Ferdinande Freiin von Brackel
Die Tochter des Kunstreiters
Ferdinande Freiin von Brackel

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8

Kein Recht soll eine Vogelscheuche werben.
Shakespeare.

In ihre Hand geliefert – damit hatte Dahnow sehr richtig die Summe der Wünsche der Gräfin gekennzeichnet. Wie alle Frauen, die einmal die Leitung einer Sache hatten, sah sie die Ursache des Unglücks einzig darin, sie eine Weile aus den Händen gelassen zu haben. Ihr Sohn hatte auf den Rat des Kaplans, der eine größere Selbständigkeit für ihn wünschte, die rheinische Universität besucht. Sie war nicht dafür gewesen, hatte es aber geschehen lassen; jetzt bot es ihr eine Art Trost in allem Kummer, daß derselbe aus einer ihr entgegenstehenden Meinung entstanden war. Es war ein schwerer Schlag, der sie getroffen hatte. Eine Natur, ganz auf Grundsätze gebaut, entnahm sie jede Handlung denselben; ein ernstes Pflichtgefühl war stets die Richtschnur ihres Lebens gewesen. Bei aktiven Naturen, besonders bei weiblichen Charakteren, liegt aber eine gefährliche Klippe darin, was alles sie in den Bereich ihrer Pflichten ziehen, und wie weit sie dieselben über andere ausdehnen. Von da bis zur Herrschsucht ist nur ein Schritt, wenn das Herz nicht mildernd dazwischen tritt.

Früh verwitwet, hatte die Gräfin sich mit seltener Energie und wirklicher Aufopferung sowohl der Führung ihrer Geschäfte wie der Erziehung ihrer Söhne gewidmet. Was sie an Zärtlichkeit besaß, gehörte ihrem ältesten Sohne, in dessen weicherem Gemütsleben sie eine Art Ergänzung fand. Sie hatte ihn dadurch sich ganz zu eigen gemacht, nicht denkend, was Mütter bei Söhnen oft vergessen, daß eben dies hingebende Gefühl, worin ihre Macht liegt, einst ebenso ausschließlich in die Hände einer anderen übergehen wird, für die dann das stärkere Gefühl spricht.

Sie hatte den Sohn ihren Grundsätzen gemäß gebildet: es waren kräftige, große Anschauungen, die aber in seinem Gemüte etwas Idealeres annahmen, sich nicht so an den trockenen Buchstaben banden. Daß aber beim ersten Schritt in die Welt seine Grundsätze, nach ihrer Ansicht, scheitern konnten, das ließ ihn in ihren Augen tief sinken. Mit mütterlicher Eitelkeit wollte sie den Grund dazu nicht in ihm, sondern in außergewöhnlichen äußeren Einwirkungen finden. Deshalb schob sie alles Unheil auf das ungebundene Studentenleben und auf »unwürdige Intrigen«. Wenn sie ihn erst wieder in ihren Händen wußte, hielt sie ihn für gerettet.

So sah sie es schon für einen halben Sieg an, daß er ihr jetzt gegenüber saß. Dahnow hatte sich geirrt; sie hatte noch im Augenblick der Abfahrt den Brief des Sohnes erhalten, dessen Bitte sie natürlich als die Krisis seiner Verblendung ansah, die weiter gar nicht zu beachten sei. Immer in jeder Sache gleich tätig einzugreifen, war aber einer ihrer Grundsätze. So hatte sie sich sofort entschlossen, auf den Gedanken Dahnows einzugehen, den Sohn heimzurufen, und daheim zu halten. Die Abholung ihrer Nichte aus dem Pensionat sollte der äußere Vorwand zur Reise sein. Im stillen hoffte sie auch durch die Anwesenheit eines jungen Mädchens die Heimat ihm wieder zu beleben, und später konnte sich daraus die Veranlassung ergeben, eine Saison mit den jungen Leuten in der Stadt zu verleben, um dem Sohne Zerstreuung zu bieten. Sie besaß einen jener Köpfe, die gleich alles bis zum Ende durchdenken und planen. Aber sie war auch eine kluge Frau darin, daß sie zu schweigen verstand. Kein Wort, was auf die Angelegenheit nur gedeutet hätte, kam über der Gräfin Lippen, während sie auf der langen Fahrt ihrem Sohne gegenübersaß. Die Freude, daß er sie begleite, hatte ihren Empfang wärmer gemacht, als es ihr sonst möglich gewesen wäre, und so blieb Kurt ahnungslos, ob sie wisse oder nicht.

Die Geschäftsverhandlung, in welche sie ihn zu verwickeln suchte, und worin der Grund seiner möglichst raschen Heimkehr liegen sollte, trug sie ihm ausführlich vor; durch das Interesse daran wußte sie ihn aus seinem augenblicklichen dumpfen Brüten etwas zu wecken. Die Antwort des Direktors, die der Kaplan ihr gebracht, sah sie eigentlich nur für einen anderen Schritt der Intrige an, hoffte aber doch Vorteil daraus zu ziehen. Für jetzt den Sohn möglichst wenig aus den Augen zu lassen, war ihr einziges Bestreben; sie hatte das dunkle Gefühl, als könne er jeden Augenblick ihr entfliehen. Am folgenden Morgen war daher ihre erste Bitte, daß er sie in das Pensionat begleiten möge, wo sie die kleine Lilly von dem Heimweh erlösen wolle, das sie dort nicht verließ.

Kurt empfand wenig Lust dazu; doch streiten wir am wenigsten gegen kleine Unannehmlichkeiten, wenn ein großer Kummer uns bedrückt. Er hatte nur dem Gedanken nachgehangen, wie Nora aufzufinden sei, nachdem die ersten raschen Versuche gescheitert waren, und wie er ihr und dem Vater beweisen könne, daß kein Hindernis ihm unüberwindlich scheine, wenn es gelte sein Glück zu erringen. Ueber den Plan, den er dabei innehalten wollte, war er noch nicht klar; der Gedanke, in seine Heimat zurückzukehren, war ihm selbst schon aufgedämmert, da ihm die Universitätsstadt doch für den Augenblick verleidet war, und er von jedem Ort aus seine Nachforschungen fortsetzen konnte. Der Aufenthalt des Vaters wenigstens konnte ihm nicht lange verborgen bleiben.

So begleitete er, um unnützen Widerspruch zu vermeiden, seine Mutter bis an die Klosterpforte. Er wollte sie dort verlassen, die Abgeschlossenheit des Ordens vorschützend. Die Gräfin aber nötigte ihn zum Eintritte; die Oberin sei eine Jugendfreundin und Verwandte; sie freue sich, ihr den Sohn vorstellen zu können. Gleichgültig gab Kurt auch diesmal nach. Ueber den altertümlichen kleinen Hof traten sie in das Gebäude ein. Die Pförtnerin empfing sie, führte sie in das Sprechzimmer und ging, wie sie sagte, die Frau Oberin zu rufen. Die Gräfin ließ sich auf dem kleinen härenen Sofa nieder. Kurt starrte gedankenlos die wenigen Bilder an, die das kahle Gemacht zierten. Mutter und Sohn hatten beide zuviel auf dem Herzen, um ein leichtes Gespräch zu führen.

Die Schwester kam nach wenigen Augenblicken zurück, zu melden, daß die Frau Oberin gleich erscheinen werde. Sie hatte eben das Zimmer wieder verlassen, als an der Tür jemand sie anzuhalten schien und eine leise Stimme nach der Oberin fragte.

»Nein, gehen Sie nicht hinauf, Fräulein,« sagte die Nonne; »die Frau Oberin wird sogleich hierherkommen. Sie würden sie oben verfehlen. Treten Sie gefälligst einen Augenblick hier in das Sprechzimmer.«

»Ich habe ihr nur ein Wort zu sagen,« antwortete die Sprecherin, und das leise Rauschen ihres Kleides ward hörbar. »Aber da sind schon Fremde,« setzte sie hinzu, einen Blick in das Zimmer werfend und auf der Schwelle stehen bleibend.

Graf Kurt hatte bei dem ersten Klange der Stimme gestutzt, und wandte sich jetzt hastig um. Einen Augenblick starrten sich zwei Augenpaare wie gebannt an.

»Nora, Nora!« schrie er, aufs höchste überrascht, auf und war schon an ihrer Seite. »Du darfst nicht hier sein! Du hast kein Recht, hier zu sein! Sie sollen dich hier nicht lebendig begraben!« rief er außer sich. »Alle Gerichte der Welt werde ich dagegen aufrufen, gegen solche Vergewaltigung. Du bist mein! Du hast es mir selbst gesagt.«

Die Gräfin schaute bei den lauten Worten sprachlos vor Entsetzen auf. Sie sah eine schöne junge Dame in der Tür stehen, deren Hände ihr Sohn in leidenschaftlicher Weise gefaßt hielt. Sie sah, wie die junge Dame eine abwehrende Bewegung machte und versuchte, sich aus dem Zimmer zu entfernen. Die Kräfte schienen sie aber dabei zu verlassen; denn plötzlich schwankte sie und lehnte bleich an dem Türpfosten.

Kurt umfing sie im selben Augenblicke. »Gehen Sie und rufen Sie die Oberin,« herrschte er die erschrocken dastehende kleine Nonne an. »Gehen Sie augenblicklich und bringen Sie einige Wiederbelebungsmittel mit .... Sie sehen ja, daß sie ohnmächtig wird. Die junge Dame ist meine Braut; ich habe ein Recht, für sie zu sorgen.«

Dabei hob er Nora mit kräftigem Arm auf und trug sie auf das Sofa, von dem seine Mutter unwillkürlich zurückwich.

Die Nonne verschwand; so etwas war in den stillen Klosterräumen wohl nie vorgekommen. Aber mit echt weiblicher Regung fühlte sie das größte Mitleid mit dem unglücklichen Brautpaare.

Kurt kniete indes vor Noras Lager nieder. Er rief ihren Namen mit den zärtlichsten Ausdrücken, er bedeckte ihre Hände mit leidenschaftlichen Küssen und beschwor sie, ihm zu sagen, warum sie ihn verlassen habe. Ihre Augen öffneten sich bald wieder; es war nur eine durch den Schrecken veranlaßte leichte Schwäche gewesen.

»Kurt,« sagte sie leise, und aus ihrem Blicke sprach all die Liebe, die sie empfand. Plötzlich aber richtete sie sich erschrocken hoch auf, angstvoll ihn zurückschiebend. Sie hatte die Gräfin bemerkt, den strengen, fast verzweifelten Blick gesehen, den sie auf den Sohn richtete.

Auch Kurt wandte sich um. »Mutter,« sagte er, »dies ist Nora. Sie sollte mir entrissen werden: du selbst führst mich ihr wieder zu. Es wäre dir vielleicht schwer geworden, sie dir zu denken, wie sie ist; nun fügt Gott es, daß du sie hier findest, daß du selbst sehen kannst, wie sehr sie deiner würdig ist. Ein Brief von mir war schon auf dem Wege, der dir alles sagen sollte; jetzt können wir dich hier um deinen Segen bitten.«

»Ich habe deinen Brief erhalten,« sagte die Gräfin kalt; »doch es gibt Torheiten, die keiner Antwort wert sind.«

»Mutter,« rief Kurt heftig, »dann weißt du auch, daß ich diese Torheit für meines Lebens einziges Glück halte und alles dafür hingeben werde.«

»Ich denke, es wäre genug der Szene,« sagte die Gräfin kühl. »Ich liebe nicht, Familienangelegenheiten vor Fremden zu verhandeln.«

Damit wandte sie sich um, denn die Oberin war eben eingetreten und sah mit erstaunten Blicken auf die erregte Gruppe. Nora aber sah sie kaum, als sie aufsprang und sich ihr weinend um den Hals warf.

»Was ist dir, mein Kind?« fragte die Oberin mild.

Kurt nahm in großer Erregung das Wort. »Frau Oberin, diese junge Dame wird hier widerrechtlich festgehalten! Selbst wenn sie freiwillig hierhergekommen, dürfen Sie ihren Worten keinen Glauben schenken, dürfen ihr Gelübde nicht annehmen. Sie ist dazu überredet, geängstigt, gezwungen worden! Sie gehört nicht Ihrem Beruf an: sie hat mir selbst gesagt, daß ihr Herz mir gehöre, hat mir ihr Wort gegeben. Nora, du kannst, du darfst das nicht leugnen!«

»Wer spricht denn hier von Festhalten, von Gelübde und Beruf?« entgegnete ruhig die Oberin. »Diese junge Dame ist mit ihrem Vater hierhergekommen, weil sie hier zehn Jahre lang erzogen wurde; sie wollte nur einige Tage bleiben und dachte morgen wieder abzureisen.«

»Nein, Nora, du wirst nicht reisen! Du wirst nicht abermals mir untreu werden! Kann deine Liebe so wenig ertragen? Ist sie zu schwach für etwas Geduld?« rief der Mann fassungslos.

»Herr Graf,« sagte die Nonne ernst, »solange die junge Dame hier unter meinem Schutze weilt, kann ich nicht dulden, daß Sie diese Sprache zu ihr führen. Ich weiß nicht, welches Recht Sie dazu haben, kann die Gründe nicht beurteilen, die Ihre Trennung veranlaßten, noch was Ihre Einigung hindert. Das haben Sie mit dem Vater der jungen Dame und mit Ihrer Familie abzumachen,« setzte sie bedeutungsvoll hinzu, indem sie den Blick auf die Gräfin wandte, die mit schmerzlich verzogenen Zügen dastand.

»Liebe Nora,« fuhr sie fort, »Sie werden besser tun, sich hinauf zu begeben, wenn Sie stark genug sind.«

Nora richtete sich gehorsam auf: zaudernd stand sie noch einen Augenblick still, dann wandte sie sich plötzlich zur Mutter Kurts. »Frau Gräfin,« sagte sie, und ihre Stimme hatte etwas ungemein Rührendes in ihrem Ausdruck, »o, ich hatte nicht gedacht, daß das Wiedersehen so herb sein würde! Sie waren so unsäglich gut für meine sterbende Mutter ... seien Sie nicht hart gegen die Tochter, die Ihnen ihr ganzes Leben danken wird. Es ist entsetzlich, die Ursache solchen Kummers zu sein!«

Die Gräfin war zu erbittert und erregt, um nur ein Wort zu verstehen von dem, was Nora sagte.

»Sie haben ihn so fest in Ihre Netze gefangen,« sagte sie abweisend, »daß wenig darauf ankommen wird, wie seine Mutter dabei fühlt.«

Nora richtete sich hoch auf. »Er hat mich aufgesucht, und ohne meinen Willen haben wir uns heute hier wiedergesehen. Er ist ganz frei!« sagte sie mit kalter Ruhe, und es lag etwas in dem Tone, was die Gräfin unwillkürlich aufsehen machte. Die schlanke Gestalt, wie sie ernst und stolz sich abwandte, imponierte ihr; das war der einzige Augenblick, wo sie die Verblendung ihres Sohnes begriff. »Mutter!« rief dieser außer sich, »versündige dich nicht an unserem Glück! Ich werde dich bitten können, aber ich werde auch zu handeln wissen ... Nora, sag' mir nur noch ein Wort!« und er wollte ihr nachstürzen.

Die Oberin vertrat ihm den Weg. »Sprechen Sie mit dem Vater der jungen Dame oder suchen Sie sie bei ihm auf. Hier darf ich Ihnen kein Wort mehr erlauben,« sagte sie fest. »Soviel ich weiß, wohnt Herr Karsten im Hotel Pelloux.«

Kurt sah in das milde Gesicht der Nonne; es war ihm plötzlich, als wenn er eine Bundesgenossin an ihr habe. »O,« bat er, »wenn Sie die mütterliche Freundin sind, von der mir Nora so viel erzählt hat, dann sagen Sie meiner Mutter, daß sie ihrer als Tochter würdig ist.«

»Sie besitzt alle Eigenschaften des Geistes und des Herzens, die sie zu einer solchen Stellung befähigen,« sagte die Oberin. »Aber, lieber Herr Graf, es gibt Verhältnisse, mit denen der Mensch sich nicht in Kampf einlassen soll, da er dies früher oder später fast immer bereut. Es wäre besser gewesen, Sie hätten sich nicht wiedergefunden.«

»Aber es ist wie eine Fügung Gottes ... zum drittenmal führt er uns so wundersam zusammen!«

»Was uns angenehm ist, nennen wir gern Fügung, und doch ist es oft nur Prüfung,« gab die Nonne mild zurück.

»Ich kann nicht länger hier weilen! Ich will einen Wagen haben, um zurückzukehren,« sagte die Gräfin heftig.

Die Oberin wollte schellen; Kurt aber erbot sich selbst einen Wagen zu holen.

Die Gräfin sank wie geknickt auf dem Sofa zusammen, sobald er das Zimmer verlassen.

»Klothilde,« sagte die Oberin, sie vertraulich wie in ihren Mädchenjahren anredend, »Klothilde, ich fühle und verstehe deinen Schmerz, deine bittere Enttäuschung. Aber nimm den Trost wenigstens: von keiner Unwürdigen hat dein Sohn sich fesseln lassen. Seit ihrer Kindheit habe ich sie ja erzogen, und, weiß Gott, wäre ihre äußere Stellung eine andere, er hätte keine bessere Wahl treffen können.«

Die Gräfin machte eine ungeduldige, abwehrende Bewegung.

»Ich weiß, wie sehr es gegen deine, gegen meine Grundsätze verstößt; ein fremdes Element in einen Stand zu drängen, tut selten gut. Aber kannst du dir keinen Ausnahmefall denken? Bei zwei Charakteren wie Nora und dein Sohn glaube ich nicht an eine flüchtige Leidenschaft. Es ist eine tiefe, reine Neigung, wie sie in jungen unverdorbenen Herzen entspringt. Die eigentümlichen Verhältnisse gerade haben sie erstarken lassen; denn auch er hat lange gekämpft, bis die Liebe siegte über die Kluft, die er kaum minder empfand als du. Soviel entnahm ich ihren Erzählungen, denn sie hat mir ihre kleine Geschichte anvertraut. Ohne den wichtigsten Grund aber eine wirkliche Neigung zu trennen, ist bedenklich ... du weißt, junge Herzen kehren sich nicht viel an alte Grundsätze.«

»Ich ändere meine Grundsätze nie,« sagte die Gräfin herb, »am wenigsten aber einer verliebten Torheit oder gemeinen Intrige wegen. Es ist meine Pflicht, so zu handeln.«

»Die Pflichten, die wir uns selbst auflegen, dünken uns immer die wichtigsten. Das Glück anderer aber läßt sich nicht nach eigenen Wünschen bauen. Klothilde, sei nicht hart, du könntest einen Sohn verlieren, anstatt eine Tochter zu gewinnen.«

»Sprich nicht mehr davon,« sagte die Gräfin ungeduldig. »Ich lasse mich nie beeinflussen. Ich wünsche übrigens nicht, daß Lilly von der Sache erfährt. Sie ist noch zu jung dazu. Heute nachmittag werde ich meinen Kaplan senden, um sie abzuholen. Ich fühle mich zu angegriffen dazu; verschweige ihr für jetzt meinen Besuch.«

Die Oberin versprach es. Kurt trat wieder ein. Die Mutter nahm seinen Arm nicht an, um zu dem Wagen zu gehen; doch stieg er mit ihr hinein. Stumm saßen Mutter und Sohn einander gegenüber. Vielleicht hoffte Kurt auf ein milderes Wort; aber schweigend langten sie in dem Hotel an. Kurt half seiner Mutter aussteigen, doch begleitete er sie nicht in das Haus. Er rief dem Kutscher nur eine Adresse zu, sprang wieder in den Wagen und fuhr von dannen.

»Wohin fuhr der Graf?« fragte die Gräfin den Kellner, der diensteifrig neben ihr stand.

»In das Hotel Pelloux,« lautete die Antwort.

Die Gräfin seufzte tief auf; die Adresse hatte sie verstanden.


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