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Der Preuße.

Hatte Baldemar am Morgen die Ankunft des Grafen von Starkenburg ersehnt, so fürchtete er nun Spott und Widerrede eines Mannes, der über ihn nicht geringen Einfluß besaß. Deßhalb schrack er zusammen, als am Nachmittage die Hunde abermals anschlugen. Wieder trat Baldemar spähend zum Fenster. Eine hochgewachsene Gestalt auf schwarzem Rosse ritt in den Hof.

»Der Burggraf!« sagte Billungen. »Wie mag er zürnen und Schwäche schelten, was ich um Gottes und meiner Seele willen gethan!«

»Dein Thun ist löblich vor Gott und ritterlich vor adelig Gesinnten,« erwiederte Frau Kunigunde. »Findet der Graf in Deiner Handlungsweise Unlöbliches, so beweist das nur seinen Mangel an Frommheit und Adel der Gesinnung.«

Sporntritte klangen im Vorzimmer. Der Graf trat ein, verbeugte sich achtungsvoll vor Kunigunde und reichte dem Burgherrn grüßend die Hand.

Bertolfs Aeußeres schien den bösen Leumund zu rechtfertigen, der im Volke über ihn umging. Seine Gesichtszüge waren keineswegs vertrauenerweckend für das Auge des Menschenkenners. Dichtes, schwarzes Haar, kurz geschoren, bedeckte seinen Kopf, steif emporstehend, wie Stacheln des Igels. Die niedere Stirn machte den Eindruck eines Versteckes, hinter dem tückische Geister arbeiteten. Unter buschigen Brauen blitzten zwei unstäte, fast wildlodernde Augen, und die schmalen, zusammengekniffenen Lippen verriethen Starrsinn und Entschlossenheit. Die flache Nase lag breit in dem Gesichte, dessen ganzer Typus die slavische Abstammung des Mannes verrieth. Wettergebräunt war die Hautfarbe, der Körperbau sehnig und stark. Obwohl fünfzig Jahre alt, bekundeten seine Bewegungen noch die volle Manneskraft. Den Kopf bedeckte ein damals üblicher runder Filzhut, dessen Krämpe ringsum aufgestülpt war. Unter dem Waffenrock trug er eine kurze Tunica, ein enge anliegendes Gewand mit langen Aermeln, geschlossen bis an den Hals. Die Beinkleider von Hirschleder umspannten knapp die Schenkel und verschwanden unter den hohen Schäften der Stiefel, an denen silberne Sporne mit ungewöhnlich großen Rädern klirrten. Die einzige Waffe bestand in einem geraden, zweischneidigen Schwerte, dessen Spitze den Boden berührte.

Frau Kunigunde wollte eben aus dem Zimmer verschwinden, als sie des Grafen Erklärung festhielt.

»Ich konnte nicht Wort halten diesen Morgen, zwei Gäste verhinderten mein Kommen, – Ritter des Nahegaues, die aus Böhmen heimkehren. Neben anderen Dingen erzählten sie Merkwürdiges über den Jungen von Greifenstein drüben. Er habe sich in der Schlacht über alle Maßen hervorgethan, gekämpft wie ein Löwe. Sogar dem Kaiser sei er helfend beigesprungen, als derselbe in's Gedränge kam. Der Habsburger habe ihn auf der Wahlstatt zum Ritter geschlagen und reich beschenkt aus den erbeuteten Schätzen des Böhmenkönigs, die unermeßlich sein sollen. – Schon fahren Minnesänger durch das Reich und besingen das Lob des jungen Helden Sighard von Greifenstein,« schloß er mit anklingendem Hohn.

Herr Baldemar und dessen Hauswirthin vernahmen die Kunde mit der größten Freude.

»Das läßt sich hören, – ein Goldjunge, der Sighard!« rief Baldemar. »Gunde, schicke sogleich einen Boten mit der frohen Mär hinüber nach Greifenstein.«

»Ach, welche Wonne für die glückliche Mutter!« sprach Frau Kunigunde. »Möchte selbst hinüber laufen und ihr die frohe Botschaft bringen.«

»Du magst es thun, wenn Dein Herz Dich treibt,« entgegnete Billungen. »Nur sorge vorerst für Imbiß und ausgiebigen Trunk.«

Der Graf gürtete das Schwert ab und ließ am Tische sich nieder.

»Nun, – wie ist's mit der Roßgeschichte? Immer noch kein Bescheid aus Worms?«

»Doch!« antwortete kleinlaut der Burgherr. »Vorerst aber von etwas Anderem,« und er begann, in dem Drange, einer beunruhigenden Sache ledig zu werden, den Besuch der Mönche, dessen Zweck und Folgen zu erzählen.

Bertolf saß da und hörte zu, wobei sich die Brauen in bewegliche Büschel zusammenzogen, die Augen unheimlich blitzten und die fest über einander gekniffenen Lippen die Härte des Gesichtsausdruckes noch vermehrten.

»Hm, – eine hübsche Bekehrungsgeschichte!« sprach er unwirsch, als Billungen zum Schlusse gekommen. »Schon ließ ich den Galgen für den Bauernschelm aufrichten, – und Ihr verzichtet auf weiteren Rechtsgang! Wie soll ich dies deuten und verstehen? Ein unverschämter Lümmel vergreift sich am Streitrosse eines Edelmannes, an einem Streitrosse, wie ich es prächtiger noch niemals gesehen, – und der bestohlene, schwer beleidigte Edelmann verzichtet auf Genugthuung nach Recht und Fug, – verzichtet, weil zwei fromme Mönche ihn dazu bereden! Hm, – hm! Nachbar, ich fürchte, Ihr habt Euch einer unverzeihlichen Schwäche schuldig gemacht!«

»Und ich glaubte, zu handeln, wie ein guter Christ.«

»Wie ein Christ, – meinethalben! Geht das so fort, singen wir gehorsam nach der Melodie frommer Mönche, dann werden wir noch alle gute Christen, – nämlich Leute, die sich Rosse, Waffen, Schild und Wappen stehlen lassen und obendrein den Dieben christlich verzeihen.«

Dies sprach er im Tone biederben Unwillens, unter dem Scheine, sich mit Widerstreben in das Unvermeidliche zu fügen, während er im Handumwenden die Sache pfiffig in das Widersinnige verdreht hatte. Der nicht sehr scharfsinnige Baldemar empfand zwar den Eindruck hämischer Entstellung einer edlen That, durchschaute jedoch nicht den arglistigen Kniff des Preußen.

»Vorerst bin ich zwar noch ein lauer Christ, dagegen ein guter, selbstbewußter Edelmann, der hält auf Roß, Waffen, Schild und was hiermit zusammenhängt,« fuhr der Burggraf fort. »Nach altem Herkommen suche ich mein Recht mit der Faust und räche groben Schimpf. Dies will ich auch dem Mönche Ermenold gegenüber. Dieser fromme Mann schmäht auf den Kanzeln zu Heppenheim und Bensheim wider Heidnischgesinnte, Unchristen und Räuber. Da es nur Einen Heidnischgesinnten, Unchristen und Räuber hier zu Lande giebt, nämlich den Preußen zu Starkenburg, so wissen alle Zuhörer, wem die Wortstreiche gelten. Hört der heilige Mann nicht auf mit seinen Stichreden, dann will ich ihm den Mund sperren, ihn greifen und einstecken lassen, – das heißt, wenn ich mittlerweile nicht auch ein guter Christ werde, der sich in Gehorsam beugt unter die Zuchtruthe der Mönche. Schafe sind bekanntlich sanfte Thiere, ohne Galle, lassen sich scheeren, sogar abschlachten, ohne Widerstreben, – und Schafe wollen ja die frommen Mönche züchten. Nach ihrer Meinung ist Schaf und Christ ein Ding.«

Diese Rede, ohne Unwillen, mit einem Anflug von Laune gesprochen, brachte auf Baldemar eine nicht geringe Wirkung hervor. Allen Eindrücken leicht zugänglich, vorab schlau berechneten Worten, – beschlichen ihn Vorwürfe. Er glaubte, dem Standesbewußtsein vergeben, sich unmännlicher Schwäche schuldig gemacht zu haben, bethört und irre geführt durch religiöse Gefühle. Bertolfs lauernder Blick las mit Befriedigung diese Stimmung in den Zügen des Burgherrn.

»Um wieder auf unsere Angelegenheit zu kommen, – was beschlossen die ehrsamen Herren von Worms? Ihr habt doch einen Boten an den Rath geschickt?«

»Gleich am folgenden Tage, als Hunolt die Kunde brachte. Editha schrieb einen Brief an den Bürgermeister, legte den Handel klärlich dar, und forderte meinen Zamba zurück. Vier Tage blieb der Bote aus. In Worms gab es großen Lärm und eine Sitzung der Rathsmannen. Was beschlossen wurde, steht hier verbrieft.«

Er zog ein Pergamentblatt hervor und übergab es dem Grafen. Dieser hielt das Schreiben verkehrt in den Händen und betrachtete die Buchstaben.

»Schwert und Lanze habe ich führen gelernt, nicht aber die Schreibfeder. Was besagt der Wisch?«

»Kürzlich dies: Gerbermeister Werner zum Hirsch habe das Roß in ehrlichem Handel erworben, besitze es nach Recht und Worms schütze die Rechte seiner Bürger.«

»Hm, – sehr gut!« sagte gleichgültig der Preuße. »So mag der ehrsame Gerber in Freuden besitzen, was ihm gehört, nämlich einen Streithengst, den mit Stolz der Kaiser reiten dürfte.«

»Was ihm gehört? Wer sagt dies?« rief aufbrausend Herr Baldemar.

»Nun ja, – Bürgermeister und Rathsmannen von Worms sagen und schreiben es,« antwortete gelassen der Graf.

»Und ich läugne es!« erwiederte Billungen mit steigender Heftigkeit. »Mir gehört das Roß, – mir, sonst Niemand.«

»Bin gleicher Meinung,« versetzte Bertolf, seinen Becher aus dem Weinkruge füllend und sich ein Stück von dem Schinken abschneidend, der aufgetragen worden. »Die Herren von Worms haben jedoch entschieden, wem nach ihrem hochgelahrten Dafürhalten Rechtens das Roß gehört. Schicket noch tausend Boten nach Worms, Ihr werdet immer die gleiche Antwort hören. Deßhalb dünkt mir, den herrlichen Zamba solltet Ihr vergessen und auch den Schimpf. Habt Ihr dem Pferdedieb christlich verziehen, so verzeihet auch christlich dem Käufer gestohlenen Gutes.«

»Nein, – nein, daraus wird nichts! Mein Recht will ich. Die Wormser sollen erfahren, daß man einen Edelmann nicht abfertigen kann, wie einen hörigen Knecht.«

»So gefallt Ihr mir, Nachbar!« rühmte Bertolf. »Suchet Euer Recht. Laßt Euch von übermüthigen Stadtleuten nicht behandeln, wie einen feigen Schwachkopf. Wahret Recht und Ehre.«

»Ich werde an den Hof des Kaisers reiten und die Stadt Worms verklagen.«

»Eine freie Reichsstadt beim Kaiser verklagen? Da seid Ihr gerade halb Wegs, lieber Nachbar! Ihr kennt doch Huld und Liebe des Habsburgers zu den Städten?«

»Man rühmt auch die Gerechtigkeit der Kaisers.«

»Man rühmt, – jawohl! Man rühmt manches Ding, das nicht ist. Zum Anderen hat der neue Kaiser ganz andere Nüsse zu knacken, als Einem vom Adel wider eine Reichsstadt Recht zu verschaffen. Wie ich höre, sitzt der Habsburger in Wien und plant einen Heereszug gegen unfügsame Fürsten des Nordens. Meint Ihr denn, Rudolph werde um eines Pferdes willen nach Worms fahren, allda Recht zu sprechen? Weit gefehlt! Höchst wahrscheinlich sehen wir den neuen Kaiser so wenig am Rhein, wie wir den Engländer Richard und den Spanier Alphons gesehen haben. Ueberhaupt bedarf es bei solchem Handel des Kaisers gar nicht. Schafft Euch selber Recht. Ihr kennt ja den sicheren Rechtsweg des Adels nach altem Brauch und Herkommen!« »Wann ihne ein schmach von jemand begegnet, tragen sie es selten mit dem Recht aus, sunder sie versamlen ihre reisigen gespanen und rechen sich mit dem schwerdt, feuwer und raub, und zwingen also die ihnen widertrutz haben gethan zur Genugthuung.« Münster, Kosmogr. S. 465. Ausg. v. 1561.

»Ihr meint, ich solle Worms einen Fehdebrief schicken?«

»Natürlich!«

»Wie kann ich das? Ein wehrloser Mann in Fehde mit einer mächtigen Stadt?« rief Billungen, in schmerzlicher Erregung auf seine lahme Rechte deutend. »Solchen Rath, Burggraf, hättet Ihr füglich können bleiben lassen, dieweilen er meine Ohnmacht an das Licht stellt. Meine Gesippten will ich zum Streite nicht rufen, kein allgemeines Blutvergießen anzetteln. Und wie mag ich selber mit einem Dutzend Waffenknechten vor Worms reiten und zwanzigtausend streitbare Männer zum Kampfe fordern?«

»Pah, Unsinn, Nachbar, – Unsinn! Ihr faßt den Handel schief. Solch' eine Fehde wird nicht in offener Feldschlacht ausgetragen, – lächerlich! Man packt den Feind immer an der schwächsten Seite, und diese ist bei Worms der Handel seiner fahrenden Kaufleute. Seht Ihr denn nicht, die Lastwagen und Saumpferde von Worms heraufkommen und die Bergstraße passiren? Seht Ihr nicht, das übermüthige, geldstolze Krämervolk an unseren Burgen vorbeiziehen, wie zum Hohn über den Adel? Wurmte mich längst! Mir käme Euere Fehde gerade gelegen, den fetten Stadtratten die Schwänze zu beschneiden.«

»Ihr denkt doch nicht an Straßenraub?« frug Billungen betroffen.

»Straßenraub, – pfui! Ich denke an herkömmlichen Austrag einer gerechten Fehde,« antwortete der Preuße. »Ihr wißt, suum cuique, – jedem das Seine, ist mein Wahlspruch. Die hochweisen Rathsmannen verweigern die Herausgabe Eueres Eigenthums, – gut! Da Ihr kein höriger Knecht von Worms, sondern ein Edelmann seid, der hält und halten muß auf Stand und Ehre, so greift zum Schwert, Euch Recht zu erstreiten. Ihr rupft so lange die fahrenden Wormser Handelsleute, bis sie mürbe und erbötig, Euch zu geben, was Euch von Rechtswegen gehört. – Das ist mein Dafürhalten, – eine ritterliche Fehde, weit weg von gemeinem Straßenraub.«

Der Graf berührte einen düsteren Punkt im altdeutschen Leben, nämlich das Recht des Stärkeren, das Faustrecht, eine Uebung, die fast unheilbar im deutschen Volkscharakter lag. Die heidnischen Deutschen pflegten zu sagen, das Recht trügen sie in ihren Waffen und dem Tapferen gehöre Alles, – und diese Anschauung wucherte fort im Adel Se in armis jus ferre, et omnia fortium virorum esse. Livius V, hist. .

Auch die gewaltigsten Kaiser vermochten es nicht, dieses angestammte Erbübel zu beseitigen. Was Friedrich Barbarossa erreichen konnte, war blos ein Gesetz, daß jede Fehde, zur Verhütung tückischen Ueberfalls, mindestens drei Tage zuvor durch einen sicheren Boten angesagt werden mußte Statuimus etiam, ut quicumque alii damnum facere, aut laedere ipsum intendat, tribus ad minimum ante diebus per certum nuncium suum dissiduciet eum. Lex pacis Friderici imper. .

Sohin bekannte auch der stärkste Hohenstaufe seine Schwäche und sein Unvermögen, zur Ausrottung des Faustrechtes.

Dagegen bekämpfte die einflußreiche Macht der Kirche mit Erfolg das genannte Uebel. Vermochte sie auch nicht, dasselbe vollständig zu unterdrücken, so beschränkte sie es doch in ausgedehntem Maße, durch Einführung des Treuga Dei, oder Gottesfriedens. Bei Androhung des Bannes, sollte Waffenruhe sein in jeder Woche, von Donnerstag bis Sonntag, ferner jeden Tag in der ganzen Adventszeit bis acht Tage nach Epiphanie, endlich in der ganzen Fastenzeit bis acht Tage nach Ostern Concil. Claremont. a. 1095. can. 14. . – Sohin blieb zur Ausübung des Faustrechtes wenig Zeit übrig.

Im Allgemeinen galt die Ansicht unbestritten, dem Adel gebühre, mit dem Schwerte sein gekränktes Recht zu suchen. Auch Herr Baldemar huldigte dieser Anschauung.

»Was hilft es, mir das Schwertrecht des Adels vorzuhalten, da ich hievon keinen Gebrauch machen kann?« rief er unmuthig. »Nicht einen Mauleseltreiber im Streite zu bestehen, bin ich lahmer, wehrloser Mann fähig. Zur bitteren Kränkung käme noch die Schmach, von Stadtknechten niedergeworfen zu werden.«

»Demnach wollt Ihr den Hohn Euch gefallen lassen?« schürte der Preuße. »Wollt Euch von Krämerseelen auf dem Kopfe herumtreten lassen? Merkt Ihr denn nicht, daß weit mehr auf dem Spiele steht, als Zamba, – unendlich mehr, – Eure Ehre? Mich empört der freche Uebermuth dieser Pfefferhändler und Tuchwalker, Einen vom Adel so kurz und schnöde abzufertigen, wie einen rechtslosen Knecht. Lieber den Tod, als solche schmähliche Behandlung!«

»Haltet ein, Graf, haltet ein! Könnt Ihr diesem todten Arm nicht Leben und Kraft zurückgeben, so hört auf, mich um alle Fassung zu bringen. Gut und Blut für Recht und Ehre, – ja! Ein Krüppel aber, wie ich, vermag nichts, als sich grämen und krümmen unter Fußtritten.«

»Bei meiner Treue, das sollt Ihr nicht müssen!« rief Bertolf mit trefflich erkünstelter Theilnahme. »Uebertraget mir die Sache, nehmet mich zum Schwertmagen und ich will Euch Recht schaffen.«

»Ihr wollt es übernehmen?« frug erstaunt der Burgherr.

»Ja, ich übernehme es! Die stolzen Wormser mögen erfahren, daß man nicht ungestraft Einen vom Adel beschimpft. Der Span ist wohl nicht ungefährlich, – hab' zu gewärtigen, daß mir die Wormser in hellen Haufen vor die Burg rücken. Dennoch verlange ich Euer Gut und Blut nicht für den Dienst, wohl aber etwas Anderes, was Ihr leicht gewähren könnt.«

»Burggraf, was Ihr da sagt, ergötzt mich weidlich!« rief froh Herr Baldemar. »Sprecht, was verlangt Ihr?«

»Eure Tochter Editha zum Weibe.«

Billungen saß überrascht, nicht weil er die Forderung allzu kühn fand, – im Gegentheil. Nach Baldemars Glauben an die edlen Eigenschaften des ritterlichen Bertolf, war der reiche, vielvermögende Graf sogar ein begehrenswerther Eidam. Allein er hatte eine solche Bewerbung nicht entfernt erwartet.

»Gebet mir Editha,« redete Bertolf weiter, »und morgen schon reitet mein Aeltester gegen Worms, erklärt den Handel und wirft dem Rathe meinen Fehdehandschuh vor die Füße. Ich übernehme Alles, presse den Zamba heraus, schaffe Eurer beschimpften Ehre Genugthuung, und Ihr sollt Euch in den Streit gar nicht weiter zu mischen haben.«

»Euer Angebot, lieber Nachbar, beweist Eure hochherzige Freundschaft und Euer Werben klingt schmeichelhaft für den Vater. Allein Editha zählt erst achtzehn Jahre.«

»Und ich fünfzig,« unterbrach ihn lachend der Graf. »Was thut's? Ich nehme es an Gesundheit und Rüstigkeit mit Jedem auf, der zwanzig Jahre zählt.«

»So war es nicht gemeint,« entschuldigte Baldemar. »Wollte sagen, Editha sei noch etwas jung für den Ehestand.«

»Gut, – hat auch keine Eile, – warten wir noch ein Jahr. Doch versprechen müßt Ihr auf Wort und Ehre, daß Ihr Editha mir und keinem Anderen zum Weibe gebet.«

Billungen, bethört durch seine Eingenommenheit für den Grafen und gestachelt, eine vermeinte Beschimpfung zu rächen, gab das verlangte Versprechen.


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