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V. Schlacht am Marnekanal.

Es läßt sich nicht ausdenken, was geschehen wäre, wenn die 4. A. mit der 3. gewetteifert hätte. Man müßte über sie den Stab brechen, wenn wir nicht ergründet hätten, daß sie kaum die Hälfte ihrer Kräfte heran hatte. Bei Vitry wurden die Rheinländer fälschlich in den Vordergrund gestellt. Brig. Reuß der 16. D. sah sich aber nach anfänglichem Eindringen in Vitry, so unsanft abgeschüttelt, daß sogar Kürassiere eine abziehende Kompagnie 29er verfolgten. Zum mehrfach gepflegten Sport, das 8. K. in der Marneschlacht herauszustreichen, ermächtigen weder V. L., noch Tatsachen. Es konnte zwar den Feind am Kanal zunächst wegdrücken, blieb aber nordöstlich Vitry erfolglos bei Glannes, nachdem die Sachsen als Hauptkämpfer, nicht Handlanger, die Stadt eroberten und jenseits anliefen. Nachher in der Hauptschlacht bei Souain brüderlich an Seite der Sachsen ringend, bereiteten sich die Rheinländer mit hervorragendem Schneid auf ihren späteren Frühlingsruhm vor, hier aber hatten sie keine glücklichen Tage, auch nicht 8. R. K. Sie können den Sachsen ihr Verdienst gönnen und bedürfen keiner Vorschußlorbeeren. 15. D. meldete sich erst am 8. zur Stelle und bot sich am 9. an, die linke Flanke der Sachsen zu decken, nur ihr gleich zu Anfang in der Champagne vorgehendes 160. (siehe früher) focht aber wirklich. Als 16. D. aufs östliche Kanalufer übertrat, wobei 8. P. ziemlich litten, schwenkte das franz. 17. K. gewandt nach Nordosten herum und begegnete dem Angriff bei Huiron. Hier setzte sie ihr 69. kräftig ein, bei dem 14 Off. und 750 Mann bluteten. 59. Art. feuerte hier bis 13. im Zurückgehen neben den Sachsen, während 83. Art. sich links der 16. R. A. anschloß, die jenseits des Kanals bis Schloß Buisson feuerte. Ihr Fußvolk folgte nicht, nur 15. R. D. überschritt das Gewässer mit 17. und 30. R., wobei letzteres nur ausgerechnet 30 Mann verlor, so sorglos gab der Feind den Übergang frei. Weiter nördlich kamen noch 65. und I/25. R. bei Domremy ins Feuer, letzteres figurierte anscheinend nur, doch könnte dies Regiment von übergroßem Verlust in später Hauptschlacht vielleicht noch etwas hier abgeben. Keinesfalls verlor das R. K. mehr als 1500 (98 Art.), das aktive Korps 2500 (185). Bircher zitiert allerlei Regimenter bei Marolles, wir lesen die Listen anders. Die Artillerie unterhielt freilich ein überlegenes Feuer und litt entsprechend. Das bei Mouzon sehr geschwächte K. Roques schmolz in dieser Ecke durchs Kreuzfeuer der sächsischen und rheinischen Artillerie so, daß es nachher nur noch in Stärke einer Brigade gesammelt werden konnte. Es hatte auch mit 118. Darmstädter L. W. zu tun, das nachher weiter nordöstlich Vitry focht (drei Listen, lang anhaltendes Gefecht bis 10., 474 Verlust). Man irrt ungewöhnlich, wenn man die Rheinländer, wie bei Vitry vor den Sachsen, so beim Erobern der nördlichen Uferdörfer die Vorhand gibt. Kein rhenisches Regiment »nahm Maurupt« (Bircher) und an Einnahme von Pargny a. Saulx (südlich von Heiltz, nördlich von Maurupt) waren sie herzlich unschuldig, jedenfalls kamen ihnen dort die Hessen zuvor. Nur das 8. K. hatte ein unstetes erfolgloses Gefecht, K. Roques wich schon am 7. beidseitig des Kanals, das Kolonialkorps schlug sich schlecht bei Domremy und Blesnes, doch gelang es dem 8. R. K. nicht, es bis Vauclerc abzudrücken, weil eben so wenig Infanterie drüben war. Wesentlich ein heftiger Geschützkampf, doch auch nur mit unvollzähliger Artillerie. Möglich, daß ein paar Reservebataillone nach Pargny hinstrebten, – gewiß nicht nach Sermaize, wohin man sie großartig versetzt, mit Kopfsprung über die Hessen, doch ihr Sehnen blieb unerfüllt. Pargny und Maurupt schnappten ihnen gerade 87., 88. und I/116. Hessen vor der Nase weg, doch fiel auch diese Arbeit leicht. Das bei Longwy erschütterte K. Gerard zeigte auch hier keinen Schneid. Der mit ungenügenden Kräften unternommene Stoß dünkte Langle so ungefährlich, daß er seine ganze Aufmerksamkeit auf Vitry richtete. Die hessische Artillerie muß aus weiter Ferne und mit geringen Teilen gefochten haben, ihr Verlust war minimal. Trotzdem gingen die Eroberer von Pargny keck auf Sermaize vor, die Afrikaner wichen so schnell, daß man ihren Anteil kaum erwähnt, Gerards 72. und 129. gaben Blesnes preis, gegen das von 126. nebst 18. Ch. verteidigte Sermaize wandte sich jetzt auch die Vorhut der 21. R. D. aus Nordost. Der wichtige Punkt erlag gemeinsamem Ansturm. Gerard wagte am 8. noch einen Gegenstoß, warf sich dann in den Wald Trois Fontaines zurück. Bei Fontenay folgten ihn 168. Inf. und 88. R., das war alles, was vom 18. R. K. wirklich ins Gefecht kam, dazu erschien I/116. R. als Spitze der völlig abwesenden Darmstädter R. D. Beim aktiven K. stand es nicht besser, von 80. focht nur eine Vorhutskompagnie (Verlust 10 Mann), von 81. ein Bataillon. (Oberst Prinz Hessen verwundet), von 115. gleichfalls nur die Spitze (5 Off., 6 Mann; ein Unikum). 25. D. war erst am 9. in fernem Anrücken, nur ihr 116. war weit vorausgeeilt. Im ganzen fochten nur 10 aktive Bataillone (1300), beim R. K. sind nur 11. R. P. nennenswert, die bei Revigny am Ornain der 5. A. die Hand reichten. Gesamtverlust inkl. 118. (Bircher verschreibt 110) L. W. und Reiterei (56. 6. Ul. usw.) 2700. Man darf hier nicht darauf verweisen, daß die Rheinländer mehr verloren, denn nur 8. R. K. kommt für den Kanalkampf in Betracht. Auf 40 km Front fochten also 40 Batl., noch nicht 40 Prozent dieser Armee! Es ist zu viel verlangt, wenn man solche Merkwürdigkeit nicht geißeln soll.

Am 9. schien auch hier die Schlacht unrettbar für Frankreich verloren, nur am 7. abends begegneten die Hessen ernstem Widerstand, die Franzosen schlugen sich matt, die Schwarzen flohen in den Wald von St. Dizier, es hätte ein Leichtes sein können, den Feind in den Dreibrunnenwald zu zersprengen. Doch des Pudels Kern stak wieder darin, daß Albrechts Hauptmasse noch nicht mal den Ornain erreichte. Der Kasus macht aber nicht lachen, sondern stimmt traurig. (Bircher zitiert bunt durcheinander Regimenter, die gar nicht da waren, verschweigt andere, die er an erster Stelle hätte nennen sollen, halt nirgends die Kampfschwere auseinander. Übrigens hätten auch nach seiner falschen Aufzählung nur 4 aktive, 4 R. Regimenter der Rheinländer, 5 aktive, 4 R. der Hessen gefochten, die Differenz beträgt also nur wenig, er läßt eben außer acht, daß von »Regimentern« nur Einzelteile fochten. Übrigens haben wir beim Verlust 8. K. den bei Sommepy und M. d. Ch. mitgerechnet.) Langle machte sich so wenig aus dieser Zentrumschlappe, daß er sogar Truppen von dort für seinen pompösen Rammstoß entlehnte. Um seine Rechte sorgte er sich nicht mehr, da am 9. das Marseiller K. aus Lothringen eintraf und angeblich schon abends eine Flankenbewegung gegen 168. Inf. bei Andernay unternahm. Es führte zu nichts, dagegen wandte sich die 30. D. (nicht »33.«) seitwärts auf Vassaincourt, wo es am 10. und 11. zu stürmischen Auftritten kam. Die Franzosen wollen das Dorf gestürmt haben, jedenfalls wich aber dann das 15. K., nachdem es sich zwischen Langle und Sarrails Linke einschob, unter dem Druck des Kronrinzen (Württemberger und des Kav. K. Hollen) bei Revigny. Von angeblich günstigem Gefecht bei Contrisson sagen die V. L. nichts, am 11. stand 88. R. noch bei Fontenay, am 12. blieb Sermaize besetzt (natürlich nicht »von Württembergern«, Verwechselung mit Sommaisne). Die Armee ging aber auf Linie Suippes–Manehould zurück. Einen zwischen dem Herzog und dem Kronprinzen verabredeten Nachtangriff untersagte Moltke, befahl noch am 10. in den Stellungen zu verharren, gab aber dann klein bei, weil Bülow ihm jede Wiederaufnahme der Schlacht verunmöglichte.

Denn da er mit neuer Versündigung den Marneabschnitt kampflos aufgab, setzte er 3. und 4. A. außer Stand, ihre vorgeschobene Stellung zu sichern. Wir wollen aber bei seinen Verfehlungen nicht vergessen, daß er seine verwerfliche Absichten nicht so durchgeführt hätte, wenn ihn nicht Klucks Schweigen beunruhigte und ihm dessen Gefährdung vorspiegelte. Siegesmeldung Klucks vom 9. abends hätte Bülow wohl zu sofortigem Einstellen der Rückzugsbewegung – damals erst Einleitung – veranlaßt. Daher hätte Klucks Sieg am 9. und 10., an den er selber glaubte, den unbedingten Gewinn der Marneschlacht zur Folge gehabt. Sein Betragen ist daher noch unentschuldbarer, als das Bülows, zumal ihn Moltke zu energischem Handeln drängte. Rücksichtnahme auf Bülow? Daß wir nicht lachen! Er war doch sonst nicht so!

Die mißmutig niedergeschlagenen Truppen unterwarfen sich natürlich vertrauensselig der »höheren« strategischen Einsicht. Die 2. A. hörte, die 1. sei geschlagen, die 3. hörte gleiches über die 2., die 4. über die 3. Den Letzten beißen die Hunde, sagt ein schönes Sprichwort, deshalb vernahm ausgerechnet der Kronprinz, daß er verspätet in die Schlacht eintrat und verfrüht retirierte. Man stellte alles auf den Kopf. Tatsächlich zog Klucks Rückzug den aller andern Heere nach sich, Bülow motivierte den seinen damit, und markiert seinen Unmut über Klucks Handlungsweise, doch bemäntelt dabei, daß seine Suggestion dazu den äußeren Anlaß und Antrieb gab. Seine zarte Besorgnis um Klucks Gefährdung durch French rührt umsomehr, als er besser als Kluck wußte, daß der Brite sich fein behutsam erst am 9. einigermaßen rührte. So ergibt sich das Ergötzliche, daß beide Dioskuren sich aufeinander beriefen. Kluck auf Bülows Rückzugsabsicht, Bülow auf Klucks durch ihn inspirierten Rückzug. Die Schärfe gegen Bülow darf nicht einseitig werden, muß sich gleichzeitig auf beide Instanzen verteilen.

Rückzugsbeginn bei 1. A. am 10. früh, bei 2. am 10. nachmittags, bei 3. am 11. früh, bei 4. am 12. Die Rückzugswut ging also um wie das Hundebeißen, setzte sich im Kreis von einem zum andern fort. Auch 5. A. mußte vor dem tollen Hund einer strategischen Panik die Flucht ergreifen. Die Wasserscheu vor der Wahrheitstaufe erlaubt aber erst heute, die Verantwortlichkeiten zu sondern. Der Kronprinz war außer sich über den Rückzug. Dem Herzog aber ließ sich nicht das Rückgrat stärken, so unangenehm berührt er sich äußerte. Er ging ohne jeden Zwang weiter zurück als nötig und entblößte die Flanke der Nachbarn. 3., 4. und 5. A. hätten die Schlacht ruhig fortsetzen können, wenn Bülow wenigstens an der südlichen Marne blieb.

Gesamtverlust der 3. und 4. A. gegen Langle 13 500, der wohl schwerlich unter 16 000 verlor. Somit kostete die ganze Marneschlacht den Deutschen rund 37 000, den Verbündeten 56 000, eher zu niedrig, als zu hoch berechnet. French sagte bescheiden aus, er habe bis zur Aisne 1300 Gefangene aufgelesen, Joffre möge wohl 6000 gemacht haben. Wir vermögen zwar selbst diese Ziffer von rund 7000 nirgends in den V. L. zu entdecken, doch da man natürlich alle liegengebliebenen Schwerverwundeten und Hospitaliter dazurechnet, mag sie bestehen bleiben. Die Franzosen hingen aber einfach eine Null an und diese lachhafte Ziffer fand sogar in deutschen Gauen Glauben, zumal der deutsche Heeresbericht sich völlig ausschwieg. Die sonstigen Trophäenangaben sind nach gewohnter Sitte kolossal aufgeschnitten, doch mögen viele demontierte Stücke, besonders in der Leipziger Artillerie, liegengeblieben sein. Als »erobert« sind nur nachzuweisen 18 Geschütze Klucks, meist demontiert. Er und Bülow warfen sich in die Brust, wie kunstvoll sie sich vom Feind loslösten, der sich hier des Satzes erinnern konnte: »Mein Gefangener läßt mich nicht los«. Das danke ihnen der Teufel, daß der angebliche Sieger als wahrer Besiegter nicht besonders drängelte. Für Bülow war die Marne die natürliche Schranke zum Feind, doch wozu der Lärm, daß er diesen vorzüglichen Verteidigungsabschnitt krankhaft opferte, da Kluck nacheinander Ourcq, Oise, Aisne preisgab und selbst H. Albrecht den Saulx und Ornain, hinter denen er sich vorteilhaft vom mürben Feind abscheiden konnte.

Unkundige schienen verschworen, der 4. A. Verdienste anzuhängen, die ihr nicht zukamen. Wir mögen aber durchaus nicht leiden, daß man dem Verdienst seine Krone raubt und billige Scheinerfolge anschwärmt. Daß die Marseiller etwas Luft schafften, konnte nicht lange vorhalten. Die Hessen bildeten eine teils schräge, teils halbkreisförmige Linie heraus, nördlich an den Kanal gelehnt, südlich an den Ornain bei Revigny, wo des Kronprinzen Kavallerie bereits das Flußtal überschwemmte. Es ließ sich voraussehen, daß Langle und Sarrail sich nicht die Verbindungstür zueinander zuschlagen ließen, ohne sich ernstlich dagegen zu stemmen. Doch ihnen fehlte die Kraft dazu, falls bei längerer Fortsetzung der Schlacht endlich das Gros der 4. A. ins Feuer gerückt wäre. Dann würde die ohnehin unausbleibliche taktische Niederlage sich zu schwerem strategischem Unglück für Langle und erst recht für Sarrail ausgewachsen haben. Wäre die 4. A. auch nur am 9. vereint gewesen, so rettete kein Gott Langle vor Auflösung, Sarrail vor Abschneidung. Es hat nicht sollen sein; doch vor solcher Führung muß man sein Haupt verhüllen.


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