade gesagt, daß die Entfernung zwischen seinem und ihrem Schloß zu groß war, als daß er sie öfter als nur gelegentlich einmal besuchen könne; sie war zu stolz, sich bei ihm oder einem anderen darüber zu beklagen.

Sie wurde mit Peter im Jahre 1745 vermählt und war nun Großfürstin. Die kompromittierende Mutter reiste nach Hause; der gute Vater starb, und als sie heftig und lange über ihn weinte, schickte ihr die Kaiserin den Befehl, damit aufzuhören. Es läge kein Grund vor, so stark um den Verlust eines Vaters zu trauern, der nicht einmal König gewesen war.

Katharinas Äußeres war entzückend. Sie war dunkel, mit blauen Augen, schön wie ein Sonnentag. Viele Männer erwiesen ihr ritterliche Huldigungen. Sobald es schien, als wäre sie im geringsten von einem jungen Kavalier eingenommen, sandte man den Bischof Theodorski aus, um sie zu verhören, und andere, um sie auszuspionieren. Aber es war nichts zu entdecken; sie war zu klug, um sich jetzt eine Blöße zu geben. Ihre ganze Leidenschaft war noch intellektuell. Sie las ernste Bücher, Bayles Dictionnaire, Montesquieus L'Esprit des Lois, besonders die Annalen des Tacitus, die einen ungeheuren Eindruck auf sie machten, sie äußerst schwarz auf alles früher Geschehene blicken ließen, und sie lehrten, die Gründe des Geschehenen zu erforschen. Doch vor allem las sie Voltaire, und was sie sonst las, sah sie mit seinen Augen an.

Inzwischen spielte der Großfürst mit seinen Lakaien, exerzierte mit ihnen, wechselte zwanzigmal am Tage die Uniform, dressierte in seinem Vorzimmer eine mächtige Hundekoppel, schickte seinen Geliebten Grenadierschmuck als Geschenk: Bärenfellmützen und Schulterschärpen.

Katharinas Schönheit kam besonders zu ihrem Recht, wenn sie zu Pferde saß oder auf einem Ball war. Sie war die vorzüglichste Reiterin (stets im Herrensattel) und die ausdauerndste Balldame. Und doch wollte sie nicht glänzen. Sie kleidete sich so schlicht und wenig ins Auge fallend wie möglich, um der Kaiserin nicht zu mißfallen. Elisabeth hatte die schönsten Beine, war stolz darauf, und da sie sie gern zeigen wollte, ordnete sie mit Vorliebe Maskenbälle an, auf denen die Männer als Frauen gingen und die Frauen Männerkleider trugen. Katharina sagt in ihren Memoiren:

Sie glänzte in Manneskleidern. Man konnte den Blick nicht von ihr losreißen. Eines Abends sah ich sie ein Menuett tanzen. Als es zu Ende war, kam sie zu mir. Ich nahm mir die Freiheit, ihr zu sagen, daß es ein wahres Glück für die Frauen sei, daß sie kein Mann wäre und daß allein ihr Porträt viele Frauen dazu bringen könnte, den Kopf zu verlieren. Sie nahm, was ich sagte, gut auf und antwortete mir im selben Ton so gnädig wie möglich, daß sie, falls ich Mann wäre, mir den Apfel reichen würde. Ich beugte mich nieder, um ihr die Hand für eine so unerwartete Artigkeit zu küssen. Darauf küßte sie mich, und die ganze Gesellschaft versuchte, herauszufinden, was zwischen uns vorgegangen war.

Man erinnert sich bei dieser Szene, daß der bekannte Chevalier d'Eon de Beaumont als Weib gekleidet Lectrice bei Elisabeth war.

Die kluge Katharina vernichtete durch ihr Verhalten manches Vorurteil, das Elisabeth gegen sie hatte, und man fühlt, daß sie Elisabeth ganz durchschaut habe, in die geheimnisvollen Neigungen ihres Sinnenlebens eingedrungen ist, wenn sie an einer anderen Stelle erzählt, daß sie zwar weiterhin auf Bällen so einfach wie möglich gekleidet war, nun aber auf Maskeraden stets die hübschesten Männerkostüme trug, die mit ausgesuchtem Geschmack schön genäht, gestickt und an allen Rändern besetzt waren. »Das gefiel der Kaiserin. Ich weiß nicht recht, weshalb.« Der letzte Satz streift nur, verweilt nicht (glissez, n'appuiez pas!).

In den nicht weniger als siebzehn Jahren, die Katharina Großfürstin war, hat ihr Verhältnis zu ihrem Manne zwei Abschnitte. Im ersten nahm er sie zur Vertrauten und fragte sie um Rat, besonders in allem Politischen; im zweiten wurde er immer drohender und feindlicher. Nur in einem Punkt blieb er stets derselbe, in seinen Verrücktheiten.

Er hielt, wie gesagt, noch im Alter von einundzwanzig Jahren in seinen Gemächern eine Hundekoppel, die er dauernd dressierte. Katharina erzählt, daß sie eines Tages derartige Schreie von dort aus hörte, daß sie die Tür öffnete:

Ich sah, wie er einen der Hunde am Halsband in der Luft hielt und daß ein Kalmückenjunge, den er bei sich hatte, denselben am Schwanze festhielt (es war ein armer kleiner Hund englischer Rasse), und mit dem dicken Ende eines Peitschenstieles schlug der Großfürst diesen Hund aus allen Kräften. Ich wollte für das arme Tier einschreiten; aber daraufhin verdoppelte er nur die Schläge. Da ich dies grausige Schauspiel nicht aushalten konnte, zog ich mich mit Tränen in den Augen zurück. Statt aber dem Großfürsten Mitleid einzuflößen, machten ihn Tränen stets noch verbitterter. Mitleid war für ihn ein peinliches Gefühl und für sein Empfinden ganz unerträglich.

Vier Jahre darauf, als Peter also fünfundzwanzig Jahre alt war, mußte sie häufig in sein Zimmer gehen, um Ruhe zu stiften. Er saß gern und trank mit seinen Leuten, schlug dann plötzlich auf sie los mit einem Stock oder mit der flachen Klinge. Manchmal wurden diese darüber so rasend, daß er zu ihr flüchten mußte, um sie zu beruhigen. Eines Tages überraschte sie unter solchen Umständen der Anblick einer großen Ratte, die ihr Gemahl an einen förmlichen Galgen aufgehängt hatte, und verwundert fragte sie ihn, was das zu bedeuten habe:

Er sagte mir dann, daß diese Ratte ein Verbrechen begangen habe, das nach Militärgesetzen die schärfste Todesstrafe verdiente. Sie war über die Wälle einer Festung aus Pappe, die auf einem Tische stand, geklettert und hatte zwei Schildwachen aus Zündschwamm aufgefressen, die auf einer der Bastionen aufgestellt waren. Er hatte die Verbrecherin nach Kriegsgesetz verurteilen lassen. Sein Hund hatte die Ratte gepackt, und sie war sofort aufgehängt worden, wie ich sah, und sie würde dort drei Tage lang hängen bleiben als abschreckendes Beispiel für das Publikum. Ich konnte es nicht vermeiden, über diesen weitgehenden Irrsinn zu lachen. Aber das mißfiel ihm sehr, da er die Angelegenheit ganz ernst nahm. Ich verschanzte mich nun hinter meine weibliche Unwissenheit um Militärgesetze. Er blieb dabei, mein Lachen übelzunehmen. Mindestens konnte man zur Verteidigung der Ratte sagen, daß sie ungehört, ohne Verhör oder Rechtsweg verurteilt worden war.

So lange es möglich war, strebte Katharina danach, Peters Verrücktheiten und Brutalitäten vor den andern zu verbergen. Er ließ sie sein liebes Holstein für sich regieren, da er keinen Begriff von Politik hatte, und rief sie deshalb mit dem Kosenamen »Zuflucht« (La Ressource). Aber das dauerte nicht lange. Er war fast stets betrunken, stets von Schmeichlern umgeben, die ihm einredeten, daß er ein großer Feldherr sei, und als Feldherr ging er in grenzenloser Bewunderung für Friedrich den Großen auf, nicht etwa in Bewunderung für sein Genie, sondern für seine Uniformen und Paraden. Diese Bewunderung bekam ja später geschichtliche Bedeutung. Peter der Dritte scheint nur geboren zu sein, um den großen Friedrich aus der verzweifelten Lage zu befreien, in der er sich 1761 befand, als er selbst keinerlei Ausweg mehr gewahrte. Da starb Elisabeth, und Peter schloß augenblicklich mit seinem Ideal Frieden und ein Bündnis. Katharina schreibt:

Vom Jahre 1755 an war sein Hauptvergnügen, eine ungeheure Menge kleiner Puppen aufzustellen, Soldaten aus Holz, Zinn, Zunder und Wachs, die er auf schmalen Tischen anordnete, die den Raum des ganzen Zimmers einnahmen. Es war kaum möglich, sich einen Weg zwischen diesen Tischen zu bahnen. Er hatte schmale Messingbänder an deren Seiten angenagelt, daran Drähte geknüpft, und wenn er an diesen zog, tönten die Messingbänder nach seiner Behauptung wie rollendes Gewehrfeuer. Er feierte sehr genau die Feste des Hofes dadurch, daß er diese Truppen Feuer geben ließ. Außerdem wurde täglich Wachtparade abgehalten; d. h. man nahm von jedem Tisch die Puppen fort, die auf Wache ziehen sollten. Der Großfürst wohnte der Parade in Uniform in hohen Stiefeln mit Sporen im Brustharnisch mit Schärpe bei. Diejenigen von seinen Dienern, die zum Betrachten dieser schönen Übung Zutritt erhielten, waren ebenso angezogen.

IV

In dieser ständigen Trunkenheit kam er häufig zur Großfürstin und zog in ihrem Schlafzimmer seinen Degen, bald um sie zu bedrohen, bald auch, um sie gegen eingebildete Feinde zu verteidigen. Sie war nicht gerade furchtsam, bat ihn aber doch, zu gehen und den Rausch auszuschlafen. Er unterhielt im übrigen vor aller Augen Verhältnisse zu den Hofdamen und geriet zum Schluß ganz und gar unter die Herrschaft einer von ihnen namens Elisabeth Woronzoff, der er versprach, sich von Katharina scheiden zu lassen, sobald er Zar geworden war.

Auf Befehl der Kaiserin sollte ein Thronerbe gezeugt werden. Bei dem Großfürsten hatte sich jedoch allmählich in der Atmosphäre von Wein und Tabak, in der er lebte, vielleicht auch wegen schlechter Verdauung, ein derartiger Geruch entwickelt, daß seine Nähe für gesunde Sinne unerträglich war. Katharina deutet in ihren Memoiren an, daß sie ohne seine Mitwirkung mit wohlwollendem Beistand des jungen, hübschen Soltykoff, des ersten Mannes, in den sie sich verliebte, den Befehl der Kaiserin befolgte und Paul den Ersten zur Welt brachte. Durch ein merkwürdiges Naturspiel ähnelte dieser Knabe jedoch nicht seinem schönen Vater, sondern dem Ehemann Peter dem Dritten und wurde, wie er, häßlich, kindisch und grotesk. Von nun ab änderte Katharina ihr Wesen, zeigte ihren Spionen und Feinden am Hofe offene Verachtung, erwies denen, auf die sie sich verlassen konnte, herzliche Freundschaft. Sie gab zu verstehen, daß keiner mehr wagen dürfte, sie ungestraft zu übersehen oder zu kränken. Gleichzeitig gab sie ihrem Temperament die Zügel frei. Sobald Soltykoff sie durch schlechtes Verhalten enttäuscht hatte, trat Stanislaw Poniatowski an seine Stelle. Katharina brachte eine Tochter zur Welt.

Da sie nun die Launenhaftigkeit des Großfürsten, seine Schwächen und seine Gewaltsamkeit völlig kannte, sah sie die Notwendigkeit ein, sich beizeiten eine Partei im Hinblick auf die Zukunft zu bilden. Die körperlichen und geistigen Eigenschaften ihres Mannes ließen voraussehen, daß er bald ein Wrack sein würde. Sollte sie mit ihm zugrunde gehen, falls er vernünftigem Rat nicht folgte, oder sollte sie einen Weg einschlagen, der zur Unabhängigkeit führte? In Wirklichkeit gab es hier keine Frage. Sie hatte die Fähigkeit, durch gewinnende Eigenschaften, persönliche Schönheit, natürliches Wesen der Liebling des Volkes zu werden, ja noch mehr, die zu sein, von der fast die ganze Bevölkerung wünschte, beherrscht zu werden.

Da starb Elisabeth im Jahre 1762. Peter der Dritte folgte ihr auf den Thron, und als Kaiserin fühlte Katharina ihre Existenz noch stärker als vorher bedroht. Der Zar hatte ganz und gar mit ihr gebrochen; der Hochmut seiner Geliebten und ihre Ansprüche kannten keine Grenzen. Die Kaiserin war in jedem Augenblick der Gefahr ausgesetzt, daß der Zar eines Tages bei einem Zechgelage sie und ihren Sohn als Erben verstoßen würde. Immer wieder drohte er ihr, sie aus Rußland zu verbannen oder in einem Kloster unterzubringen.

Peter hatte ein halbes Jahr regiert, als am 8. Juli der Aufstand ausbrach, der im Geheimen von den Brüdern Orloff im Heere, am Hofe von der Fürstin Daschkoff vorbereitet worden war. In der Nacht zum 9. Juli wurde Katharina von ihrem damaligen Geliebten, Gregor Orloff, mit dem sie die nächsten zwölf Jahre treu zusammenhielt, von Peterhof nach der Hauptstadt geführt und nach einer begeisterten Rede an die Garde zur Kaiserin ausgerufen. Peter, der elend verzagte, wagte nicht, sich an die Spitze seines Heeres zu stellen, sondern schickte Katharina am nächsten Tage einen Brief, in dem er auf den Thron verzichtete und versprach, nach Deutschland zurückzugehen.

Wahrscheinlich hat man sich auf das Versprechen des halb irrsinnigen Menschen nicht verlassen, das stets als erzwungen zurückgenommen werden konnte, und der entschlossene und rücksichtslose Bruder Alexis des hübschen und gutmütigen Gregor Orloff gab den Befehl, ihn aus dem Wege zu räumen. Er wurde eine Woche nach der Revolution auf dem Landsitz Ropschka, wo er interniert worden war, erdrosselt, ohne daß die Kaiserin vorher von dem Mordplane unterrichtet worden wäre. Über dessen Ausführung hat sie gewiß nicht getrauert; aber sie hat begriffen, daß das einen Makel auf ihrem Namen hinterlassen würde, der schwierig abzuwaschen sei, aber notwendigerweise abgewaschen werden mußte. Obgleich von alter Zeit her die Regierungsform in Rußland Alleinherrschaft, gemildert durch Meuchelmord, war, war es doch peinlich, die Verantwortung für eine Tat zu tragen, die man nicht verschuldet hatte. Vielleicht hat Katharina sich gesagt, daß, wenn man bedenkt, wieviele der wertvollsten Menschen durch Krankheit, Unglücksfälle und in Kriegen umkommen, geringer Anlaß vorliege, darum zu trauern, daß es in der Welt ein Ungetüm weniger gäbe. Doch sie hat auf jeden Fall im voraus gewußt und hatte reichlich Anlaß, später zu erfahren, wie stark dieser Mord gegen sie ausgenutzt werden konnte.

So unzweifelhaft sie die Urheberin der Palastrevolution war, so unzweifelhaft war sie an der Mordhandlung unschuldig. Die leidenschaftlichen Verdammungsurteile über Katharina, die diese hervorrief, sind der Verurteilungssucht der Unwissenheit entsprungen. Friedrich der Große, der Bescheid wußte, der Fürst von Ligne, der alles und alle kannte, die Fürstin Daschkoff, die Mitanstifterin der Palastrevolution war, bezeugen alle und jeder für sich, daß Katharina von dem Plane zur Erdrosselung Peters des Dritten ferngehalten worden war. Die Fürstin hatte sogar den später veröffentlichten zynischen Brief Alexis Orloffs an die Kaiserin gesehen, in dem er ihr die Ermordung ihres Gemahls mitteilte und sie um Verzeihung anflehte. (Aus Vorsicht gibt jedoch Katharina in ihrem Brief an Stanislaw Poniatowski Kolerine und einen Schlaganfall als Todesursachen an.)

Sie empfand Entsetzen über diesen Mord, und sie brach in Tränen aus. Aber in ihrem Abscheu vor Heuchelei drängte sie ihre Tränen zurück. Sie war zu politisch und zu stolz, das Verbrechen zu bestrafen, begriff, daß man das als eine Komödie betrachten würde, die sie spielte. Sie begnügte sich damit, um ihret- und ihres Sohnes willen, Orloffs Brief in einer Kassette aufzubewahren, und machte sich dann an ihre Aufgabe, der größte Herrscher zu werden, den Rußland seit Peter dem Großen gehabt hat, was sie auch ständig geblieben ist. Diderot hat sie definiert: »Die Seele des Brutus in dem schönen Körper Kleopatras.« Brutus ist durchaus nicht der richtige Name. Aber eine männliche Seele hatte sie. Der Fürst von Ligne bezeichnete sie ihr selbst gegenüber als unerschütterlich (imperturbable). Das Wort gefiel ihr so, daß sie seitdem ihre Briefe an ihn unterzeichnete »Votre imperturbable«.

V

Die Verbindung zwischen Katharina und Voltaire wurde dadurch eingeleitet, daß der französische Gesandte in Petersburg, Herr de Breteuil – eine Art Neffe der Madame du Châtelet – am 13. September 1762 schrieb: »Die Kaiserin hat mich fragen lassen, ob ich Herrn de Voltaire kenne, wobei sie mich gebeten hat, seine Ansicht von der Rolle, die die Fürstin Daschkoff gespielt hat, zu berichtigen.« (Am 18. Januar desselben Jahres hat er an seine Regierung berichtet: Das Leben, das der Kaiser führt, ist schmachvoll. Er verbringt seine Abende mit Rauchen und Biertrinken und hört mit diesem doppelten Sport nicht vor 5 oder 6 Uhr morgens auf und ist beinahe stets sinnlos betrunken.)

Katharina hatte jedoch in ihrer Umgebung einen weit näheren Freund von beiden: den Genfer Pictet, der zum ersten Male in einem Briefe Voltaires erscheint, den er am 19. September 1760 an Fräulein Clairon richtet, daß – wenn sie seinem Hause die Ehre antun würde, ihn zu besuchen und in einem seiner Dramen mitzuspielen – er dort einen Schauspieler habe, der sechs Fuß und einen Zoll groß sei, und der sehr geeignet wäre, bei einer Aufführung mitzuwirken. Dieser Mann, den Voltaire gern seinen lieben Riesen nannte, war Pictet, der inzwischen Katharinas Privatsekretär geworden war und der am 4. August 1762, also noch vor Herrn de Breteuil, als Vermittler auftrat und, wahrscheinlich auf Wunsch der Kaiserin, an den Patriarchen schrieb:

Ich bin überzeugt davon, daß jeder, der Peters III. Charakter, seine Art, sich zu benehmen und seine Pläne für die Zukunft gekannt hat, nur billigen wird, daß das russische Volk einen solchen Mann verjagte, um die würdevollste und größte Kaiserin, die das Weltall jemals gesehen hat, auf den Thron zu heben … Verlassen Sie sich fest darauf, daß die Kaiserin nicht den Thron gesucht hat, sondern daß sie einer allgemeinen Bewegung im Volke nachgegeben hat, als sie ihn bestieg … Die Revolution wurde ausschließlich durch den Unterschied zwischen dem Charakter Peters III. und dem Katharinas hervorgerufen. Was sollte das russische Volk denn denken, wenn es Peter III. sah, der seine Jugend mit Hofnarren zugebracht hatte und der nur in den ersten Wochen nach der Thronbesteigung einige Hoffnungen weckte, so lange er noch die Kaiserin um Rat fragte, der sich aber danach ganz und gar den Ausschweifungen und der schädlichsten Völlerei hingab? Was sollte das Volk denken, wenn es sah, wie der Kaiser Tag und Nacht an der Tafel verbrachte und vor den Augen aller ständig betrunken war?

Voltaire, der augenscheinlich zuerst die Kaiserin für schuldig hielt, zeigte eine gewisse Nachsicht. Er schrieb an den Gesandten Schuwaloff, mit dem er auf Grund seiner Geschichte Peters des Großen in dauernder Verbindung stand: »Man spricht von einer gewaltsamen Kolik, die Peter Ulrich von der kleinen Unannehmlichkeit befreit hat, ein Reich mit einem Umfange von 2000 Meilen verloren zu haben. Es fehlt Ihrer Semiramis (die nach der Sage ihren Gemahl König Ninus ermordet hatte) nur ein Ninias (der Sohn), um die Ähnlichkeit vollkommen zu machen. Ich gestehe meine Furcht, verdorben genug zu sein, an dieser Szene kein solches Ärgernis zu nehmen, wie es ein guter Christ tun sollte. Es kann viel Gutes aus kleinem Bösen entstehen. Die Vorsehung ist gleich den ehemaligen Jesuiten; sie gebraucht alle Mittel.« Wie der Text des Briefes zeigt, war Voltaire geneigt, das Schlimmste zu glauben, aber das Schlimmste zu entschuldigen, wenn es wahr wäre. Unsicher, wie er sich fühlte, wollte er sich nicht binden lassen. Er ahnte, daß Katharinas Sekretär nicht ohne den Wunsch der Kaiserin schrieb, aber er tat, als ob er es nicht verstand, gab eine zwar höfliche, aber zurückhaltende Antwort. Pictet, der mit dieser reservierten Haltung des großen Mannes nicht zufrieden war, schrieb wieder:

Mein Herr, ich habe gestern den Brief empfangen, den zu senden Sie mir die Ehre erwiesen, und ich beeile mich zu antworten, trotzdem ich noch nicht weiß, an welchem Tage der Kurier des Herrn Baron de Breteuil abgeht. Gestatten Sie mir, daß ich Sie ausschelte? Ich habe große Lust dazu; aber ich wage nicht recht, mir diese Freiheit zu nehmen. Ich habe Ihnen einen langen Brief geschrieben. Was ich auch gesagt habe, so haben Sie doch vollkommen verstanden, daß ich insgeheim den Brief habe lesen lassen. Man hat ihn tatsächlich gesehen, und man wartet ungeduldig auf eine Antwort. Diese Antwort kommt; aber sie ist so trocken, so nüchtern, so mager, daß ich sie nicht habe zeigen wollen. Ich habe nun beinahe ein halbes Jahr lang nicht einen einzigen Brief nach Genf geschickt, ohne die Leute damit zu belästigen, Sie zu bitten, mir Ihre neuen Stücke und was sonst an Neuem aus Ihrer Feder geflossen sein sollte, seit ich nach Rußland reiste, anzuvertrauen. Ich weiß nicht, welche Ausdrücke ich gebrauchen soll, um Sie zu beschwören, mir diese Wohltat zu erweisen.

Wenn ich Ihnen sage, daß mein Zukunftsschicksal von Ihrem Entgegenkommen abhängt, so scheint das ein großes Wort; es ist jedoch nicht zu viel gesagt. Man ist hier so gnädig, sich einzubilden, ich wäre Schriftsteller, und was Sie liebenswürdigerweise über mich an Herrn de Schuwaloff geschrieben haben (etwas, worüber er in den letzten vierzehn Tagen gesprochen hat), hat dazu beigetragen, den Glauben zu stärken, daß Sie eine gewisse Achtung für meine Person und meine Fähigkeiten haben.

Man schließt daraus, daß es Ihnen nicht gebühre, mir eine Abschrift Ihrer Produktion zu verweigern, und Ihre Majestät, die fast alles, was Sie herausgegeben haben, auswendig weiß, hört nicht auf, mich zu ersuchen, Ihr neues Schauspiel und alles andere ihr zu verschaffen, was Sie geschrieben haben und jetzt schreiben, was in Ihre gesammelten Werke nicht aufgenommen sei. Sie können überzeugt sein, daß kein Mensch außer Ihrer Majestät zu sehen bekommt, was vertraulich sein soll. Sie hat mir gestattet, Ihnen ihr Wort darauf zu geben. Nur hat sie mir zugleich aufgetragen, Sie zu fragen, ob Sie erlauben, daß man Ihre neuen Stücke, wenn wir sie bekommen, am Hofe spielt. Wenn ich von Aufführungen am Hofe spreche, dann bedeutet das nicht: von Schauspielern (die wir diesen Sommer nicht hier haben), sondern von den Damen und vornehmen Herren des Hofes. Vorläufig studieren wir in diesem Winter Zaïre, Alzire und Tschengis Khan ( L'Orphelin de la Chine).

VI

Es gab für Voltaire keine Möglichkeit, eine so große Aufmerksamkeit und ein so leidenschaftliches Interesse mit dauernder Kälte zu beantworten; wäre es nur des guten Riesen wegen gewesen, dessen Stellung in St. Petersburg von Voltaires Entgegenkommen abhing, so war eine höfliche Antwort eine Notwendigkeit. Leider sind die ersten Briefe, die zwischen ihm und der Kaiserin gewechselt wurden, verloren gegangen. Aber wir sehen, daß er noch eine Zeitlang weiter an Pictet schrieb und daß seine Briefe an den Sekretär von der Herrscherin mit Leidenschaft an sich gerissen wurden.

In dem ersten Schreiben von Katharina, das wir besitzen, heißt es: »Ich habe eine Todsünde begangen, als ich den Brief an mich nahm, den Sie an den Riesen adressiert haben. Ich habe ein ganzes Bündel Gesuche liegen lassen; ich habe das Schicksal verschiedener Menschen verzögert; so begehrlich war ich, ihn zu lesen. Und ich fühle nicht einmal Reue darüber.«

In dem Brief, den sie geöffnet hat, der zwar nicht an sie adressiert, aber für sie bestimmt war, hat sie jedoch so viel Schmeichelhaftes für sich gefunden, daß sie Herrn de Voltaire »sehr ernst« bittet, sie nicht eher zu loben, als sie das Lob verdient habe.

Voltaire ist nun geneigt, nur das beste von ihr zu glauben. Aber er hat gehört, daß in Rußland Unzufriedenheit mit dem Vorgefallenen besteht. Er fragt den Grafen d'Argental: »Ist es wahr, daß das Feuer unter der Asche in Rußland glimmt? daß es eine große Partei für den Prinzen Iwan gibt? daß meine liebe Kaiserin abgesetzt werden wird und daß wir einen neuen Tragödienstoff bekommen?« Ein paar Wochen später (13. August 1763) schreibt er an die Gräfin d'Argental: »Ich habe Furcht, daß man meine Kaiserin umbringt.« Er hätte sich die Furcht sparen können. Katharina gehörte nicht zu denen, die sich absetzen oder umbringen ließen. Ihre Unerschrockenheit ließ sich nicht einschüchtern; ihr Wille war höchst ungeneigt, einen offenbaren Feind den ersten Stoß führen zu lassen. Iwan, der – nach einem Manifest Katharinas zu urteilen – nur ein wildes Tier war, hatte nicht Zeit genug, die Fahne des Aufruhrs zu erheben, als er schon niedergeschlagen war.

Voltaire war davon peinlich berührt, dachte daran, in Le Dictionnaire philosophique, den sich Katharina von ihm erbeten hatte, einen Artikel gegen grausame Handlungen hinzuzufügen. Aber allmählich fand er sich in Katharinas unerschütterliche Selbstbehauptung und schloß sich D'Alemberts Ansicht an, der ihm schrieb: »Meine gute Freundin in Rußland hat eben ein langes Manifest über die Abenteuer des Prinzen Iwan erlassen; er war wirklich, wie sie sagt, ein wildes Tier. Das Sprichwort lautet: »Es ist besser, den Teufel niederzuschlagen, als sich von ihm niederschlagen zu lassen.« Wenn die Fürsten sich Wahlsprüche wählten, wie in alter Zeit, so würde mir dieses Wort für sie passend scheinen … Ich bin Ihrer Ansicht, daß die Philosophie keinen Grund hat, sich solcher Schüler besonders zu rühmen. Aber was wollen Sie? Man muß seine Freunde mit ihren Fehlern lieben.«

In Wirklichkeit waren Katharina nicht mehr Vorwürfe wegen der Versehen zu machen, die sie beging, um den Thron zu besteigen und sich auf ihm zu halten – zum größten Glück für die Bewohner Rußlands –, als Friedrich wegen seiner rechtswidrigen Eroberung Schlesiens zu machen gewesen. Beide einigten sich ja auch über Polens erste Teilung im Jahre 1772, bei der allerdings der polnische Senat die Russen selbst ins Land rief und Preußen nur einschritt, um eine allzu große Machterweiterung für Rußland zu verhindern. Die Politik war der Moral, die man in Lehrbüchern findet, gegenüber schon zu jener Zeit so rücksichtslos, wie sie später stets gewesen ist. Die Hinrichtung Iwans ist leicht zu verteidigen. Es war die Ermordung Peters III,, die Europa gegen Katharina aufbrachte, obgleich sie offiziell bekanntgab, daß er an »une colique hémorroïdale« gestorben sei und obgleich sie unschuldig daran war. –

VII

Im Jahre 1765 gab Voltaire die spätere Einleitung zum Essai sur les mœurs unter dem Titel » La Philosophie de l'histoire par feu l'Abbé Bazin« mit folgender Widmung für Katharina heraus:

Der hochgeborenen und majestätischen Fürstin Katharina der Zweiten, Kaiserin aller Reußen, Beschützerin der Künste und Wissenschaften, die durch ihre großen Gaben imstande ist, die Nationen der Vergangenheit zu beurteilen, wie sie würdig ist, über ihre eigene zu herrschen. Ehrerbietigst zugeeignet von dem Neffen des Verfassers.

Die Kaiserin antwortete: »Die Kaiserin von Rußland ist dem Neffen des Abbé Bazin sehr verpflichtet, daß er ihr das Werk seines Onkels dediziert hat … Sie hat dieses schöne Buch mit großer Freude gelesen und hat nicht gefunden, daß sie dem, was sie las, überlegen war, da sie selbst jener armen Menschheit angehört, die einen so starken Hang zu den sonderbarsten Albernheiten hat. Sie ist leider überzeugt, daß das Buch unter diesem Hang leiden wird und in Paris dem Feuer am Fuße einer großen Treppe überliefert wird – was übrigens dem Buche nur neuen Glanz verschaffen kann. Da der Neffe des Abbé Bazin tiefes Schweigen über den Ort bewahrt hat, an dem er wohnt, hat man diese Antwort an Herrn de Voltaire gerichtet, der so bekannt dafür ist, daß er junge Menschen, deren Talent die Hoffnung erweckt, daß sie einmal nützlich für die Menschheit sein werden, beschützt und begünstigt. Man bittet diesen berühmten Schriftsteller, diese kurzen Zeilen an ihre Bestimmung gelangen zu lassen, und sollte er zufälligerweise diesen Neffen des Abbé Bazin nicht kennen, ist man überzeugt, daß er diesen Schritt in Anbetracht der glänzenden Gaben des jungen Mannes entschuldigen wird.«

Noch einige Zeitlang wird der Scherz mit dem Neffen des Abbé Bazin in Katharinas Briefen variiert. Als er endlich gefunden ist, schickt die Kaiserin (im August 1765) ihm ein kleines Paket als Bekundung ihrer Dankbarkeit für die schönen Dinge, die er ihr gesagt hat. Das Paket ist wahrscheinlich wertvoll genug gewesen, so klein es auch war.

Katharina antwortet Voltaire auf seine Frage nach ihrem Wahlspruch: Meine Devise ist eine Biene, die von Blüte zu Blüte fliegt und Honig sammelt, um ihn zu ihrem Korbe zu bringen. Und die Inschrift heißt: Das Nützliche. – Sie beklagt sich lebhaft über die Unduldsamkeit, die einige Kapuziner in Moskau gezeigt haben, als sie sich unbedingt weigerten, einen Franzosen, der plötzlich gestorben war, zu begraben, und erwähnt überhaupt mit Unwillen verschiedene Beispiele der Intoleranz in Rußland wie in Frankreich, wo die Angebereien des Abraham Chaumeix (der auf russischem Gebiet verhältnismäßig vernünftig wurde) seinerzeit die Verfolgungen gegen die Enzyklopädie anbahnten.

Voltaire leitet seinen Antwortbrief mit einem kleinen Gedicht über die Biene als Emblem und über Minerva als Göttin ein:

L'abeille est utile sans doute,
On la chérit, on la redoute,
Aux mortels elle fait du bien.
Son miel nourrit, sa cire éclaire,
Mais quand elle a le don de plaire,
Ce superflu ne gâte rien.
Minerve, propice à la terre,
Instruisit les grossiers humains,
Planta l'olivier de ses mains
Et battit le dieu de la guerre.
Cependant elle disputa
La pomme due à la plus belle;
Quelque temps Pâris hésita,
Mais Achille eût été pour elle.

Die Verse sind gehaltvoll und schmeichelhaft ohne eine einzige Artigkeit, die als zu süßlich Widerwillen erregen könnte.

In dem Brief dankt Voltaire Katharina warm für das, was sie in ihrem Edelmut für seine Freunde getan hat, für Diderot, für D'Alembert, für die Familie Calas. Es ist ihm nur etwas unangenehm, daß sie den Namen einer Heiligen angenommen hat; die Heldinnen pflegten sich in alter Zeit nicht mit solchen Namen zu nennen; Homer und Vergil wären bei diesen in Verlegenheit geraten. »Sie sind für Almanache nicht geschaffen« (die ja nur die Namen aus der Geschichte der Heiligen enthielten).

Im Mai 1767 ist Voltaire derart für seine Katharina bekehrt (er nennt sie gern respektswidrig mit dem Kosenamen ma Cateau), daß er an seine scheinbare Freundin Madame du Deffand schreibt: »Ich bin ihr Ritter und Verteidiger gegen jedermann. Ich weiß wohl, daß man ihr eine Kleinigkeit hinsichtlich ihres Mannes vorwirft; aber das sind Familienangelegenheiten, in die ich mich nicht mische, und außerdem ist es nicht übel, ein Versehen gutmachen zu müssen; das fordert zu starken Bestrebungen auf, um der Öffentlichkeit Achtung und Bewunderung abzuringen, und ganz sicher hätte ihr widerwärtiger Mann keine der Taten verrichtet, die meine Katharina täglich ausübt.«

Diese Worte waren herausfordernd Moralisten gegenüber, deren Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse so gut wie null waren, und deren Überzeugung, das geeichte moralische Ellenmaß zu haben, unerschütterlich war. Natürlich berichtete Madame du Deffand augenblicklich ihrem geliebten Horace Walpole die frivole Ansicht Voltaires über den Kaisermord mit Spott und Zorn, einem Zorn, den Walpole teilte und Ausdruck gab: »Voltaire ist mir ein Rätsel mit seiner Katharina. Ein schönes Thema für Späße, Mord an einem Ehegatten und Raub einer Krone! Es ist, sagt er, nicht schlecht, ein Versehen gutzumachen zu haben. Wie muß man sich wohl benehmen, um einen Mord wieder gutzumachen? Vielleicht, daß man sich Dichter gegen Gehalt kauft? Oder Geschichtsschreiber bezahlt, die feil sind? Und lächerliche Philosophen in tausend Meilen Entfernung unterhält?«

Wenn man derartiges liest, sollte man glauben, Katharinas Schuld wäre festgestellt, und ihre Verdienste wie ihre Fähigkeiten beschränkten sich auf einige Geldgeschenke an ausländische Schriftsteller. Aber die unermüdliche Madame du Deffand, deren Zunge scharf wie ein Rasiermesser war, rastete nicht, bevor sie sogar die sanfte Herzogin von Choiseul gegen Voltaire wegen seines herzlichen Verhältnisses zu Katharina aufgehetzt hatte:

Wie! Voltaire findet, daß man Witze über einen Mord machen kann! Und was für einen Mord! Mord an einem Herrscher, von seinem Untertan begangen, Mord an einem Ehemann, von seiner Frau begangen! Diese Frau zettelt eine Verschwörung gegen ihren Gatten und Monarchen an, nimmt ihm Reich und Leben auf die grausamste Weise, stiehlt ihrem eigenen Sohn den Thron, und Voltaire nennt das eine Familienangelegenheit! … Diese empörenden Verbrechen sollen nur Kleinigkeiten sein, Fehler, Vergehen, die zu büßen leicht sei … Sie ist denn also weiß wie Schnee, der Ruhm ihres Kaiserreichs, geliebt von ihren Untertanen, bewundert vom Universum, das Wunder ihres Jahrhunderts; Sie haben das wie ich gefühlt, und Sie haben ihm mit dem feinsten Spott geantwortet. Wenn er darüber nur erröten könnte!

Man sieht, daß Madame du Deffand Abschrift von dem spöttischen Brief genommen hat, den sie Voltaire sandte, und ihn Freunden und Freundinnen zu lesen gegeben hat, um ihre Überlegenheit recht darzutun. Dieser Brief ist in Wirklichkeit eher grob als witzig; aber er macht doch nicht ohne Witz Scherze über Voltaires Gewohnheit, Katharina die Semiramis des Nordens zu nennen, was in diesem Falle unleugbar ein Kompliment war, das gerade das Gerücht zu bestätigen schien, das Voltaire niederschlagen wollte.

VIII

Diese strengen Damen, die nach der Schablone urteilten, wußten in Wirklichkeit gar nichts von dem edlen Drang in Katharinas Seele. Sie wußten nichts darüber, wie sie unermüdlich danach strebte, ihre Kenntnisse von Rußland zu vervollkommnen und für Ordnung und Verbesserungen im einzelnen und kleinen zu sorgen, ohne im geringsten den Überblick über das Ganze und Große zu verlieren. Sofort nach ihrer Thronbesteigung lud sie Ausländer ein, sich in ihrem Reiche niederzulassen und bildete eine besondere Behörde für Kolonisationsangelegenheiten. Sie führte die Impfung ein, gründete Krankenhäuser, Armenhäuser, Findelhäuser. Sie sorgte eifrig für jede Einrichtung, die Zivilisation, Wissenschaft, Kunst, Schiffahrt fördern konnte, sandte russische Gelehrte und Künstler ins Ausland, gründete eine russische Akademie, wie die französische zur Pflege und Entwicklung der Sprache. Sie richtete Armenschulen und höhere Schulen in allen größeren und in vielen kleinen Städten ein. Sie gestaltete das russische Gerichtsverfahren vollständig um, schaffte die Folter ab, rief Vertreter aus allen Provinzen zusammen und erteilte ihnen die Aufgabe, ein neues allgemeines Gesetzbuch zu schreiben; aus den schwachen Anfängen, die früher gemacht waren, entwickelte sie die russische Schiffahrt, befreite den Handel im Innern von allen hemmenden Hindernissen, hob dadurch auch den Ackerbau und führte ständig Verhandlungen mit fremden Staaten, um durch Verträge den Handel mit dem Ausland zu erleichtern. In der auswärtigen Politik bewies sie Mäßigung; durch glückliche Kriege mit der Türkei dehnte sie ihr Reich aus. Erst nachdem Gregor Orloff gestürzt war (1773), verursachte ihr neuer Günstling Patjomkin eine Zeitlang eine unruhige und phantastische russische Außenpolitik. In allen inneren Verhältnissen war und blieb sie Voltaires treue und begeisterte Schülerin, förderte Kultur und Menschlichkeit, europäisierte ihre barbarischen Untertanen mit ebenso zielbewußter Kraft wie Peter der Große, aber ohne seine Gewaltsamkeit und Brutalität.

Sie war nicht nur die größte Kaiserin, die Rußland gehabt hat, sondern nach Peter dem Großen dessen größter Kaiser. Sie entspricht, als stark von Voltaire beeinflußt, für Rußland ziemlich genau dem, was Friedrich der Große in derselben Eigenschaft für Preußen war.

Wie Friedrich der Große unterstützte sie die Vertreter des französischen Geisteslebens, die Frankreichs geistloser König verfolgen ließ, und sie tat es mit reicheren Mitteln, die dem armen preußischen König nicht zur Verfügung standen. Diderot war ein Mann, der nicht ohne Mühe sein Brot verdiente. Katharina kaufte ihm seine Bibliothek für 15 000 Livres ab und gab ihm jährlich 1000 Livres als Konservator dieser Bibliothek, deren Gebrauchsrecht ihm blieb, so lange er lebte. Voltaire schrieb aus diesem Anlaß (24. April 1765): »Wer hätte sich gedacht, daß die Skythen eines Tages Großmut, Wissenschaft, Philosophie so edel belohnen würden, während sie bei uns so unwürdig behandelt werden! Berühmter Diderot, erlauben sie mir, meine Begeisterung darüber auszusprechen.«

Diderot war scheu, mied das Gesellschaftsleben, besonders das Leben der vornehmen Gesellschaft in Paris. Katharina brachte ihn dahin, die Reise nach St. Petersburg zu unternehmen, und es gelang ihr durch Überlegenheit und Entgegenkommen, seine Bärennatur zu zähmen, so daß er sich in ihrer Nähe wohl fühlte. Er konnte es nicht unterlassen, sie in ihren Gesprächen als Kameraden zu behandeln. Er besaß nur eine Art, mit seinen Freunden zu verkehren – er war geradeheraus. Gebrauchte er der Kaiserin gegenüber einen allzu saftigen Ausdruck und stockte er verlegen, dann sagte sie: »Nur weiter! Unter uns Männern ist alles erlaubt.« Geriet er in Hitze und schlug er, wie er es mit den Freunden in Paris zu tun pflegte, die Kaiserin auf den Oberschenkel, um seine Behauptung kräftiger zu demonstrieren, dann begnügte sie sich damit, ihren Stuhl fortzurücken.

Am letzten Abend, den er mit ihr in St. Petersburg verbrachte, brach er – wie er erzählt – beim Abschied in heftiges Weinen aus »und sie beinahe auch«. Man darf hier wohl das Wort beinahe betonen. Sie schätzte in ihm den einen der beiden Führer der Enzyklopädisten und den Schöpfer der bewegten, gefühlvollen, fruchtbaren Kritik. Er verstand ja, jede Schrift in dem Geiste zu lesen, in dem sie entstanden war, und Katharina war genial genug, um diese Fähigkeit zu werten.

Und wie sie Diderot gewann, so auch die anderen Geistesfürsten in Frankreich. D'Alembert und Holbach wurden ihre Freunde, Grimm ihr ständiger literarischer Korrespondent.

IX

Voltaire, dem man es vorwirft, daß er nicht bei ihren Fehlern verweilte oder bei jenen ihrer Handlungen, die jenseits von Gut und Böse lagen, war von dem Großen in ihrem Wesen ergriffen, von dem Hochherzigen in ihrem Charakter, und als der Genieverehrer, der er war, von dem Seltensten von allem bei einem Herrscher oder einer Herrscherin, ihrem Genie. Er freute sich außerdem, daß Katharina (wie Friedrich) nach eigenem Ausspruch ganz französisch war, also ein lebendes Beispiel für die erobernde Fähigkeit der damaligen französischen Sprache – eine Fähigkeit, die keiner mehr als er dieser Sprache gegeben hat.

Er war ihr bei ihrem erzieherischen Werk gern behilflich, stieß allerdings hierbei manchmal auf unüberwindliche Hindernisse. Katharina hatte alle ihre verführerischen Fähigkeiten gebraucht, um Ingenieure von Ruf, hervorragende Offiziere, Gelehrte zu bewegen, sich in Rußland niederzulassen und zu lehren. Aber sie dachte nicht weniger an die Erziehung der russischen Frau, wollte den jungen Mädchen einen geistigen Inhalt geben, die Intelligenz der zukünftigen Mütter entwickeln, was dem nächsten Geschlecht zugute kommen sollte.

Da sie gern hochgebildete junge Mädchen aus dem Auslande nach Rußland ziehen mochte und wußte, welch tüchtige Erziehung die jungen Mädchen in der Schweiz erhielten, sandte sie einen ihrer Leute, den Oberst in ihrer Garde Grafen Bülow, nach Ferney, um ihr eine gewisse Anzahl junger tüchtiger Lehrerinnen aus Genf und dem Canton Wallis zu beschaffen. Sie sollten die vornehme weibliche Jugend in Petersburg und Moskau erziehen.

Unter dem Vorwand, daß es den Gesetzen widerstritt, junge Frauen solche Reisen unternehmen zu lassen, versagte der städtische Rat dem Grafen Bülow die Erlaubnis, schweizerische Lehrerinnen nach Rußland zu engagieren. Die Absicht war, Katharina als die unsittliche Mörderin zu stempeln, deren Beispiel auf die jungen Calvinschen Fräulein ansteckend wirken konnte.

Vergeblich erklärte Graf Bülow, daß er Genf nicht verlassen würde, bevor er den Befehl seiner Kaiserin ausgeführt hätte. Und Katharina hatte ein gutes Gewissen. Wenn sie an irgend etwas in der Welt nicht dachte, dann war es das, junge fremde Lehrerinnen in ihren Mädcheninstituten zu verderben. Aber Bülow mußte Genf unverrichteter Sache verlassen, obwohl junge Mädchen, die die Mündigkeit erreicht hatten, nach den Gesetzen das Recht hatten, frei zu reisen, wohin sie wollten. Ja, man ließ solche, die das russische Angebot bereits angenommen hatten, auf schweizer Boden festnehmen und zurückführen.

Die Kaiserin hatte in Petersburg ein weibliches Saint-Cyr nach französischem Muster gegründet, und die Anstalt gedieh. Sie schrieb an Voltaire (10. Februar 1772): »Diese jungen Fräulein übertreffen jede Erwartung; sie machen erstaunliche Fortschritte, und alle Welt ist darüber einig, daß sie ebenso liebenswürdig wie kenntnisreich sind. In den Sitten sind sie untadelhaft, ohne den kleinlich strengen Ernst der Nonnen angenommen zu haben. In den letzten beiden Wintern hat man angefangen, Tragödien und Komödien spielen zu lassen.« Jedoch der Schauspielvorrat war aufgebraucht; die Vorsteherin stellte sich gegen Stücke, die sich um Liebe drehten. »Was soll ich da tun? ich weiß es nicht und nehme zu Ihnen Zuflucht.« Voltaire antwortet entgegenkommend und scherzend: »Wenn diese jungen Fräulein Tragödien aufführen, dann hat ein junger Mann aus meinem Freundeskreis gerade eine geschrieben, von der man nicht sagen kann, daß die Liebe darin eine Rolle spielt … ich werde sie Eurer kaiserlichen Majestät senden, sobald sie gedruckt ist.«

Das Stück, auf das er hinweist, ist seine neue Tragödie Les Lois de Minos. Wie er versichert, gibt es darin keine Liebesszene. Es ist ein Protest gegen Aberglauben und Barbarei, augenscheinlich unmittelbar durch das Urteil über Calas inspiriert, und besonders durch die fanatische und würdelose Haltung des Parlaments. Seine Tendenz ist offenbar und unzweifelhaft, die Krone zu unterstützen, die das Parlament in Paris aufgelöst hatte.

Am 23. Januar 1771 hatten Ludwig der Fünfzehnte und sein entschlossener, aber wenig sympathischer Minister Maupeou zur Freude Voltaires, der sich dadurch gerächt fühlte, die Ämter der Parlamentsmitglieder für ledig erklärt, hatten mit anderen Worten das Parlament auseinandergejagt ohne die Absicht, es wieder zusammenzurufen.

Les Lois de Minos, das mit eilender Feder zwischen dem 18. Dezember 1771 und dem 12. Januar 1772 geschrieben ist, spielt in der Stadt Gortine auf Kreta in vorhistorischer Zeit. Wenn man aber der Handlung folgt, spürt man französischen Boden unter den Füßen. Die Archonten kämpfen für ihre überlieferte Macht gegen den gerechten König, der Teucer heißt, und kraft eines altes Gesetzes, das von Minos stammt, wollen sie ihrem kretischen Zeus ein junges Mädchen aus dem Stamme der Kydonier opfern, das in ihre Hände gefallen ist. Der Gott verlangt nämlich von Zeit zu Zeit ein Menschenopfer.

Das junge Mädchen tritt auf, ist schön und stolz, dem unverdorbenen kriegerischen Stamm, dem sie angehört, ganz ergeben. Allein durch ihr Äußeres, aber noch stärker durch die Hoheit ihres Wesens, gewinnt sie Herzen. Sie macht auf den König einen solchen Eindruck, daß er auf die Gefahr hin, seine Krone zu verlieren, versuchen will, ihr Leben zu retten – trotz der Barbarei der Archonten, die bereits einen Scheiterhaufen haben errichten lassen, und trotz des religiösen Fanatismus des Opferpriesters Phares, der das Messer bereithält. Der König ist bestrebt, das junge Mädchen zu befreien und zu entfernen, und er läßt sie heimlich fortführen. Aber die Späher des Stammes der Kydonier, und unter ihnen ihr Bräutigam Datame, die glauben müssen, daß eine unmittelbare Gefahr Asterias Leben bedroht, überfallen die Leute des Königs; Blut fließt, bis sie überwältigt und gefangen werden.

Nun ist es dem König unmöglich, bei der aufgeregten Volksstimmung, die Genugtuung und Rache fordert, Asteria und Datame zu befreien. Da löst sich der Knoten durch die Erkundigung, daß Asteria die eigene Tochter des Königs ist, von der er geglaubt hatte, sie wäre bei einem früheren Zusammenstoß mit den Kydoniern getötet worden, und nach einem Kampf wird die Partei der Archonten überwunden; Zivilisation und Menschlichkeit siegen.

Das Stück ist fast symbolisch; es veredelt und verherrlicht den König als Sieger über das Parlament.

Es wurde dem Marschall von Richelieu gewidmet, augenscheinlich in der Hoffnung, daß er die Aufführung auf dem Théâtre Français erreichen könnte, eine Hoffnung, die aber enttäuscht wurde. Auch eine andere Hoffnung wurde enttäuscht, nämlich, daß dies Schauspiel, das die Partei der Krone so stark ergreift, Voltaire die Erlaubnis verschaffen würde, Paris wiederzusehen.

Sonderbar genug ist das Stück reich mit Anmerkungen versehen, in denen Parallelen zwischen dem, was hier vorgeht, und späteren historischen Ereignissen gezogen werden, was nicht gerade dazu beiträgt, die Illusion zu stärken. Die Idee zu dem Drama kam Voltaire bei der Lektüre der antikatholischen Dichtung Friedrichs des Großen La Pologniade ou la Guerre des confédérés, was eine Anmerkung zur vierten Szene des zweiten Aktes erklärt, in der sich Voltaire gegen das Liberum veto des polnischen Reichstags ausspricht, für dessen Erhaltung seine eigene Katharina nach seinem Tode Krieg führte (da es die Quelle der Schwäche und inneren Spaltung Polens war). Voltaire sagt: »Wie hat man jemals einem einzelnen Manne, vielleicht einem Trunkenbold, das Recht einräumen können, in die Entschlüsse von fünf oder sechstausend vernünftigen Männern Eingriffe zu unternehmen (vorausgesetzt, daß es überhaupt soviel vernünftige Männer gibt)? Der verstorbene König von Polen, Stanislaw I., schrieb während seiner Residenzzeit in Lothringen oft gegen das Liberum veto und gegen die Anarchie, deren Folgen er voraussah. In seinem Buch La voix du citoyen von 1749 steht: »Ohne Zweifel wird die Reihe an uns kommen, so daß wir Europas Beute werden; vielleicht werden sich sogar die Nachbarmächte einigen, unsere Staaten zu teilen.« Nun ist seine Voraussage in Erfüllung gegangen. Polens Zerstückelung ist die Strafe für die furchtbare Anarchie, unter der ein vernünftiger, humaner, aufgeklärter, friedliebender König in seiner Hauptstadt überfallen wurde (Stanislaw der Zweite, August im Jahre 1771) und nur durch ein Wunder dem Tode entgangen ist. Es bleibt ihm ein Königreich zurück, das größer als Frankreich ist, und das zum Aufblühen gebracht werden kann, falls sich die Anarchie in ihm vernichten läßt, wie sie in Schweden vernichtet worden ist, und wenn sich in ihm Freiheit und Königtum vereinigen lassen.

Es hat im neunzehnten Jahrhundert Beschuldigungen auf Voltaire gehagelt, weil er herzlos nicht die Partei der Polen zu seiner Zeit ergriffen hat. Er erlebte jedoch nicht Polens Versuch einer Wiederaufrichtung im Jahre 1791 und die schließliche Eroberung des Hauptgebietes durch Rußland. Als das geschah, hatte er schon dreizehn Jahr in seinem Sarg gelegen. Die Anmerkung zeigt, in was für einem Licht Polens erste Teilung dem Freunde Friedrichs und Katharinas erscheinen mußte, und daß er, wie König Stanislaw der Erste, die Teilung aus dem so durchaus unpolitischen und vaterlandsfeindlichen Liberum veto erklärte.

Voltaire schickte also seine Tragödie an Katharina, deren junge vornehme Schülerinnen bei der Einstudierung unmöglich etwas finden würden, woran die Schamhafteste ein Ärgernis nehmen konnte.

X

In den Lebensjahren, die ihm noch blieben, hat er von nun an den Blick auf seine Cathau gerichtet; er ermuntert sie, stimmt zu, spendet Beifall, so oft sie nach Zielen strebt, die ihm am Herzen liegen. Sie mag ihrerseits nicht übertriebene Schmeicheleien, noch weniger Vergötterung, und antwortet ihm: »Lassen Sie mich auf der Erde bleiben. Hier bin ich eher imstande, Briefe von Ihnen und Ihren Freunden zu empfangen.« Als er sie als Gesetzgeberin preist, antwortet sie ruhig: »Diese Gesetze, über die soviel gesprochen wird, sind ja noch nicht in Wirksamkeit. Wer kann wissen, ob sie gut sind? Die Nachwelt, nicht wir.«

Als er während des russisch-türkischen Krieges wünscht, sie möchte die ganze Türkei in ihre Macht bekommen, tritt sie seinem Überschwang mit gesundem Wirklichkeitssinn entgegen. Er hat den Wunsch ausgesprochen, sie möchte das antike Troja wiederaufbauen. Sie antwortet: »Ich verzichte auf diesen Wiederaufbau; ich ziehe die schöne Newa dem Flusse Skamandros vor. Ich habe in Petersburg eine ganze Vorstadt, die ich neu bauen muß, da eine Feuersbrunst sie im Frühjahr zerstört hat.«

Sie erzählt ihm jedoch alles, was ihn und durch ihn Europa interessieren kann, über ihre friedlichen Reformen und ihre Kriege. Sie hat einmal zum Fürsten von Ligne die bescheidene Furcht geäußert, nicht genug Esprit für Paris zu haben, so daß, falls sie dort eine russische Frau wie eine andere unter den vielen Reisenden wäre, sie wohl kaum jemand dort zum Abendessen einladen würde. Sainte-Beuve hat voll Feinheit gesagt, daß sie sich jenes ersehnte Souper in Paris durch ihren Briefwechsel mit Voltaire verschaffte.

Er begann, sie stark zu werten, weil sie ein großes Beispiel religiöser Duldsamkeit gab, und so Rußland zivilierte. Späterhin wünschte er ihr trotz seiner Friedensliebe den Sieg, nicht so sehr wegen seiner Liebe zu ihrer Person als wegen seiner Schwärmerei für das alte Hellas. Er gab sich der Hoffnung hin, Katharina könne und wolle Griechenland befreien. Der Gedanke, diesen heiligen Boden den Türken zu entreißen, diese schönen, ehrfurchteinflößenden Altertumsruinen, diese Gegenden, wo der Mensch zum erstenmal gewagt hatte, frei zu denken, riß ihn hin und machte ihn kriegerischer als sie selbst in irgendeiner Hinsicht war.

Er hat den Lichtglanz gefühlt, der das geschichtliche Athen umstrahlt, »diese kleine Stadt, die stets einen weit größeren Ruf haben wird als alle ihre Unterdrücker, seien sie auch Herren der Erde«. Für ihn ist Hellas das Ehrwürdige, das Heilige, Europas wahres Heiligtum. Deshalb besingt er Katharinas Krieg gegen die Türken als den wahren Kreuzzug:

Voici le vrai temps des croisades!
Français, Bretons, Italiens …
Ecoutez Pallas qui vous crie:
Vengez-moi, vengez ma patrie!

Und er ruft Katharina an:

Qu' Athènes ressuscite à ta puissante voix!

Deshalb ergreift ihn tiefe Wehmut, als sie daran denkt, Frieden zu schließen, ohne Griechenlands Freiheit gesichert zu haben, und er sagt (20. Juli 1770): »Wenn Sie Frieden schließen, was wird dann aus meinen armen Griechen?«

Einen Monat später schreibt er betrübt an Friedrich: »Sie wissen, welches Fest es für mich gewesen wäre, die Nachkommen von Sophokles und Demosthenes frei zu sehen.«

Was er zu erleben hoffte, ging erst 1830 in Erfüllung, sechzig Jahre später. Griechenland wurde ein kleiner freier Staat, dessen Unabhängigkeit 86 Jahr lang unangefochten blieb.

XI

Es ist leicht zu verstehen, welch einen tiefen Eindruck der Tod Voltaires auf Katharina machen mußte. Sie war empört darüber, daß man sich in Frankreich weigerte, einem solchen Mann, dem ersten der Nation, ein Grab zu gönnen.

An ihren Korrespondenten seit 1774, Melchior Grimm, schrieb sie: »Seit Voltaire gestorben ist, kommt es mir vor, als hätte die gute Laune ihre Ehre verloren. Er war die Gottheit der Anmut (la divinité de l'agrément). Verschaffen Sie mir doch ein recht vollständiges Exemplar seiner Werke, um meine natürliche Anlage zum Lachen zu erneuern und zu stärken; denn, wenn Sie es nicht bald senden, bekommen Sie von mir nur Elegien zu hören. Schon längst rechne ich bei meinen Handlungen nicht mehr auf zwei Dinge: Den Dank der Menschen und den Nachruhm. Ich tue das Gute um des Guten willen, und nur dies hat mich aufgerichtet aus der Mutlosigkeit und der Gleichgültigkeit für alle Sachen dieser Welt, die mich bei der Nachricht von Voltaires Tod überfiel. Denn er war mein Lehrer. Er oder richtiger seine Werke haben meinen Geist, meinen Kopf gebildet. Da ich noch jünger war, wünschte ich, ihm zu gefallen. Hatte ich irgend etwas ausgerichtet so mußte es, um mir selbst zu gefallen, wert sein, ihm mitgeteilt zu werden, und sogleich erfuhr er es. Er war so dran gewöhnt, daß er mich ausschimpfte, wenn ich nicht selbst ihm Bericht erstattete und er etwas von anderen hörte. Schicken Sie mir doch hundert Exemplare der Werke meines Meisters, damit ich sie überall verteilen kann. Die sollen als Exempel dienen; ich will, daß die Geister sich durch sie nähren sollen.«

Katharina antwortet Grimm, als er zum Ausdruck bringt, daß er Kraft, Tiefe und Schönheit in ihren Briefen gefunden hatte, daß, wenn sich wirklich so etwas in ihrer Ausdrucksweise findet, sie das nur Voltaire verdanke. Sie habe sich nie geirrt in dem, was von ihm oder nicht von ihm geschrieben sei, habe sich sogleich ergriffen (empoignée) von der Klaue des Löwen empfunden. Niemand habe diesen Griff nachmachen können.

Sie möchte in Ferney eine Casa sancta bauen lassen, dem Haus in Loreto entsprechend.


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