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Die Lage bei Ypern.

Ursprünglich den andern Korps zeitlich und räumlich weit voraus, hatte K. Kleist nicht mehr die Vorhand, es wartete bis rechts und links ein Aufschließen möglich. 45. R. D. war am 19. bei Kortemark, Vorhut der 46. erst am 20. wieder bei Stade, erreichte zwar obsiegend den Ostsaum des Houthoulstwaldes und entrang den Territorialen schon am 21. das ganze Waldgebiet über dem Steenebekebach, kam aber dann wenig mehr vor. Die Stettiner Schwesterdivision lehrte den im Aufmarsch begriffenen Belgiern bald Mores, nahm das verschanzte Merkem und nördlicher Laghem mit 209., 210. R. Griff Kleist nur einen Tag früher an, ehe Haigh ausmarschierte, so hätte der Angriff nie gestockt. Und hätte Falkenhayn gleichzeitig früher angegriffen, so bekam der Stoß über Merkem solche Stütze und Bedrohlichkeit, daß French schwerlich Schlacht östlich des Kanals fortsetzen konnte. Jetzt war es zu spät, frontales Anrennen der 4. A. mit zersplitterten Kräften konnte nichts wesentliches erzwingen. Den Bogen im Osten und Südosten zu spannen war unnütz. Machten die damals noch sehr unvollzähligen Briten Miene, über Roulers–Menin in die scheinbar offene Südostflanke vorzugehen, wo ja das 3. engl. K. nicht mehr wie gehofft hinreichen konnte, so genügte 27. R. K. sie aufzuhalten und jeder Schritt nach vorn entfernte sie weiter von ihrer Rückzugsbasis, 26. R. K. hätte besser dorthin gehört, wo jetzt die Linke des 23. stand, es konnte von Poel schon Haigh in die Flanke fallen, brauchte sich nicht so breit auf Paschendaele zu entfalten. Doch natürlich gehörte zu dieser ganzen Kombination rechtzeitiges Eingreifen einer starken Südgruppe. Dann Ade! Die alten Illusionisten French und Foch konnten dann das Wort beherzigen »Klappe zu«! Doch das ominöse Wort »rechtzeitig« gewann hier traurige Bedeutung. Die Verstärkungen der großen Westverschiebung kamen der 4. A. erst im November zu gute, wo es wieder zu spät und falsch war: da sie im Oktober ihre Aufgabe nicht erfüllte, so war dies im November gegen den verstärkten Gegener ebenso unmöglich und man hätte nur die Südgruppe bis aufs äußerste verstärken sollen. Jedes Glanzstück der Truppen zerrann durch strategische Rechenfehler und gedankenlose Stärkeverteilung. Es bleibt traumhaft schön, daß die Begeisterung der Freiwilligenkorps noch mancherlei Erfolge pflückte, trotz anscheinender Unmöglichkeit bei zeitlicher Ungleichmäßigkeit des so schlecht angelegten Vorgehens. Das Übermaß zwecklos verbrauchter Mechanik südlich Arras sollte nun ganz nordwärts verlegt werden, im November trat eine wahre Verstopfung sich ineinander schlingender Massen bei Ypern ein, doch die Schicksalstage zu angemessener strategischer Schürzung und Lösung des Knotens waren unwiderbringlich dahin. Jetzt kam der um viele Tage verspätete Angriff obendrein noch um 10 Tage verfrüht, denn an Einwirkung der Südgruppe über die Lys, was Rupprecht und Falkenhayn persönlich am 14. vereinbarten, war noch gar nicht zu denken. Man vergegenwärtige sich, daß French schon am 14. seine Lage kritisch nannte. Der selbstgefällige Dorien sah seine Bahn durchkreuzt, Poultenay sich durch General Lafferts Operation beiseite gedrängt, Rawlinson hing bei Menin ganz in der Luft. Unter solchen Umständen war es alles Mögliche, daß French seinen letzten Pfeil aus dem Köcher und Haigh dem Zickzackkurs Coppers nachsandte. Auf ausführliche Polemik lassen wir uns nicht ein, die Feststellung bleibt aber unerläßlich, daß Copper erdrückt worden wäre, wenn rechtzeitig vereint 27. R. K. auf ihn fiel, während 4. Kav. K. Stetten ihn über Courtrai einkreiste. Wenn gleichzeitig 26. R. K. aus Osten dem nordwärts aufgestellten Haigh in die Flanke fiel und 23. R. K. die 87., 88. Territ. D. vor sich her trieb, war großer Erfolg möglich, ehe Foch sein 9. K. heranführte. Auf 32. K. (31., 38. D.) war vollständig erst bei Monatsende zu rechnen, auf 16. K. erst am 1. Nov., auf 22. K. erst am 3., 5. Deutsche Angaben über Mitwirkung dieser Korps sind alle falsch, zu dem Zweck vorgetäuscht, um nicht eine Fundgrube für unangenehme Entdeckungen zu liefern. Denn nur so begriffe man, daß bei Eingreifen von etwa 70 Bataillonen der Südgruppe so wenig glückte, und selbst dann würden 150 Bataillone (inkl. 66. R. und Jäger), von denen man stets das Höchste erwarten darf, über 170 Herr geworden sein. Es ist aber beides falsch. Lange fochten im Oktober bei Ypern nur 66 englisch-französische, dann vielleicht 110, erst ganz zuletzt etwa 125. Daß Winston Churchill von »vierfacher deutscher Übermacht« faselte, daran tragen deutsche Berichte selber Schuld, indem sie 13., 15. K., 2. bayr. K. zählen. Selbst die amtliche Schrift verfällt wie Stegemann in den Ausdruck »13. K.«, weil dessen Generalkommando Fabeck anwesend, doch nur mit 26. D. Umgekehrt führt auch die Ausdrucksweise irre, daß 7 deutsche Korps 8 feindliche angriffen, denn lange waren nur 3 englische, 2 franz. Divisionen vorhanden, später dazu 2 bis 3 franz., man muß divisionsweise zusammenrechnen. Diese mögen ihren Septemberverlust ergänzt haben; D. Copper schmolz aber schon erheblich durch Strapazen und das Territoriale war von geringer Qualität. Dagegen waren unsere Freiwilligenkorps vollzählig und frisch, diese »unmögliche Miliz« schlug sich über alles Lob erhaben. Ihre 77 Batl. hätten allein genügt, vor Ankunft des 9. franz. K. alle Stellungen zu überrennen, sie würden auch so noch obgesiegt haben, wenn rechtzeitig und vollzählig eingesetzt; wir behaupten aber laut Ausweis der V. L., daß höchstwahrscheinlich 20 ihrer Batl. im Oktober nicht eingesetzt, d. h. noch in zeitlichem Rückstand. Sie fochten stets gegen Übermacht und Lobpreisung der 26. D. bei Messines verdrießt, weil sie nur Reiterschützen und einige Bataillone des 3. engl. K. gegen sich hatte. Wäre 2. bayr. K., 13. K. vollzählig Ende Oktober im Kampf gewesen, so wäre ihre Leistung erbärmlich, denn es ist unwahr, daß sie schon 16. 22. franz. K. gegen sich hatten, von denen höchstens 15 Batl. am letzten Oktobertag mitwirkten. Nach unserer Ergründung fochten aber nur eine bayrische Vorhut und nicht mal die Hälfte Deimlings. Nun ist aber ergötzlich, daß die amtliche Schrift zwar alles mögliche fechten läßt, (auf franz. Seite gar noch ein anderes unbekanntes Korps), dafür aber meint, 25. R., 3. D. seien erst im November ins Feuer gekommen. Laut V. L. fochten gleichwohl 3 Pommersche, 2 Hessische Regimenter am 31. Oktober. Im ganzen etwa 40 Batl. der Südgruppe, aber erst ganz zuletzt, sie taten am wenigsten. 37., 38. L. W. Br. marschierten von der Yser erst Ende Oktober zur 4. A. Daß die G. St. Schr. sie und »1. Ers. D.« dort im Oktober mitzählt, widerspricht den V. L. (Übrigens gingen 1. Ers. Rgt. und 1. bayr. L. W. Brig. nach der Champagne, wo auch 224. R. Weimar eine Zeitlang hospitierte). Selbst wenn 6 Batl. dieser Einheiten mitwirkten, standen bei Ypern bis 31. Okt. nur wenig über 100 Batl. im Kampfe gegen starke Stellung überlegener Kräfte mit weit überlegenem Geschütz. Denn auch das stimmt nicht, daß die Fabeck beigegebene stattliche Menge schwerer Artillerie vor 1. Nov. wirkte. Dagegen ist bei 6 belg., 2 franz. Div. an der Yser zu vermerken, daß erstere kaum die Hälfte ihres Bestandes und Romach nur Brigadestärke hatte, 5 deutsche Divisionen (2 davon frisch, die andern sehr wenig geschwächt) sehr wohl imstande waren, sie zu brechen. Möglich, daß zum Schluß noch etwas Territoriale und Turkos mitwirkten, auch fehlte 52. R. nach unserer Meinung der 5. R. D., doch man sollte nicht ewig von »Dixmuiden« schwärmen und darüber die unglaublichen Heldentaten der Sachsen, Badenser, Rheinländer der andern Res. K. vernachlässigen, die man auch insofern stiefmütterlich behandelt, als die Pommern Kleists über Gebühr gepriesen wurden, obschon sie lange nur schlechtere Truppen gegen sich hatten. Ist auch hierin System?

An Kavallerie waren die Gegner sich gleich, je 9 Div. (4 franz., 3 engl., 2 belg.), da auch 2. Kav. D. die Gruppe Fabeck begleitete. Ihr schlossen sich 3. Husaren des 3. K. an, da Reiterei an der Aisne unnütz wurde; sie und 3. Ul. gesellten sich zu den Pfälzer Chevauxlegers, als sie über Houthem gegen Ypern vorritten. Bemerkenswert ist die französische Angabe: 14 000 Reiter der 4., 5., 6., 7. Kav. D. seien erst am 25. östlich Ypern aufmarschiert, wahrscheinlich um Lücken zwischen Haigh und Ravlinson zu schließen. Da noch ein erheblicher Teil bei Comines–Wervicq focht, endeten dortige Gefechte schwerlich vor 25. Dies Datum wirft ein vorüberzuckendes Licht. Denn danach scheint 9. franz. K. noch nicht am 25. bei Langemark eingetroffen, worauf erst Haighs Umgruppierung nach Osten neben Ravlinson erfolgte. Wie dann? Also hätten seit 20. sechs frische deutsche Divisionen gegen fünf, von denen eine mürbe und zwei minderwertig, nichts ausgerichtet? Das glaube ein anderer! Wir folgern unverzagt, daß dann eben nicht diese 6 Div. vereint fochten, ihr Hauptangriff auch viel später als 20. erfolgte. Die V. L. geben uns recht. Die G. St. Schr. scheint zu glauben, daß Ravlinson bei Menin Poultenay suchte. Doch diesen alten Bekannten konnte er dort nie finden, was der beauftragte Autor erkannt hätte, wäre ihm der Hessenkampf bei Le Quesnoye geläufig gewesen, wovon er anscheinend kein Sterbenswörtchen weiß. Da sollte er doch lieber nicht den Tempel einer welthistorischen Schlacht betreten, wenn er schon auf der Schwelle stolpert. Daß der Feind die Lys bei Warneton freigab, war wesentlich durch Zurückdrücken der Briten auf Armentières veranlaßt. Als Copper seinen Vormarsch einstellte, fürchtete er nicht Gefahr von Menin, sondern von Roulers. Vom Nahen des 27. R. K. war ihm nichts bekannt, weil es eben noch gar nicht erschien. Wenn aber Copper früher Ypern besetzt gefunden haben will, – Kav. Vorhut und vielleicht 18. Randsburger Jäger, die mit dem Rostocker R. Rgt. als Vorhut Kleists schon am 9. bei Stade standen, – so ist dies doppelt ein Fingerzeig, daß die 4. A. dort hätte stehen können. Vielleicht suchten sie dort Mitte des Monats die bei Ypern und Balleuil vorgepirschten Schwadronen.

Man dachte dem bisher wenig glücklichen Herzog Albrecht eine schöne Rolle zu mit dem Feldgeschrei Calais für die begeistert eifrigen Freiwilligen. Ein hübscher Traum, hübscher wäre die Wirklichkeit gewesen, wenn am 18. Albrecht bei Ypern und Beseler jenseits der Yser gestanden hätten, was ganz im Bereich der Möglichkeit lag. Für beide Parteien war der Zusammenstoß eine Überraschung. Dem König Albert, der selber alles Unglück über sein Land hinaufbeschwor, im Gegensatz zum Premierminister und früher weitsichtig warnenden Diplomaten, versicherte man treuherzig, diesmal würden die Deutschen mit Fußtritten über den Rhein getrieben. Die Deutschen hofften ebenso treuherzig auf militärischen Spaziergang über Ypern. Krieg ist aber, wie Napier bezüglich Massenas Portugalfeldzug bemerkt, keine Konjekturalpolitik. Man glaubt es mit lauter Kindsköpfen zu tun zu haben. Foch und French fielen aus den Wolken, als ein frisches deutsches Heer auf sie zukam. Doch es bewegte sich so langsam, daß nicht mal der verschüchterte Copper sich aus dem Staube machte. Kommst du heute nicht, so kommst du morgen, in einer Krise, wo jeder Tag kostbar. Das Entkommen der Belgier zu Lasten der O. H. L., die nicht Beseler zu rechter Zeit verstärkte, war ein Skandal; die Verspätung der 4. A. ein anderer. Hätte sie am 20. den Ypernkanal erreicht, so wären die Folgen unberechenbar gewesen. Mit unerhofft rascher Einnahme von Antwerpen und Lille holte man sich nichts als strategische Nackenschläge. Der Mordskampf bei Arras war eine Ungeschicklichkeit, weil man damit nicht mal Maudhuys Anschluß an French verhinderte und in öder Frontalrauferei die besten Truppen vergeudete. Die Front Arras–Roye war so unbehilflich überlastet, daß man sie Ende Oktober und Anfang November um 4 Div. verringern konnte. Nur das elegante Manövrieren der Sachsen bot einen Lichtpunkt. – –

Für den von Wervicq zu durchschreitenden Raum kam zunächst Houthen in Betracht, dahinter Hollebeke, westlich Wytschaete, dahinter der Kemmel, wo sich drohend eine englische Massenbatterie erhob. Nun ist zwar erwiesen, weil durch V. L. belegt, daß bayerische und preußische Reiter am 31. bei Schloß Hollebeke streiften und bei Houthen ein kleines Gefecht hatten, da hier offenbar nur schwache englische Posten standen. Daß wir aber dort das ganze Pfälzer K. begrüßen sollen, ist aus der Luft gegriffen, da wir zwei Drittel davon noch lange zwischen Arras und Somme fechtend trafen. Selbst die Vorderstaffel 5., 18. Rgt. hatte längeren Aufenthalt, bis die Reitergefechte den Übergang über die Lys freimachten. Wann diese endeten, ist ungewiß, da doch Richthofen sich erst am 28. vor Messines eingrub, nachdem der Kampf mit blanker Waffe zum Vorteil seiner Schwadronen ausschlug. Kein nennenswertes bayrisches Fußvolk kann am 30., 31. bis Hollebeke gelangt sein; in solchem Falle pflegt Reiterei nicht im Vordertreffen zu stehen wie bayr. 2. Schweren Reiter, 6. Chevauxlegers bei Houthen, 3. Hus., 2. Drag. bei Hollebeke nebst 2. J., 2. P., 5. Art. des 2. b. K., die richtige Vorhutzusammenstellung. Da 26. D. sich erst am 31. vor dem viel südlicheren Messines entwickelte, wie soll da »3. bayr. D.« am Messines vorbei bis nahe an Ypern gelangt sein! Vielleicht Verwechselung mit 3. pommerschen D., die am 31. ihre Vorhut vor Wytschaete brachte. Da 25. R. D. gleichfalls überging, den Umständen nach früher am Platz, als die Bayern, so verstopfte dies doch auf längere Zeit das Flußdefilee. Mal vordatieren, mal nachdatieren, wie es gerade den Offiziösen paßt; wen sollten die Pfälzer »mit großem Erfolg angreifen«? Damals bewachten nur schwache Posten des 3. engl. K., das langsam nach Norden absplitterte, diese Strecke. Man würde den Pfälzern, die sich später höchst ruhmwürdig verhielten, ein Armutszeugnis ausstellen, wenn sie dann nicht gleich bis Ypern vorgedrungen wären.

Warum kreidet man Moltke so an, daß er zwei Korps Ende August nach Rußland sandte? Hier entzog man der Südgruppe im November geradeso vier Divisionen, als ob man sie nicht besser der andern Schlachtfront entnommen hätte. Schlagender Beweis, daß die O. H. L. nie begriff, daß nur die Südgruppe sich entscheidend auswirken konnte, wie auch die Folgezeit lehrte. Für den Oktober aber steht fest, daß die 4. A. sich bis 30., 31. allein schlug. Man stelle sich vor, daß Fabeck nur zwei Tage früher mit vereinter Macht angegriffen hätte. Wenn er und Beseler sich im Rücken von Ypern rührten, war die Einkesselung fertig. Mag man über diese Form denken wie man will, French war nicht der Mann, ihr auf der innern Linie rasch entgegenzutreten. Es hätte betäubend gewirkt. Doch wie gewöhnlich drohte man nur mit der gepanzerten Faust, mit taktischen Schlägen ohne einheitlichen Gedanken. Durch ununterbrochene Schnitzer die herrlichen Truppen opfernd, machte man die Kanalschlacht zu – Wasser, obschon sehr blutigem.

Man muß sich noch über manchen Punkt einigen, ehe man diese Schlacht malen oder auch nur untermalen kann. Wäre die 4. A. einheitlich hereingebrochen, so standen die Verbündeten auf viel zu weiter Front. Für Ravlinson schien die Luft geklärt, als Haigh nordwärts von ihm lagerte. Erst spät ward er sich seiner Isolierung an der Meninchaussee bewußt, weil eben K. Carlewitz erst allzu spät sich fühlbar machte. Behielt Haigh seine Umschwenkung nach Nordosten bei, so zielte K. Hügel unmittelbar in seine rechte Flanke. Hier drängt sich die Frage auf, an der die G. St. Schr. achtlos vorübergeht: Fochten wirklich Engländer gegen 46. R. D., wurde Langemark je ein Brennpunkt deutsch-englischen Nationalhaders, wie die Fama wähnt? Die Meinung, dies sei eine britische Hochburg geblieben, irrt völlig; die tapferen Verteidiger waren dort immer Franzosen. Doch deren 31. D. kam erst sehr spät, wenn überhaupt im Oktober. Wann aber rückte 9. K. de Moussy auf? Hier haben wir das Datum, daß Kav. K. Mitry-Conneau am 23. vor Langemark aufritt. Conneau wandte sich dann nordwärts, Mitry südöstlich bis über die Bahnstrecke Roulers-Menin, d. h. vor Morslede, um die Lücke neben Ravlinson zu füllen. Hiermit zerfällt aber die ganze amtliche Darstellung über Beginn der Schlacht in nichts. Denn unter solchen Umständen könnten 26., 27. R. K. erst höchstens im Laufe des 25. angegriffen haben. Jedenfalls wird hiermit der Zeitpunkt festgestellt, wo die Reitermasse sich teilte, um das 9. K. in die Front zu lassen. Klarheit gibt es nicht, auch nicht über die Angabe, daß General de Moussy das K. Haigh in die Witte nahm, die 2. englische D. bei Langemark mit 17. D. ablöste und die 1. D. mit der 18. bei Morslede einrahmte. Jedenfalls kann alles, was bis dahin im Osten vorfiel, nur Vorhutscharmützel gewesen sein. Wären am 19., 20. vier frische deutsche Divisionen vereint auf drei schon früher abgekämpfte englische gefallen, so wären diese sozusagen zerplatzt in völliger Überraschung. Denn erst am 18. erfuhr French, dessen Zickzacklinie von Bethune bis Menin schief und krumm durcheinander lief, durch Abfangen einer Radfahrpatrouille etwas über die 4. A., anscheinend aber nur als aus Norden kommend. Was an Verstärkungen auf dem Wege war, ward von French nach Norden dirigiert, von Foch noch Ende Oktober. Klar genug, daß er nicht so verfahren wäre, wenn damals schon starker Druck aus Süden auf Ypern lag. Nur im Norden scholl vom 19. bis 22. Kampfeslärm, wo bereits die Belgier von der Bildfläche verschwanden; der Angriff aus Ost und Südost kam ganz unerwartet.

Ja, die Oktoberschlacht wäre wenig ehrenvoll für uns, wenn die amtliche Darstellung nicht auf Ungründlichkeit oder planmäßiger Irreführung fußte. Sie stürzt wie ein Kartenhaus zusammen, sobald wir die Ausdrucksweise »Korps« in Divisionen und Brigaden berichtigen, und die Phantasmagorie deutscher- und feindlicherseits schon fechtender großer Massen zerstören. Dies Zahlenbild betrifft auch das Elsässer Korps. Man rechnet nicht damit, daß die Furchtbarkeit des Craonnekampfes zwar nachließ, doch keineswegs ausbrannte, also Deimling erst nach und nach seine Truppen loslösen konnte. Bezeichnenderweise führt die G. St. Schr. nur ein Bataillon 143. an, das wir obendrein in den V. L. nicht finden, und nur zwei Bataillone 105., die tatsächlich bei Gheluvelt fochten; gerade diese zwei stehen in den Listen. Für die Vertrauenswürdigkeit des Offiziosus ist aber lehrreich, daß er ausgerechnet die fünf Bataillone nicht nennt, die notorisch am letzten Oktobertag bei Zandworde fochten: 172., I/II/171. Dafür wirft er mit 30., 39. D. um sich, als seien diese Einheiten je zur Stelle gewesen. Wir kennen diese Art ja sattsam aus Bülows Marneschlacht. Nicht mal Artillerie war genügend da, nur 84. Art. vollzählig. Wir wissen von Mitkämpfern, wie man darüber klagte, und wie überstürzt die Vorderbataillone ins Gefecht traten. Die G. St. Schr. redete von »am 20. beginnenden Angriffen der 6. A.« Herr, dunkel ist der Rede Sinn. Was haben die Kämpfe bei Lille und Armentières mit der Ypernschlacht zu tun? Die Irreführung verdutzt um so mehr, als Prinz Rupprecht sich erst am 19. mit Falkenhayn besprach, als angeblich 4. A. schon zur Schlacht antrat. Erdichtete Vollwirkung Deimlings am Monatsende schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe; erstens, um dies geniale Disponieren der vorsorglichen O. H. L. zu veranschaulichen, zweitens, um so frühe Eroberung Gheluvelts vorzuspiegeln. Wir sind aber nicht geneigt, Ententeberichte grundsätzlich abzulehnen, falls sie nicht der Wahrheit offensichtlich ins Gesicht schlagen. Der Spruch, »wer einmal lügt, dem glaubt man nicht,« erfährt durch die Einschränkung »und wenn er auch die Wahrheit spricht«, eine unmoralische Korrektur. Die Vorbestrafung vor Gericht ist eine der morschen Eselsbrücken der blinden Justitia; denn auch ein wegen Meineid Vorbestrafter oder ein Gewohnheitslügner spricht gelegentlich Wahrheit; nur Denkträgheit verbietet, jeden Fall kühl nachzuprüfen, welche Aussage sich mit Wahrscheinlichkeit deckt. Die Engländer sagen hier, Gheluvelt sei zwar am 31. erstürmt, doch sofort zurückerobert worden. Der allgemeine Gefechtsstand bis 7. Nov. bestätigt dies. Wäre nun Deimlings ganzes Korps am Werke gewesen und dazu das ganze 27. R. K., so wäre unerfreulich, daß die zwei englischen Div. nicht von ihnen bewältigt werden konnten und daß sie sogar bald darauf selber in Bedrängnis gerieten. So zieht eine Unstimmigkeit immer die andere nach sich. Indem man die Oktoberschlacht mit einem Erfolg beschließen will, bemakelt man zugleich den Ruf braver Truppen und arbeitet der Aufschneiderei des Gegners über deutsche Übermacht in die Hand. Halten wir dagegen fest, das laut V. L. höchstens 10 (wahrscheinlich 7) Bataillone Deimlings und 14 des 27. R. K. fochten, so klingt die Sache anders. Auch bezüglich der Pfälzer bekommt alles erst ein verständliches Aussehen, sobald man bedenkt, daß auch Richthofen bis 30. allein war. Besonders hübsch läßt die G. St. Schr. auch noch 6. bayr. R. D. auf Wytschaete los, nachdem sie vorher bei Dadizeele nordöstlich Menin aufmarschiert sei und obendrein ihr 16. R. großartig bei Gheluvelt die Elsässer heraushieb, die überhaupt alle möglichen Verstärkungen nötig hatten! Und das alles gegen zwei englische Divisionen, denn mehr waren nicht zur Stelle gegen zwei ganze deutsche Korps! O sancta simplicitas! Si tu tacuisses! Mit nötiger Abbiegung auf Wervicq und Flußübergang marschierte also diese Division am 31. mindestens 50 km und griff dann abends Wytschaete an. Vielleicht flog 16. R. auch noch durch die Luft nach, alles am nämlichen Tage! Solche Verworrenheit ist schwerlich unabsichtlich; der Verfasser gehörte nämlich selbst zur Artillerie dieser Division und möchte gerne seinen Truppenteil aus freier Hand einen Ehrenkranz flechten. Die ehrlichen V. L. verbannen den Spuk, wie die Kodakplatte die Hypnosebilder der indischen Fakire. Was melden sie? Null, nichts! Kein Teil 6. b. R. D. blutete im Oktober, 16. R. selbst im November nur wenig. Mitry wäre wohl nicht seelenruhig nach Norden abmarschiert, wenn er Nahen großer Fußvolkmassen an der Lys bemerkt hätte.

Es gab eine Begegnungsschlacht bei beiden Parteien. Teilte French die Illusionen Fochs über Möglichkeit hiesiger Offensive? Aber er nennt ja selber zuvor seine Lage kritisch; jedes Vorwärtsgehen entfernte ihn erst recht von seiner Basis. Beharren selbst des Dickköpfigsten bei solcher Verkehrtheit wäre unmöglich gewesen, wenn am 30., 31., wo die Strecke Wytschaete–Ypern faßt völlig entblößt war, große deutsche Massen dort vorrückten. Das bayr. Kr. Arch. entfaltet freilich solche Unkunde, daß es am 30. Württemberger »um Wambeke« ringen läßt, also mit Messines in Flanke und Rücken. Wenn deshalb die bayrische Linke »zurückhing«, so ist der Fall erledigt, sintemal die Würt. noch am 31. vor Messines standen. Den magern Hinweis, daß die Bayern am 31. »mühsam etwas vorwärts kamen«, d. h. nichts Ernstes vorfiel, ergänzt die Zauberei, daß Teile von engl. 1., 2. D., franz. 9. K. gegenüberstanden, die damals alle zwischen Zonne- und Zillebeke in bitterstem Kampf lagen! Nur mit 1., 2. engl. Kav. D. hat es seine Richtigkeit, deren Hauptteil aber mit Würt. und Richthofen zu tun hatte! Im Gegenteil begrüßen wir das Geständnis, daß man nirgends Teile 3. engl. K. bemerkte, denn dies wären die einzigen gewesen, die allenfalls für Besetzung von Wytschaete–Wambeke in Betracht kämen. Es bleibt also dabei, daß höchstens einige Allenby zugeteilte Bataillone den Bayern »gegenüberstanden«, ihre Leistung daher unter aller Kritik wäre. In Wahrheit gab es aber am 30., 31. hier sozusagen weder Angreifer noch Verteidiger. Laut b. Kr. Arch. sei 3. D. am 30. »südlich Lys« angetreten, abends im Besitz des Schloßparks Hollebeke, 4. D. »westlich Zandvorde«. Dort »starker Verlust« des 5., 9. Rgts.? Laut V. L. nicht mal stark in November-, für 9. Rgt. sogar erst in Dezemberliste. Von 3. D. erkennen wir nur 18. Rgt. allenfalls hier an; auch vom 3. Fußart, wissen V. L. nichts, nur von 5. Art., der Vorhut. 21. R. trat erst am 31. abends »den Vormarsch über Houthem an«; warum denn, wenn die Pfälzer schon am 30. über Hollebeke hinaus waren? Sehr einfach, weil eben nur jene Reiter- und Jägervorhut über Houthem bis 31. abends bei Hollebeke.

Der Verbündeten unglaubliche Verblendung erinnert an Sedan-Mac Mahon; doch damals kam Kapitulation heraus. Was hier? Weil damals das Schicksal es so wollte, und diesmal anders? Ja, doch der würde die geheimnisvolle Macht mißkennen, wer sie mit »Glück« verwechselt, als ob ihre Beschlüsse nicht strenger Kausalnotwendigkeit folgten. Wenn sich Scipio und Wellington als Besieger Hannibals und Napoleons blähen oder Moltkes Triumphe über Trettel als Strategenwunder gelten, so lächelt man zwar über eitle Glückverwöhnte, verkennt aber die viel subtilere gerechte Schicksalsfügung. Hannibal erlag den Sünden Karthagos, Napoleon den Erbschaftsschulden sowohl der Revolution als des Roi Soleil-Imperialismus, deren moralische Haltlosigkeit ihm den Boden unter den Füßen wegzog; seinen sog. Neffen führte katilinarischer Cäsarismus ganz logisch nach Sedan. Innere Kausalgründe bestimmen den Gang weltgeschichtlicher Entwicklung. Wenn wir das Verhängnis der Marneschlacht wiederholt sahen, indem man aus der Gunst der Ypernlage keinen oder nur äußeren Nutzen zog, so muß ein Knacks nicht in äußeren Bedingungen, sondern im Gehirn des neupreußischen Systems die Ursache sein. Deutschlands Untergang trotz beispielloser Herrlichkeit seines Heeres war vorausbestimmt nicht durch »Laune« des Schicksals, das nur Toren als blind waltende Zufallsmechanik auffassen, sondern durch die ganze Mischung von wohlweiser Schneidigteik und professoraler Charakterschwäche, die seinen häckeligen Materialismus innerlich entwaffnete, weil entgeistigte. Mit dem Professor und Offizier, beide Symptomtypen des gleichen Philistertums, als Lehrmeister, gewinnt man keine Weltkriege um Sein oder Nichtsein. Die Uniformdrillung auf allen Gebieten ist das Gift, das man auch dem urwüchsig-genialen Bismarck kredenzte. Er kannte die » Halbgötter


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