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XV.
Gelöste Rätsel.

Die endliche Verhaftung des Mörders Pedro Serrao erregte in der Stadt größte Sensation. Die Tagespresse brachte spaltenlange Artikel, die illustrierten Blätter zeigten ihren Lesern in mehr oder weniger gut gelungenen Bildern die Porträts aller Beteiligten, sowie Illustrationen zu den gewagten Unternehmungen der Verbrecher. So wurde auch der Kampf auf der Plattform des Hauses verewigt.

Die ganze Stadt sprach nur noch von Pedro Serrao und dem Detektiv Braun.

Kommissar Seidel hatte Braun sofort, als er von der Verhaftung des Mörders durch den Detektiv erfuhr, beglückwünscht, und dieser ersuchte ihn, dem Verhöre Serraos beizuwohnen.

Pedro hatte kein Wort seit seiner Verhaftung gesprochen. Alles Drängen in ihn war umsonst geblieben. Die vorgefundenen Schmucksachen und Brillanten wurden sofort an den Geschädigten zurückgegeben, ebenso das bei ihm und Hans vorgefundene Geld den nachweislich Geschädigten zurückerstattet. Die Versicherungsgesellschaft stellte sofort 5000 Mk. zur Verfügung der Polizeidirektion; 1000 Mk. wurden von Juwelier Westmann, 3000 von Nathan Aronstein. 5000 Mk. von dem Besitzer des Geschäftes in der Briennerstraße, dessen Schaden mehrere 100 000 Mk. betragen hätte, zur beliebigen Verwendung, insbesondere aber zur Unterstützung der an der Festnahme des Täters Beteiligten dem Polizeidirektor übergeben. Dieser entschädigte mit dem Gelde zunächst die Hotels, die durch die beiden Gauner betrogen worden waren.

Der Leichnam des abgestürzten Hans war sogleich am darauffolgenden Tage beerdigt worden. Auch in seinen Kleidern wurde nicht das Geringste vorgefunden, woraus man hätte entnehmen können, wer und woher er war.

Pedro selbst verhielt sich allem gegenüber vollständig apathisch und war nicht zum Reden zu bewegen. Erst nach einigen Tagen bat er, man möchte ihn zum Verhöre vorführen.

Als Braun davon erfuhr, ließ er sofort den Kommissar rufen, damit er der Vernehmung beiwohne. Dieser erschien darauf sofort.

Bald brachten dann auch zwei Schutzleute Pedro Serrao in Eisen geschlossen in das Bureau. Er war in den wenigen Tagen sehr gealtert, so daß er kaum noch zu erkennen war.

Braun war ihm gegenüber sehr freundlich und entgegenkommend. Als Pedro sich gesetzt hatte, begann Braun:

»Ich glaube, Ihnen zunächst empfehlen zu sollen, nunmehr in allen Punkten ein offenes Geständnis abzulegen. Es hat sich das Beweismaterial derartig angesammelt, daß jedes Leugnen oder Widersprechen erfolglos wäre.«

»Ich gestehe alles zu!« unterbrach ihn Pedro.

»Dies zeigt wenigstens, daß Sie insoweit ein aufrichtiger Charakter sind und nicht heimtückisch zu leugnen suchen, was Sie begangen haben. Daß für jede Tat auch Strafe und Sühne sein muß, werden Sie wohl selbst einsehen.«

Pedro nickte.

Braun fuhr hierauf wieder fort:

»Der letzte Einbruch, sowie der Raub Westmann und die verschiedenen Hotelbetrügereien sind so völlig aufgeklärt, daß Sie wohl alles zugestehen werden.«

»Ja! Es ist alles so, wie die Leute angaben,« antwortete Pedro ruhig und in bestimmtem Tone.

»Gut! Es bedarf lediglich der Fall Monnard noch einiger Aufklärung. Sie haben diesen ja auch ermordet.«

»Nein! Monnard habe ich nicht ermordet!« Ein flüchtiges Lächeln huschte über das Gesicht Pedros.

»Unterbrechen Sie mich jetzt nicht. Es ist zwar zwecklos, wenn Sie leugnen, aber ich werde Ihnen vorerst genau erzählen, wie die Tat geschehen ist. Dann können Sie reden!«

»Ich höre!«

»Sie hatten mit Hans schon lange vorher den Mord geplant. Sie wollten die Versicherungssumme erhalten. Sie fuhren deshalb mit Hans, um ein Alibi nachweisen zu können, in der Nacht vom 15. auf den 16. nach Frankfurt. Dort stiegen Sie im »Leipziger Hof« ab, fuhren dann allein mit dem Zweiuhrzug wieder nach München, wo Sie abends 10 Uhr ankamen. Sie hatten bereits mit Monnard eine Zusammenkunft vereinbart, begaben sich dann mit diesem nach Hause und töteten ihn. Um das Gericht zu verwirren, schnitten Sie ihm den Kopf ab, den Sie mitnahmen und wahrscheinlich irgendwo versteckten oder sonstwie beseitigten. Um aber irgend ein Anrecht auf die zu erhebenden 50 000 Mk. zu haben, ließen Sie unter den Schriftstücken den mit Peter unterschriebenen Brief zurück. Sie hatten unter den Papieren Monnards die Legitimationskarte des Bruders von Fritz Monnard vorgefunden, und diese dann mitgenommen, da Sie dachten, Sie würden dieselbe vielleicht noch einmal benützen können. Hierauf entfernten Sie sich und fuhren am Morgen wieder nach Frankfurt zurück, woselbst Sie gegen Mittag eintrafen. Um Ihr Alibi glänzend nachweisen zu können, hatte Hans inzwischen in Frankfurt Ihren zweiten mit Peter unterschriebenen und an die Wohnung adressierten Brief auf die Post geschafft, und nun konnten Sie in Seelenruhe wieder nach München reisen. Als Sie dann später durch mich erfahren hatten, Sie müßten sich bei der Erhebung des Geldes auch legitimieren, benutzten Sie dazu die Legitimationskarte des Ferdinand Monnard. Ist es nicht so?«

Fragend sah Braun Pedro an.

Dieser aber sagte wiederum nur:

»Ich habe Monnard nicht ermordet.«

»Das ist nicht möglich!« rief Braun, den das Leugnen des Gefangenen in diesem für ihn so klar erwiesenen Punkte frappierte.

»Monnard nicht!« gab Pedro wieder zur Antwort und setzte dann hinzu: » Denn ich selbst bin Fritz Monnard!«

Braun und der Kommissar sahen sich verblüfft an. Diese Antwort wirkte auf sie derart überraschend, daß zunächst keiner etwas erwiderte.

Pedro aber fuhr fort:

»Alles, was Sie über die Ausführung des Verbrechens sagten, stimmt ja. Ganz genau! Nur habe ich den Kopf mitgenommen, weil man sonst gesehen hätte, daß der Tote ein Fremder war.«

»Ah! Das also!« rief Braun.

»Sonst stimmt alles!«

»Mein erster Gedanke war allerdings auch, daß eine Mystifikation vorläge. Besonders verdächtig erschienen mir die flüchtig geknoteten Schuhbänder,« sagte Braun.

»Aber die Leiche trug doch Ihre Kleider!« warf der Kommissar ein.

»Als ich mit dem Fremden, der ein Handwerksbursche aus Polen oder so irgendwo her war, in meine Wohnung kam, schlug ich ihn mit einem Gummischlauch nieder, daß er ohnmächtig wurde. Ich entkleidete ihn sodann, zog ihm meine Kleider an und schnitt ihm dann den Kopf ab. Jetzt erst zog ich seine Kleider an, so daß nicht die geringsten Blutspuren an mir wahrzunehmen waren. Vorher aber hatte ich noch meine Hände gewaschen und den Kopf fest verpackt. Das andere wissen Sie alles.«

»Also deshalb durfte der Kopf nicht gefunden werden!« rief der Kommissar aus.

»Aber wo haben Sie den Kopf hingeschafft?« fragte Braun.

»Den haben ich und Hans in der Nähe Frankfurts in einer Nacht tief in den Boden vergraben.«

»Aber wie kamen Sie zu dem Fremden?«

»Wir trafen ihn fast jeden Tag. Er hatte uns erzählt, er hätte keine Verwandten und Bekannten, er sei ganz allein auf der Welt. Da er meine Körpergröße besaß, wurde er als Opfer benützt.«

»Jetzt dürfte ja alles aufgeklärt sein,« wandte sich der Kommissar an Braun.

Dieser aber fragte noch:

»Wer ist eigentlich dieser Hans?«

Die Miene Pedros, oder wie wir ihn jetzt nennen wollen Fritz Monnards, verfinsterte sich und nach kurzem Zögern erklärte er ruhig aber bestimmt:

»Ich werde zum Tode verurteilt werden. Das steht zweifellos fest. Ich will den einzigen Freund, den ich hatte, nicht verraten und wenn ich mein Leben dadurch retten könnte. Er ist tot. Alle, die ihn und seinen Namen kennen, halten ihn für einen ehrlichen Menschen und für diese mag er es auch bleiben.«

Alle weiteren Versuche Brauns, den Namen von Monnards Genossen zu erfahren, blieben erfolglos. Er ließ daher den Gefangenen wieder abführen.

Als Monnard das Bureau verlassen hatte, sahen sich der Kommissar und Braun an. Dann sagte der Kommissar:

»Wer hätte das wohl für möglich gehalten?«

»Ich nicht!« antwortete Braun. »Aber seien wir froh, daß es so weit gekommen ist. Das Rätsel ist jetzt vollständig gelöst.

*

Nach eifrigen Nachforschungen wurde schließlich der Kopf des Ermordeten an der von Fritz Monnard bezeichneten Stelle bei Frankfurt ausgegraben, und Zeugen, die dem Gefangenen gegenübergestellt wurden, erkannten ihn auch als Fritz Monnard wieder, nachdem man ihm die Haare wieder braun gefärbt hatte. Es bestand daher nicht mehr der geringste Zweifel an den Aussagen des Gefangenen.

Er wurde etwa ein halbes Jahr später vom Schwurgerichte zum Tode verurteilt, und das Urteil auch vollzogen. Monnard verzichtete auf ein Gnadengesuch. Er betrat ohne zu wanken, ruhig und gefaßt das Schafott, nachdem er vorher vor einem Priester sein Gewissen erleichtert hatte.

Von Hans konnte man nicht das Geringste mehr erfahren. Wer er war, blieb für immer unbekannt.

Während die an der Festnahme beteiligten Schutzleute eine größere Geldsumme erhielten und sie auch annahmen, lehnte Braun jede Belohnung ab. Er erklärte, lediglich seine Pflicht erfüllt zu haben, und bat, das für ihn bestimmte Geld dem Verein zur Fürsorge entlassener Sträflinge zu übergeben, damit es vielleicht noch dazu dienen könne, junge Burschen von der Bahn des Verbrechens fernzuhalten.

Ein Ehrenzeichen, das ihm außerdem noch verliehen wurde, nahm er an, bat dann aber um seine Entlassung. Er konnte die Szene nicht vergessen, wie er auf dem Dache hart am Rande des Abgrundes zwischen Tod und Leben schwebte.


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