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Parteisucht


Urtief begründet in der menschlichen Natur ist das Zusammenstreben derer, die nach gleichem Ziele trachten, zur Vereinigung.

Was Einzelwille nie bewirken könnte, wird durch die Sammlung vieler Willen oftmals doch noch Wirklichkeit, und eigene Überzeugung findet Selbstgenuß, wenn sie der gleichen Überzeugung auch in Anderen begegnet.

Vielfältige Betrachtungsweise aber kann dem gleichen Gegenstande gelten, und recht verschiedentlicher Sehnsucht Ziele erscheinen Menschen als erstrebenswert.

So ist es denn gewiß nicht widersinnig, wenn mancherlei Vereinigung sich bildet, um jeweils anderem Ziele zuzustreben, und reiches Leben kann aus solcher Vielheit sich erheben, trachtet sie danach, die Einzelkörperschaften wieder in Vereinigung zu fassen: einem Ziele zugewandt, das aller einzelnen Parteiung sonderliche Ziele überragt.

Es ist nicht schwer, ein solches Ziel zu finden, wird es nur dort gesucht, wo aller Wohl es finden lehrt, als solches das vor allen Sonderzielen erst erreicht sein muß, und nach ihrer Erreichung dann auch das Erreichte sichert.

So, wie dem Einzelnen gar vieles unerlangbar bleibt, was die Vereinigung der Vielen noch erlangt, so bleibt auch jeglicher Vereinigung noch vieles unerfüllt, dem eine überragende » Vereinung der Vereinigungen« zur Erfüllung helfen kann.

Selten aber ist solche Sammlung, obwohl sie die Regel bilden sollte!

Allzuselten sind noch die Einzelnen, in denen jene blinde Gier des Tieres überwunden ist, das sich auf seines Artgenossen Futter stürzt, auch wenn es die ihm selber dargebotene Nahrung dabei wild zertrampelt …

Zu selten ist noch Achtung fremder Meinung, – zu selten die Erkenntnis, daß dem etwa Irrenden nur dann geholfen werden kann, wenn er schon seines Irrtums in sich selber kundig wurde. –

Jeder glaubt sich selbst allein des besten Wissens sicher, und sieht in jedem Anderen der sich auf gleiche Weise gut beraten glaubt, nur noch den Feind. –

So wird Zersetzung und Zersplitterung bewirkt, wo nur die stete Sammlung dereinst aller Einzelmeinung wahren Wert zutagefördern könnte. – –

Man hat sich mit den Gleichgesinnten vielfach nur vereinigt um die eigene Einzelstimme, wie ein Echo, tausendfältig zu vernehmen, – da man durchaus nicht so gewissen Wissens ist, wie man zuweilen meint, und allzubald an seiner Sicherheit den Zweifel nagen hören würde, übertönte ihn nicht immerfort der Chor der Vielen, die auf gleiche Weise ihre Selbstgewißheit zu erhalten suchen …

Es wird dann jede andere Vereinigung verachtet und befehdet, da die ihr Angehörigen zur jeweils gleichen »Melodie« sich anderen Text ersonnen haben, der ihnen als nicht minder inhaltsreich, und gut begründet gilt.

Da aber jeder Mensch sein eigenes Meinen hat, das sich auch immer noch in mancher Art von dem des scheinbar gänzlich Gleichgesinnten unterscheidet, so läßt sich jegliche Vereinigung, soweit nicht Zwang sie künstlich noch zusammenhält, in immer kleinere Splitter spalten, bis zuletzt der Einzelne nur noch für sich allein »Partei« zu nehmen fähig ist.

Nur durch das Walten der Notwendigkeit, der kein Bezirk des Lebens sich entziehen kann, wird solche letzte Spaltung doch verhütet.

Es ist jedoch nicht zu verhindern, daß der Trieb zur Sonderung inmitten der bereits gesonderten Vereinigungen argen Schaden schafft, indem er die Vereinigten derart verblendet, daß sie selbst nicht mehr erkennen, was Vereinigung bewirken kann, bleibt sie getreu gegebener Naturbegründung, die Zusammenfassung fordert. – –

Was immer auch der Glaubenssatz besagen mag, der die Vereinigten verbündet, – wie immer sich die Gleichgesinnten lösbar denken, was nach Lösung schreit, – so bleibt doch aller Wert vereinten Wirkens stets bedingt durch lebenskräftigen Beweis, daß die gewählten Wirkungsmittel Dauerbares zu gestalten mächtig sind, und nur die stete Überprüfung vorgefaßter Meinung kann aus ihr den Weizen sondern von der Spreu. –

Gerade aber diese stete Überprüfung vorbestimmten Meinens wird unmöglich, wo Splittertrieb in immer neuen Thesen sich Befriedigung zu schaffen sucht!

Wo man nur flüstern sollte, wird alsdann geschrien, und wo man sorglichst sieben sollte, häuft man Schutt auf die in jeder denkrecht durchgepflügten Menschenmeinung auffindbaren keimkräftigen Körner!

Vergessen ist, daß alle menschliche Vereinigung nur dort ein Lebensrecht in sich besitzt, wo sie zu sammeln sucht. – –

Soll jemals wirkliche Gemeinsamkeit erstehen, so wird sie nur der geistgeborene Sinn für Sammlung zu erzeugen wissen, in notwendigkeitsbedingter wahrer Freiheit!

Altgeheiligte Kunde läßt den göttlichsten der Erdenmenschen sagen:

»Wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut!«

Wenn je ein Menschenwort: » Wort Gottes« war, so ist es hier gesprochen worden! – –

Nicht sammeln, – nicht zu sammeln suchen, – ist schon an sich selbst: zerstreuen! –

Alle Einwirkung des übererdenhaften Geistes, die dem Menschen hier auf Erden seelisch faßbar werden kann, sucht stets »zu sammeln, was verloren war«, – und wenn du das, was andere als übererdenhaft erkennen, da es ihnen so erlebnisnahe kam wie eigenes Selbsterleben, – beengten Blickes, nur in Irdischem begründet glaubst, so wirst du doch auch dann noch zugestehen, daß der Sinn für Sammlung wahrlich einer höheren Artung ist, als jener dunkle Trieb, der das organisch in sich selbst Gesammelte stets wieder zu zerstreuen, zu zersetzen strebt. –

Wahnsinn würdest du am Werke wissen, wollte einer eines jener hehren Marmorbilder die in alter Zeit ein großer Bildner schuf, in scharfen Säuren aufzulösen suchen, mit der Begründung, daß alsdann aus dem zersetzten Stein gewiß ein neues Werk entstehen werde, das den Verlust des solcherart vernichteten alsbald verschmerzen ließe …

So ist auch wahrlich viel zu wertvoll, was im Geistigen gereifte Bildnerkraft voreinst zu formen wußte, auf daß der Erdenmenschheit Bestes sich in ihm erhalte, – um es nunmehr schnellfertiger Zerstörung auszuliefern! – –

Zu wertvoll ist, was hohe Menschengeister in Jahrtausenden zu sammeln wußten, als daß es, ohne schauerliche Schuld an allen kommenden Geschlechtern, der Zerstreuung dargeboten werden dürfte!–

Wie deine Finger in der Hand verbunden sind, obwohl sie einzeln sich bewegen können, so sind wir Erdenmenschen einer Zeit, auf unsichtbare Weise in Verbindung.

Auch wenn du in die Wüste fliehen magst, oder in Meeresfernen eine öde Insel findest, die noch nie ein Mensch bewohnte, wirst du dich dieser unsichtbaren Lebens-Allverbindung nicht entziehen können!

Zerstörst du um dich her auch alles Zeugnis gleichzeitigen anderen Menschenlebens, so wird doch dieses allgemeine Leben, durch den Rhythmus feinster Vibrationen, die es selber mitbedingen, dich stets zu erreichen wissen, und was du denken oder fühlen magst, wird nie das Signum deiner Zeit verlieren!

Du kannst deiner Zeit heute nicht entfliehen, auch wenn du dich im Fühlen und im Denken tief in längst vergangene Zeit »versenkst«, – und wirst kein »Steinzeitleben« führen können, auch wenn du allen Formen der Kultur dich zu entziehen suchst! –

Wohl aber kannst du wählen zwischen Wert und Wahn, denn jede Zeit läßt Menschheitsförderndes zugleich erkeimen mit Verderblichem.

Du mußt nicht zur Beute kosmischer Dissonanzen werden, auch wenn zu deiner Zeit solches Geschehen hier auf Erden nun in Menschenhirnen seinen fernsten Ausklang findet …

Nicht zum ersten Male ereignet sich Ähnliches hier auf Erden, aber immer fanden sich auch Einzelne, die sich zu sichern wußten vor den tollen Süchten, die das Kreisen der Materie im Weltenraum zuweilen wecken kann im Blut des Erdenmenschen …

Sei diesen Einsichtigen gleich, und wahre dir vor der Parteisucht, die dich rings umgibt, – dein Selbstbestimmungsrecht! – –

Nur du wirst dermaleinst dir vor dir selber Rechenschaft zu geben haben über all' dein Tun im Ablauf dieses Erdenlebens, – und zu nichts wird dir dann nützen, daß du endlich einsiehst, wie es arge Torheit war, um einer »Zukunft« willen, die mit jedem Tage weiter flieht, die eigene Gegenwart dahinzugeben! –

Willst du dich selber nicht verneinen, so mußt du, selbstbestimmt, auch Anderer Dasein in dir fremden Formen, ebenso entschieden wie dein eigenes Dasein » wollen«, denn jeder Einzelne ist durch die Anderen, – erscheinen sie ihm auch ganz unerfaßlich »fremd«, – zu seiner Zeit bedingt und ihnen stets verbunden. –

» Haßt« du jedoch, was anders ist, als du, dann bist du unbewußt dein eigener Feind, denn nur aus dem, was nicht du selber bist, kannst du dich selbst in Zeit, wie Ewigkeit erhalten …


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