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Sacchetti erzählt

»An Euch ist die Reihe,« sagte rasch Messer Boccaccio, als er geschlossen hatte und wandte sich zu Francesco Sacchetti, der zur andern Seite des Alten aus dem Val Delsa saß. »Ihr erlebtet die große Pest, da Ihr ein Kind noch wart, und Ihr sanget meine Totenklage und die einer vergangenen Zeit, Ihr erinnert Euch, Francesco:

Sonati sono i corni
D'ogni parte a racolta;
La stagione è rivolta:
Se tornerà non so, ma credo tardi.«

»Dies waren,« begann Sacchetti zu sprechen, »bessere Verse, als sie mir sonst wohl einfielen, denn bei den meisten standen nicht die Musen zu Gevatter. Aber sagt, verehrter Freund, hättet Ihr nicht, ganz Eurem innersten Herzen folgend, lieber die Geschichte von der Griselda erzählt, der Frau, die auf ihrer Tugend wie auf einer Truhe sitzend inmitten ihrer Frauen und Dienerinnen, bescheiden und friedsam, ungelehrt aber gelehrig die Wolle spinnt und das Haus besorgt, wie es von der römischen Matrone heißt? Denn solches Ideal der Frauen trugen wir damals im Herzen und mußten doch mithelfen an jenem andern, daß da in der Zeit aufkam, weil es uns von der Schönheit und dem Reichtum verlockt gelüstete, die Frau zu schmücken und hinaus zu stellen aus dem Hause und ihr zuzulächeln wie einer Geliebten. Und sahen es gern, daß sie die Musik lernte und den Tanz und Verse drechseln und Reden halten. Und zu Ende war's damit, daß sie, ob gut oder schlecht, immer den Stock verdiene. So hantierte sie ihn bald selber auf unsern Rücken.«

Da lachte alles. Aber Sacchetti erhob sich und reckte sich und sagte mitlachend: »Weiß Gott, nicht auf meinem breiten Buckel, und ich hatte drei Frauen und Kinder von jeder. Nicht die Frauen, aber mein Schicksal packte mich mit recht groben Händen, doch ich trug es, denn Gott gab mir eine gute Laune, daß ich eher lachte als greinte und so verlor ich den Frieden nicht in mir, den mir immer Alles bedrohte. Laßt es Euch erzählen.

Ich bin in Pest und Streit und Bürgerkrieg hineingeboren und erlebte das als ein Junge. So blieb von früh auf mein Sehen dem verhaftet, was meine Stadt anging, deren Campanile für mich den Nabel der Welt bedeutete. So viel ich auch herumkam. Schon die Leute von Genua und Venedig waren mir Fremde und ich mochte sie nicht. Waren ja auch von Alters her die unseres Namens immer in Florenz gesessen, waren da Gonfalionere und Prioren gewesen. Ihr könnt es im sechzehnten Canto des Paradiso nachlesen, daß wir zu den alten Florentinern gehörten, deren Name sich verliert in der Nacht der Zeiten, wie jener der Alighieri. Deren einen, den Ceri del Bello, einer der Unsern umbrachte, was unserm Geschlechte der Dante nicht verziehen hat, denn der Tote blieb ungerochen. Der Pelzhandel meiner Familie brachte mich oft außer Land, bis nach Slavonien, dem wildreichen, wo die Weiber braun und wie der Teufel sind, aber mehr als dies beschäftigten mich die Angelegenheiten unserer Republik, wie ich das aus den Traditionen meiner Familie im Blute hatte. So gab ich den Handel bald auf, um mich nur mehr um die Händel zu kümmern. Und deren gab es genug. Ihr wißt, wie zur Zeit der Liga der Nordstaaten gegen den Papst Gregor, den elften seines Namens und schlechtesten Gedenkens, jener böse und schreckliche Londoner Schneider John Hawkwood sich, um nach Rom zu kommen, eine blutige Gasse durch das nördliche Italien schlug. Damals nahm ich zum erstenmal das Wort gegen Rom in unserer gerechten Sache, und meine Mitbürger hörten auf mich. Sie gaben mir manchen schwierigen Auftrag in der Fremde. So schickten sie mich zu den Herren der Romagna als Abgesandten, mit ihnen das Bündnis gegen Rom zu verhandeln. Auch die Bologneser gewann ich dafür und in Mailand den Barnabo Visconti. Auf dem Heimweg fingen mich die Pisaner. Ich verlor all meine Habe und mein Sohn Filippo wurde arg verwundet. Doch schenkte mir die Republik fünfundsiebenzig Goldgulden und machte mich zum Prior von San Giovanni. In San Miniato war ich Bürgermeister, auch in Faenza und in Portica und Gouverneur von Florenz. Das waren nun viele Ehren und Würden, aber sie hielten das Unglück nicht ab, das mich von allen Seiten traf und jene, die mir nah standen. Einer meiner Brüder wurde wegen Hochverrates enthauptet. Drei Frauen starben mir nach kurzer Ehe und ließen mich frühgealtert und schwachen Leibes allein. Was ein Bader in Lucca, wo ich vom Maultier fiel und das Bein brach, an mir mit Aderlässen pfuschte, das machte ein Chirurg in Pistoia noch schlimmer. Im Kriege Mailands gegen die Republik, es war im Jahre 1397, zerstörte man mir die Villa, die ich bei Marignola besaß, und ich war wieder ein armer Mann geworden, wie oft schon. Die Hilfe, mir aufs Neue geboten von der Stadt, – ich schlug sie aus. Drei Jahre hatte ich noch zu leben. Ich nahm es heiteren Gemütes als mein Schicksal hin, immer vom Unglück verfolgt zu sein. Jetzt wollte ich es selber nicht mehr lassen. Nun, da ich mich nicht mehr dagegen wehrte, daß es mich schüttelte, wurde es ein stiller Kamerad meines hohen Alters. Wie die Musik, die mir viel Trost gab in den Weisen, die ich zu manchen Canzonen setzte. Es standen, ich weiß es, nicht immer die Musen zu Gevatter bei dem, was ich dichtete in der Art des großen Meisters Petrarca, öfter die Politik, öfter noch der Übermut des Scherzes, denn ich war ein lustiger und neugieriger Gassenläufer, spitzte die Ohren, machte die Augen auf und liebte das Lachen über alles. Wohl um dessentwillen mochte man mich allerorts gern leiden und zählte ich viele Freunde unter den besten meiner Stadt. Ich weiß, viele unter Euch werden über die Enge meiner Liebe lachen, die sich mit der alten Brücke, dem alten Markt, dem Baptisterium, dem Kloster Santa Maria Novella und der Signoria umgrenzt. Und mit meinen florentinischen Nachbarn und Genossen. Aber ich war nach Herkunft und Erziehung ein popolano, ein Florentiner Bürger und weißer Welfe, das mag eng sein, aber es ist viel. Und jetzt werdet Ihr das auch gleich an der Geschichte wahrnehmen, die ich erzähle. Es fehlte mir das Talent unseres verehrten Freundes Boccaccio durchaus, sie kunstvoll zu bilden. Ich schrieb nur auf, was ich auf der Gasse sah und hörte, genau Tag um Tag, und mehr daraus zu machen war mir nicht gegeben. Das haben später andere besorgt, – ich nehm es Euch nicht übel, Meister Bandello und Euch, Straparola, daß Ihr Euch mit Eurer schönen Kunst meiner Anekdoten angenommen habt, die nichts enthalten als die saftige Wahrheit des Ausspruchs, die mich zum Lachen brachte und dann auch andre. Ich war ganz meines Volkes und hätte mir ein schiefes Maul geben müssen, um schöner zu machen was es redete. Also hört eine solche Geschichte an und seid gnädig.

Als der Kardinal von Fiesco nach Todi kam, befand sich unter den Soldaten, die er führte, einer namens Ferrantino degli Argenti aus Spoleto, den ich und viele andere als Ober-Scharfrichter von Florenz um ungefähr 1490 kannten. Er tat sich besonders durch die Aufzäumung seines Pferdes hervor, deren Riemen von derart übermäßigen Ausmaßen waren, daß man ihnen gut einen viertel Klafter geben konnte. Die Soldaten des Kardinals, unter ihnen auch Ferrantino, wurden zu Pferde nach einem Schloß des Bezirkes von Todi gesandt, das ein Edelmann des Landes erobert hatte. Sie richteten alle möglichen Verwüstungen um das Schloß herum an, ohne es zurückgewinnen zu können; als sie sich nach Todi zurückwandten, durchnäßte ein Platzregen die Soldaten bis auf die Knochen und Ferrantino wurde ganz besonders davon betroffen, weil seine Kleider derart abgenutzt waren, daß sie schon irländischem Leinen glichen. So durchweicht kam er nach Todi und stieg vor einem Häuschen ab, das er gemietet hatte; nachdem er seinem kleinen Pagen den Auftrag gegeben hatte, die Pferde in den Stall zu stellen, durchsuchte er alle Winkel des Hauses nach etwas Holz, um ein Feuer anzufachen; aber er fand nichts; war er doch nur ein armer Knappe und sein altes Haus ähnelte der Höhle der Winde. In diesem Zustand durchnäßt und frierend, sagte er sich, daß er so nicht bleiben könne, und ging alsbald fort, von Tür zu Tür und Treppen kletternd, um in den benachbarten Häusern ein Feuer zu finden, daran er sich trocknen könnte, koste es, was es wolle.

Als er so von einem zum andern ging, führte ihn der Zufall durch eine Tür, und als er die Treppe erklommen hatte, fand er sich in einer Küche, wo ein großes Feuer brannte mit zwei vollen Fleischtöpfen darauf und einem Bratspieß mit Kapaunen und Rebhühnern, der von einer jungen und sehr hübschen Magd bedient wurde. Sie war aus Perugia und hieß Catarina. Als sie Ferrantino so ungestüm in die Küche eindringen sah, rief sie erschreckt: ›Was willst du?‹

›Ich komme geradewegs vom Schlachtfeld,‹ erklärte der andere, ›und wie du siehst, bin ich völlig durchnäßt. Bei mir ist kein Feuer und so kann ich nicht bleiben, wenn ich nicht sterben will. Ich bitte dich, mich hier trocknen zu lassen, dann werde ich gehen.‹

›Trockne dich recht schnell,‹ sagte die Magd, ›und Gott möge dich beschützen, denn wenn Messer Francesco, der viele Gäste zum Abendessen hat, zurückkommt, wird er nicht sehr beglückt sein und mich schlagen.‹

›Ich gehorche dir, aber wer ist denn dieser Messer Francesco?‹

›Es ist Messer Francesco von Narni, Stiftsherr und Besitzer dieses Hauses.‹

›Oh, aber ich bin sein bester Freund,‹ sagte Ferrantino, der ihn nicht im mindesten kannte.

›Also beeile dich,‹ nahm die Magd wieder das Wort, ›ich bin schon ganz aufgeregt.‹

Aber Ferrantino rief:

›Fürchte nichts, ich bin bald trocken.‹

Mittlerweile war Messer Francesco heimgekommen und bemerkte, als er, beladen mit frischen Lebensmitteln, in die Küche trat, Ferrantino, der sich trocknete:

›Was machst du hier? Wer bist du?‹

›Was wollt ihr denn von mir?‹

›Gott verfluche dich,‹ schrie Messer Francesco, ›du kannst doch nur ein Spitzbube sein, da du in das Haus anderer Leute eindringst, mach dich fort!‹

›O pater reverende, patientia vestra, wartet, bis ich trocken bin.‹

›Was, Pater merdende?‹ sagte der Kanonikus, ›ich fordere dich auf, von hier fortzugehen und zwar gutwillig, sonst werde ich dich als Dieb anzeigen.‹

›Oh, Priester, dei misere mei,‹ erwiderte Ferrantino, ohne sich zu bewegen.

Als er nun sah, daß Ferrantino nicht ging, zog der Stiftsherr seinen Degen und rief:

›Beim Leib des Herrn, ich möchte doch sehen, ob du gegen meinen Willen hier bleiben wirst,‹ und ging auf Ferrantino los.

Wie Ferrantino das sah, erhob er sich, und auch vom Leder ziehend, sagte er:

›Non truffemini,‹ und mit dem Degen in der Faust ging er auf den Priester zu, zwang ihn, rückwärts bis in den Saal zu gehen, wo sie einen Augenblick fochten, ohne sich zu berühren.

Messer Francesco, der sich selbst mit der Waffe ohnmächtig sah, und Ferrantino, der die seine sehr gut zu führen verstand, nicht hinaussetzen konnte, sprach:

›Bei Gott, ich gehe auf der Stelle zum Kardinal, gegen dich klagen.‹

›Da will ich auch hin,‹ antwortete Ferrantino, ›gehen wir!‹ Und sie gingen miteinander die Treppe hinunter; am Haustor angelangt, wollte Messer Francesco Ferrantino vorangehen lassen.

›Nicht vor Euch, der Ihr Diener des Herrn seid,‹ sagte Ferrantino. Und Messer Francesco mußte vorangehen. Kaum war er draußen, schlug Ferrantino die Tür zu, schloß sich drinnen ein, und nachdem er alle Möbel, die er erreichen konnte, in das Treppenhaus geworfen hatte, verbarrikadierte er es so gut, daß zwei Lastträger es an einem Tage nicht hätten aufräumen können; die Tür konnte von außen erschüttert werden, aber nicht geöffnet.

So auf die Straße gesetzt, dachte der Kanonikus, dessen Lage nichts Angenehmes hatte, erbittert an sein gekochtes Fleisch, allerdings nicht weniger an sein ungekochtes, und daß ein unbekannter Jemand davon Besitz ergriffen hatte; er fing mit Sanftmut an, zu flehen, daß man ihm öffne. Aber Ferrantino antwortete durchs Fenster:

›Daß Gott dich hingeleite, wo er will!‹

›Öffne doch,‹ bat der Stiftsherr wieder.

›Da, ich öffne.‹

Und öffnete groß seinen Mund.

Nun sah der Priester ein, daß er seiner Wohnung und Alles beraubt worden war, und begab sich zum Kardinal, um sich über sein Mißgeschick zu beklagen.

Inzwischen war es Essenszeit geworden, und die zum Abendmahl Geladenen kamen und klopften ans Tor.

Ferrantino beugte sich aus dem Fenster:

›Was wollt Ihr?‹

›Wir kommen, mit Messer Francesco zu speisen.‹

›Ihr habt euch wohl in der Tür geirrt,‹ erwiderte Ferrantino, ›es gibt hier weder einen Messer Francesco noch Essen.‹

Die Eingeladenen ließen sich zuerst verblüffen, kamen aber wieder und klopften von neuem. Und Ferrantino, sich wieder hinauslehnend:

›Ich habe euch gesagt, daß er hier nicht ist. Wie oft muß ich das wiederholen? Wenn ihr nicht macht, daß ihr fortkommt, werfe ich euch etwas an den Kopf, daß euch schaden könnte, und ihr werdet es bereuen, in diese Gegend gekommen zu sein.‹

Im selben Augenblick schleuderte er einen Stein an die gegenüberliegende Tür, um möglichst viel Krach zu machen. Kurzum, die Gäste hielten es für klüger, bei sich daheim zu speisen, wenn es auch nur magere Kost war. Der Stiftsherr, der zum Kardinal gegangen war, um sich zu beschweren, und der ein so reiches Mahl zu Hause hatte vorbereiten lassen, war nun auch gezwungen, sich ein anderes Abendessen und ein Nachtlager zu suchen. Es nützte gar nichts, daß der Kardinal Boten sandte, die Ferrantino veranlassen sollten, das Feld zu räumen: sowie man an die Tür klopfte, warf er einen großen Stein und jeder lief fort, so schnell er konnte.

Als die Leute sich nun abgefunden hatten, sagte Ferrantino zu Catarina:

›Jetzt, wo ich trocken bin ist es wohl an der Zeit, uns das Essen aufzutragen.'

›Mach meinem Herrn lieber das Tor auf und geh nach Haus.‹

›Dieses Haus gehört mir, es ist das, welches mir der Herr in seiner Barmherzigkeit für diesen Abend vorbereitet hat. Willst du also, daß ich das Geschenk eines so mächtigen Herrn ausschlage? Du begingest eine Todsünde, da du so sprachest.‹

Sie hatte gut reden, Ferrantino wollte nicht gehen, und so mußten sie wohl oder übel die Platten auf den Tisch bringen und sich neben Ferrantino setzen. Sie aßen beide vortrefflich, und als die Reste des Mahles heruntergeschlungen waren, sprach Ferrantino:

›Wo ist das Zimmer, in dem wir schlafen können?‹

›Jetzt, wo du trocken bist und deinen Wanst gut gefüllt hast, willst du auch noch hier schlafen? So wahr ich lebe, du handelst nicht recht.‹

›Nun meine Catarina,‹ erwiderte Ferrantino, ›wenn ich bei meinem Herkommen deine Lage ausgenutzt hätte, was würdest du mir dann gesagt haben? Ich habe dich für andere Leute kochen sehen wie eine Magd und habe dich wie die Herrin des Hauses behandelt. Wenn Messer Francesco und seine Gesellschaft hier gegessen hätte, wäre deine Ration, die du jetzt doppelt gehabt hast, wohl recht schmal gewesen; und auch den Himmel hast du dir gewonnen, da du mich gerettet hast, so verhungert und durchnäßt, wie ich war.‹

›Man braucht noch kein Edelmann zu sein, um solche Streiche zu spielen,‹ sagte Catarina.

›Ich bin Edelmann und sogar Graf, was die kaum sind, die hier essen sollten,‹ antwortete Ferrantino, ›und dein Verdienst ist darum um so größer. Gehen wir schlafen.‹

Catarina weigerte sich ein bißchen, aber dann gab sie doch nach; brauchte sie doch nicht einmal das Bett zu wechseln, denn es war dasselbe, welches sie mit dem Stiftsherrn teilte. Auf diese Art trocknete Ferrantino sich die ganze Nacht. Am nächsten Morgen erhob er sich, und solange die Lebensmittel reichten, also drei Tage, blieb er dort.

Während dieser Zeit irrte Messer Francesco in Todi umher, und ging von Zeit zu Zeit sein Haus von Weitem betrachten; manchmal schickte er Leute, die nachsehen sollten, ob Ferrantino vielleicht schon fort sei, aber ein Steinhagel prasselte auf alle, die sich näherten.

Endlich waren die Lebensmittel verbraucht und Ferrantino entwich durch eine Hintertür, weil die vordere, zu gut verstopft von all den Sachen, die er dorthin geworfen hatte, unbenutzbar geworden war, und er kehrte arm und aller Mittel entblößt in seine Behausung zurück, wo sein Page und die zwei Pferde schlechte Tage gehabt hatten; dort tat er Buße. Messer Francesco kehrte durch dieselbe Hintertür zurück, aber anstatt zu essen, mußte er die Verwüstungen fortschaffen und sein Haus wieder instand setzen. Catarina erzählte ihm, sie sei immer unfreundlich zu dem andern gewesen, hätte sich gut zu verteidigen gewußt und wollte überhaupt nichts mit ihm zu tun haben.

Auf die Klage des Stiftsherrn hin ließ der Kardinal ihn und Ferrantino vor Gericht erscheinen, Ferrantino auffordernd, sich gegen die Klage zu verteidigen, die der Priester führe. Ferrantino sprach:

›Herr Kardinal! Ihr predigt doch unaufhörlich, daß man Mitleid mit seinem Nächsten haben soll; ich, der ich derart durchnäßt aus dem Feldzuge kam, daß ich mehr tot als lebendig war, fand zu Hause weder ein Feuer noch etwas Anders vor, und hatte keine Lust, vor Hunger und Kälte umzukommen. Da es Gott so gefiel, kam ich in das Haus dieses ausgezeichneten Priesters, und dort fand ich ein großes Feuer mit Fleischtöpfen und Braten darauf. Ich wollte mich nur am Feuer trocknen ohne einer Menschenseele zu schaden oder jemanden zu stören; dieser kam und fing an, mir Beleidigungen zu sagen und wollte mich hinausjagen. Ich erwiderte mit schönen Worten und bat ihn, mich doch trocknen zu lassen, aber vergebens; mit einem Degen bewaffnet lief er auf mich zu, um mich zu töten. Ich zog nun auch vom Leder, um mich nicht umbringen zu lassen und mich zu verteidigen, und drängte ihn bis zum Haustor; er ging hinaus, um mehr Platz zu haben, mich angreifen zu können, aber ich riegelte mich drinnen schnell ein und ließ ihn draußen stehen, und das alles nur aus Angst vor dem Erstochenwerden. So bin ich dort geblieben, Gott weiß, wie, bis zum heutigen Tage. Wenn er mich bestrafen will, ist er sehr im Unrecht; ich habe nichts mehr zu verlieren. Ich könnte jetzt nach Hause zurückkehren, verlasse Euch aber nicht eher, als bis ich weiß, warum ich von diesem Manne beleidigt worden bin.‹

Als der Kardinal das gehört hatte, nahm er den Priester beiseite und sagte zu ihm: ›Was willst du tun? Du hast gehört, was er gesagt hat und siehst wohl, was für ein Mann das ist. Ich glaube, es ist besser, Frieden zu schließen, als gegen einen Söldner einen Prozeß anzustrengen.‹

Der Stiftsherr beugte sich diesen Ratschlägen, und der Kardinal, der auch mit Ferrantino allein gesprochen hatte, beruhigte sie beide, allerdings nicht so gut, daß nicht der Priester Ferrantino noch lange Zeit verächtlich angeblickt hätte.

So kam es, daß Ferrantino, nachdem er sich drei Tage lang ausgiebig getrocknet, den Wanst gut gefüllt und mit der Frau des Stiftsherrn geschlafen hatte soviel er wollte, seinen Frieden hatte. Ich wünschte, daß es allen weltlichen Leuten, die sich die besten und überflüssigen Dinge der Priester aneignen, so gut ginge. Möge allen großen geistlichen Gelagen und den Geliebten dieser Domherren dasselbe Schicksal widerfahren, wie diesem sauberen Pfaffen.«


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