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Sie ist schon allerwärts gewesen, dachte Raspe, und das machte ihn unbestimmt traurig.

»Sie sind eine weitgereiste junge Dame,« sprach er.

»Ich?« fragte sie unschuldig und erstaunt, »ach, gar nicht. Im Sommer nahm Mama mich immer einmal mit und einmal auch im Winter – aber auf allen anderen Reisen mußte ich zu Hause bleiben – Papa sagte, es werde sonst zu viel. – Ich bin noch nicht mal in Aegypten und in Konstantinopel gewesen – Fiffi sagt, es sei so amüsant, wegen der Basare, dort kann man so nett kaufen. – Wenn ich mal heirate, mach' ich meine Hochzeitsreise nach Assuan. – Das steht fest.«

»So?« fragte er scherzend, »und wenn es nun ein Mann ist, der dazu keine Zeit hätte?«

»Ach – die nimmt man sich – Mama sagt: alles ist Geldfrage.« »Es gibt auch noch andere Fragen in der Welt,« antwortete er kurz und sah mit gerunzelter Stirn hinaus, als ob da irgendwo etwas Besonderes zu beobachten sei.

»Hab' ich was Dummes gesagt?« fragte Tulla sich bestürzt.

Raspe merkte auch, daß die Düne ihr am zweiten Tag schon Langeweile bedeutet hätte – ohne ihn.–

Und er dachte schwer:

Nicht alles Leben, nicht alle Freude muß einem Mädchengemüt vom Manne kommen – es muß auch seinen eigenen Reichtum haben – an dem es den Mann teilnehmen laßt – mit dem es ihn bereichert...

Und er suchte mit liebevollem Bemühen nach solchen Reichtümern. – Er dachte: vielleicht ist sie doch innerlich so abgelenkt, weil man ihr das von der Mutter geschrieben hat. Und er wagte es, ihr davon zu sprechen.

Sie saßen im Sande der Düne, im Windschutz einer Mulde. Nicht fern von ihnen, aber doch außer Hörweite, saß die Mutter und versuchte sich an einer Wellenstudie. Sie hielt eine Papptafel auf den Knien, den oberen Rand mit den Fingern der linken Hand haltend, und die Palette lag neben ihr, auf dem Malkasten. Sie rang sehr mühselig mit dem ihrer Begabung gar nicht liegenden Versuch, und schien den Sohn und das »Pflegetöchterchen« vergessen zu haben.

Der Himmel glänzte, das Wasser war durchleuchtet und grün, der seine Sand gleißte. Vom Horizont zog unter schwarzem Dampf eine Torpedobootsflottille vorbei.

Und in dieser großartigen Freiheit der Natur sprach Raspe zu Tulla:

»Darf ich Sie etwas fragen?«

Tulla bekam rasendes Herzklopfen.

Er will mich fragen, ob ich ihn liebhabe, fühlte sie.

Aber in ihren seligen Schreck mischte sich auch eine sie selbst ganz überraschende Beklommenheit.

»Bin ich Ihr Freund? Hab ich als solcher das Vorrecht, auch Dinge berühren zu dürfen, die vielleicht Ihnen schmerzlich sind?«

Schmerzlich? dachte sie. Und eine große Enttäuschung ernüchterte sie. Dies war doch offenbar und gewiß nicht das Vorwort zu einer Liebeserklärung.

Sie wurde ganz rot.

»Oh – Sie,« sagte sie, »ja Sie dürfen über alles mit mir sprechen – zu keinem Menschen in der Welt hab' ich so viel Vertrauen ...« »Es liegt in diesen Tagen irgendetwas auf Ihnen. – Da ist so etwas wie eine geheime Unruhe. – Nein, Unruhe ist schon zu viel gesagt.– –Es ist, als ob irgend etwas Sie verhinderte, sich an dieser großen Welt zu freuen.«

Mein Gott, dachte Tulla ganz betroffen, man kann sich doch nicht immerzu über Helgoland begeistern.

»So?« ... fragte sie nur unsicher.

»Und da hab' ich mir gedacht: es schmerzt Sie, daß Ihre Freundin Fiffi Ihnen solche Sachen schrieb. Vielleicht ist es gar nicht wahr.«

»Ach,« sprach Tulla höchst gleichgültig, »es wird schon wahr sein.«

Er schwieg. Sie glaubte: verstimmt! Und plötzlich fielen ihr allerlei Nebenumstände und Beziehungen zu dem Thema ein. Sie beeilte sich, ihn zu beruhigen.

»Natürlich – das ist Unsinn, was Fiffi schrieb – daß Mama das Trauerjahr nicht abwarten würde – solche Taktlosigkeit macht sie nicht – was würden die Leute davon denken! – O nein. – Und für die Brüder und mich wär's auch kein Unglück. – Mama stellt uns ganz bestimmt sehr unabhängig. Ganz bestimmt.«

Und er hörte genau heraus, weshalb sie ihm diese beruhigende Versicherung gab – ihre Gedankengänge lagen offen vor ihm da – er sah hinein, in diese naive Abhängigkeit vom Gelde, die sie auch bei ihm vermutete. Er fragte:

»Tut es Ihnen nicht weh, daß Ihr Vater so bald vergessen wird. Er war ein ausgezeichneter Mann.«

»Ja – Gott – gewiß – sehen Sie, ich – ich kann so was nicht begreifen – ich tröstete mich nie, wenn ich den Mann verlöre, den ich liebe.«

»Das glaubt jedes Herz von sich.«

»Aber Mama und Papa waren schon seit vielen Jahren nicht mehr glücklich. Warum soll sie nicht ein neues Glück suchen? Nur – ich möchte dann nicht mehr im Hause sein.«

Tulla sagte es mit leiser Stimme. Sie fühlte selbst: es war wie eine Bitte: Bewahre, rette du mich davor! ...

In all diesen Tagen erinnerte sie sich oft, daß Fiffi gesagt hatte: »Einem armen Bewerber muß man entgegenkommen, sonst traut er sich nicht ...« So was war leicht gesagt! Wie soll man entgegenkommen? ... Tulla fühlte immer von neuem: das kann ich nicht – alles, was von Feinheit in ihr war, wehrte sich dagegen ... Aber eben, jetzt – ja jetzt war sie »entgegengekommen« ...

Und sie saß herzklopfend und wartete auf den Erfolg. »Sie sind aber sehr verwöhnt – verwöhnter, als Sie selbst wissen,« sagte er, »es würde Ihnen schwer werden, sich einem engeren Leben anzupassen – zum Beispiel in einer Ehe, wo es mit einem festen, bescheidenen Einkommen rechnen heißt.«

»Trockenes Brot könnte ich essen und glücklich sein!« versicherte Tulla begeistert.

Er lächelte – er sah ein wenig melancholisch aus – welche Kindlichkeit in diesem Ausruf ...

»Aber das brauche ich ja auch gar nicht,« sprach sie weiter und war ganz eifrig, »das wäre doch Unsinn – Mama ist doch reich. Weshalb soll man auf so viel Schönes verzichten, wenn man's haben kann ...«

Ein Schweigen entstand. Tulla wußte nicht, was es zu bedeuten hatte.

Er war wie benommen von einem Gedanken ...

Von jener Frau Geld annehmen? ...

Und dann diese Mädchen, die aus einem Millionenhaus kommen, dereinst nur einen Bruchteil erben, aber die Ansprüche und Gewohnheiten nach dem Rahmen des Ganzen haben ...

In dies Schweigen hinein, das für Tulla so schrecklich war, daß sie beinahe geweint hätte, kam dann die Mutter mit ihrer Skizze ...

Tulla fand sie aufrichtig schön. Aber Raspe sagte, das Meer sähe aus wie Milch, in die ein wenig Spinatwasser gegossen sei. Und darüber lachte Sophie dann und war guter Dinge.

Am Abend war man in dem großen, verandaartigen Raum des Kurhauses. Da und dort an den Tischen saßen Marineoffiziere oder -beamte, auch einige Ausflügler, die hier ihre Osterferien verbrachten. Man konnte sich vorstellen, wie anders, wie gedrängt und lärmend hier im Sommer der Verkehr sein mußte. Hart an einem der großen Fenster wollte Sophie mit den beiden jungen Menschen speisen. Auf das Meer draußen sank die Abendstille nieder. Es wurde sehr langsam dunkel. Und dies allmähliche Versiegen aller Farben und aller Helle war sehr feierlich. Es war wie ein Abbild vom einstigen Erlöschen allen Lebens. Die Nacht auf der Erde ist Friede. Die Nacht auf dem Meer ist Grauen und Unendlichkeit. Die eine nimmt den Menschen still in ihre Arme, die andere macht ihn zum armseligen Geschöpf in der Finsternis – –

Dergleichen empfand Sophie. Sie starrte hinaus. Raspe saß still und war voll Andacht. In diesen Minuten gab ihm die Nähe des holden Mädchens ein zartes Glücksgefühl. Mancher lähmenden Enttäuschung widersprach sein Herz. Eine gläubige Zuversicht wollte siegen. Er sah alle lieblichen Wesenszüge, er fühlte Mut aufwallen. Liebe kann ja Wunder tun, warum nicht auch das: ein zur Oberflächlichkeit und zu Ansprüchen erzogenes Geschöpf zur Tiefe und Einfachheit erziehen.

Tulla winkte dem Kellner.

»Ziehen Sie doch endlich die Vorhänge zu ... so ...« Und sie drehte hausfraulich vorsorglich die Tischlampe auf. »Das ist ja langweilig, so ins Dunkle zu gucken.« Die Suppe kam; es war hell und warm, und Tulla schien sehr fröhlich.

»Auf die Heimfahrt morgen freue ich mich. In Hamburg ist es doch amüsanter. Aber nicht wahr, wir haben morgen früh noch Zeit, ich muß doch Therese etwas mitbringen ... helfen Sie mir einkaufen?«

Dazu war Raspe gern bereit. Tulla erwog: eine ausgestopfte Möwe und ein paar Tonfiguren, Bewohner in Landestracht vorstellend. »Das wird ihr sehr nützlich sein,« spottete Raspe, und Tulla ließ sich gern auslachen.

Nachher stellte sie Betrachtungen an über die Marineoffiziere, und sie bedauerte die armen Frauen.

»Beruf!« sagte Raspe. »Die Frau, die den Mann liebt, achtet seinen Beruf, bringt ihm Opfer.« »Ach bewahre – sie sieht den Beruf als ihren Feind an!«

»Warum?«

»Na – er nimmt ihr doch den Mann fast den ganzen Tag weg – eigentlich konnte man sich nicht wundern, daß Minna mit Papa ganz auseinander kam. Was hatte sie denn von ihm?«

Die Mutter sah sie aufmerksam an.

»Eine Frau, die liebt, hat Ehrgeiz für den Mann, nimmt Teil an den Sorgen, Freuden, Aussichten seiner Arbeit – ist stolz auf sie – hilft ihr – und wenn nicht anders als dadurch, daß sie die Häuslichkeit auf die Anforderungen seines Berufes glatt und behaglich einzustellen weiß.«

»Es ist immer bloß vom Mann die Rede,« debattierte sie eifrig.

»Ich finde im Gegenteil, es ist heutzutage immer bloß von der Frau die Rede.«

»So? Sie sind doch schlankweg der Ansicht, daß die Frau sich in den Beruf des Mannes zu fügen hat.«

»Unter allen Umständen,« sprach Raspe.

»Ach nein,« meinte Tulla naiv, »doch wohl nur, wenn die Verhältnisse so sind ... Ich meine – viele müssen doch verdienen und einen Beruf haben – aber wer es sich leisten kann ohne – wenn ich mal heirate, müßte mein Mann den Abschied nehmen – mich so liebhaben, daß er mir allein leben wollte –«

»Ihr Papa hat doch auch gearbeitet,« sagte er.

»Gott – ja – er wollte doch auch Exzellenz werden – das erwartete Mama bestimmt...«

Sie brach jäh ab. Es war gerade, als lege ihr jemand eine Hand auf den Mund. Sie fühlte, sie war im Begriff gewesen, etwas Taktloses zu sagen, beinahe offenherzig zu wiederholen, daß Mama von Jahr zu Jahr ärgerlicher über den fehlenden Adel gewesen war und auf die Exzellenz als auf einen Ausgleich gewartet hatte –

Wenn ihr das entschlüpft wäre! Großer Gott! Dann hätte Raspe noch gar gedacht, sie mache sich um seines Uradels willen so viel aus ihm. Und sie, sie hätte ihn auch geliebt, wenn er nur Schulz oder Müller geheißen hätte – es war ihr ganz egal – oder doch beinahe... Wegen der Mama, den Brüdern, der Welt und vor allen Dingen wegen Fiffi war es natürlich sehr schön, auf einen alten Namen pochen zu können. Aber sonst? ... Ja, ganz egal. Rasend liebte sie ihn – über alle Maßen.

Und deshalb mußte er auch später durchaus den Abschied nehmen... Tulla war sehr mit sich zufrieden, daß sie ihm vorweg angedeutet habe, er brauche nicht mehr abhängig zu sein. Das mußte ihn doch freuen – war doch eine herrliche Aussicht für ihn! Welcher Mensch hatte sich das nicht gewünscht! Nur noch Freude am Leben! Gar keine Plage mehr! Wenn sie nur erst verheiratet wären.

Ach, es konnte dann zu schön werden – Reisen – Sport – vielleicht auch mal in Frankreich auf dem romantischen Schloß des künftigen Gatten der Mama – wo sie schon alles aufs großartigste herrichten würde. Und kein Dienst mit frühem Aufstehen mehr, keine scharfen Vorgesetzten, keine bevormundende Kommandeuse – Viktor, der es doch wissen mußte, sagte auch immer, es sei Schinderei.. Und Viktor nähme auch am liebsten den Abschied – aber er konnte sich ja nicht ein bißchen einschränken und mußte deshalb erst eine wahnsinnig reiche Frau finden. Sie aber und Raspe, sie würden bequem mit dem auskommen, was Mama und Onkel Buschke ihnen bewilligten – deshalb brauchten sie noch immer nicht so betrübend sparsam zu leben wie die arme Frau von Hellbingsdorf ...

An diesem Abend, als Tulla sich ganz gehorsam hatte zu Bett schicken lassen – sie schwelgte förmlich im Gehorsam vor seiner Mutter – ging Sophie noch mit ihrem Sohn auf die Brücke hinaus.

Schwarz waren Himmel und Meer. Vom Kriegsschiff herüber glänzte Licht. Droben auf der Höhe glühten Strahlen auf und loschen hin im regelmäßigen Wechsel. Das Vaterauge des Leuchtturms öffnete sich und schloß sich – immerfort – in rhythmischer Bewegung von Licht und Dunkelheit.

Eng schmiegte sich die Mutter an den Sohn, der den Arm um sie gelegt hatte. Sie saßen auf einer der Bänke; unter ihnen, um die klobigen Holzfundamente der Brücke, schülpte das Wasser.

Sie sprachen zusammen – ganz wenige Worte – aus der Fülle ihres Verstehens heraus – als hätten Geständnisse sie vorbereitet – und alles war doch bisher mit Schweigen umhüllt gewesen.

»Vielleicht ist es meine Schuld,« sagte die Mutter leise und traurig, »zu sehr habe ich Euch für die Familie erzogen – für ihre Stille – ihren genügsamen Frieden – ihre Wichtigkeit – –«

Und ganz schüchtern fragte sie vor sich hin, beinahe wie an sich zweifelnd: »Sie ist doch noch immer das Wichtigste? ...«

Er drückte ihr fest und kurz die Hand zur Antwort.

»Das arme Kind – glaubst Du nicht, daß Erziehung ...«

»Nein, Mutter,« sagte er, »nein, da ist nicht bloß Angewöhntes, da ist Angeborenes« –

»Armes Kind ...«

»Kaum. Sie fühlt ja keine Leere. Und wenn sie den rechten Mann bekommt – ich meine, solchen, der den gleichen Geschmack hat« –

»Raspe,« flüsterte sie, »wir wollen doch hoffen..«

Er lächelte schmerzlich in sich hinein.

»Die Fürstin Siegstein sagte mal zu mir,« erzählte Sophie sich ermutigend, um dadurch den Sohn zu ermutigen, »sie sagte: ›Das Herz kommt nach, wenn der Kopf durchaus weiß: es ist vernünftig. Es ist so viel angeborenes Bedürfnis in einem zu lieben. Das hilft denn nach, wenn der Verstand mal 'ne unabänderliche Lebenslage etabliert hat. Und dann die Gewohnheit. Die gute Hälfte von dem, was man für Liebe hält, ist Gewohnheit,‹ sagte die Fürstin. Sie heiratete ihren Mann mit vielen Bedenken und war nachher so glücklich.«

»Es war da wohl umgekehrt: der Kopf war einverstanden, das Herz wurde nicht gefragt. Es gibt ja auch Fälle, Mutter – Fälle – wo das Herz wohl möchte – und wo es sehr weh tut, wenn der Kopf nein sagt ...«

Das war sein Fall – sie wußte es, und ihre Seele weinte.

»Der Kopf ist auch manchmal eigensinnig,« schmeichelte sie.

»Was hab' ich als bescheidener Mann denn anders, als im Einklang mit mir selbst zu sein. Darin liegt meine Würde, Mutter – tut sie nicht?«

Sophie fühlte eine Träne in ihrem Auge – Hoffnungen begraben tut weh. – Und gerade diese. – Auf der der Segen eines teuren Verstorbenen zu liegen schien.

Noch weher aber tat es, den Sohn in schmerzlichen Kämpfen zu wissen ...

»Um Allert hab' ich auch Sorgen,« sagte sie vor sich hin.

»Ich weiß es, Mutter.«

Und dann schwiegen sie und hörten dem großen Rauschen des Meeres zu, das in rastloser Bewegung gegen das Hindernis anbrauste, als welches das rote Felseneiland in seiner Breite stand. –

Auf der Heimreise war Tulla sehr unruhig. Sie dachte: heute ist sein Urlaub zu Ende. Und sie begriff sein Schweigen nicht. Und ganz allmählich überkam es sie: auch sein Wesen begriff sie nicht.

So gütig – so ernst. Ja, wie ein Schleier von Traurigkeit lag's darüber ... Warum nur? Sie zermarterte ihren Kopf ... Ganz gewiß – er dachte, er könne es nicht wagen.

Er war einer von den wenigen Männern, die durchaus nicht in den Verdacht kommen wollen, daß sie an das Geld und nicht an das Herz des Mädchens denken ... Oh, wie sollte sie es ihm nur zeigen, daß sie ganz felsenfest an seine Uneigennützigkeit glaubte – daß sie darauf schwor: ihr Geld sei ihm Nebensache – daß sie wisse: er könne, wenn er nur nach Geld heiraten wolle, so viel Partien machen.

Natürlich war es ganz unmöglich, ihm das zu sagen. Aber in ihrer zitternden Aufregung zeigte sie ihm, ohne zu wissen, ganz unverhüllt die Sehnsucht ihres jungen Herzens.

Und er spürte es. Sein Gemüt war ihm schwer. Er empfand es als Grausamkeit vom Schicksal, daß es ihm Glück vorgaukelte, das bei ernstem Betrachten nur brüchig aussah.

Wie viel Reiz hatte dies schlanke junge Geschöpf, mit den dunklen, bettelnden Augen im schmalen Gesicht ... Und das Verlangen wallte in ihm auf, sie in seine Arme zu nehmen und sie herauszuretten aus ihrem leeren Luxusleben.

Nein – stark sein – ein Mann bleiben. Und als rechter Mann nicht nur auf die Stimme des Blutes hören, sondern auch auf die Stimme der Vernunft.

Er glaubte nicht an sein Glück mit ihr. Er sah es – er fühlte es: sie standen auf verschiedenen Ufern – von den ernsten Eichenhainen des seinen führten keine Brücken zu den goldenen Gärten des ihren. Es gibt Naturen, die nicht kraftvoll genug sind, um verpflanzt werden zu können. Dies liebliche Kind würde niemals seine Anschauungen begreifen ...


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