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Die Marneschlacht.

I. Die Schlacht am Ourcq.

Zufall war Trumpf, »Sr. Majestät der Hazard«. Joffre Lobsprüche erteilen, ist sehr unangemessen. Nichts berechtigte sein Hazardieren zu der Annahme, die Deutschen hätten sich müde gesiegt. Geschickte Verschiebung, die man ihm andichtet, beschränkt sich darauf, daß er Sarrail höchst unpassend um 3 Divisionen prellte, also von der strategischen Bedeutung seiner rechten Flanke keine Ahnung hatte, und daß mit Ausnutzung seines Bahnnetzes eine Umformung in Lothringen entstand, die ihm verderblich werden konnte, durch Entblößung der Mosel- und Maaslinie. Maunourys Auftreten als Retter von Paris soll im Zufallslicht als Berechnung gelten, es wäre aber eine falsche gewesen. Zufallsmäßig erwuchs aus Verbeißen deutscher Vorhuten eine regelrechte Schlacht, wobei jeder Teil einfach vom Fleck, wo er gerade stand, planlos loshämmerte. Erst spät witterten Esperet und French, wie geringe Streitkräfte ihnen die Spitze boten, bis dahin verrieten sie bänglich zauderndes Zagen. Joffres einziges Verdienst sehen wir in seinem Leichtsinn, den das Schicksal zur Standhaftigleit erhob. Seine Unterführer, die nur Böses zu melden hatten, werden ihn wohl kaum angelogen haben (nur von Foch weiß man das Gegenteil), dennoch wurstelte er unverzagt fort, » Something will happen«, wie der Brite spottet, man täuschte sich nicht, es ereignete sich Unglaubliches. Spielerglück! Vermutlich wußte Maunoury, in wieviel Bruchstücke Kluck sein Heer zerlegte, dagegen ist ausgeschlossen, daß er entschlossen am 6. geradeaus vorgerückt wäre, falls Kluck unter Vorbeimarsch vor Paris in seiner rechten Flanke stand, denn alles kam ja darauf an, daß der Franzose selber überflügeln wollte.

Als Lamaze am 3. abends das 4. R. K. angriff, stand dessen 66. R. bei Montlyon. 36. R. schon seit 4. bei Acy, 22. R. D. mit 32. R. bei Etrepilly nordöstlich Meaux, 82. R. bei Vareddes, 71. und 94. R. kamen erst später. Dagegen vertrieb II/14. der im Anmarsch auf Antilly–Acy sich nähernden 4. D. eine feindliche Nachhut bei Rosey südlich Acy, 17. Art. und 18. P. nahe Antilly, 3. D. noch weit nordöstlich bei Oulchy, I/III/9. und I/IlI/34. an der Ourcq-Furth, bei Trasnes, 42. bei Vareddes südlich Acy westlich Trocy, wo 6. Husaren aufklärten. Armins 10. Husaren schlossen sich Marrwitz 12. Husaren an, bei Rebais nordöstlich Coulommiers, englische Berichte lassen durchblicken, daß die englische Nachhut sich nur mit Mühe und Not den Griffen der kühnen Reisigen entwand. Von Armin stand bereits 66. Inf. bei Monthyon, 72. bei Vareddes nebst 40. und 75. Art. und II/27. Somit fingen anfangs nur 12 Batl. des R. K., dagegen 12 Linienbataillone nebst 2 Artillerieregimentern sowie der 7. und 22. R. A., den Stoß auf. Er war am 6. heftig, Lamazes Reservisten kämpften mit der Hingebung von Vaterlandsverteidigern und nahmen am Südflügel Etrepilly den Thüringern ab, jedoch im Verein mit der 7. Marokkaner Zuavenbrigade, als Verstärkung aus Paris geschickt; am Kirchhof floß viel Blut von Afrikanern. Die Zuavenbrigade Ditte unterstützte Lamaze, doch K. Vautier (14. D. und 63. R. D.) kam am 6. fast gar nicht zum Schlagen. Kav. Brig. Gittet und Kav. D. Lucinieres blieben ganz rechts bei Claye und Meaux im Marnewinkel, während umgekehrt die deutsche 4. Kav. D. bei Nanteuil die Nordflanke deckte. Von Umfassung durch Vautier war nichts zu merken. Zwischen Plessis und Monthyon kam es zu heißem Kampf, dann ging 7. R. D. an die Therouanne westlich Etrepilly zurück, 22. R. D. zur Furt am Trasnes. General Gronau führte sein Korps sehr gut, kam anfangs sogar angriffsweise entgegen und warf Lamaze nach Dammartin über den Haufen, um eigenen Abzug zu verschleiern. Maunoury benahm sich schwerfällig und unsicher, ohne am 6. von seiner Waffe rechten Gebrauch zu machen. Das mitternachts alarmierte 2. K. marschierte hinter die Therouanne, wo Gronau in langer Front sich bis Acy dehnte, Linsingen übernahm schon 10 Uhr vormittags das Kommando. Hiermit war Maunourys Unternehmen eigentlich schon gescheitert, weil ein ganzer Tag für die geplante Umfassung verloren ging. Seine Reiterei sandte er endlich gegen Klucks rechte Flanke, doch Sordet war von angeblich 70 km Marsch wieder mal »zu erschöpft« und blieb bei Nanteuil. Gallieni schickte auch die neue 63. D., indessen erschien jetzt 140. Hohensalza der Bromberger D. am Nordflügel nebst vier Brandenburger Bataillonen und schlug den in »prachtvollen Stil« vorgetragenen Ansturm der braven Wehrmänner ab, In der Mitte mußten sich 66. R. schon am 5. abends eines übermäßigen Andrangs erwehren, sein Kommandeur fiel, Etavigny ging verloren. 27. und 72. wichen aus Trocy, so sagt französischer Bericht, jedenfalls gingen sie zugleich mit 42. wieder vor, denn ihr Gefechtsstand Vareddes liegt südlicher als Trocy. Da Maunoury sich erst am 7. vereinte, kann Joffre nicht am 4. eine große strategische Kombination vereinbart haben. Auch hier entwickelte sich alles jäh und zufallsmäßig. Daß Kluck sich noch immer nicht genügend versammelte, um den dreisten Gegner abzuschütteln, verurteilt seine Leistung, und daß er von Anfang an so depeschierte, als laufe er Gefahr, zeigt tadelnswerte Schwäche. Am 7. war er schon so weit: »Schwerer Kampf«, »Eingreifen 3. und 9. K. am Ourcq dringend erforderlich«, gleichzeitig aber: »Wo 3. und 9. K., wie dort Lage?«, wußte also selbst nichts vom Standort seiner Korps, auf seine wagen Sätze läßt sich nichts bauen, was die Legende ausnützen könnte. Die 6. D. hatte er selbst bei sich, hätte er das ganze 3. und 9. K. am Gr. Worin geglaubt, wohin er sie doch selbst geschickt haben sollte, würde er wohl schwerlich an Bülow das Ansinnen gestellt haben, sie sogleich nach dem Ourcq zu entfernen, denn sie waren zu Bülows Flankenschutz bestimmt, und er depeschierte an Moltke: »3. und 9. K. deckten die Flanke der 2. A.« Im ersteren Fall lies 6. und 18. D., im zweiten 5. und 17. D,, nur von letzteren konnte er glauben, daß sie Bülows Flanke decken, nur von ersteren, daß sie absendungsfähig seien, denn 17. D. berief er tatsächlich größtenteils nicht ab. Bülows Bericht überschlägt hier zwei Tatsachen und entstellt sie. Er stellt sich an, als ob er wirklich am 7. das 3. und 9. K. an Kluck preisgegeben habe, was bezüglich 3. K. ganz unsinnig ist, und verschweigt, daß Kluck die verstärkte Brigade Kräwel der 17. D. bei ihm beließ. Denn es paßt Bülow natürlich zu insinnieren, daß Kluck ihm jede Flankendeckung versagte, womit er seinen eigenen Rückzugswillen begründete. Wie schwächlich klingt freilich schon Klucks folgende Depesche: »Feind verstärkt sich beträchtlich«, das war richtig, jetzt erst griff General Vantier, Kommandeur des 7. K., mit 13. und 45. D. an, aber wären »2., 4. und 4. R. K.« wirklich vereint gewesen, dann hatte Kluck wahrlich nichts zu fürchten. Es fehlte aber viel daran, denn Armin und Linsingen, beide gleichfalls in Ferté Milon (ihre Korps hätten also ohne sie den Wagesprung zum Gr. Morin angetreten, welche schlagende Widerlegung!) brachten nur noch wenige Teile am 7. und 8. ins Feuer, so entfernt standen 3., 7. und 8. D. Armins halbe Feldartillerie, I/153., I/III/27., I/III/26. und II/III/165. langten nicht an, nur I/165. griff noch ein, sowie 93. beim Südflügel. Die Verluste waren überaus mäßig. Linsingen brachte nur noch 5 Batl. der 3. D. und 3 der 4. heran. Statt den ersten Andrang durch starken Gegenschlag abzuwehren, beschränkte sich Kluck auf Defensive, notgedrungen wegen so arger Verstreuung seiner Kräfte. Nicht mal Kav. ordentlich beieinander, 6. Hus. der 5. K. D. anscheinend bei 4. Kav. D. Garnier, Linsingens 12. Drag, streiften noch bei Amiens. Ebensogut 4. R. K. schon am 4. das französische Lager bei Dammartin kannte, wußte Maunoury, daß die Bromberger Division in der Nähe und westf. L. W. bei Creil war, schwebte daher bald in tausend Ängsten um seine eigene linke Flanke. Die Mythe der Umkehr vom Morin will verschleiern sowohl die Vereinungsunfähigkeit Klucks, als den überrasch schlechten Ausgang des Treffens. Denn es ist wieder Unkunde Bülows, Kluck sei vorwitzig dem Feind westlich des Ourcq entgegengegangen, tatsächlich wich er Tag für Tag ein Stück ostwärts. Möglich, daß er den müden Truppen Ruhe gönnen wollte, die durchschnittlich 50 km marschierten, was indessen Napoleon für eine normale Verfolgungsleistung 1806 bezeichnete. (Unter Bonaparte marschierte 64. Halbbrigade mal ausgerechnet 64 km, Division Friant focht bei Austerlitz nach unerhörtem Gewaltmarsch von Nikolsburg). Was Franzosen können, können Preußen erst recht, und dabei spricht Kluck noch vom frischen gesunden Zustand seiner Truppen. Sei dem, wie ihm wolle, die 1. A. rührte sich nur langsam ruckweise vom Fleck, statt der Wundertaten des 2. K., das erst French schlug, dann wieder 35 km zum Ourcq herankeuchte und wieder losschlug am Nordflügel! (Natürlich, weil es in Wahrheit aus Norden und Nordwesten kam). Man sollte sich einfach des Unfugs solcher wirr und wild durcheinanderstürmenden Ausschmückungsbilder schämen, auch Bülows »Bericht« gefällt sich in oberflächlichen Nachreden und besitzt nicht das geringste Zeugenrecht, da er nichts selbst beobachtete, was am Morin vorging. Wenn die aus Norden auf geradem Weg vorauseilende 17. D. frühestens am 5. früh den Gr. Morin erreichte, wie konnten dann die aus Nordwest nachfolgenden 2. und 4. K. nach schwierigem Marneübergang am 5. schon südlich davon stehen? Rattenkönig von Selbstwidersprüchen verschiedenster Autoren! Wenn laut Stegemann das 4. K. nicht wesentlich zur Ourcqschlacht beisteuerte, wieso focht es dort schon am 6. und was trieb es im Süden, wo es doch Null Verlust hatte? Wenn laut Kothe 2. K. am 6. mittags östlich Meaux Kehrt machte, wie konnte es am 6. schon »beidseitig« das 4. R. K. fechten? Laut Egli griff »die Masse der 1. A.« erst am 8. beim Rückzug über die Marne mit Teilen ein! Was heißt Masse, was Teile? Wäre 4. R. K. nicht schon am 6. unterstützt worden, so konnte es sich nicht halten. Daß Verschieden sich noch gegen Wissende vorlaut anmaßend gebärdeten, ändert nichts daran, daß sich durch uns der Fabel-Kluck von märchenhafter Schnelle in einen bedächtig Zeit vertrödelnden Herrn verwandelt, den ein strategisches Kanonenfieber befiel.

Am 7. wich 32. R., doch 93er südöstlich Trocy umfaßten, die »Talons« (Zuaven) und 55. D. verließen in Auflösung die Schlachtlinie. Armins Fußartillerie brüllte verderblich, 4. Feldart. streckte die Stürmer scharenweise nieder, obschon sie selber bedeutend litt. Am Nordflügel ging General Villaret mit der Elitedivision Belfort zum Angriff über. »Fünf heroische Angriffe« scheiterten gegen die Bromberger bei Acy. Die schweren Haubitzen ihrer 15. Fußartillerie mischten sich grob ein. 63. D. über Etavigny bedrängte das brave 66. R., dem 5 Hauptleute bluteten, zuletzt warfen aber 66. Inf. und II/26. den Feind in die Flucht und aus Etavigny heraus, zwei Brandenburger Füsilierbataillone nahmen Thury in Maunourys linker Flanke. Gleichzeitig meldete 62. D. bedenklich aus Creil, wo auch 149. der Bromberger verblieben zu sein scheint, es verlor Null. Erst jetzt trafen aus Paris 45. und 61. D. ein, die ganze Mär von Joffres vorbedachtem Plan bricht so zusammen, denn sonst würde Maunoury doch wenigstens sein Heer vorher vereinigt haben im günstigsten Augenblick, wo Kluck angeblich im Vorbeimarsch an Paris begriffen!

General Sixt von Armin bildete jetzt eine Flankengruppe mit 7. D. bei Antilly, neben den von Kuhl natürlich vergessenen vier Brandenburger Bataillonen und 4. D. bei Acy, während im Zentrum Teile der 8. D. beidseitig die 7. R. D. umrahmten. Hier hielt man sich kräftig gegen Vautiers Rechte und Lamazes Linke. Umsonst quälten sich die von General Drude frisch vorgeführte 45. D. Oran und die Zuaven rechts gegen die Front ab, wo Linsingens Haubitzen verderblich spielten. Troch brannte, doch die Schützengräben am Dorfe blieben ungeräumt, Vareddes blieb den Pommern. Nochmals erneuerte sich die Schlacht nach Eingreifen des R. K. Ebener, bis Armin nochmals vorbrach und 61. D. derart über den Haufen warf, daß sie sich erst weit westlich Nomtenil sammelte. 45. D. griff heftig am Südflügel an, die vernichteten Zuaven und 55. D. ablösend. 63. D. stellte sich dem deutschen Vordringen am Nordflügel entgegen, und abends reihte sich dort auch 7. franz. D. an, während 8. franz. D. in unsicherer Haltung Anlehnung an French suchte. Obwohl Joffre ihm solche Unterstützung zuwandte, stimmte Maunoury Klagelieder an, Kluck tat aber desgleichen. Am 8. verlängerte die vom langen Transport erschöpfte 7. franz. D. umsonst die Schlachtlinie im Westen, und den Wunsch, den Paris erschreckenden Kanonendonner bei Lizy zu dämpfen und dort mit Ourcqüberschreitung in Klucks linke Front zu fallen, verhinderten die erprobten 93er, während II/14. und vier Bataillone der 3. D. den Südpunkt hielten. Man sieht, Truppen des 4. K. standen überall bunt durcheinander, wie sie gerade anlangten, neuer Beweis, daß sie nie vereint im Vormarsch begriffen. Da 2. K. im August weniger litt, als irgendein anderes, und 4. R. K. fast unberührt blieb, so kann »ihr heldenhafter Widerstand« nicht gar hoch bewertet werden; ihr Ruhmestitel ist weit mehr ihr späteres Verhalten in der großen Hauptschlacht bei Nouvion. Die taktische Überlegenheit seiner Aktivtruppen, die sich zu den besten Deutschlands zählen, die furchtbare Gewalt seiner schweren Artillerie machten Kluck dem hastig zusammengestellten und erst nacheinander eingesetzten Heer Maunourys mehr als gewachsen. »Unbesiegt« zog er von dannen? Sollte er sich noch gar bei solcher Bewandnis besiegen lassen? Er meldete an Bülow, er stehe »westlich des Ourcq«, woraus Bülow schloß, er sei dem Feind angriffsweise nach Westen entgegengegangen und habe so die Lücke zu Bülow noch erweitert. Kluck stand aber von Anfang an westlich des Ourcq, Bülow zeigt nur wieder, wie wenig orientiert er war.

Auch der 8. endete als französische Niederlage. Die kleine Brandenburger Gruppe drang über Betz ein, franz. 61. und 7. D. fühlten sich so unwohl, daß die 8. D., bisher am rechten Flügel temporisierend, am 9. zum linken herübergeholt werden mußte. Die Generäle Boelle und Vautier verständigten sich, daß es sehr schlecht stehe. Zeitweilige Erstürmung von Acy bezahlten 3. Chass. mit ihrer Vernichtung. Die Oran-Division richtete nichts aus, die seit 5. wacker fechtende 56. war todmatt. Birchers Aufstellungsskizze können wir nicht befürworten. Er verpflanzt 74. Art. nach Plessis, die schwerlich dort war, wohl aber 7. R. A., ebensowenig 53. Art. bei den Thüringern, wohl aber 22. R. A., er vergißt 42. und schiebt fälschlich 149. ein, verabreicht irrig 153. bei Etavigny als Zuspeise, hält dagegen 93. für unbeschäftigt, während die stets rühmenswerten Anhaltener die am 8. abends stürmende Division Lartigue tüchtig abwehrten. Noch immer spukt die Verirrung mancher Historiker herum, Kluck sei am 9. abgezogen. Das paßt Bülow als Wurzel der Sumpfpflanze seines Rückzugswillens, was wir aber auszutilgen wissen. Am 9. war vielmehr der Hauptkampftag. Erst jetzt traf 49. der 4. D. bei Acy ein, drüben durchfuhren Taxiautos aus Paris die Reihen und luden 60. und 65. Rgt. und 47. und 67. Alpenjäger ab. Doch die Sache ging noch schlechter. Auf den Flügeln fühlte man sich geschlagen, im Zentrum scheiterte ein Ansturm der Alpenjäger unter schwerem Verlust. Eine Weile war die teils anrückende, teils mit der Vorhut abrückende 5. brandenb. D. bei Trocy angehalten, um die anscheinend bedrohte 3. D. zu decken, zu deren Flankenschutz auch 9. Kav. D. herangezogen und so Marrwitz 2. Kav. D. am Morin vereinzelt wurde. Die 4. Kav. D. zur Rechten Klucks konnte freilich nicht hindern, daß französische Kavallerie weit im Westen umging und sogar Kluck gefährlich in seinem Hauptquartier beunruhigte. Sie wich aber eilig, als Teile der 18. D. dort auftauchten. General Quast versammelte eine neue Flankengruppe aus 6. und 18. D., zwei Landwehrbataillone des Oberst Schulenburg hängten sich den Brandenburgern an, während Brig. Lepel nebst Batterie der 10. L. W. Brig. gegen Boelles Rücken bei Baron aufmarschierte. Quast rüstete sich, über Nanteuil vorzubrechen. Maunoury hatte sich ganz verausgabt, Detachierung von Zuaven nach Creil blieb erfolglos, auch von dort drohte ihm weitere Umfassung, er bereitete Aufnahmestellung bei Montlyon vor für baldigen Rückzug, den die mit Autos aus Paris geschickte 62. D. decken sollte. Schon nahm die Gruppe Armin erneut Betz und wahrscheinlich mit 36. und 49. auch Nanteuil gemeinsam mit Quast, der den Feind vor sich hertrieb. (So behauptet Kuhl, doch ein Blick in Verlustlisten macht zweifelhaft, ob überhaupt Teile 9. K. dort ins Feuer kamen). Dagegen wich die Linke unter Linsingen unbemerkt hinter den Ourcq, um gegen French eine Abwehrflanke zu bilden. Das hätte genügt, dort jedes feindliche Vorrücken zu unterbinden, während Klucks Rechte festen Boden unter den Füßen gewann, um Maunoury vollaufs los zu werden. In diesem Hochmoment deutschen Übergewichts platzte eine Art geistiger Stinkbombe hinein, ein schon am 5. bei Rebais hinhuschender Bote der O. H. L., namens Hentsch, der allen Ernstes schon am 5. ohne jeden ersichtlichen Grund von »Mißlicher Lage« phantasiert hatte.

Die unerfreuliche Vorstellung eines Parallelmarsches von 3. und 9. K. dicht nebeneinander nach Nordwesten, scheint auch phantomartig! 120 km zurücklegen und dann völlig übermüdet sogleich schneidig und begeistert am 9. früh vorstürmen, wie Kuhl beschreibt? Höchst unglaublich, daß die menschliche Natur so etwas verträgt, was z. B. die Taten der Brigade Wedel bei Mars la Tour bedeutend überbieten würde! Viel wahrscheinlicher, daß 6. D. sich dauernd ganz am Ourcq befand und ebenso ein Teil 18. D., der nie Anschluß an die Morinfront erreichte und auf halbem Wege umkehrte.

Schon bog Maunoury seine ostwärts gerichtete Front südöstlich um. »Wahrhaft verzweifelte Gegenangriffe hemmten den Fortschritt des Gegners«, doch daß die im Laufe des Tages durch Lartigue verstärkte D. Tertinion »Boden gewann«, wird man umso weniger glauben, als Boelle die Lage als bedenklich ansah. Er hatte Grund genug. Mächtig donnerten die schweren Bamberger und Magdeburger Haubitzen. Wasser sowie Wiesen und Heuschober röteten sich, französische Erde trank reichlich französisches Blut, am wildesten suchten die Kerntruppen bei Acy die Landwehr- und Landsturmmänner auszustechen, die infolge übergroßer Verluste in Auflösung aus dem Feuer gingen. Kein Beeifern half, die Deutschen behielten durchweg die Oberhand. Von French war nichts zu erwarten, der fiel schon vor Schreck um, als deutsche Reisige auf ihn zukamen. Auch Fabriquetts schildert, daß Maunoury unmöglich länger standhalten konnte. Maurice schreibt, nur ein paar Stunden weiteren Kampfes hätten Kluck entscheidenden Sieg verschafft, nur der englische Vormarsch habe M. aus höchster Gefahr gerettet. Echt englisch! Nichts derlei! Frenchs träge Trödelei hätte Kluck nichts anhaben können.

Von ernster Verwendung der frisch eingetroffenen Brigade Lepel, der L. W. Brig. Schulenburg, der 3., 6. und 18. D. (in falscher Lesart 3. und 9. K.), die er jetzt alle beieinander hatte, sah Kluck ab. Warum, wissen die Götter, aber auch Psychologen, die in der Seele lesen. Klucks Buch betont, daß er sich nun endlich stark genug fühlte, um den Feind endgültig abzuschütteln, warum verschob er es auf den Folgetag? Nach eigenem französischem Eingeständnis konnte er Maunoury geradezu den Genickfang geben, der völlig »fertig« war. Am 10. trat statt dessen Kluck schimpflichen Rückzug an, wofür er freilich Verantwortung ablehnt durch eine haarsträubende Mitteilung. Würde ein von der Fama Verfehmter wie Hausen solche Scherze vorbringen, so hätte er einen Heiterkeitserfolg der Ungläubigkeit, doch der »große Kluck« darf sich jede Unglaublichteit erlauben. Etwas Wahres ist ja unstreitig daran und das ist das Traurigste. Denn ein Heerbetrieb, in dem so etwas möglich, ist zum Untergang reif. Wir versparen uns Betrachtung der Affäre Hentsch für später.

Dieser Oberstleutnant vom Großen Generalstab spielte sich als Sendbote Moltkes auf, ohne eine schriftliche Vollmacht aufweisen zu können, was jedem militärischen Dienstbetrieb widerspricht. Nichtsdestoweniger fand sein Unkengekrächze bei Bülow Gehör, der ihn vielmehr noch darin bestärkte und ihn zu Kluck schickte, geladen mit Rückzugswillen. Gewiß würde Klucks unverzeihliche Handlung durch Bülows verderblichen Einfluß einigermaßen gedeckt. Auch will er im Auto schon weggefahren sein als sein Stabschef und Hentsch hinter seinem Rücken sich vereinbarten. Ei, so geringes Ansehen genoß er bei seiner eigenen Armee? Wir werden ersuchen sich zu entscheiden, ob diese unerhörte und einzig dastehende Aufklärung stichhaltig verfängt! Unsere Untersuchung wird negativ ausfallen und lieber das Wort Ausflucht wählen. Mit Fug schreibt Müller-Löbnitz, Kluck habe durch Funkspruch recht wohl Bülows Rückzug aufhalten können. –

Maunoury wuchs zwar nach und nach auf 150 Bataillone, von denen aber 45 der 7., 8. und 14. D. früher schon sehr schmolzen und die jetzt, nacheinander eingesetzt, so zerschlagen waren, daß man die R. Divisionen kaum mehr brauchen konnte. Boelle und Vautier waren mit ihm einig, daß man auf Paris zurück müsse. Seine Linke gab immer nach. Ein Raid der 5. K. D, im Westen erreichte angeblich Oulchy und den Matzwald bei Cotterets, wie der Vortrag eines französischen Generals nach dem Kriege behauptet, sicher sehr übertrieben. Klucks Buch verzeichnet, daß man beinahe sein Hauptquartier überfiel, die Räuber aber bald verscheucht seien. Unseres Erachtens befanden sich III. und II/84. der 18. D. im Anmarsch. I/84. zersprengte diese Kavallerie Sie hatte 300 Radfahrschützen nebst 12 Geschützen, die wohl das meiste taten, denn selbst ein Aufblaser dieser Raids gibt zu Kav. K. Sordet sei »durch Strapazen ermüdet« gewesen, so daß man eine provisorische Kav. Brig. neu errichten mußte. Wie kann da Bridoux so viel Kräfte aufgebraucht haben, um seine gewaltsame Aufklärung so weit vorzubringen? Man hob eine Munitionskolonne auf und überrumpelte Luftschiffer in ihrer Halle? Warum nicht? Doch von Einwirkung auf die Etappen wurde nichts bemerkt. Man versucht nur französischerseits, sich Klucks unerklärliche Haltung psychologisch zurecht zu legen. Von Umfassung Klucks durch solche Reiterscherze können nur Toren reden. Überhaupt wird unzulässig verallgemeinert, als ob beiderseits auf der langen Front von Nanteuil bis zur Maas bestimmte Absichten verfolgt seien. Planmäßiges Verfahren wird nur beim Kronprinzen erkannt, sonst ging es überall wie bei Spichern, Wörth, Vionville, Colombey: Wegen Einzelteilen, die nach vorn durchgingen, ließ sich nachher regelrechte Feldschlacht nicht vermeiden, ohne Plan und ohne Vereinigung, hätte Maunoury wirtlich die große Offensive gewollt, die man ihm zuschiebt, wäre er so anfangs bloß mit Lamaze vorgegangen? Dessen Kampf zog nun wie Magnet das Eisen alle folgenden Teile an, die erst nacheinander auf dem Schauplatz erschienen.

Kuhl und Bergman wollen sich Hentschs Beeinflussung auf 1. A. lebhaft widersetzt haben. Kühl sagt nichts von Klucks angeblicher Abwesenheit, sondern daß er auf Kuhls Vortrag seine Einwilligung gab und die heftige Gegenvorstellung Quasts unbeachtet ließ. Mit unerschütterlicher Weisheit beharrte er bei seiner Erleuchtung und Bekehrung durch den Propheten Hentsch. Wer irrt hier, Kluck oder Kuhl? In der Nacht zum 10. depeschierte Joffre, Esperet »siege«, man müsse unbedingt Kluck fesseln. Er erhielt das Jawort, man wolle das Äußerste versuchen, doch ohne jede Aussicht auf Erfolg. So ging denn der Abgekämpfte am 10. Morgens schweren Herzens wieder vor, da am vorigen Abend Kluck sich merkwürdig untätig verhielt. Die ersten 300 Schritt, unter ziemlich scharfem Feuer durchstürmt, kennzeichneten sich durch französische Leichenhaufen, doch 150 Schritt vor den deutschen Schützengräben hörte dies plötzlich auf, man fand sie leer. Winzige Leichenhäuflein bezeichneten am Wege den deutschen Abmarsch (Barzini). Das grenzenlose Erstaunen der Franzosen verwandelte sich in Triumphgeschrei, als man entdeckte, daß Kluck außer 6 zertrümmerten Geschützen sogar einen Teil seiner Hospitäler zurückließ. Daß sind die 4000 (!) Gefangenen, die man bis zur Aisne aufgelesen haben will, wohinter wir ein dickes Fragezeichen setzen. Tatsache ist freilich, daß französische Kavallerie bei Nogent le Rotru einbrach und dort die Hospitalinsassen gefangen nahm. Es ist das schimpflichste Ereignis des Weltkriegs auf deutscher Seite, und es ändert nichts daran, das die Klucklegende in Umlauf setzt (Klucks Buch schweigt sich aus), man habe selber 4000 Gefangene und 50 Kanonen mitgeführt. Sehr fragwürdig, doch ebenso Maunourys Angabe, er habe nur 7000 Tote und Verwundete verloren. Laut Barzini bedeckten unzählige französische Leichen die Hochfläche und Niederung westlich der Marne. Nach Kampfverlauf und eigener französischer Schilderung muß er viel mehr eingebüßt haben, als Kluck, derselber über 7000 verlor, allerdings inkl. Gefecht bei Senlis (480) am 2. und etwaigem Seitengefecht von I/II/84. (170) 4. K. D. (250 inkl. Rückzug, besonders 17., 18 Dragoner Mecklenburg, auch 2. Kürassiere, 13., 16. und zugeteilte 6. Husaren litten ziemlich), welche am 10. nachts durch Waldüberfall ihre reitende Batterie verlor. Jetzt erst tauchte französisch-englische Reiterei im Waldgebiet südlich der Aisne auf, noch am 10. blieb angebliche Flankenbedrohung durch French rein platonisch. Daß Kluck für alle seine Unterlassungssünden noch einen Fabelkranz erhielt, zeigt historische Interessenfälschung, mit Kritiklosigkeit und Beliebtheitsmode in holdem Verein. Die viertägige Schlacht kostete ihn nur 6500. Nur 66. R. (15, 980), 7. R. A., 4. Art. und 4. R. Fußart, litten bedeutend, die ganze Artillerie verlor über 400. Bei Armin gab es Bataillonsverluste von 68-100 Mann, im ganzen 1200, Linsingen verlor 1450, 22. R. D. nur 1250, 7. R. D. hochgerechnet 2150, 6. D. 485. Die selten reinlich geschiedenen Listen laufen oft bis Ende September fort, so daß dem Takt, der sich auskennt, die Scheidung überlassen bleibt. Laut Kuhl, dessen BVuch in allem nicht auf 1. A. Bezüglichem oberflächlich und wenig brauchbar, verlor 4. R. K. 163 0ff. 4000 Mann. Das möchten wir beanstanden, da er unsern eigenen Ansatz um 765 Köpfe überspringt, denn sicher ist dabei der Rückzug inbegriffen bis 15. und ferner wohl 4. R. Jg. dazu, die vermutlich bei Marrwitz beschäftigt. Chronologie der Listen verbietet uns, zu viel auf den Ourcqkampf, zu wenig auf die spätere Morsainschlacht zu rechnen. Manche Listen sind zwar summarisch für den ganzen Monat, andere aber sehr deutlich getrennt für beide Monatshälften, mit ausdrücklich schweren Verlustangaben für die spätere und geringen für die frühere. Die Natur der Kämpfe selbst schließt aus, daß die meist auf Verteidigung beschränkten Deutschen mit überlegener Artillerie auch nur entfernt so litten, wie die Franzosen, deren Einbuße wohl auch nicht sehr erheblich war. Diese schlugen sich ungleich, Kerntruppen nicht besser als die Reservisten. Die Belfortdivision mußte durch tapferes Aushalten ihrer Artillerie unter Oberst Nivelle aufrechterhalten werden, der nicht ahnte, wie er einst als Generalissimus auf diesen nämlichen Gefilden gegen die Boches vordrängen werde. Daß der »Feind viel schwere Artillerie, anscheinend aus Paris« verwendete, wie man an Moltke berichtete, bezieht sich nur auf einige bei Meaux aufgepflanzte Batterien, die in der Tat die 3. D. in der Flanke beschossen und auch einen Marneübergang der 9. K. D. verhinderten. Wie wenig man am 6. über die feindlichen Kräfte wußte, zeigt die Angabe, daß meist Engländer und 5 (!) franz. K. gegenüberstanden. Verdunkelnde Fama übertrug spätere Hauptschlacht auf die Ourcqgefechte, wo Kluck nach eigener französischer Angabe den Sieg in Händen hatte, als sein Rückzug erst nur 5 km rückwärts, dann reißend unaufhaltsam ohne jede Nötigung vor sich ging. Und dennoch Lobpreisung dieses »Feldherrn« in wahnsinniger Verhimmelung, von der wir eine Blütenlese anlegen könnten, wenn uns nicht zorniger Ekel den Wund schlösse!


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