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Menschen sah ich am Werke, die Unerhörtes forderten von allen Anderen, – aber nicht vermochten, auch nur die geringste Forderung an sich selbst zu stellen.
Andere sah ich, die fast Übermenschliches von sich verlangten, das Gleiche aber auch von Anderen erwarteten.
Beides ist unmöglich, wo wirkliche Freiheit herrscht!
Beides kann keine Rechtfertigung finden vor den Geboten der Notwendigkeit!
Einer mag dem Anderen also gleichen, daß man beide fast verwechseln könnte, und doch ist Keiner irgend eines Anderen seelisches Ebenbild!
Daß du ein Maß dir selbst geschaffen hast, für das, was du von dir verlangst, gibt dir kein Recht, das gleiche Maß auch anzuwenden, wenn es sich um deinen Nebenmenschen handelt!
Eines jeden Menschen Maß wird nur bestimmt durch die ihm eingeborene »Maßgerechtigkeit«!
Viel wird verdorben in der besten Absicht, weil man sich » Rechte« zugesteht auf Grund erfüllter Pflichten, ohne sich zu fragen, wo denn das »Recht« begründet sei, die freie Forderung die man an sich zu stellen und auch zu erfüllen weiß, auf Andere zu übertragen?? –
Mit Recht sträubt sich vielmehr das Kind schon gegen solche aufgedrungene Belastung, – mit Recht verwehrt sich ihr der jugendliche Mensch, soweit er nicht durch Zwang dazu bewogen wird, sich grollend ihr zu fügen …
Es ist gewiß hier nicht die Rede von der Beispiels-Einwirkung, die dem, auf den sie wirkt, noch alle Freiheit läßt, sondern von jener argen Art, die das, was sie an sich als wertvoll achtet, auch mit Ingrimm Anderen beizubringen sucht, – ganz ohne Ahnung, daß die wahren Werte dieser Anderen vielleicht ihr selber ewig artfremd und daher ganz unerkennbar sind. –
Wie der von seinem Werte Überzeugte aber tausendmal das Blatt gewendet hat, so soll es nunmehr auch der Andere wenden, über den ihm Macht gegeben wurde …
Zahllos sind die Beispiele des alltäglichen Lebens, die Lust am Zwang in solcher Art am Werke zeigen, aber zahlreich auch die halbzerstörten Leben, die kaum noch zur Entfaltung kommen können, weil ihnen voreinst allzuviel Besorgnis, oder eingesteifter Eigensinn, die Freiheit » auszutreiben« wußte …
Wo aber Freiheit »ausgetrieben« wird durch Zwang, dort wird alsbald der Zwang zum üblen Führer: – zum Verführer werden, der dem Gespenst der Freiheit Folge leisten lehrt. –
Autorität läßt sich mit Freiheit derer, die sich selbst ihr unterordnen, unbedingt vereinen, und unvereinbar bleibt ihr nur das Trugbild, das nur eine Freiheit vortäuscht, die der ewigen Notwendigkeit entrückt erscheint! –
Zwang aber ist ein wühlender Vernichter jeglicher Autorität, denn seine starre Form der Forderung ist Einbruch in des Anderen Selbstbestimmungsrecht!
Selbst dort soll man den Zwang nach aller Möglichkeit zu meiden suchen, wo des zu Zwingenden Wohl ihn streng zu fordern scheint!
Zwang bleibt stets ein schlimmer Notbehelf, – auch dort, wo seine Anwendung zu Zeiten nicht umgangen werden kann!
In ungezählten Fällen wäre Zwang jedoch vermeidbar, bestünde wirkliche Autorität, als selbstgewollter Ausdruck in Notwendigkeitserfüllung ihrer selbst gewisser Freiheit. – –
Wo noch der Zwang vonnöten ist, » Autorität« zu stützen, dort ist zu fragen: – ob denn wirklich noch Autorität bestehe, oder nur ihr Spottbild, das sich zwänglich zu erhalten strebt?!
Autorität ist nur zu gründen auf in Freiheit dargebotenes Vertrauen!
Wo die Gewißheit fehlt, sein eigenes Wohl gewahrt zu sehen, dort ist für jeden freien Menschen schon zerstört, was wirkliche Autorität als Unterbau benötigt.
Wie alles, was in Sicherheit gefestigt stehen soll, bedingt ist durch den Boden, der es trägt, und durch die in den Boden eingesenkten Fundamente, so auch Autorität, – und dann nur wird sie unbedroht bestehen bleiben, wenn keine Flut sie unterspülen, kein Nachtgetier sie unterwühlen kann …
Nicht was sich selbst berechtigt: – Anderen » Autorität« zu heißen, ist dadurch Autorität, jedoch wird man vergeblich die Entfaltung irgend einer menschlichen Befähigung erwarten, wo nicht Autorität das Recht der Lenkung übt! – –
Auch alle, die berechtigte Autorität zu stürzen suchen, unterstellen sich bewußten Willens einer eigenen Autorität, die strengste Folgeleistung fordert. –
Es muß sich dann zuletzt erweisen, wo die wirkliche Autorität besteht, und wo nur Zwang und Überredung Rechte zu erhalten suchen, die das Vertrauen voreinst zwar gegeben hatte, aber fürder nicht mehr zuerkennen kann …
Lange mag Entscheidung sich in solchem Fall verzögern, – zuletzt jedoch siegt die Notwendigkeit, die dort allein Autorität bestehen lassen kann, wo Freiheit und Vertrauen sie begründen.
Wo das Gespenst der Freiheit Folge fand, dort wütet alsbald auch die fressende Sucht, bestehende Autorität zu stürzen, um eigene mit Zwangsgewalt an gleicher Stelle aufzurichten.
Es kann recht lange währen, bis die fürchterliche Folge solcher Seuche die Betörten endlich zu der Einsicht zwingt, daß sie zerstörten, was sie hätten nützen sollen …
Noch niemals aber ist der Tag der Einsicht ausgeblieben, und wehe denen, die alsdann der Trümmerhagel trifft, wenn ihre eigene Autorität in sich zusammenstürzt!–
Jedoch noch immer wußte die Notwendigkeit auch wieder wirkliche Autorität, in wahrer Freiheit fest gegründet durch Vertrauen, aufzurichten, wenn sie auch nicht die Opfer rückerstatten konnte, die irrendes Verlangen vordem forderte.
Das Leben weiß die unumgänglichen Gesetze seiner Selbsterhaltung immer wieder zu behaupten, auch wenn sich Willkür anmaßt, ihre eigenen Gesetzestafeln aufzustellen …
Auch reinste Absicht muß zuletzt zuschanden werden, will sie Änderung an dem bewirken, was Notwendigkeit verlangt, soll Leben nicht sich selbst zersetzen. – –
Da sich Erkenntnis aber nicht erhandeln läßt, und allzuoft auch bloßer Geltungstrieb sich durchzusetzen sucht, im Wahne, Wandlung zu bewirken nach der Weise die er sich erträumte, so fordert schon die bloße Klugheit, niemals blind Autoritätsberechtigung zu geben, wo Sturz bestehender Autorität als Mittel angeraten wird, zur Freiheit zu gelangen. –
Stets darf man sicher sein, daß denen, die mit solchem Rat Gefolgschaft werben, nur das Gespenst der Freiheit »vorschwebt«, dem sie, selbstgeblendet, folgen, nicht das Unheil ahnend, dem sie sich und Andere entgegenführen!
Wo aber wirkliche Autorität besteht, gegründet im Vertrauen derer, die in ihr sich selber Leitung setzen, dort wird die ihrer selbst gewisse Einsicht keineswegs die selbstbestimmte Unterordnung als Verminderung der Freiheit fühlen.
Auch ist die wirkliche Autorität stets in sich selbst gesichert vor Erstarrung, weil sie bewegt bleibt durch die Einzelwillen aller, die sich ihr in freier Anerkennung einen.
Gesetzt in der Erkenntnis des Gebotes der Notwendigkeit, schafft sie den ihr Vertrauenden die Hilfe, deren sie bedürfen zur Erfüllung des Gebotes, aus der die wahre Freiheit sich allein ergeben kann. –
Fast unsühnbare Schuld ist darum jeder Mißbrauch aufgetragener Autorität, – doch richtet solcher Mißbrauch stets sich selbst, indem er das Vertrauen unterwühlt, in dem allein Autorität Begründung finden kann, so daß, wo Mißbrauch sich ereignet, früher oder später in sich selbst zusammensinken muß, was seinen Fortbestand verwirkte.