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Im Kreuzgang.

Greifenstein hatte an dem herben Mittagsmahle der Mönche zu Lorsch theilgenommen. Jetzt wandelte er mit ihnen nach Tische, wie es die Norbertiner nach der Ordensregel zu thun pflegten, in dem herrlichen Kreuzgang. Dieser lief im Viereck um einen inneren Hof, gewöhnlich »Turnierhof« genannt, weil hier die Klosterschüler ihre wissenschaftlichen Uebungen, Vorträge und Disputationen zu halten pflegten. Außerdem waren die Kreuzgänge gleichsam das Forum des Klosters, daher die sinnigen Formen und zur Beschauung anregenden Lagen und Bauweisen derselben. Nach einer Seite bildeten sie offene Hallen, von zierlich ornirten Steinsäulen getragen. Immergrün und Epheu, im Boden des Hofes wurzelnd, liefen an vielen Säulen empor, während andere durch Blätterwerk und Ranken, gar meisterlich und täuschend in Stein gehauen, geschmückt waren. Die inneren Wände, welche die Mauern der Kirche des Klosters und der Schule bildeten, waren durch fortlaufende bildliche Darstellungen aus der Bibel, der Legende und der Geschichte der Abtei Lorsch geschmückt, nicht allein für das Auge ein Gegenstand angenehmer Unterhaltung, sondern auch für die Mönche Stoffe zu Betrachtungen.

Wie mit trauten Freunden, die sich herzlich seiner Gegenwart freuten, wandelte Sighard mit den Mönchen unter den Gewölben des Kreuzganges. Auch er trug das rauhe Gewand des heiligen Norbert. Wer die Clausur überschritt, mußte sich dieser regelrechten Bestimmung fügen. Die Kaputze über das lockige Haupt gezogen, und im Aeußeren den Mönchen gleich, verriethen doch Haltung und Bewegungen Sighards den verkappten Ritter. Dagegen war keine Nachahmung im Stande, das Gepräge des Mönches wieder zu geben, weil es der Innerlichkeit des Ordenslebens entsprang. Nur Jahre lange Zucht, gewissenhafte Beobachtung der Regel, erkämpfte Selbstverläugnung und beharrliche Abtödtung, konnten diese würdevolle Bescheidenheit und einfältige Ungezwungenheit dem Wesen der Mönche verleihen. Stets schweigsam, in ernste Betrachtungen versenkt, oder ausschließlich den vorgezeichneten Berufspflichten hingegeben, wie es die Regel gebot, waren sie beim Verkehr in den Erholungsstunden heiter und lebhaft. Sie neckten und scherzten, sie stritten mit einander über dunkle Stellen der Schrift, über Worte heiliger Sänger und heidnischer Dichter Roms oder Griechenlands, wie es gerade die Unterhaltung, ergab, – ohne jedoch jemals durch ein hartes, beleidigendes Wort die brüderliche Liebe zu verletzen. Und so glichen sie in der Rekreationszeit einer Schaar unschuldiger, zuweilen muthwilliger Kinder, – ihrerseits den Beweis liefernd, daß niemals die Kindheit des Menschen altert, so lange er die Unschuld der Kindheit bewahrt.

Der Besuch ihres ehemaligen Zöglings erfreute die Brüder gar sehr. Jeder wollte ihm zur Seite gehen, mit ihm in möglichst nahe Berührung kommen, ihm ein liebevolles Wort sagen, so daß Greifenstein gerührt ward durch diese Beweise inniger Freundschaft. Als jedoch im Verlaufe ernste Gegenstände die Unterhaltung berührten, da änderte sich die einfache und leichte Verkehrsweise der Mönche. Das heitere Gerede der Einfalt verwandelte sich in gelehrte Erörterungen, eingehend und ernst erwägender Männer.

»Wißt ihr auch, meine Brüder, wer uns den Heidolf eigentlich entführte?« rief scherzend Magister Hildebert, ein kundiger Arzt, der zugleich mit den Zöglingen der inneren Schule die griechischen Dichter las. »Dies hat unser Sighard mit seiner makellosen Ritterlichkeit gethan. Sein leuchtendes Vorbild war für Heidolf gar zu verlockend, bezaubernd, hinreißend. Heidolf calculirte folgendermaßen: Sighard war, was ich bin, ein Klosterschüler in Lorsch, – warum sollte ich nicht werden, was Sighard jetzt ist, nämlich ein kühner Degen und hochgefeierter Kämpe? Trifft Heidolfs Folgerung mit seiner Voraussetzung zusammen, dann hat Mutter Lorsch nichts einzuwenden; denn gute Ritter sind ebenso gut, wie gute Mönche.«

»Habe ich die Thränenbäche verstanden, die aus Heidolfs Augen hervorbrachen, als er sich verabschiedete, dann wird es der Knappe kaum zum Ritter bringen,« entgegnete Propst Burkhard. »Mir dünkt, Heidolfs Waffenliebe sei nur ein Traum. Erwacht der Träumende zur Wirklichkeit, so wird er in die stets offenen Arme seiner liebenden Mutter Lorsch zurückkehren.«

Die Worte des ehrwürdigen Propstes machten auf die Mönche den Eindruck einer Prophezeiung. Schweigend gingen sie weiter. Magister Ermenold flüsterte: »Amen, – fiat!«

Da fiel wüthendes Hundegebell in die eingetretene Pause der Stille. Sighard blieb unwillkührlich stehen und mit ihm die Mönche.

»Ich glaube gar, der Vogt hat seine Hunde in das Kloster gelegt?« sprach er.

»Noch nicht ganz!« antwortete Gerbod, der Prior. »Vorläufig werden die Eberfänger und Wolfshunde in der Herberge bewirthet.«

»Unerträglich und rücksichtslos!« rief Sighard entrüstet. »Dieses Geheul und Bellen muß die ehrwürdigen Väter in jeglicher Geistesthätigkeit stören, und auch die Zöglinge der beiden Schulen.«

Der Propst gab dem Gastbruder Anselm einen Wink, der sich eilends entfernte.

»Wir besitzen das wirksame Mittel, den Lärm beschwören zu können,« sagte Burkhard. »Der Vogt ließ nämlich sieben Hunde nach der Herberge bringen und bestimmte genau deren Fütterung. Zur Ueberwachung des genauen Vollzuges seiner Befehle, legte er anfänglich einen, dann zwei, dann drei Waffenknechte in die Herberge, deren Verpflegung er gleichfalls vorschrieb. Diese Waffenknechte, überaus wilde und rohe Gesellen, haben fortwährend Durst. Das vorgeschriebene Maß Wein genügt ihnen lange nicht. Wünschen sie zu trinken, dann hetzen und reizen sie die Hunde zum Bellen, bis Anselm mit Wein erscheint, – was eben wieder geschah; denn hört, – der Lärm schweigt!«

»Unerhört, – eine solche Brutalität ist noch nicht dagewesen!« rief der empörte Greifenstein.

»Darin täuschet Ihr Euch, mein Sohn!« versetzte der hundertjährige Folcnand. » Nil novi sub sole, – nichts Neues unter der Sonne! Auch der Graf Ulrich von Würtemberg, Schutzvogt der Abtei Murhart, mißbrauchte das Recht, Hunde für gewisse Tage im Kloster einzustellen, in der schnödesten Weise. Er machte es ungefähr gerade so in Murhart, wie Bertolf in Lorsch. Der Unfug wurde unerträglich. Da ritt eines Tages der Abt von Murhart zum Grafen Ulrich nach Stuttgart und sprach: ›Ich glaubte immer, das Kloster Murhart sei für Mönche gestiftet, – nun aber sehe ich, daß es für Hunde gegründet worden. Meine Mönche können unter dem unaufhörlichen Gebelle ihr Officium nicht mehr beten. So lange diese Hunde in meinem Kloster sind, bleibe ich hier. Der Herr Graf kann mich viel leichter ernähren, als ich seine Hunde.‹ – So sprach der Abt; und der Graf stellte geschwind den Unfug ab.«

»Und die ehrwürdigen Väter in Lorsch ertragen schweigend diese und andere Nichtswürdigkeiten,« sagte Greifenstein. »Bertolfs Ungerechtigkeiten und Bedrückungen übersteigen alles Maß.«

»Seid doch nicht ungehalten über einen Mann, für den wir Gott danken sollen,« entgegnete Bruder Hugo, dessen feines und mildes Gesicht lächelnd aus dem Dämmer der emporgezogenen Kaputze hervorsah. »Bertolf ist unser Attila, unsere Geißel Gottes, durch dessen Hand uns der Herr begnadet mit dem süßen Joche des Kreuzes. Ohne Bertolf lebten wir im Paradiese der Wonne, was doch für Ordensleute nicht angeht. Darum ist es gut und sehr verdienstlich, in den süßen Lebenskelch, den Mutter Lorsch beständig uns darreicht, einige Tropfen Bitterkeit zu gießen. Unserer Weichlichkeit vorzubeugen, hat es Gott in seiner Güte gefügt, daß ein Anderer die Geißel schwinge, die wir unserem Rücken versagen.«

Die Mönche sahen in heiterer Stimmung auf den Sprecher und Alle schien der gleiche Gedanke zu beschäftigen.

»Hört doch unseren verweichlichten, jeder Ascese abholden Bruder Hugo!« sagte mit Laune Prior Gerbod. »Wer möchte errathen, daß ebenderselbe Bruder Hugo ein Bußhemd mit Stacheln auf dem bloßen Leibe trägt?«

Obwohl der Gebrauch von Bußgürteln und schmerzenden Bußhemden in jener Zeit sehr häufig war und auch solche von Fürsten und Fürstinnen unter dem Purpur getragen wurden, so übergoß dennoch Schamröthe das hagere Gesicht des Bruders Hugo.

»Eia, viellieber Bruder Gerbod,« sprach er im Tone sanften Vorwurfs, »Ihr solltet doch nicht meine Heimlichkeiten vor der Welt ausplaudern.«

»Dies habe ich auch nicht gethan, mein Allerliebster,« entgegnete zärtlich der Prior. »Sighard ist ein Sohn unserer Mutter Lorsch, obwohl er im Kampfe gegen das Verkehrte in der Welt, neben den geistigen, noch andere Waffen trägt.«

Greifenstein hatte den Vorgang nicht beachtet, so lebhaft beschäftigte ihn der gewaltthätige Klostervogt.

»Mir dünkt, Bertolfs Absichten gehen weiter, als die ehrwürdigen Väter ahnen,« sprach er jetzt. »Der Mann rechnet auf den Fortbestand einer fast rechtslosen Verwirrung im Reiche, auf einen Zustand, der jede Ungerechtigkeit des Starken über den Schwachen gestattet. Sein Plan zielt augenscheinlich auf eine Verdrängung der Norbertiner aus Lorsch, auf einen Raub aller noch nicht geraubten Stiftsgüter, – vielleicht sogar auf die Gründung eines Fürstenthums für sein Geschlecht. Vorläufig hat er sieben Hunde und drei Waffenknechte in das Kloster gelegt. Bald mögen weitere Knechte folgen und deren Zahl schließlich dermaßen anwachsen, daß Lorsch nur mehr eine Herberge für Reisige ist und Mönche darin nicht bestehen können.«

»Dahin dürfte es allerdings kommen,« sagte Poppo, der Kämmerer. »Unsere Einkünfte reichen nicht mehr, sollten wir auch täglich nur Kohl und Haferbrod essen. Der Vogt wird uns vollständig aufzehren, uns zwingen, Hungers zu sterben.«

»Solches spricht allzu ängstliche Pflichttreue aus Euch, Bruder Kämmerer!« sagte Hildebert, der Arzt. »Kohl und Bohnen und ausgezeichnetes Brod genügen vollständig, und erhalten die Gesundheit des Leibes. Seit drei Jahren hatten wir keine Kranken. Träte wirklicher Mangel ein, so bedürfte es nur eines Winkes, und das fromme Volk würde unsere Noth in Ueberfluß wandeln.«

»Dies bleibe unbestritten,« entgegnete Poppo. »Wenn des Volkes und des Adels gläubig frommer Sinn viele tausend Klöster schuf und reich begabte, so wird derselbe hohe Sinn die Mönche irgend eines Klosters nicht verhungern lassen. Aber die Klöster sollen nicht nehmen, sondern geben, sintemal Geben seliger ist, als Nehmen, – wie die Schrift lehrt. Auch Lorsch gab in reichem Maße, wie unsere Chronik meldet. Viele hundert Arme aßen regelmäßig am Tische dieses altehrwürdigen Stiftes. In den Tagesbüchern meiner Vorfahren, der Kämmerer, finde ich fortlaufende Ausgaben an Wittwen, Waisen und Preßhafte, – an arme Bauern Saatfrucht, an Nackte Gewandung, an Hungernde Speise. Diese Almosen bilden keine Ausnahme, sie sind stehende Posten in jeder Jahresrechnung, weil die heiligen Regeln St. Benedikts und St. Norberts selbe gebieten im Geiste des Evangeliums. Seit einigen Jahren findet sich von bedeutenden Almosen in den Tagesbüchern fast nichts, – warum? Weil es etwa keine Armen giebt? O nein! Christus, der Herr, sagt es ja: ›Arme habt ihr immer bei euch!‹ Es finden sich weniger Almosen verzeichnet, weil wir unfähig sind, mehr zu geben. Und wir sind unfähig, weil der Klostervogt, dieser lupus rapax, Alles wegnimmt, auf Alles die eiserne Faust legt und die Existenz des Klosters ernstlich bedroht. – Darum theile ich Sighards Meinung: – auf die Wegnahme aller Güter, auf die Vernichtung dieses ehrwürdigen Stiftes hat es der gewissenlose Mann abgesehen.«

»Niemals wird ihm dies gelingen!« versetzte Hugo. »In heiligem Zorn würde sich das christliche Volk erheben und die Frevelthat hindern. Haben nicht mächtige Gewalthaber, die Kaiserkronen trugen, Gleiches geplant gegen die Kirche? Wollten nicht die Hohenstaufen den Clerus in Knechtschaft schlagen, und die freien Diener Gottes zur Schmach eines feilen, salzlosen Staatspfaffenthums herabwürdigen? Sollte nicht die Kirche, diese reine Braut des Herrn, ihren Nacken beugen unter das Joch brutaler Kaisermacht? Der infernale Anschlag gelang nicht, – warum? Weil Christus herrscht in den Herzen des Adels und des Volkes, und keines Menschen Gewalt vermag, diese Herrschaft zu stürzen. Nicht einmal das heillose Zwischenreich, die kaiserlose Zeit, ohne Schirmherrn der Kirche, vermochte es, die Grundvesten der christlichen Ordnung zu erschüttern. Im Gegentheil, – die besten und stärksten Glieder des heiligen Reiches, die volkreichen Städte und der tapfere Adel, traten in Bündnissen zusammen, den Umtrieben Jener zu wehren, die abfielen vom Glauben, von Ehre und Recht. Unerschütterlich und treu beharrt die Gesammtheit im Gehorsam gegen ihren König, gegen den Herrn Christus, dessen Lehren und Gnaden den riesigen Körper des Reiches beleben und erhalten. Darum wird Bertolf, der böse Mann aus dem Slavenlande heidnischer Preußen, nichts vermögen, sondern schließlich untergehen mit seinem argen Geschlechte.«

»Vorher wird er aber Drangsale und Noth, Unglück und blutige Fehde bringen über das Stift,« eiferte Sighard. »Ich begreife nicht, weßhalb man diese fortgesetzten Ungerechtigkeiten und Gewaltthaten gelassen erträgt, – Roheiten geschehen läßt, die schwer das Berufsleben der Bewohner von Lorsch schädigen.«

»Was können wir thun?«, frug Poppo.

»Klage führen beim Kaiser!« antwortete Greifenstein.

»Ein aussichtsloses Bemühen!« versetzte Gerbod. »Den Kaiser beschäftigen so viele und wichtige Reichsangelegenheiten, daß er wohl beim besten Willen nicht helfen könnte.«

»Versucht es, – verfaßt eine Beschwerdeschrift! Ich übernehme es, an den Hof zu reiten und dem Kaiser persönlich die Schrift zu übergeben.«

»Ein gesunder Vorschlag, – ein gütiges Anerbieten, das wir nicht von der Hand weisen,« sagte der Propst. »Man muß die Sache reiflich überlegen.«

Die Mönche schwiegen. Obwohl die Meisten von einer Beschwerde keinen Erfolg hofften, ihre Demuth nicht einmal des Kaisers besondere Theilnahme für ihre häuslichen Drangsalen erwartete, so erhoben sie doch keine Widerrede; denn ihr geistlicher Vater und Führer hatte Greifensteins Meinung gebilligt.

Während sie noch schweigend im Kreise standen, klang von der inneren Schule herüber ein feierlicher Choral. Greifenstein hob freudig überrascht das Haupt; denn lange hatte er den weihevollen Gesang nicht mehr vernommen.

»Werden schon die Chöre für das Weihnachtsspiel eingeübt?«

»Gewiß, mein Freund!« antwortete der Propst. »Wir haben zur gnadenreichen Geburt unseres Herrn nicht mehr weit.«

Da erhob sich in Sighard ein Gedanke mit solcher Lebhaftigkeit, daß seine Augen flammten und seine Wangen sich dunkler färbten.

»Wer war im verflossenen Jahre Unsere Liebefrau?« frug er.

»Die jugendliche Gräfin Adelheid von Sponheim,« antwortete der Prior.

»Ist für nächste Weihnachten die ehrende Wahl bereits getroffen?«

»Noch nicht! Wollt Ihr etwa eine fromme Jungfrau vorschlagen?« frug der Propst, dem Sighards Gemüthsbewegung nicht entgangen war.

»Ich möchte allerdings mich erkühnen, ehrwürdiger Vater, Editha von Auerberg zu empfehlen. Sie wurde von den Klosterfrauen in Handschuhsheim erzogen und ist ein gar sittig frommes Edelfräulein. Auch ihre körperliche Gestalt, gleichsam der Spiegel ihrer fleckenlosen Seele, ist ohne Makel und von gar großer Schönheit. Ihre Erscheinung beim Weihnachtsspiele würde männiglich erbauen.«

Gerbod und Ermenold gedachten des Begegnens auf der Bergeshöhe und lächelten.

»Vor einigen Wochen trafen wir auf dem Wege nach Auerberg mit Billungens Tochter zusammen und können Sighards Rühmen bestätigen,« sagte der Prior. »Wollte unser Bruder Maler ein würdiges Liebfrauenbild darstellen, er dürfte nur Editha konterfeien.«

Magister Ermenold nickte beistimmend mit dem Haupte.

»Wollt Ihr die Güte haben, das Edelfräulein und dessen Aeltern um die Genehmigung unserer Wahl zu befragen?«

»Gar gerne, ehrwürdiger Vater! Diese ehrenvolle Auszeichnung wird die Familie Billungen mit der größten Freude erfüllen.«

Noch redete Greifenstein, als der helle Ton des Glöckleins den Abschluß der Erholungszeit, sowie den Beginn der Vesper meldete. Augenblicklich verstummte jede Unterhaltung. Die Mönche verbeugten sich schweigend vor dem Ritter und gingen. Nur der Propst verabschiedete sich durch warmen Händedruck.

»Gott sei mit Euch, – kommet bald wieder!« sprach er leise.

Sighard blieb an der Stelle zurück und sah den Weggehenden nach, deren schweigsame Gestalten fast geräuschlos zwischen den Säulen des Kreuzganges dahinglitten, bis der Letzte von ihnen unter dem Eingange der Kirche verschwand.

Ein wonnevolles Entzücken glänzte in Sighards edlen Zügen. Er dachte sich Editha beim Weihnachtsspiel in einer Rolle thätig, deren Erhabenheit er in vollem Einklang mit den geistigen und körperlichen Vorzügen der Bewunderten fand; denn auch Greifenstein war von der Neigung jener Zeit nicht frei, die edle Weiblichkeit zu idealisiren.

In diesen Vorstellungen wurde er endlich durch Heidolf unterbrochen, der raschen Schrittes herankam.

»Bist Du reisefertig, mein guter Junge?«

»Ich bin es; mein Bündel liegt schon auf dem Rücken des Saumpferdes.«

»Gut, – reiten wir!« erwiederte freundlich Herr Sighard, indem er den Jüngling bei der Hand nahm und mit ihm den Kreuzgang verließ.

Von der Kirche herüber klang eben der feierliche Chorgesang der Mönche: » Beatus vir, qui timet Dominum, – glücklich der Mann, welcher fürchtet den Herrn.«

 


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