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Fünftes Kapitel

Für den nächsten Vormittag um zehn Uhr hatte Walt Devon eine Verabredung mit Clancy Williams in den »Zwei Engeln«. Nach dem Frühstück blieb ihm also noch genügend Zeit, eine andere, nicht minder wichtige Angelegenheit zu erledigen. Er verfertigte sich nämlich einen Sprungfederhalfter, in welchem er einen soliden, starkkalibrigen Colt unter der linken Achselhöhle befestigte, und ging dann in den Wald, um sich ein bißchen einzuschießen und seine Hand wieder an das schnelle Ziehen der Waffe zu gewöhnen.

Sehr zufrieden mit dem Ergebnis seiner Übungen war er gerade nicht – im Gegenteil, wiederholt knurrte er ärgerlich vor sich hin:

»Langsam wie ein lendenlahmer Hund bin ich geworden, und mit meinen Augen scheint auch etwas nicht in Ordnung zu sein.«

Bevor er dann zur Stadt zurückging, blieb er am Waldesrand eine Weile versonnen stehen.

Selbst um diese Stunde wogten noch bläuliche Dunststreifen um den Gipfel des Timbal-Berges, während die niedrigen Höhen zu beiden Seiten des Tales bereits in voller Klarheit dalagen. Dieses West-London, das sich da zu seinen Füßen dehnte, kam ihm vor wie ein Trugbild, das zusammen mit den wallenden Morgennebeln verschwinden würde – zumal er sich noch genau entsann, wie herrlich es hier gewesen war, ehe diese Straßen und Häuser, diese tief in den Felsen getriebenen Gänge und Stollen die Landschaft verunstalteten.

Er atmete tief und fragte sich – wohl zum tausendsten Mal, seit er erwacht war –, was diesen Herrn Burchard so versessen auf sein Land machen könne, daß schon eine kurze Verzögerung in den Verkaufsverhandlungen ihn zu einem Mordversuch bestimmte. Da er jedoch auch diesmal keine Erklärung für diese unwahrscheinliche Tatsache fand, schlug er sich die Angelegenheit vorläufig aus dem Kopf und machte sich auf den Weg zu den »Zwei Engeln«.

In dieser Kneipe war Clancy Williams, ein langer, hagerer und verschlagen dreinblickender Mensch, bereits eingetroffen. Devon ging auf ihn zu und sagte ohne jede Einleitung:

»Ich vermute, daß Sie für Burchard kaufen wollen – stimmt das?«

Williams öffnete die Lippen, als ob er antworten wolle, schien sich dann aber die Sache anders zu überlegen, starrte Devon eine Weile sprachlos mit offenem Munde an und erwiderte schließlich:

»Für wen ich kaufe, ist ja ganz gleichgültig, die Hauptsache ist, daß ich Ihnen einen anständigen Preis geboten und das Geld in bar hier bei mir habe.«

»Ich habe mir auch alle nötigen Papiere beschafft und den Kaufvertrag aufsetzen lassen – er braucht nur noch unterschrieben zu werden.«

»Na, um so besser«, sagte Williams sichtlich beruhigt. »Ich dachte schon, Sie wollten im letzten Augenblick noch Schwierigkeiten machen. Ich bin recht froh, daß Sie's nicht tun – besonders Ihretwegen froh, junger Mann, denn so bald wird Ihnen kein Mensch fünfzehntausend Dollar für Ihr lächerliches Stück Land bieten.«

»Es ist schon ein recht schönes Stück«, wandte Devon ein, »nahezu tausend Morgen bester Wiesen.«

»Beste Wiesen nennen Sie das? Im Sommer verrecken die Kühe vor Hitze drauf und im Winter erfrieren sie!«

»Das mag schon sein«, entgegnete Devon, »wenn aber West-London nach der Richtung hin wächst, kann man es in kleinen Stücken sehr vorteilhaft als Baustellen verkaufen.«

»Wollen Sie mich vielleicht uzen, Mr. Devon?« fragte Williams mit Würde. »Glauben Sie, Sie können ein zweites Chicago aus Ihrem Grund und Boden stampfen?«

»Auf alle Fälle sind fünfzehntausend Dollar ein recht bescheidener Preis dafür.«

»Ich bin anderer Ansicht«, erwiderte Williams trocken, »und zahle unter keinen Umständen mehr – machen Sie, was Sie wollen, junger Mann – ich könnte Sie nur beglückwünschen, wenn Sie annehmen.«

»Aber ich habe ihnen doch schon gesagt, daß ich alles zum Abschluß vorbereitet habe«, entgegnete Devon, zog eine Anzahl Papiere aus der inneren Rocktasche und breitete sie vor sich auf dem Tisch aus. »Die Sache ist in bester Ordnung, es braucht nur noch unterzeichnet zu werden.«

»Na, dann geben Sie her«, sagte Williams ungeduldig, »ich habe heute ja schließlich auch noch mehr zu tun.«

»Ich werde Ihre Zeit nicht mehr lange in Anspruch nehmen«, erwiderte Devon in liebenswürdigstem Tone, nahm die Papiere, zerriß sie in kleine Fetzen und zog sich dann rasch in eine Ecke des Saloons zurück.

»Was soll das heißen?« brauste Williams auf. »Glauben Sie durch solche albernen Mätzchen einen höheren Preis von mir zu erpressen? Nicht einen roten Heller mehr zahle ich – verlassen Sie sich darauf, junger Mann!«

»Zunächst wird es sich empfehlen, daß Sie sich zu Ihrem Auftraggeber verfügen und ihm erzählen, was ich getan habe«, rief Devon gleichfalls mit erhobener Stimme.

Die Köpfe aller Anwesenden wandten sich ihm zu, erstaunt sah man ihn an – diese allgemeine Aufmerksamkeit aber war es gerade, die Devon hatte erreichen wollen.

»Ich werde ihm sagen, daß er mir zugemutet hat, mit einem vollendeten Idioten geschäftlich zu verhandeln!« schrie Clancy Williams, der aufgesprungen war und drohend seine mächtige Faust ballte.

Devon lächelte nur zu ihm hinüber, und dies Lächeln hatte eine äußerst merkwürdige Wirkung auf Williams: er blinzelte plötzlich mit den Augen und wich langsam zurück, als ob er eine Schlange auf seinem Weg gesehen hätte.

»Sagen Sie Mr. Burchard, daß ich ihn im Laufe des Tages noch selber aufsuchen werde«, rief Devon, »und machen Sie ihn auch darauf aufmerksam, daß man in West-London sich bei ihm erkundigen wird, wenn ich zufällig plötzlich verschwinden sollte – Sie verstehen doch, was ich damit meine?«

Clancy Williams warf ihm noch einen letzten, vernichtenden Blick zu, dann schlüpfte er schnell durch den rückwärtigen Ausgang und blieb verschwunden.

Der Sieg, wenn man von einem solchen reden konnte, war augenscheinlich auf Seiten Walt Devons, aber er selbst war dessen nicht ganz sicher. Jedenfalls handelte es sich nur erst um einen Teilerfolg. Die endgültige Entscheidung lag gewiß noch in weiter Ferne, und niemand konnte wissen, wann sie fallen würde.


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