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Von der Sankt-Pauli-Landungsbrücke ging der Salondampfer »Prinz Heinrich« Anker auf. Es fröstelte die Reisenden. Ein Apriltag – acht Uhr morgens – der konnte keine einschmeichelnden Temperaturen hergeben. Aber Raspe und seine Mutter freuten sich an der herben Luft. Denn man spürte wohl: der Ozean blies von weit her hinein. Und das noch nicht Gesehene, erst noch zu Erschauende lockte. Die Gewißheit, neue Eindrücke erleben zu dürfen, gab der reifen Frau jedesmal Kinderfreudigkeit zurück.

»Auf der Reise bin ich immer ganz jung,« behauptete sie. Und Raspe war, in diesen Augenblicken wenigstens, auch von der ungetrübten Genugtuung erfüllt, eine erfrischende kleine Fahrt antreten zu können. Er war so wenig verwöhnt. Ganz hell war seine Seele in ihrer schönen, aufrechten Einfachheit. Und wenn eine Freude, ein gesunder Genuß ihm geschenkt wurde, nahm er das mit einer gewissen dankbaren Sammlung in sich auf.

Tulla aber hatte seit gestern nachmittag so viel in sich erlebt, daß sie vor Verworrenheit und Aufregung gar nicht wußte, ob sie sich nun eigentlich freue oder nicht.

Sie ging mit Raspe auf Deck spazieren, stand auch wohl mit ihm an der Reling still, wenn er einem vorbeifahrenden Schiffe nachsehen wollte. Aber im Grunde bemerkte sie nichts von dem bunten Wechsel der Dinge auf dem wuchtig meerwärts flutenden Strom. Die hohen Ufer zur Rechten zogen sich hin, prunkvoll, von Villen gekrönt, von prachtreichen Gärten behangen. Zur Linken verdämmerte das weite, flache Land. Schiffe kamen ihnen entgegen, an deren ragenden Borden sich heimkehrfrohe Menschen drängten. Die grüßten die hamburgische Flagge mit hellem Jauchzen – man sah, sie waren erregt vor Ungeduld und fieberten der nahen Minute der Landung im deutschen Hafen entgegen. Sie winkten mit Mützen und wehenden Tüchern. Die kleine Zahl der Passagiere auf dem »Prinz Heinrich« grüßte wieder, und auch Raspe nahm unwillkürlich die Mütze ab und lächelte hinüber zu diesen Menschen, die auf der langen Seefahrt gleich Gefangenen geworden und nun vorweg schon im Befreiungstaumel lachten und gerührt waren.

Scharf vor dem Winde, der in ihren schweren Segeln rauschte, schnitten Fischereikutter durch die graugelben Fluten. Schleppdampfer mit schwarzwolkigen Rauchfahnen oben an ihren plumpen Schornsteinen arbeiteten hart gegen den Strom und zogen ein Gefolge von kleineren Schiffen hinter sich drein. Von Bord einer Kuff her, die sich mit gerefften Segeln so hafenwärts gleiten ließ, kläffte ein schwarzer Spitz: er stand auf den bleichen Brettern der hochgehäuften Holzladung und verzehrte sich in Zorn über diese Dinge, die da respektlos vorüberzogen, ohne daß er ihnen an die Beine hätte fahren können.

Man kam später auch an Inseln vorbei. Lang und schmal lagen sie da, stille Gelände, rasig und von Pappeln und Eschengruppen überragt, zwischen denen wohl auch ein großes, tieflastendes Dach hervorschimmerte. So wenig erhoben sie ihre Erde über das sie unruhig und in großer Bewegung umspülende Stromwasser, daß man sich vorstellen konnte, wie jede Flut und jeder Sturm Ueberschwemmungsgefahr bedeutete, und wie die einsam Lebenden vom Marschfieber geschüttelt wurden.

Und der Himmel wurde blauer, er schien sich förmlich zu heben, und das gab den Reisenden drunten auf dem rasch vorwärts wühlenden Dampfer ein Gefühl von größerer Leichtigkeit des Lebens. Das Unterwegssein war flotter, vergnüglicher. Dann kam auch noch die Sonne. Mit einem Male bewarf sie die Flut mit so viel Licht, daß es aussah, als seien hunderttausend Spiegelsplitter verstreut und das Wasser schaukele sie.

Raspe hatte das Gefühl: man bekommt größere Augen vor so gewaltiger Sehfläche. Er empfand: alles in einem weitet sich mit der Weite des Bildes, der Fülle aller bedeutenden Bewegung.

Er machte mit einem frohen Wort, einem raschen Ausruf Tulla zur Gefährtin dieser Freudigkeit. Er wollte sie zur Gefährtin machen – denn nach und nach spürte er wohl: die Welt zog an ihr vorüber – ungewürdigt – kaum gesehen – sie war so zerstreut, antwortete kaum.

Und Raspe mußte an seine Mutter denken, die alternde Frau – die ganz gewiß voll Glückseligkeit war und wie berauscht von jeder Segelsilhouette, die in kecker Linie und kühner Raschheit vor dem Horizont vorbeisauste – und gewiß stumm vor Bewunderung über die Feinheit des dunstigen Lichtes, in dem das Flachland verschwamm. Und dankbar und ferienfroh, dies Wandelbild von Größe und Raumunermeßlichkeit überhaupt genießen zu dürfen ...

Ja – die Mutter! Vielleicht nahm er zu sehr den Maßstab nach ihr ... Sie war immer so ganz Kind mit den Kindern gewesen – schien immer gerade das Alter, die Interessen und Begeisterung der Söhne zu haben – sich mit ihnen entwickelnd – sich ihnen ganz anpassend. Solche Mütter stehen vielleicht, ohne daß sie es wollen oder auch nur ahnen, zwischen dem Sohn und seinem Mut zur Ehe.

Sophie saß auf der Bank an der Steuerbordreling und hatte ihre Hände warm in die weiten Aermel ihres Mantels von links nach rechts, von rechts nach links gesteckt. Alle Sorgen waren weggehuscht wie Nachtgetier vorm Licht; alle Hoffnungen waren so gut wie erfüllt. – In einer so göttlich großen, erhabenen, von Sonne durchfluteten, von fröhlichem Wellengewoge erfüllten Welt mußte es auch noch Glück geben! Jedes dahinschießende Segelboot verbürgte es ihr; die stolz heranziehenden Dampfer brachten es mit; der lachende Himmel schüttete es herab ... Sie genoß die ganz grundlose, reine Daseinswonne, die Natur zu verschenken vermag – und nur sie ... Sophie sah auch immer wieder den Anblick vor sich, den die junge, holde Tulla gestern gewährt. – Mütterlich ging sie in das Zimmer der Wartenden und sagte so unbefangen wie möglich: »Nun, liebe Tulla, wollen Sie denn nicht nach vorn kommen? Mein Sohn ist da.«

Und als Tulla dann auf der Schwelle stand, war es ein Erlebnis.

Sophie wußte wohl: Frauen – alte wie junge – alle, alle können einen begnadeten Augenblick haben, der ihre Schönheit verklärt, ihre Erscheinung adelt – eine geheimnisvolle Erhebung ist das – sie reicht auch der Bescheidensten eine Krone.

Und die herbe Anmut der jungen Tulla war zu rührendstem Reiz verklärt, als sie da zögernd stand – die Augen fast schwarz vom Feuer des Glücks – auf den schmalen Lippen ein Lächeln voller Poesie der Jugend – die ganze schlanke Gestalt verkörperte Erwartung und keusches Zögern zugleich –

Sie, die Mutter, sie spürte es auch, obschon sie vermied, den Sohn gerade anzusehen: über sein männliches Gesicht ging der Glanz einer großen, beglückenden Ergriffenheit.

Es war ein Augenblick voll Andacht gewesen.

Nachher freilich schien da irgendeine Hemmung zu sein – der Glanz losch hinweg aus Tullas Wesen –

Vielleicht trug der Brief schuld daran, den sie noch mit der Abendpost aus Nizza bekommen hatte...

Sophie durfte ihn lesen. Und er verletzte auch ihr Herz – und ihr war, als wolle man einen teuren Toten beleidigen. Der Brief war die Antwort von Fiffi v. Samelsohn auf Tullas letztes Schreiben. Eine eilige Antwort, denn Fiffi hatte eigentlich keine, keine Minute Zeit, man wollte gleich zum Blumenkorso fahren. Sie teilte aber doch genau mit, daß ihre Mama und Tullas Mama den Wagen ganz mit weißen Rosen verkleidet haben würden. Dann floß noch eine neckische Bemerkung ein:

»Wollen wir wetten, Tulla? Noch ehe das Trauerjahr ganz vorbei ist, bekommst Du einen Stiefpapa. Meine Mama fände es nicht sehr geschmackvoll, sagt sie, weil doch der Baron Legaire zwei Jahre jünger ist als Deine Mama. Aber er hat ja ein Schloß in der Touraine – wenn's auch recht verkommen sein soll. Dies finde ich himmlisch! Obschon ich sonst nicht romantisch bin. Aber ein Schloß in der Touraine!«

Jetzt, wie Sophie hier saß und sich an dem gewaltigen Schauspiel erhob, das der in riesenbreiter Majestät sich dem Meere hingebende Strom ihr bereitete, jetzt dachte sie: der Brief kam zur rechten Stunde – er wird helfen, Tulla erkennen zu lassen, wo die wahren Werte des Lebens liegen.

Sie konnte von ihrem Platz aus manchmal die beiden sehen, wenn sie auf und ab schritten oder stehenblieben und hinausblickten – und sie sah auch wohl – die Unterhaltung floß spärlich.

Aber versteht man sich nicht oft am tiefsten im Schweigen?

Daß die Gedanken ihres Sohnes vergleichend sie suchten, ahnte sie nicht.

Tulla fror eigentlich, trotzdem sie ihre Persianerjacke anhatte und den Kragen hochgeschlagen. Sie war so herabgestimmt und wußte doch nicht genau warum. Fiffis Mitteilung schmerzte natürlich ein wenig. Nur ein wenig. Denn im Grunde genommen dachte sie doch bald nach Papas Tod schon: Mama heiratet gewiß noch mal wieder. Auch Viktor hatte in St. Moritz dergleichen geäußert und noch scherzhaft gesagt: »Meine Einwilligung dazu müßte Mama aber mit der Verdoppelung meiner Zulage erkaufen.«

Fiffis Prophezeiung überraschte sie also nicht so sehr. Und sie fühlte deutlich: wenn ich nur selbst glücklich werde, kann es mir ja egal sein, was Mama tut. – Und wenn Mama wieder heiraten will, ist sie gewiß vergnügt, mich rasch los zu sein, und knappt nicht mit dem Zuschuß ...

Ach nein, die Möglichkeit, daß Mama den Baron Legaire heirate, lag nicht so auf ihr – drückte nicht so seltsam allen Jubel nieder.

Was für eine merkwürdige Ueberraschung war es gestern abend gewesen. Raspe in Zivil! Wie verwirrend. Ein vornehmer, stattlicher Mann, auch im schwarzen Gehrock – Aber man mußte sich erst daran gewöhnen ...

Und Tulla sah auch: das Zivil war sehr gut gehalten – aber der Rock hatte solche Schals mit Seidenaufschlägen, die vor zwei Jahren Mode gewesen waren – Herrenmoden kannte sie genau von Viktor und Harald her, die sich glänzend kleideten – selbst Fiffi gab zu, daß Viktors Zivil auf der allerhöchsten Höhe sei – ja, Tulla ärgerte sich über sich selbst, daß sie überhaupt so etwas sah – und sah es eben doch.

Heute aber, auf der Reise, hatte er einen weiten Paletot an, der unter allen Umständen fertig gekauft war... Wie Viktor sich wohl darüber mokiert hätte – –

Aber – das war doch kleinlichste Nebensache – Und dann: sie war doch reich. Später brauchte Raspe nicht sparsam mit Zivil zu sein ...

Nun tat sich das Meer auf – grün und glasig drängte es sich in beginnender Flut dem Ufer zu, dem ausgehenden Strom entgegen. Die Wellen stiegen an und zerwarfen ihre Spitzen beim Fallen zu weißem Geschäum. Schwarz und groß kam der Schiffsleib eines Ozeandampfers auf dem Wasser daher, das die Farbe dunkelbraun durchströmter Smaragde hatte; die Möwen, des Schiffes durcheinanderschießendes Gefolge, flatterten kreischend über dem Strudel seiner Schrauben. Die Sonne traf ab und zu einen Flügelschlag, dann blitzten weiße Linien auf und verhuschten sofort wieder.

»Großartig!« sagte Raspe voll Andacht.

»Aber der Golf von Neapel ist viel schöner,« sprach Tulla; »und all die eleganten Menschen da an Bord – und die Mandolinenspieler – die so komisch übertrieben singen – ach ja – wenn man so nach Capri fährt – ich weiß nicht: dies ist gar nicht wie Vergnügen – so ernst ist es ...«

Er schwieg.

Nun kamen ein paar Tage, die aussahen, als liefen sie gelassen ab, und die Mutter lobte immer von neuem, daß sie ihr wohltäten, weil sie nichts von ihr forderten.

Und forderten doch etwas sehr Mühsames für ihr lebhaftes Temperament und ihr vor Erwartung klopfendes Mutterherz. Nämlich die Maske der vollkommensten Unbefangenheit. Sie mußte ihren Augen jeden beobachtenden und fragenden Blick verbieten. Sie mußte sehr viel Takt und sehr viel Kunst aufbieten, um das junge Paar sich selbst zu überlassen, ohne daß eine Absicht dabei spürbar ward. Sich selber mußte sie vor dem Gefühl bewahren, daß sie das Handwerk einer Ehestifterin übe ... Sie wollte ja auch keine Ehe »stiften« ... Aber ihre Seele war erfüllt von dem innigen Hoffen, daß die junge Liebe dieser beiden sich festige und kläre. –

Denn sie sah rasch: diese Liebe nahm nicht den schnellen und sicheren Werdegang zu einem Bündnis. – Da waren auch keine stürmischen Kämpfe – viel Beängstigenderes wuchs da: eine stille, trübe Schwere ...

Sie sah: die Wage schwankte auf und ab ...

Und in ihrem erfahrenen Herzen dachte sie inbrünstig dem Sohne zu: Könnt' ich dir doch das Beste, das Notwendigste hineinlegen in die Seele – den Mut, den Glauben –

Es war sehr merkwürdig, auf diesem Eiland zu sein. Es glich einem von Waffen starrenden Kriegsschiff, einem von phantastischen, zyklopischen Formen und Größen, das eines Zauberers Riesenfaust hier verankert hatte. Mitten in dem flutenden Meer, in der gewaltigen Einsamkeit der Wasser stand dieses Wunderwerk – Körper gewordene Drohung! Durch das Gestein seiner roten Felsen führten geheime Gänge von umschützten Landungsstellen aus hinauf zum Oberland. Und von seiner ragenden, kahlen, windumtobten Höhe richteten die Geschütze ihre schlanken Läufe meerwärts. Die Bauten und feinen Linien von Telefunkenstationen, Signalvorrichtungen, allerlei fremdartigem und für den Laien unbegreiflichem Gestänge ragten aus dem roten Felsenrücken. Der Leuchtturm, einst in Oede und feierlicher Stille der einsame Wächter, war nur noch ein Teil der geheimnisvollen, mächtigen Sprache, die durch die Wundermittel der Elektrizität ihre Sprüche und Warnungen weit hinausrief. Aber er stand in ehrwürdiger Feste und blinzelte abends aus seinem roten Strahlenauge scharfe Blicke hinaus über das dunkelwogende Meer.

Zu Füßen der nordwestlichen Felsschroffen, unten an den jähen Abstürzen, wuchs neues Land an.

Was der Ozean vor Jahrhunderten dem Knochenbau der Felsen vom Erdkörper abgerissen, so daß sie kahl und karg stehenblieben, nicht mehr, umschmiegt von lieblichen Geländen – das schien nun die große Dienerin der Macht und der Völkerblüte, die Kriegskunst, der Insel wieder zurückerobern zu wollen.

Ein pochendes, unaufhörliches, streng bewachtes und geleitetes Arbeitsleben war um die Insel. Bagger kreischten in Ketten und strudelten klatschend sandigen Inhalt in umhegte Reviere; Barkassen schossen hin und her. Ein Kreuzer, grau und eisern, ankerte auf der Reede; die weiße Kriegsflagge mit dem Reichsadler in dem rechten obern Viertel strich der Wind glatt aus.

In den engen Straßen, die das Häusergehocke zwischen Fels und Strand am südwestlichen Ende der Insel durchschnitten, war jeder zweite Mensch ein Matrose in der blauen Uniform der Kriegsmarine. Und man erriet es wohl, daß der eingeborenen Bevölkerung Daseinsbedingungen anderer Art aufgezwungen sein mußten – nicht mehr der Badegast war für sie der hauptsächlichste Geldgeber – nicht mehr der Fischfang und die Seefahrt nährten zumeist ihr Leben – die Kriegsmarine hatte ihre eisernen Fäuste auf das rote Eiland gepreßt – und aus diesen ehernen Händen empfing es nun seine ungeschriebenen Gesetze, seine Arbeit, seinen Gewinn. –

Dies alles hatte für Raspe geradezu etwas Berauschendes. Er bewunderte, er staunte, er war stolz, als Deutscher, als Soldat. Die kühne Arbeit, die hier getan wurde, im Kampf mit tosenden Stürmen und brausenden Wogen, bedeutete ihm eine Schönheit der größten Art: die der Technik, die des Mutes. –

Tulla war immer von neuem in ihn verliebt, wenn er straff und stolz neben ihr einherschritt und mit einem stillen, großen Leuchten in den Augen auf all diese Mannestaten sah.

Von Herzen gern wollte sie mitbewundern. Aber sie verstand nun wirklich nicht, was daran zu bewundern sei.

Sie sah so reizend aus, in der weißen dicken Wolljacke und in dem weißen Wollmützchen, das bis über die Ohren herabgezogen war. Und wenn der Wind sie packte, mußte sie Raspe manchmal am Arm halten: es sah aus, als würde sie sonst davongeweht werden. So jung, so schutzbedürftig, ganz seiner festen Hand anheimgegeben war sie dann ... Und sie hatte ein glückliches Gefühl davon, und ihre Augen strahlten zu ihm empor ...

Am ersten Tage, als man zur Düne hinüberfuhr, sagte Tulla:

»Hier ist es hübscher.«

Das verstand Raspe wohl. Das Idyll der sandigen Düne mußte dem holden Kinde beruhigender und vergnüglicher erscheinen als drüben der für das Grauen einer Seeschlacht so furchtbar gerüstete Felsen.

Auch die Mutter breitete beglückt die Arme aus.

Sonne wärmte den weißen Sand und täuschte eine andere Jahreszeit vor; die von Salz gesättigte Luft prickelte wie Hitze auf der Haut. – Man konnte sich hinlegen und mit geschlossenen Lidern dem Rauschen der heranflutenden Wogen zuhören und dem Rhythmus ihres Zurückrinnens.

Jeden Tag, gleich nach dem Essen, ließen sie sich hinüberbringen – segeln mochte Tulla nicht, so mußte gerudert werden. Viktor und Harald hatten einmal in Montreux beim Segeln beinahe umgeworfen – sie sagten zwar immer: Mama und Tulla hätten es sich in ihrer unnützen Angst bloß eingebildet. Aber seither war Tulla doch eben zu furchtsam. –

Nun – daran lag ja nichts –, ob man nun ruderte oder segelte. Drüben war es immer gleich schön. Der Himmel wollte ihnen so wohl. Es blieb sonnig-stürmisch bei blauem Himmel. Als die Mutter das pries, sagte Tulla:

»Bei schlechtem Wetter müßte es hier auch zum Auswachsen sein.«

»Oh – ich möchte, wir erlebten hier großes Unwetter,« – meinte Raspe. »Was sollten wir dann wohl machen?« fragte sie naiv, »im Hotel sitzen und uns langweilen? Das haben wir mal im Hangenäsfjord gehabt – ich sage Ihnen, es war schrecklich. Mama weinte beinahe. Na, Mama hatte ja mehrere Bekannte mit sich – die Gesellschaft spielte dann schließlich Poker und vergaß den Regen – aber ich? Es war tötend.«


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