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Sechsundzwanzigstes Kapitel.
Auch ein Kampf

Hinter dem Ranchhaus stand ein einzelner Baum. Um seinen Stamm hatte man eine Kette geschlungen, die an Black Barts Halsband befestigt war, und tagaus, tagein lag der riesige Hund im Schatten und wartete auf seine Genesung. Neben ihm stand ein Stuhl für Barry, der hier viele Stunden des Tages und manchmal auch einen Teil der Nacht verbrachte.

Oft sah Kate Cumberland aus dem Schatten der Veranda nach dem Tier hinüber. Tag um Tag hatte sie versucht, mit dem Hund auf einen freundschaftlichen Fuß zu kommen. Jedesmal hatte er sich nicht gerührt, bis sie in Reichweite war, und hatte sie dann zurückgescheucht, indem er plötzlich seine mörderischen weißen Fangzähne entblößte. Und doch ließ sie sich nicht entmutigen. Sie war besessen von der grimmigen Entschlossenheit des Spielers, der Tag um Tag am Tisch gesessen und das Glück der Karten gegen sich gehabt hat, bis er den letzten Einsatz hinwerfend zwischen den zusammengepreßten Zähnen murmelt: »Das Glück muß sich ändern.« Kate Cumberland fühlte etwas Ähnliches. Sie sah in dem Hund das einzige Mittel, um mit Dan eine Verbindung herzustellen. Freilich, da war auch noch der Rappe, aber sie kannte Satan zu gut.

Oft und oft hatte sie beobachtet, wie Dan Barry mit geschickten Fingern Black Barts Verbände entfernte und die Wunden mit einer desinfizierenden Lösung auswusch. Sie kannte das Mittel, es brannte selbst auf der unverletzten Haut wie Feuer. Wenn man es auf eine Wunde brachte, mußte es Höllenqualen erzeugen, aber der Wolf lag vertrauensvoll vor seinem Herrn und ertrug geduldig den Schmerz, nicht einmal ein Zucken lief über seinen Körper. Als sie es sah, war ihr der Gedanke gekommen, daß hier die Gelegenheit gegeben war, ihr Glück zu erproben. Wenn sie erreichte, daß Black Bart unter ihren Händen ebenso still lag wie unter denen seines Herrn, so war sie in einem gewissen Grade in den mystischen Bund aufgenommen, der die drei, den Herrn, den Hund und den Rappen, vereinigte. So war sie unzählige Male hinausgegangen, ein Tuch unter dem Arm und die Schüssel mit der desinfizierenden Lösung in der Hand. Mit unendlicher Geduld hatte sie sich Schritt um Schritt und schließlich Zoll um Zoll an das Tier herangeschlichen, einmal hatte sie eine volle Stunde gebraucht, bis sie in der Entfernung von einem Meter von Black Bart angelangt war. Der Hund schien sich nicht um sie zu kümmern. Er lag mit geschlossenen Augen da, aber im entscheidenden Augenblick verzerrte sich plötzlich seine Schnauze und zeigte die fürchterlichen Zähne, ein dumpfes, drohendes Knurren ertönte, und seine Augen richteten sich drohend auf ihre Kehle. Ihr Herz hörte auf zu schlagen. Sie rannte ins Haus zurück, lief auf ihr Zimmer, warf sich auf ihr Bett und weigerte sich, den Rest des Tages über bis zum folgenden Morgen ihr Zimmer zu verlassen.

Und wieder stand sie mit der Schüssel in der Hand und dem Tuch unter dem Arm im Schatten der Veranda. Die Verzweiflung des Spielers in ihr wurde mit jedem Augenblick stärker und stärker, und schließlich faßte sie Mut, glitt die Stufen hinunter und bewegte sich stetigen Schrittes auf den Hund zu. In ihrer Erregung hatte sie ihre gewohnte Furcht beinahe vergessen, aber als sie nur noch einen Schritt von ihm entfernt war, duckte er tückisch den Kopf, die Zähne blitzten, und wie immer drohte Kate Cumberlands Herz den Dienst zu versagen. Trotzdem trat sie diesmal nicht den Rückzug an. Jeder Tropfen Blut war aus ihrem Gesicht gewichen und ihre Blässe ließ die Augen sonderbar blau und groß erscheinen. Schon hatte sie halb unbewußt den Fuß zur Flucht gehoben, aber dann bewegte sie sich – auf Black Bart zu. Ein Knurren empfing sie, das genügt hätte, den wilden Bär der Berge zur Flucht zu bewegen. Sie wagte noch einen Schritt, und der Hund raffte sich schwerfällig auf. Fest auf die unverwundete Vorderpfote gestützt, schien er zum Angriff bereit. Ein teuflischer grüngelber Glanz flackerte in seinen Augen. Sie sah die grinsenden Zähne, den roten dampfenden Schlund, die drohend zurückgelegten Ohren, die eisernen Muskeln des Genicks, und trotzdem ließ sie sich neben dem Ungeheuer auf die Knie nieder. Jetzt befand sich ihr Kopf beinah in gleicher Höhe mit seinen Zähnen. Wenn er zum Angriff überging, war keine Hoffnung, ihm zu entrinnen. Und dennoch legte sie ihre Finger vorsichtig auf den Verband, der über Black Barts Schulter lief.

Sein Kopf fuhr herum. Mit den flach angelegten Ohren, dem langen sehnigen Nacken glich dieser Kopf dem einer Schlange, die zum tödlichen Biß ausholt. Kate Cumberland hatte ihre Ärmel bis zum Ellbogen aufgerollt, und die Zähne des Wolfhunds drohten sich über ihrem Arm zu schließen. Sein Knurren war jetzt so tief und abschreckend, daß sie zitterte wie Espenlaub, und sie sah, wie dem Tier der Geifer vor die Schnauze trat. Sie wußte – sie wußte tausenderlei über Black Bart, und unter anderem, daß er den Geschmack von Menschenblut gekostet hatte. Sie dachte daran. Sie wagte nicht, den Kopf zu wenden, um nicht dem höllischen Feuer in Black Barts Augen trotzen zu müssen, und trotzdem war sie schon über alle menschliche Furcht hinaus. Sie hatte ein Stadium erreicht, in dem das Entsetzen in einen Rausch umschlägt, der mit wildem Mut beinah identisch ist. Und so wagte sie es, den Arm zu bewegen, in den sich jeden Augenblick die drohenden Zähne graben konnten. Ihre Hände bemühten sich vorsichtig, den Knoten des Verbandes zu lösen.

Das Knurren steigerte sich zu Tönen besessenster Wut. Die Zähne schlossen sich langsam – wenn sie sich durch die Haut bohrten, dann war Kates Schicksal besiegelt. Der Geschmack des ersten Bluttropfens mußte dem Tier den letzten Rest von Besinnung rauben. Sie fühlte, wie er an ihrem Arm zerrte. Wenn sie jetzt nur eine Bewegung des Schreckens machte, so würde der Dämon, der in dem Geschöpf steckte, die letzte Kette brechen. Sie wußte es. Die Angst flüsterte es ihr ins Ohr. Und doch erfüllte sie beinah im selben Augenblick ein mystisches Gefühl der Macht, das sie fähig machte, langsam den Kopf zu wenden und tief in diese grauenhaften Augen hineinzublicken.

Ihr Arm wurde freigegeben.

Black Bart duckte sich, ein Schauer lief durch die stählernen Muskeln seines Rückens, als plane er im nächsten Augenblick den tödlichen Sprung. Ihr Blick hielt ihn fest, und plötzlich trat der Umschwung ein. Das grüngelbe Leuchten seiner Augen wurde unstet – flackerte. Er blinzelte ein paarmal, und schließlich blickte er unsicher von Kate weg. Das Knurren verebbte in einem dumpfen, verdrossenen Murren, und dann streckte der Hund sich aus und lag, wie er vorher gelegen hatte. Allerdings hielt er den Kopf so, daß er sie beobachten konnte. Noch immer fletschte er lautlos sein furchtbares Gebiß, als sie mit raschen und geschickten Bewegungen den Verband löste. Jetzt war der Knoten geöffnet, die Binde fiel herab, und Kate konnte die rote, entzündete Wunde sehen. Ringsherum war das Fell sorgfältig abgeschoren. Sie tauchte ein Läppchen in die Desinfektionsflüssigkeit. Es brannte ihr an den Fingern. Mit kaum wahrnehmbarer Berührung legte sie das feuchte Läppchen auf die Wunde. Zu ihrem eigenen Erstaunen sah sie, wie der Hund plötzlich alle Muskeln entspannte. Sein Kopf fiel auf den Boden, das Murren wurde zu einem leisen Winseln, und dann endete auch dies. Sie hatte gesiegt! Als sie beschäftigt war, den Knoten zu knüpfen, der den neuen Verband festhalten sollte, schnellte Black Barts Kopf plötzlich in die Höhe. Er starrte nach etwas, was in einiger Entfernung hinter Kates Rücken sich befinden mußte, und Kate ahnte, was es war. Es gab nur ein Wesen in der Welt, nach dem Black Bart in dieser Weise Ausschau hielt. Ihre Finger wurden steif und zitterten. Langsam und unbeholfen knüpfte sie den Knoten fertig und merkte, daß jemand geräuschlos sich genähert hatte und nun unmittelbar hinter ihr stand. Schließlich faßte sie Mut und blickte auf, ehe sie sich von den Knien erhob. Mit überquellender Dankbarkeit stellte sie fest, daß es ihr gelang, in ruhigem und alltäglichem Tone zu sagen:

»Die Wunde ist schon viel besser. In wenigen Tagen wird Bart gesund sein.«

Dan Barry gab keine Antwort. Seine Augen sahen mit einem Ausdruck der Verblüffung an ihrem Gesicht vorbei. Jetzt merkte sie, er starrte nach einer doppelten Reihe weißer Spuren auf ihrem Unterarm, da, wo Black Barts Zähne sich eingedrückt hatten. Er wußte, woher diese Male stammten, und sie wußte, daß er es wußte. Ihre Kräfte drohten sie zu verlassen. Es war ihr zumute, als habe sie plötzlich Wasser in den Adern statt Blut. Sie wagte nicht, noch länger zu bleiben. Nur noch einen Augenblick, und sie mußte von einem wilden hysterischen Anfall geschüttelt werden.

So stand sie auf, glitt wortlos an Dan vorbei und schleppte sich langsam dem Hause zu. Sie machte den Versuch zu laufen, aber die Beine versagten ihr den Dienst. Endlich, endlich, endlich war sie im Schutz des Hauses angelangt, und kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, als sie fühlte, wie ihre Knie wankten. Sie mußte sich mit beiden Händen festhalten, als sie sich mühselig die Treppe hinaufschleppte, um in ihr Zimmer zu gelangen. Oben angekommen, warf sie einen Blick aus dem Fenster. Dan Barry stand, wo sie ihn verlassen hatte, und starrte den Hund an mit Augen, die nichts sahen.


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