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Die Schlacht in Osten und Norden.

Über alle Kämpfe der Armeee Albrecht, sagt die G. St. Schr. nichts ordentliches, erzählt nur, das hierher verpflanzte ganze 8. R. K. sei dicht an den Westrand von Langemark gelangt neben sich 44. R. Div., welche kühne Behauptung wir bald entkräften werden. Die alten Kämpfer Beselers sind schwerlich schon am 3. erschienen und am 5. angerannt. Vielmehr waren es viel später 215., 216. R., bisher gespart und letztere vom G. St. Schr. mit allerlei unwahrscheinlichen Kämpfen im Oktober begnadet (vom 215. wird geschwiegen, wer soll aber glauben, daß diese Brigade, wenn sie focht, es nur zur Hälfte tat!), die hier mit niedersächsischer Zähigkeit über Mangelaere und Korteker stürmten (nicht im Oktober). Bei Bixchoote fochten 210., 211., 214. R. ziemlich erfolgreich, 211., anfangs bei Janhoek zurück, litt sehr. Dagegen konnte man sich nie richtig bis Langemark durchringen. Es lag freilich als umbrandete Festung unter konzentrischem Feuer von Nordost bis Südwest, die Verteidiger waren ihrer Lage nicht froh. Doch ihre Zitadellen (Schloß, Kloster, Brennerei, Speicher, Gasfabrik) spien Verderben; viel junges deutsches Leben wegraffend. Man opferte sich umsonst, am 4. erlosch vorerst die Angriffskraft. Doch konnte auch der Feind nicht angriffsweise verfahren, sodaß die tapfere Verteidigung von Poel durch die Goslarer Jäger wohl überhaupt auf Verwechslung mit den Marburger Jägern bei Morslede hinausläuft. Die 51. R. Div. verlor wie im Oktober weniger als die 52. und wurde jetzt durch Teile 3. R. K. (so viel davon da war) sowie 9. R. Div. abgelöst. Um so heftiger ging der Feind auf Paschendaele und Kaerselaere los und die seewärtigen Anschlußlinien, am heftigsten gegen Keiberg, Becelaere, Morslede–Broodseinde, hier röteten sich Heide und Hügel erneut von Blut; doch »blutiger als Wort« sagen« ist maßlose Übertreibung Stegemanns, der obendrein 244. bei Broodseinde mit 245. bei Becelaere als Hauptverlust verwechselt und nicht ahnt, daß nicht die Rechte des Korps Carlowitz, sondern die Linke (Württemberger) am allerschwersten litt. Von alledem sagt die G. St. Schr. kein Sterbenswörtchen. Man hat den Eindruck, als ob dem Verfasser (Offizier der b. 6. R. Div.) nur Einzelrapporte bestimmter, meist bayrischer Teile vorgelegen hätten, ohne daß er je allgemeinen Überblick gewann. Schon die ihm freilich wohl unbekannte Tatsache, daß auf der Ostfront der Verlust ins Große stieg und dort ja auch viel größere Massen fochten, hätte ihn belehren sollen, daß er zu ausschließlich bei den Südkämpfen verweilte.

Jedes Erweitern der feindlichen Offensive nach Osten entfernte sie vom Südflügel, wo jede deutsche Lücke zum Leipziger Korps jetzt ausgefüllt und dem 3. engl. Korps nähere Verbindung mit der Ypernschlacht nur auf Umwegen zu finden glückte. Diese Erwägung hätte wahrlich bestimmen sollen, jede Verstärkung den Pfälzern nachzusenden, deren Linke bei Kapellerie mit den Pommern, die Rechte mit den Elsässern so nahe zusammenhing, daß Teile des 5. bayr. bei Abwehr des Zandvorde-Stoßes mitwirkten. Gegenseitige Unterstützung war also verbürgt, wie lange sollten aber fünf bayrische Regimenter so weit auseinandergezogen nach Norden vordringen ohne genügenden Rückhalt! Nichtsdestoweniger bewog anscheinend die Sorge um feindliche Durchbruchsmöglichkeit im Osten die Heeresleitung, die Bromberger Div. von ihrer Pommerschen Schwesterdivision zu trennen, sie nicht nach Wytschaete–Hollebeke, sondern an den Herenthagewald zu schicken und die Gardedivision, beide am 9. zur Stelle, den gleichen Weg gehen zu lassen, als ob Frontalangriff nördlich und südlich der Meninchaussee auch nur entfernt den Einfluß üben könne wie Einbohren des Keils bei St. Eloi unmittelbar auf Ypern. Allerdings mag die Lage im Südende der Ostfront eine Zeitlang bedenklich erschienen sein, doch sie renkte sich von selber wieder ein und konnte auch nie bedrohlich werden, wenn der Stoß im Süden von Ypern durchdrang, der ins Herz des Feindes hineinführte. Seit 2. scheint der Feind Paschendaele genommen zu haben, wo II/III/237., II/III/238. R. blutig genug rangen und Kerselaere bis 6. behaupteten. Hier erschien auch Beselers 35. R., später Teile 51. Art., 19. P. vom Elsässer Korps waren hierher abgeirrt; neues Zeichen dortigen Wirrwarrs. 73. L. W. hielt wacker stand wie links davon 74. L. W. bei Broodseinde, wo indessen I/237. und 3. Ers. Rgt. unerheblicher litten; ein hierher verschlagenes Bataillon vom 73. Inf. noch weniger. Furchtbarer raste der Kampf zwischen Morslede und Broodseinde, die 2. engl., 18. fr. Div. drangen also erneut über Keiberg vor bis nahe der Chaussee Roulers–Lille. 4. Ers. Rgt. Marburger Jäger und vor allem das bisher gesparte 244. R. wichen nach schwerem Kampf; Haigh drang auch bei Becelaere durch, die obengenannten sieben Bataillone verloren über 3000, d. h. fast die Hälfte. Auch 78. L. W., 242., 243.. 241. R., 25., 26. R. Jg. und 245. hatten es schwer zwischen Keiberg und Becelaere (3300), die schon im Oktober sehr gelichteten 25. Jäger schmolzen auf ein Häuflein. (Beim 245. freilich etwas vorheriger Kampf bei Gheluvelt abzurechnen, auch litt es erst seit 8. stark, 242. verlor im Oktober und November 1600). Ob bis 10. der wütige Gegner aus allen eroberten Punkten wieder wich, ist zweifelhaft. Die Franzosen gaben es nur für Broodseinde zu, das sie gleichwohl später zurückerobert hätten, aber es ist kaum denkbar, daß die Garde ihre Vormarschrichtung einschlug, wenn Becelaere noch in Feindeshand. Vor allem aber zeugt dagegen, daß tatsächlich ein neuer Gewaltstoß aus Zonnebeke stattfand, wobei I/239., I/238. und Teile 240. (frisch im Feuer, doch immer meist im Rückhalt) sich von Norden mit 247. R. von Süden her verknüpften. Erstere kamen unstreitig von der Kreuzung der Bahnlinie Roulers–Ypern mit Chaussee Gheluvelt–Becelaere–Zonnebeke, letztere von deren Südstrecke, wo sie sich mit der Straße Keiberg–Ypern schneidet. Es ist also völlig ausgeschlossen, daß dies geschehen konnte, solange Paschendaele und Becelaere in Feindeshand. Ebenso kann ein Angriff der 9. R. Div. in Richtung St. Julien (südlich Paschendaele, nordwestlich Zonnebeke) schwerlich an Paschendaele vorbei erfolgt sein, falls sie aus diesem Ort in rückwärtiger Flanke noch beschossen werden konnte. Alles spricht dafür, daß der Feind bis 9. all seine Vorteile aufgeben mußte und in die Linie Langemark–St. Julien–Zonnebeke–Frezenberg–Westhoek zurückfiel, wobei ihm die sächsische und 26. F. Art. aus Osten, 16. F., 51. R. Art. aus Norden verderblich das Geleit gaben. Wahrscheinlich drangen Deutsche in Zonnebeke ein, ohne aber diesen Zentralsitz der feindlichen Hauptmacht brechen zu können. 26. F. Art. litt dabei ungewöhnlich, auch 31. R. Art. nicht wenig. Übrigens sehen wir hier, daß die schwere Artillerie nur bei Hollebeke und Paschendaele–Broodseinde wirkte, nicht bei Deimling, wo die amtliche Schrift sie aufpflanzt. Die verbündete Artillerie arbeitete mit großer Geschoßverschwendung, die deutsche mußte knapp haushalten, wählte aber jetzt so gute Stellungen, daß das feindliche Geschützübergewicht nicht so ins Gewicht fiel wie im Oktober. Zweifellos fügte sie den auf Zonnebeke Enteilenden furchtbare Verluste zu, wie der Feind ja auch bei Wytschaete seine Angriffe äußerst teuer bezahlen mußte und seine Angriffsstärke von Tag zu Tag schwand.

Auf Linie Morslede–Broodseinde–Becelaere verloren wir inkl. des wenig eingesetzten 2. Ers. Rgt., Artillerie und Pioniere, bei denen sogar zwei bayrische L. W. Kompagnien erschienen (warum erwähnt der bayrische Urheber der amtlichen Schrift dies nicht?) ungefähr 7800, und wenn wir die Zonnebeke- und Paschendaelegruppe (inkl. 247. R.) mitrechnen, 11 300. (Natürlich bis Monatsende gerechnet). Diese Kämpfe sind viel bedeutsamer und wichtiger als die Beselers und Kleists, von denen die G. St. Schr. allein weiß. Fortan unterließ der Gegner jeden Massenausfall aus seiner Lagerfestung gegen diese Linie und beschränkte sich teilweise auf Verteidigung (wohlgemerkt erst jetzt, nicht seit 2., wie die Schrift irreführt), jede Lust verging ihm, die Ost- und Südostfront einzurennen. Der Eintritt neuer Kräfte in die große Feldschlacht machte sich vom 1. bis 6. sehr fühlbar, die englische »Spezialreserve« ermutigte Haigh, der jetzt drei Divisionen handhabte, zu seinen Anläufen, obschon besonders seine 1. Div. schon sehr durch großen Blutverlust entkräftet war. Jedenfalls ziemt sich festzuhalten, daß die Engländer Becelaere lange wieder besaßen, bezeichnenderweise standen die Marburger Jäger bei Morslede, also war der Feind schon über die Keiberger Höhen hinaus, bis wohin sie früher vorrückten. Auch Paschendaele ging bestimmt mal verloren; bezüglich Zonnebeke wird die Frage wohl ebenso ungelöst bleiben wie die, ob die Deutschen je Langemark erstürmten, und sei es nur für Stunden. Ein merklicher Fortschritt war also nicht vorhanden. Stoß und Gegenstoß ließen alles beim Alten, es wogte hin und her, unentschieden, für keine Partei ungünstig. Auch Bixschoote gehörte uns nicht mehr. Korps Kleist lag jetzt nördlich davon im bösen Feuer; der Norden blieb uns nicht hold; im Süden ging es viel besser. Von Kampfpause am 9. kann man kaum reden, denn dies heißt nicht, daß nicht noch an vielen Stellen Erfolg und Mißerfolg heiß umstritten worden. Doch lehren die Verlustlisten, daß erst seit 10. die Schlacht in ihrem Höhepunkt stand. Die Stimmung war so verschieden, daß die Verbündeten sich im Norden und Nordosten Sieger fühlten und sich darauf versteiften, dort immer noch Angriffe durchzusetzen, eine sonderbare Verstocktheit, da der Gegner schon die Linie Zwartelen–St. Eloi teilweise inne hatte, also ins Innere der Ypernstellung hineingriff. Ein letzter Vorstoß am 9. gegen das bei Poel ablösende »verstärkte Korps Beseler« (9. R. Div. und Teile 3. R. K. ohne die angeblich unterstellte 44. R. Div.) scheiterte sehr blutig, indessen ließen die Franzosen es sich nicht nehmen, über Bixchoote – jetzt ein nur durch Trümmer bezeichneter Begriff – das Korps Kleist zu bedrängen.

Der 10. Nov. sollte nun ein kritischer Tag erster Ordnung werden. Gardediv. Winkler und die 4. Bromberger Div. als Korps Plettenberg unter dem Kommandierenden des Gardekorps und Deimlings Divisionen führte jetzt zusammen der später so berühmt gewordene Pommernchef Linsingen. Dies Durcheinanderwerfen der Führerstellen, stetes Auftauchen neuer Gruppenkommandanten wie des bisher nirgends hervorgetretenen Gerock, der seinerseits die andere Pommernhälfte unter sich hatte, scheint etwas willkürliches. Es wirkte sicher eigentümlich auf Deimling, daß er dem Befehl eines gleichrangigen Kollegen untergestellt wurde. Freilich mag nach Aussage von Mitkämpfern bei ihm allerlei Unregelmäßigkeit vorgekommen sein, die seine persönliche Schneidigkeit kaum gutmachte. Überhastung und Überstürzung bei Anmarsch und Angriff ohne hinreichendes Geschütz sind ersichtlich, um so mehr beharren wir dabei, daß im Oktober nur sieben, höchstens zehn Elsässer Bataillone anwesend, die daher Gheluvelt nicht genommen haben können. Über die Bromberger Div. herrscht Unklarheit, warum sie auf völlig andern Punkten erschien als ihre Schwesterdivision, d. h. ob dies schon früher ins Auge gefaßt oder erst jetzt unter dem Eindruck des feindlichen Durchbruchsversuchs bei Broodseinde verfügt wurde. Jedenfalls leistete sie überraschend wenig, übrigens fehlt bei ihrem geringen Verlust das 149., also wohl abwesend. Vielleicht nur Teile von drei Regimentern. Ob Haigh sich am 9. wieder in Besitz von Veldhoek und Poezelhoek setzte, ist zweifelhaft. Jedenfalls waren sie am 11. in deutscher Hand, als der Gardeangriff begann. Für Deimling war der 8. ein glücklicher Tag gewesen; die siegesfrohe Stimmung der Elsässer hob sich, stieg noch beim klingenden Spiel, womit sie jetzt in Zwartelen vordrangen und Gegenstöße abschmetterten, die nur Auflösung des Gegners zu vollenden schienen. Wo anreitende Schwadronen fast sämtlich die Walstatt deckten, schien man des Feindes Niederlage sichtbar vor Augen zu haben. Dem war aber nicht so, nur Copper mußte seine Reste rückwärts sammeln, auch von der wackern 3. engl. Kav. Div. war nicht mehr viel übrig. Doch über das aus umbuschten Einzelhöfen bestehende Wiesendorf Zwartelen, wo die elsässer Vorderschützen lagen, konnten sie nicht hineinstürmen. Da Deimlings Schlachtreihe mit der linken Schulter den Kanal berührte und genau Fühlung mit den Bayern hielt, sollte Linsingens Aufgabe sein, alles über den Haufen zu werfen, was östlich des Kanals stand. Als am 10. früh Armee Albrecht und Gruppe Linsingen und Gerock gemeinsam zum Angriff antraten, reifte die Schlacht in die höchste Krise. Die bisher bei Deimling schwachen Pioniere hatten starken Zuwachs bekommen und die schwere Massenbatterie westlich des Kanals unterstützte durch Flankenfeuer, da Linsingen mit vorgewandter linker Schulter avancieren wollte. (Von solch staffelförmiger Ordnung vermögen wir aber nichts zu entdecken, falls die Raumangabe für die Garde auf Wahrheit beruht, auch Deimlings Rechte im Zwartelenwald hat eher die rechte Schulter vorgenommen). Da die Offensive mit Falkenhayns Dixmuidenerfolg zusammenfiel, schien alles zum Besten zu stehen und es erweckt wirklich Staunen, daß der voraussichtliche Sieg sich nicht voll auswirkte.


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