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Zweiunddreißigstes Kapitel

Das war ein Fressen für die Zeitungen – mit zollhohen Überschriften berichteten sie spaltenlang über den vereitelten Bankraub in Alexandria!

Auch der alte Tucker hatte nach Tisch seinen Leuten den Bericht über das große Ereignis vorgelesen, und wenn es auch sehr langsam gegangen war, da er mit seinem eckigen, harten Zeigefinger den Worten mühsam folgen mußte, um nicht in die falsche Zeile zu geraten, so hatten doch alle begeistert und mit funkelnden Augen zugehört – nicht minder aufmerksam als die allgemein beliebte und wegen ihrer Kochkunst hochverehrte Wirtschafterin, die die Verbindungstür zwischen dem Eßzimmer und der Küche offengelassen und einen Stuhl dicht an diese herangerückt hatte, auf dem sie noch jetzt, etwas blaß, aber mit einem glücklichen Lächeln auf dem Gesicht, saß.

»Weiß der Teufel«, sagte ein älterer Cowboy plötzlich, »für diesen Jackson müßte unbedingt etwas getan werden!«

»Das mein' ich auch«, nickte ein anderer, »jedenfalls hat er mehr geleistet als zehn Sheriffs zusammen.«

Der alte Hausherr hatte die Zeitung umgeblättert.

»Halt mal«, sagte er, »da steht ja noch etwas. ›Doktor Hayman befindet sich unter strengster Bewachung im Gefängnis in ärztlicher Behandlung – ‹«

»Eigentlich doch ein Blödsinn, daß sie ihn erst wieder zusammenflicken, um ihn dann aufzuhängen«, unterbrach ihn trocken einer der Zuhörer.

»Hier ist auch die Liste der verhafteten Verbrecher«, fuhr Tucker fort, »mein Sohn ist, Gott sei Dank, nicht darunter.«

In der Küche seufzte jemand wie befreit auf, und ein Schafhirte, der älteste von Tuckers Leuten, murmelte:

»Sehen Sie, ich hab' es ja immer gesagt, unser Fred mag ein leichtsinniger Bursche sein, Lumpereien macht er nicht mit.«

Tucker beugte sich tief auf die Zeitung nieder, um seine Erregung zu verbergen, dann fuhr er plötzlich wieder auf:

»Herrgott, hier steht ja noch was über die Sache!« sagte er und las: »Letzte Nachrichten. Wie wir soeben erfahren, haben Magistrat und Stadtverordnete von Alexandria beschlossen, ein Gnadengesuch an den Gouverneur für Jesse Jackson einzureichen, das zur Unterzeichnung im Rathaus öffentlich ausliegt.«

»Das ist ja großartig«, meinte einer der Cowboys, »da werden wohl alle unterschreiben, denn jeder hat seine Ersparnisse auf der Bank liegen und verdankt es nur Jackson, daß er nicht auf seine alten Tage betteln gehen muß.«

»Der erste, der sich in die Liste eingetragen hat«, fuhr Tucker lesend fort, »ist der Distriktskommissar Tex Arnold.«

Ein beifälliges Murmeln ging um den Tisch.

»Donnerwetter, das gefällt mir«, sagte der alte Schafhirt, »ist doch ein feiner Kerl, der Tex Arnold!«

An diesem Nachmittag wurde nicht viel gearbeitet auf Tuckers Farm, überall standen die Leute in Gruppen zusammen und besprachen das große Ereignis. Darum fanden sie auch kein Wort des Tadels für die sonst so tüchtige Wirtschafterin, die ihnen zum Abendbrot verbranntes Fleisch, halbrohe Bratkartoffeln und einen ›ganz unmöglichen‹ Kaffee vorsetzte.

Gegen Ende der verunglückten Mahlzeit wurde die Türe, die von der Veranda in das Eßzimmer führte, geöffnet, und Fred Tucker trat ein. Alle fuhren auf, nur der Hausherr, ganz grau im Gesicht geworden, blieb sitzen.

Fred trat auf ihn zu und sagte:

»Vater, ich habe unrecht gehandelt, aber ich habe auf den rechten Weg zurückgefunden, und nun bin ich da, um dich zu fragen, ob du mich wiederhaben willst.«

Seine Worte klangen etwas eingelernt, und es war ihm sicher nicht leicht geworden, sie hier vor allen auszusprechen. Die Cowboys mochten das gefühlt haben, und darum schlichen sie sich einer nach dem anderen hinaus.

Nachdem der letzte verschwunden war, erhob sich der Alte, ergriff Freds beide Hände und preßte sie leidenschaftlich – sprechen konnte er noch nicht.

Damit war der Fall erledigt, der verlorene Sohn wieder ins Vaterhaus aufgenommen, kein Wort des Vorwurfs kam über die schmalen Lippen des Alten. Er zog Fred auf einen Stuhl neben sich nieder, setzte sich und sah ihn lange an.

»Nun sag mir nur das eine«, fragte er schließlich, »wodurch bist du anderen Sinnes geworden?«

»Das verdanke ich einem Mann«, erwiderte Fred langsam, »ohne den ich jetzt Dieb, Räuber, ja vielleicht schon Mörder wäre.«

»Und wer ist das?«

»Jesse Jackson.«

»Gott segne ihn! Er soll ja jetzt begnadigt werden, vielleicht finde ich dann einmal Gelegenheit, ihm für das zu danken, was er an dir getan hat.«

»Das kannst du nachher gleich tun«, sagte Fred lächelnd, »er ist nämlich draußen in der Küche.«

»Allmächtiger«, rief der Alte aufspringend, »warum hast du ihn denn nicht mit hereingebracht? Ist er vielleicht nicht wert, an meinem Tisch zu sitzen, daß du ihm in der Küche zu essen gibst?«

Er wollte zur Tür eilen, doch der Sohn hielt ihn zurück.

»Laß ihn, Vater«, sagte er leise, »ihn hat nicht Hunger in die Küche getrieben.«

»Sondern?«

»Liebe – Mary, deine Wirtschafterin, ist nämlich seine verlobte Braut.«

»Ach, darum war heute das Abendessen so schlecht«, meinte der Alte lächelnd und trank mit Todesverachtung den Rest des ›unmöglichen‹ Kaffees aus, den er hatte stehenlassen.

 


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