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Gemeinsamkeit


Der Mensch bedarf auf dieser Erde der Gemeinsamkeit, so wie er auch im Geiste gleicherweise sich nur in Gemeinsamkeit erleben kann!

Gemeinsamkeit im äußeren Leben heißt: – was dir zu eigen ist als » Meinung«, auch anderer »Meinung« so zu einen, daß aus Aller Meinen ein gemeinsamer Besitz erwächst.

Jeder Einzelne ist eines anderen »Meinens« in dem er das, was bei so manchem Fischzug seines Denkens sein geworden ist, sich faßbar macht.

Aber jedes Einzelnen »Meinen« läßt sich mit dem des Anderen ver-einen, und so entsteht Gemeinsamkeit.

Jeder nimmt dann an des Anderen »Meinen« seinen An-Teil, und es gestaltet sich, als All-»Gemeintes«: das Gemeinsame.

Notwendigkeit aber läßt den Menschen das Gemeinsame auch dort noch suchen, wo sonst verbindsame »Meinung« fehlt, – besonders, wenn es Not zu wenden gilt, die aller »Meinung« nach, sehr schwer ertragbar ist …

So besteht in unseren Tagen die umfassendste Gemeinsamkeit durch allgemeine Unzufriedenheit.

Wenige nur werden hier auszuschließen sein.

Vor allem gilt die Unzufriedenheit den Formen, die das menschliche Gemeinschaftsleben sich zu eigener Sicherung erfand, mag solche Sicherung zuweilen auch den Untergang bedeuten für den Einzelnen.

Und hier ist Unzufriedenheit gar oft im Recht!

Es ist Torheit, das Gemeinschaftsleben aufzubauen, unbekümmert um das Wohl des Einzelnen der doch des Ganzen Baustein darstellt, und der Gemeinschaft dann nur freudig dienen kann, wenn sie ihm dazu dient, sich selber zu erhalten.

Es ist jedoch die gleiche Torheit, wenn der Einzelne sich selber so verkennt, daß er um seines bloßen Daseins willen schon ein Recht zu haben glaubt, Gemeinschaftsdienst für sich zu fordern, sei es in hoher Sonderstellung, oder um der Notdurft seines Lebens zu begegnen …

Ich meine nicht das Gleiche, wenn ich von » Gemeinschaft« spreche, oder von » Gemeinsamkeit«!

Was der Gemeinschaft angehört, gehört nicht mir, – wohl aber das, was ich mit Anderen gemeinsam habe.

Vor allem aber ist für mich » Gemeinschaft«: – äußere Zusammenfassung, während » Gemeinsamkeit« die Seele angeht. –

So kann der Einzelne denn auch nicht Anspruch stellen, daß die Gemeinschaft, nur um seines Daseins willen mit ihm teile, was an Werten ihr gehört!

Er selbst muß erst durch seine eigene Leistung »Mitbesitzer« werden am gemeinschaftlich verbundenen Besitz, – und seinen »Anspruch« wird der Wert bestimmen, den die Gemeinschaft seiner Leistung zuerkennt.

Unsinnig ist es, will man hier ein anderes Wertmaß fordern!

Stets wird die Gemeinschaft hoch zu werten wissen, was sie entbehren würde, bliebe es ihr versagt.

Wie könnte man jedoch erwarten, daß sie tausendfältig dargebotenes Talent so hoch bewerten solle, wie irgend eine Sonderleistung, deren sie bedarf!? –

In keiner Gemeinschaftsform kann das anders sein!

So mag der Einzelne zur Unzufriedenheit ein Recht besitzen gegenüber der Gemeinschaft, – doch die Gemeinschaft bleibt nicht minder auch bei ihrem Recht.

Suchst du zu leisten, was sonst die Gemeinschaft, ohne dich, entbehrt, dann wird sie dir in gleichem Maße »Mitbesitz« an ihrem Eigentum gewähren, wie sie durch deine Leistung sich » bereichert« fühlt. –

Die Zahl, nach der man deine Leistung wertet, bestimmt deine » Bezahlung«! –

Sagst du jedoch, du könntest das, was die Gemeinschaft braucht, nicht leisten, so gibst du selbst dein Unvermögen zu, und darfst dich nicht beklagen, wenn man dir keinen An-Teil bietet, wo du nichts mitzuteilen, oder darzubieten hast, was man zu werten weiß! –

Es wird dir wenig nützen, klagst du über die » geringe Einsicht« der Gemeinschaft, die deine Leistung nicht nach dem von dir bestimmten Werte schätzen könne. – –

Anders bezeugt sich Gemeinsamkeit!

Hier wird man das, was du zu bringen hast, als Zeugnis deiner Fähigkeiten achten, auch wenn man es gewiß niemals entbehren würde, und zugleich wird man von dir erwarten, daß du auch die Leistung jedes Anderen zu achten weißt, sofern sie nicht zurückbleibt hinter dem Vermögen seiner Kraft.

Man wird dir zu helfen suchen, soweit man kann, wird aber auch auf deine Hilfe bauen, wo du helfen kannst.

Aber vor allem wird man danach fragen: wer du bist?! –

Gemeinschaft fragt nur nach der Leistung, – Gemeinsamkeit fragt nach dem ganzen Menschen!

Erst dort, wo sich Gemeinschaft nicht in ihrer Form bescheidet, sondern sich zu seelischer Gemeinsamkeit erhebt, wird alle Unzufriedenheit verschwinden, – obwohl die Ungleichheit bestehen bleiben muß, da sie natur- und geistbedingt ist in Notwendigkeit! – –

Unser Gemeinschaftsleben krankt an der Verhärtung der Arterien die ihm Blut zuführen sollen zur Erhaltung …

Es wird nur gesunden können, wenn es mehr und mehr sich wandeln läßt zu wahrer Gemeinsamkeit!

Auch jetzt schon glaubt man ja so manches »in Gemeinsamkeit« zu tragen, oder zu besitzen, – aber das Wort Gemeinsamkeit ist da nur bloße Scheidemünze, und was es rechtens bezeichnet, fehlt noch allzusehr. –

Noch ist man weit davon entfernt, die »Meinung« eines Anderen zu achten, weil sie das »Seinige«: – weil sie sein Eigentum darstellt!

Noch wird die Leistung allenthalben nur nach ihrer materiellen, momentanen Wertvermehrungsfähigkeit gewertet, und der Mensch bleibt ohne jegliche Beachtung, wenn er nicht etwa mitbenötigt wird um seine Leistung darzubieten vor der ihn für die Darbietung entlohnenden Gemeinschaft.

Es fehlt noch gar viel, soll aus der Gemeinschaft die Gemeinsamkeit erstehen!–

Der Mensch in der Gemeinsamkeit ist seines eigenen Wertes wohlbewußt und schöpft aus diesem Selbstbewußtsein alle Achtung, die er auch dem Andern zugesteht.

Er weiß, daß er nur in dem gleichen Maße seiner eigenen Entfaltung nahe kommen kann, wie er auch Anderen zu helfen sucht, zu ihrer Selbstentfaltung zu gelangen.

»Gemeinsamkeit« bedingt wahrhafte Freiheit im Gefüge der Notwendigkeit, während »Gemeinschaft« keinesfalls davor bewahrt, die Beute des Gespenstes der Freiheit zu werden!

Gemeinsamkeit gleicht alle Gegensätze aus, da sie nicht minder das Geringe eingefügt weiß der Notwendigkeit, wie das die Menge Ueberragende!

In der Familie findet seelische Gemeinsamkeit ihr erstes Wirkungsfeld.

Gesegnet sind die Glieder der Familie, die es zu benützen wissen!

Weiter dehnt sich dieses Wirkungsfeld dann über Gemeinde, Land und Länder aus …

Allem Menschenleben bietet es Raum und Gedeihen!

Allen vermag es wirkliche Freiheit zu sichern, in der Fügung der Notwendigkeit!

Ist Freiheit aber allen gemeinsam, so wird sie wahrlich keiner dem anderen mehr entziehen wollen.

Sie ist gesichert, als eines jeden Einzelnen unbedrohtes » Eigentum«!

Sie ist Besitz geworden, – ist nun nicht mehr Traum der Sehnsucht!

So kann auch keiner mehr verleitet werden, dem Gespenst der Freiheit nachzujagen, und wo es ihm begegnet, wird er nur verlachend ihm den Rücken kehren.

Dann wird auch Keiner seine Freiheit je geschmälert glauben, lehrt ihn Notwendigkeit, mit vielen Anderen sich einem Willen unterordnen, in dem Gemeinsamkeit die vielen Willen eint! – –

Urbeginn der Vielheit ist die Einheit, – aber auch der Vielheit höchste Krönung!

Nur unter einer Einheit kann in Vielheit wahre Freiheit sich erhalten!

Einheit aber bleibt starr und steril, ragt sie nicht über einer ihr vereinten Vielheit auf! –

Aus Vielheit erhebt sich Einheit, um Vielheit in sich zu einen!

So vollendet sich Gemeinsamkeit! –

So baut Gemeinsamkeit sich selbst zur Pyramide auf, und krönt sich selbst in ihrer höchsten Einheit! – –

Nicht Wahl und Willkür aber darf bestimmen, was hier nur wahre Freiheit aufzurichten weiß!

Und nur nach Ordnung eingefügt dem Ganzen, wird der Einzelne zum Träger jener Einheit, zu der Gemeinsamkeit sich aus sich selbst erhebt, ist sie in sich vollendet! –


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